Landessortenversuche Wintergerste 2018

Landessortenversuch Wintergerste im Mai 2018Bild vergrößern
Im Mai präsentierten sich die Bestände der Landessortenversuche Wintergerste noch satt grün

Wintergerste 2018 - ein schwieriges Jahr!

Breite Zufriedenheit mit der Wintergerstenernte gibt es in NRW nicht. Die Ertragsspanne reicht von enttäuschenden 5 t/ha bis zu sehr guten Erträgen von fast 10 t/ha. Die Erträge spiegeln die Besonderheiten des Anbaujahres wieder. Wie sich das in den Landessortenversuchen wiederfindet und die Konsequenzen für die Sortenwahl berichten Heinrich Brockerhoff und Heinz Koch.

Im rheinischen Landesteil können viele mit den Erträgen und Qualitäten zufrieden sein. Kein Rekordjahr, aber auch kein schlechtes Jahr für die rund 35 000 ha Anbaufläche. Im westfälischen Landesteil sind viele Landwirte unzufrieden. Ein schwieriges Jahr mit schlechten Aussaatbedingungen, einem späten Frühjahr, rasantem Wachstum im Frühjahr sowie langer Trockenheit und ausgeprägter Hitze wirkten hier ertragsbegrenzend. Bei einer Kultur mit 105 000 ha Anbaufläche in Westfalen kein Pappenstiel.

Besonderheiten des Anbaujahres

Der Herbst 2017 war warm und vor allem in Westfalen auch sehr nass. Die Böden waren nach den sehr nassen Monaten Juli und August auch durch die späte Ernte der Vorfrucht vorbelastet. Um den 20. September herum gab es sehr früh ein kleines Zeitfenster für eine optimale und bodenschonende Aussaat. Anschließend wurde es schnell wieder nass. Der Oktober war relativ warm, leider aber auch sehr niederschlagsreich. Wer nicht früh säen konnte oder wollte, der musste die Wintergerste notgedrungen nun relativ spät in ein nicht immer optimales Saatbett bestellen. Kein Problem im Rheinland, wohl aber in weiten Teilen von Westfalen. Die Monate Oktober bis Januar blieben zu warm, zu nass und zusätzlich strahlungsarm. Von Winter zunächst überhaupt keine Spur.

Das änderte sich grundlegend in den Monaten Februar und März, die sehr kalt und trocken waren. Auswinterungsschäden waren trotz Tiefsttemperaturen von bis zu minus 16 °C ohne Schneebedeckung und bei schroffem Ostwind zum Glück nicht zu beobachten. Die Vegetation startete erst Anfang April mit einer Entwicklungsverzögerung von etwa zwei Wochen. April, Mai und Juni waren viel zu warm und vor allem in der Mitte und im Osten von NRW auch noch deutlich zu trocken. Die Vegetation explodierte und der deutliche Entwicklungsrückstand wurde bis zur Abreife in einen Vorsprung von zwei Wochen umgewandelt. Viel Fingerspitzengefühl erforderte der Einsatz von Wachstumsreglern. Das schnelle Wachstum bei trockener Witterung sorgte für einen relativ geringen Krankheitsdruck. Nur Zwergrost fand optimale Bedingungen. Auch die Abreife war vergleichsweise gesund bei nicht immer guter Strohstabilität.

LSV als „Stiftung Warentest“

Neun Landessortenversuche bieten den Landwirten in NRW einen neutralen Leistungsvergleich. Bei den Versuchen handelt es sich um Exaktversuche mit Randomisierung und Wiederholungen in für NRW repräsentativen Boden- und Klimaräumen. Versuche mit zu großen Streuungen bei den Ergebnissen werden nicht mit in die Auswertung übernommen. Das betrifft in diesem Jahr den Lössstandort in Kerpen-Buir, bei dem nach einem heftigen Gewitter schon früh starkes Lager auftrat. Die Versuche in NRW werden gemeinsam mit den Landwirtschaftskammern aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein geplant und verrechnet. Versuche vergleichbarer Boden- und Klimagruppen können in der Auswertung zusammengefasst werden. Hierdurch verfügen die Kammern 2018 mit einem Löss-, sechs Lehm-, drei Sand- und vier Höhenstandorten über eine sehr sichere Basis für die Sortenbeurteilung.

In den Versuchen wurden 23 Sorten geprüft. Dabei handelt es sich um 21 mehrzeilige und zwei zweizeilige Sorten. Neu aufgenommen wurden mit KWS Orbit, Mirabelle, Pixel, SU Jule und Wencke vier Liniensorten und mit Galileoo eine Hybride. Die Prüfung erfolgte in zwei Behandlungsstufen. Neben der praxisüblichen Intensität - normale Düngung, zweimal Fungizid und ein- bis zweimal Wachstumsregler - wurde zur Beurteilung der agronomischen Eigenschaften eine Variante ohne Fungizide und mit sehr eingeschränktem Wachstumsregler durchgeführt. Die Ertragsunterschiede zwischen den beiden Stufen in NRW lagen je nach Standort Sortenmittel zwischen 3 und 19 dt/ha. Die höhere Intensität war im gesunden Jahr 2018 nicht immer wirtschaftlich.

