Landessortenversuche Wintergerste 2016

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Die Landessortenversuche prüfen die Anbauwürdigkeit neuer und älterer Wintergerstensorten. Hier Versuchsflächen im Mai.


Wintergerste-Versuchsflächen im JuniBild vergrößern
Wintergerste-Versuchsflächen im Juni. Fotos: Heinrich Brockerhoff


Wintergerste 2016: Durchschnittsernte bei schwacher Qualität!

Die hervorragende Ernte 2015 und die Regeln zur Anbaudiversifizierung hatten der Wintergerste im Herbst 2015 zusätzliche Impulse gegeben. Nach der Ernte 2016 gibt es nun eine gewisse Ernüchterung. Die Erträge waren verglichen mit 2015 enttäuschend. Es war eine normale Durchschnittsernte bei teilweise erheblichen Ertragsschwankungen im Betrieb. Sehr gute Erträge waren die Ausnahme und enttäuschende Erträge häufiger als sonst üblich. Enttäuschend waren neben den schlechten Preisen auch die niedrigen hl-Gewichte. Heinrich Brockerhoff und Heinz Koch stellen die Ergebnisse der Landessortenversuche vor und geben Tipps für die kommende Aussaat.

Besonderheiten des Anbaujahres

Wo liegen die Gründe für die schlechteren Erträge in diesem Jahr? Die Aussaat im Herbst 2015 verlief unter überwiegend guten Bedingungen. Der sehr milde Herbst begünstigte auch Spätsaaten, die noch eine ausreichende Vorwinterentwicklung erzielten. Bis in den Dezember hinein war es extrem mild. Früh gesäte Bestände waren überwachsen und litten unter Mehltau, Netzflecken, Zwergrost und zum Teil auch Manganmangel. In vielen Beständen fand man bis ins Frühjahr durchgängig Blattläuse. Einige Flächen zeigten Gelbverzwergungsvirus. Mitte Januar erfolgte in Höhenlagen für wenige Tage ein Wintereinbruch mit Kahlfrösten. Im Gegensatz zu Triticale waren Schäden in Wintergerste aber die absolute Ausnahme. Das Frühjahr war trocken und sorgte bis Ende Mai für ungewöhnlich gesunde Bestände. Die Wachstumsreglergaben Mitte bis Ende April zeigten eine gute Wirkung. Bis dahin sah alles gut aus. Ab Ende Mai wurde es richtig nass. Dauerregen und extreme Starkregenereignisse an einzelnen Standorten führten über Wochen zu Stress für die Wintergerste. In einigen Regionen trat schon früh Lager auf. Die Böden waren wassergesättigt und in vielen Oberböden herrschte Nährstoff- und Sauerstoffmangel. Das bedeckte Wetter führte auch zu einem Mangel an Sonnenstunden. Keine günstigen Bedingungen in der Kornfüllungsphase. Die niedrigen TKG´s und hl-Gewichte sind das Ergebnis dieser Witterung. Verdeutlicht wird dies auch im Vergleich der mehrjährigen Ertragsstrukturen in den Landessortenversuchen (Tabelle 1, PDF-Datei unten). Kornzahl pro Ähre, TKG und hl-Gewicht zeigten sich 2016 unterdurchschnittlich. Anfang Juli reiften die Bestände dann sehr schnell und mit teilweise schlechter Strohstabilität ab.

Landessortenversuche als sichere Basis für Empfehlungen

In den Versuchen der Landwirtschaftskammer NRW wurden in diesem Jahr insgesamt 24 Sorten geprüft. Dabei handelt es sich um 17 mehrzeilige und 2 zweizeilige Linien- sowie 5 Hybridsorten. Neu geprüft wurden 2 Linien- und 2 Hybridsorten. Die Landessortenversuche werden gemeinsam mit den Landwirtschaftskammern aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein geplant und verrechnet. Versuche auf vergleichbaren Boden- und Klimagruppen (Löß, Lehm, Sand, Höhenlagen) werden in der Auswertung zusammengefasst. Durch dieses Vorgehen gibt es mit 6 Lehm-, 3 Sand- und 4 Höhenstandorten eine sehr sichere Basis zur Sortenbeurteilung.