Ertrag ist nicht alles

Der erste Blick bei der Sortenwahl geht natürlich auf die Ertragsleistung des aktuellen Jahres auf den Einzelstandorten, siehe Tabelle 1. Wichtiger ist aber der Blick auf die mehrjährige Ertragsleistung auf den einzelnen Standortgruppen, wie in Tabelle 2 dargestellt. Gute Sorten zeichnen sich neben der Ertragshöhe in einem Einzeljahr durch eine gute Ertragsstabilität aus.

Liniensorten wie KWS Kosmos, KWS Meridian, KWS Keeper, Joker und Quadriga oder die Hybriden Bazooka und Wootan sind seit Jahren sichere Leistungsträger. Bei erst zweijährig geprüften Sorten, wie Hedwig, KWS Higgins oder der Hybride Toreroo, und besonders bei den erstmals im Versuch geprüften Sorten kann die Ertragssicherheit noch nicht sicher beurteilt werden.

Wichtige agronomische Eigenschaften, wie Winterhärte, Gesundheit, Virustoleranz, Standfestigkeit, Strohstabilität und hl-Gewicht, spielen neben der Ertragsleistung eine zunehmend wichtigere Rolle. Die Einstufungen der beschreibenden Sortenliste in Tabelle 3 geben nach den Erfahrungen der Prüfer hierzu sehr verlässliche Informationen. Bei Bedarf haben wurden diese Einstufungen bei Sorten angepasst.

Bei der Vermarktung kann das hl-Gewicht von Bedeutung sein. Kein großes Problem, wenn man selber verfüttert und ein größeres Problem, wenn man die Gerste beim Handel vermarkten will. Schwächen beim hl-Gewicht haben Joker, Pixel, Sonnengold, Wencke und SU Ellen. Hier kann es in schlechten Jahren wirklich knapp werden. Trotz der zuletzt eher milden Winter darf in Höhenlagen das Merkmal Winterhärte nicht vergessen werden. Sorten unterscheiden sich, die Unterschiede sind aber geringer ausgeprägt als beim Winterweizen. Besser als der Durchschnitt sind bekannter Weise KWS Keeper, KWS Kosmos und KWS Meridian. Bei neueren Sorten fehlen hier noch Erfahrungen.

Beim Gesundheitswert gibt es bei Wintergerste leider nur relativ geringe Unterschiede. Durchgängig etwas gesünder bei Mehltau, Netz- und Blattflecken und Zwergrost sind nur Hedwig und Toreroo. In Anbetracht zunehmender Resistenzen bei Netzflecken ist bei dieser Krankheit besondere Vorsicht geboten. Besonders anfällige Sorten sollten sicherheitshalber gemieden werden. Auch bei der Standfestigkeit gibt es relativ wenig Varianz. Gut standfeste Sorten, wie SU Ellen, Wencke, Hedwig und Henriette, haben größere Schwächen beim Ährenknicken. Hier ist der späte Einsatz von Wachstumsreglern Pflicht. Ein gutes Gesamtpaket mit Lagernote vier und guten Einstufungen bei Halm- und Ährenknicken haben die Neuzulassungen Mirabelle und SU Jule.

Auf Gelbmosaikvirus Stamm 2 achten

Bei Standorten mit Gelbmosaikvirus BaYMV-2 müssen doppeltresistente Sorten ausgewählt werden. Das hat das Jahr 2017 nachdrücklich gezeigt. Die Sortenauswahl in diesem Bereich ist leider momentan sehr begrenzt. Mit KWS Keeper und Joker werden aktuell nur zwei mehrjährig geprüfte Sorten generell empfohlen. Beide erreichen bei Nichtbefall knapp das Ertragsniveau der einfachresistenten Sorten. KWS Keeper ist relativ lang, später reif und passt eher auf die besseren Standorte. Joker ist früher in der Reife, hat aber Schwächen bei Strohstabilität und hl-Gewicht. SU Ellen als frühreife Sorte ist eingeschränkt doppeltresistent und wird nur auf Löss geprüft. Die jetzt zweijährig geprüfte Sorte Hedwig schnitt wie schon 2017 durchgängig schwächer ab.

Neues bei den Hybriden?