Auf Lößstandorten in der Köln-Aachener Bucht wurden im Herbst 2015 an 2 Standorten Versuche angelegt. Aufgrund von Hagel konnte der Standort Erkelenz-Venrath nicht ausgewertet werden. Hier bleibt leider nur 1 Standort zur Sortenbeurteilung. Landwirte auf Lößstandorten können und sollten daher auch einen Blick auf die Ergebnisse auf Lehmstandorte werfen.

Die Prüfung erfolgte in 2 Behandlungsstufen. Neben der praxisüblichen Intensität (normale Düngung, 2 x Fungizid und 2 x Wachstumsregler) wurde zur Beurteilung der agronomischen Eigenschaften eine Variante ohne Fungizide und mit sehr eingeschränkter Wachstumsreglergabe durchgeführt. Pilzkrankheiten, an einigen Standorten aber auch frühes Lager führten in dieser Variante zu Mindererträgen von durchschnittlich knapp 18 dt/ha. Die höhere Intensität war also wirtschaftlich.

Nicht nur auf den Ertrag achten!

Der erste Blick bei der Sortenwahl geht natürlich auf die Ertragsleistung des Jahres 2016 auf den Einzelstandorten (Tabelle 2) und auf die mehrjährige Ertragsleistung auf den Standortgruppen (Tabelle 3). Bei den mehrjährig geprüften Sorten spiegelt sich über die Konstanz hoher Erträge die Ertragssicherheit einer Sorte wieder. Gute Sorten sind keine Eintagsfliege. Liniensorten wie KWS Meridian, KWS Keeper, KWS Tenor, Pelican und Quadriga oder die Hybriden Galation und Wootan bringen schon seit Jahren auf allen Standortgruppen oder nur auf bestimmten Standortgruppen durchgängig überdurchschnittliche Erträge.

Bei jetzt zweijährig geprüften Sorten wie Joker oder Neuzulassungen wie LG Veronika, Bazooka oder Pharaoo kann die Ertragssicherheit noch nicht sicher beurteilt werden. Interessant sind neuere Sorten dann, wenn sie in den vorliegenden Prüfjahren erkennbar besser als ältere Sorten abschneiden oder bei gleichen Erträgen in wichtigen Merkmalen Vorteile zeigen.

Wichtige agronomische Eigenschaften wie Winterhärte, Gesundheit, Virustoleranz, Standfestigkeit, Strohstabilität und hl-Gewicht spielen neben der Ertragsleistung eine entscheidende Rolle für die Sortenwahl. Auch die Spätsaatverträglichkeit kann nach Vorfrucht Mais Vorteile bringen. Keine Sorte erfüllt alle genannten Merkmale. Jeder Anbauer muss daher überlegen, welche Eigenschaften für ihn besonders wichtig sind und dann selektieren. Die Einstufungen der beschreibenden Sortenliste (Tabelle 4) geben bei Wintergerste nach unseren Erfahrungen hierzu sehr verlässliche Informationen.

Trotz der zuletzt sehr milden Winter sollte vor allem in Höhenlagen die Winterhärte nicht vergessen werden. Sorten unterscheiden sich, die Unterschiede sind aber geringer ausgeprägt als beim Winterweizen. Besser als der Durchschnitt sind KWS Keeper, KWS Kosmos, KWS Meridian, KWS Tenor, Antonella, Bella, Loreley und Matros. Bei Standorten, die durch das Gelbmosaikvirus vom Typ 2 (BaYMV-2) gefährdet sind, ist die Sortenwahl von Anfang an begrenzt. Altbekannte Sorten wie Nerz und Kathleen werden nicht mehr vermehrt. Mit KWS Keeper und Joker stehen aktuell nur 2 Sorten zur Auswahl. Beide erreichen das Ertragsniveau der einfachresistenten Sorten. KWS Keeper ist relativ lang, später reif und passt eher auf die besseren Standorte. Joker ist früher in der Reife, hat aber Schwächen bei Halmknicken und hl-Gewicht.

Beim Gesundheitswert gibt es bei Wintergerste nur geringe Unterschiede. Durchgängig gesund ist leider keine Sorte. Auch bei der Standfestigkeit gibt es weniger Varianz als beim Winterweizen. Gut standfeste Sorten wie SU Ellen haben Schwächen beim Ährenknicken. Knapp überdurchschnittlich bei Standfestigkeit, Halm- und Ährenknicken ist Tamina. Besonders gefährdet bei Halm- und Ährenknicken war bislang die Gruppe der Hybridsorten. Die neue Hybride Bazooka zeigt sich hier verbessert.

Bei der Vermarktung ist das hl-Gewicht in kritischen Jahren ein sehr wichtiges Merkmal. Das aktuelle Jahr ist hierfür leider ein gutes Beispiel. Sorten mit den Boniturnoten 5 und 6 in der Beschreibenden Sortenliste erreichen in normalen Jahren zuverlässig die kritische Grenze von 62 kg. Bewährt überdurchschnittlich gut schneiden neben den zweizeiligen Sorten KWS Infinity und Matros auch mehrzeilige Sorten wie Leibniz oder die Hybriden Wootan oder Galation ab. Probleme beim hl-Gewicht haben Joker und SU Ellen. Hier kann es in Jahren wie 2016 wirklich knapp werden.

Hybride oder Liniensorte?

Bei Selbstbefruchtern wie Wintergerste und Winterweizen haben es Hybriden immer noch schwer. Die besten Liniensorten dreschen nicht schlechter als die Hybriden. Warum also Hybriden anbauen? Höhere Saatgutkosten führen auch bei reduzierten Aussaatmengen von 180 Körnern/m2 zu Mehrkosten. Zwischen den einzelnen Hybriden gibt es Preisunterschiede beim Saatgutpreis pro Einheit. Im Vergleich zu Liniensorten bleiben je nach Sorte Mehrkosten von 50 bis 70 €/ha. Hybriden müssten daher bei aktuellen Futtergerstenpreisen mindestens 4 dt/ha oder je nach Ertrag 4 bis 5 Prozent Mehrertrag bringen oder aber mehrjährig ertragssicherer sein. Nur dann verdient der Anbauer zusätzliches Geld. Das ist aktuell anhand mehrjähriger Versuchsergebnisse weder auf sehr guten Böden, noch auf sandigen Böden belegbar.

Gemessen an der Praxisbedeutung ist die Anzahl der angebotenen Hybriden hoch. Wootan, Galation und Tropper werden bundesweit über Syngenta Seeds vertrieben. Weitere Sorten werden exklusiv über verschiedene VO-Firmen angeboten und beworben. Celoona (Agravis), Mercurio (PSG), Pharaoo (BSL) und Bazooka (Baywa) sind entsprechende Beispiele. Fast alle Sorten wurden in den Zulassungsversuchen und in Landessortenversuchen geprüft. Hierbei waren Wootan und Galation im Vergleich die Ertragssieger. Wer Hybriden testen will oder gute Erfahrungen gemacht hat, der sollte unter diesen beiden Sorten wählen. Bazooka zeigte sich im ersten Prüfjahr durchgängig besser als Pharaoo und ist strohstabiler.

Welche Liniensorten sind empfehlenswert?

Die Empfehlung für die einzelnen Standorte ist in Tabelle 5 zusammengefasst. Für eine generelle Empfehlung müssen Sorten auf den betreffenden Standortgruppen mindestens zweijährig gut abgeschnitten haben. Positive agronomische Eigenschaften sind dann entscheidend bei der Endauswahl. Zusätzlich sind auch die Vermehrungsflächen der Sorten in NRW aufgeführt. Bei knappen Vermehrungsflächen sollte Saatgut bald bestellt werden.

Sorten mit genereller Empfehlung

Quadriga: Die Sorte zeigt mehrjährig überdurchschnittliche Erträge. Im Jahr 2016 war sie durchgängig sehr gut. Sie ist relativ lang, besitzt aber dennoch eine gute Standfestigkeit. Die hl-Gewichte sind mittel bis gut. Quadriga wird auf allen Standorten empfohlen.

KWS Meridian: Ertragsstabile Sorte ohne große Stärken, aber eben auch ohne große Schwächen. Auf Halmknicken muss geachtet werden. Empfohlen auf Löß, Lehm und aufgrund der guten Winterhärte auch in den Höhenlagen.

KWS Keeper: Nach ertragsstarken Vorjahren mit Schwächen im Erntejahr 2016. Doppeltresistenz bei Gelbmosaikvirus. Spätreif und eher lang bei dennoch guter Standfestigkeit und relativ guter Strohstabilität. Gute Winterhärte. Passt eher auf die besseren Böden. Empfehlung für Löß, Lehm und in den Höhenlagen.

Joker: Mittlerweile zweijährig geprüft mit konstant guter Ertragsleistung auf allen Standorten. Doppelresistent beim Gelbmosaikvirus. Früher reif als KWS Keeper. Schwächen bei Halmknicken und hl-Gewicht.

Tamina: Gute Ertragsleistung auf den besseren Böden. Relativ standfest mit guter Strohstabilität und guten hl-Gewichten. Empfehlung für Lehm und versuchsweise auch für Löß.

KWS Tenor: Bewährte Sorte mit im Mittel der Jahre durchschnittlichen Erträgen auf Lehm und in den Höhenlagen und guten Erträgen auf Sand. Winterhart und bewährt bei Spätsaaten. Bei Netztflecken höher anfällig. Durchschnittliche hl-Gewichte. Empfehlung auf Sand und in den Höhenlagen, eingeschränkt auch auf Lehm.

Pelican: Ältere Sorte, die ertraglich immer noch eine sichere Empfehlung für die Höhenlagen ist. Die höhere Lageranfälligkeit, die schlechtere Strohstabilität und die Anfälligkeit bei Netzflecken und Rynchosporium erfordern einen intensiven Pflanzenschutz.

KWS Kosmos: Zweijährig geprüft mit guten Erträgen auf Sand und in Höhenlagen. Winterhart mit relativ guter Strohstabilität und gutem hl-Gewicht.

Wootan: Mehrjährig geprüfte Hybride mit konstant guter Ertragsleistung auf allen Standorten. Schwächen bei der Strohstabilität. Gute und sichere hl-Gewichte.

Galation: Mehrjährig geprüfte Hybride mit gegenüber Wootan leicht verbesserter Standfestigkeit und Strohstabilität. Gute und sichere hl-Gewichte. Spätsaateignung.

Sorten mit nur eingeschränkter Empfehlung

Antonella: Wurde überregional nur noch auf Sand geprüft. 2016 unterdurchschnittliche Erträge. Auch auf Löß konnte die Sorte nicht überzeugen.

Leibniz: Wird aktuell nur noch in den Höhenlagen geprüft. Die Ertragsleistungen sind unterdurchschnittlich. Besondere Stärken hat die Sorte beim hl-Gewicht. Schwächen zeigt sie bekanntermaßen bei Zwergrost und der Strohstabilität.

Matros: Zweizeiler ohne Resistenz beim Gelbmosaikvirus. Nur noch auf Sandstandorten eine sehr eingeschränkte Empfehlung.

Henriette: Im Jahr 2016 nur unterdurchschnittliche Ertragsleistung auf Löß und den geprüften Lehmstandorten. Bislang in keinem Prüfjahr überdurchschnittlich. Relativ standfest mit etwas früherer Abreife. Auf Ährenknicken, Mehltau und Rynchosporium muss geachtet werden.

Neue Sorten ohne wesentliche Vorteile!

Bei den Neuen gibt es aus aufgrund der ersten Versuchserfahrungen keine Überflieger. Hier kann sowohl bei den Linien-, als auch bei den Hybridsorten ein weiteres Prüfjahr abgewartet werden.

LG Veronika zeigte im Mittel der Standorte beim Ertrag keine Vorteile gegenüber den älteren Sorten. Das gute Ergebnis auf Löß sollte nicht überbewertet werden, da es sich nur um einen Standort handelt. Die Sorte ist relativ blattgesund.

SU Ellen ist nicht wirklich neu. Die Sorte wurde 2014 zugelassen. Aufgrund der Nachfrage aus der Praxis nach frühreifen Sorten wurde sie auf Löß und einigen Lehmstandorten wieder mit in die Prüfung aufgenommen. Die Erträge der standfesten Sorte liegen hier im Mittel. Negativ ist das niedrige hl-Gewicht.

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