Seit vielen Jahren werden in den Landessortenversuchen Hybriden mit Liniensorten verglichen. Bei beiden Sortengruppen haben sich im Laufe der Zeit die Sorten verbessert. Beide sind ertragsstärker und besser in den agronomischen Eigenschaften geworden. Immer noch dreschen Hybriden oftmals nicht oder nur geringfügig besser als die besten Liniensorten. Der geringe Ertragsvorteil wird durch die höheren Saatgutkosten schnell aufgezehrt. Wirtschaftliche Vorteile für den Anbauer gibt es häufig nicht. Ältere Sorten werden etwas günstiger angeboten als neue Sorten. Auf Sandstandorten ist der Abstand zwischen Linien und Hybriden tendenziell etwas größer als auf Löss, Lehm oder in Höhenlagen. Hier sollten Hybriden für die Praxis am ehesten eine Rolle spielen.

Aufgrund ihrer höheren Vitalität werden Hybriden Vorteile bei der Spätsaatverträglichkeit nachgesagt. Eine wichtige Fragestellung, wenn Gerste nach später räumenden Vorfrüchten wie Mais steht. Diese Fragestellung kann mit Ergebnissen aus Versuchen mit praxisüblichen Saatterminen nicht beantwortet werden. Daher gibt es seit 2017 spezielle Spätsaatversuche. Quadriga und KWS Meridian als leistungsstarke Linien werden mit den Hybriden Wootan und Bazooka verglichen. Die Aussaat erfolgte zwei bis drei Wochen nach dem praxisüblichen Saattermin direkt neben dem Landessortenversuch. Die Ergebnisse der drei Standorte sind in Tabelle 4 dargestellt. Die verspätete Aussaat hatte an den einzelnen Standorten unterschiedliche Auswirkungen. Auf dem höher gelegenen Standort im Kreis Höxter waren die Ertragsnachteile größer als an den anderen beiden Standorten. Im Mittel der Versuche war die Spätsaat 5 % schlechter als der normale Saattermin. Vorteile von Hybriden gegenüber Liniensorten waren wie 2017 weder bei Früh- noch bei Spätsaat erkennbar. Am Standort Steinheim in Ostwestfalen waren die Hybriden den Liniensorten sogar unterlegen.

Winterbraugerste als Spezialsegment

Auf den beiden Lössstandorten im Rheinland wurde mit KWS Liga zusätzlich eine zweizeilige Winterbraugerste geprüft. Knapp versorgte Braugerstenmärkte und gute Erzeugerpreise machen Winterbraugersten auch in NRW interessant. Gegenüber Sommerbraugerste lockt auf mittleren Standorten mit gut kalkulierbaren organischer N-Nachlieferung das höhere Ertragsniveau. Bezüglich Qualität erreichen die Spezialsorten die geforderten Parameter. Beim Eiweißgehalt gilt die Grenze von 11,5 %. Das Ertragsniveau lag 2018 wie 2017 um rund 10 % unter den besten Futtergersten. Bei den am Markt erzielbaren Aufschlägen eine durchaus interessante Alternative, die aber nur in Absprache mit dem Handelspartner als Vertragsanbau getestet werden sollte.

Sortenbeschreibung

Die Empfehlung für die einzelnen Standortgruppen ist in Tabelle 5 zusammengefasst. Zusätzlich sind auch die Vermehrungsflächen der Sorten in NRW aufgeführt. Bundesweit schlechte Erträge und hohe Siebabgänge werden die Saatgutverfügbarkeit in diesem Jahr deutlich begrenzen. Daher sollten Sorten sehr bald beim Handel bestellt werden.

Einfachresistente GMV-Liniensorten

Quadriga: Verlässlich gute Erträge und ausreichende hl-Gewichte. Auf Sand waren die Erträge 2018 erstmals schwächer. Relativ lang, dennoch eine gute Standfestigkeit. Quadriga wird auf allen Standorten empfohlen.

KWS Kosmos: Sichere Erträge auf allen Standortgruppen. Winterhart mit vergleichsweise guter Strohstabilität und ausreichendem hl-Gewicht. Besonders zuverlässig auf Sand und in Höhenlagen.

KWS Meridian: Ertragsstabile Sorte mit ausreichenden hl-Gewichten. Auf Lager und Halmknicken muss geachtet werden. Eingeschränkt empfohlen auf allen Standorten.

KWS Higgins: Zweijährig ertragsstark mit ausreichenden hl-Gewichten. Schwächen bei Strohstabilität und Zwergrost. Empfohlen auf Löss, Lehm und in Höhenlagen.

Einfachresistente GMV-Hybridsorten

Wootan: Mehrjährig geprüfte Hybride mit konstant guter Ertragsleistung und sicheren hl-Gewichten auf allen Standorten. Schwächen bei der Strohstabilität.

Bazooka: Zweijährig geprüft mit guter Ertragsleistung und sicheren hl-Gewichten. Gegenüber Wootan verbesserte Strohstabilität.

Toreroo: Gute Ertragsleistung auf allen Standortgruppen, keine Schwäche bei Krankheiten und die gute Strohstabilität sprechen für Toreroo als Hybride.

Doppeltresistente GMV-Liniensorten

KWS Keeper: Spätreif und eher lang bei dennoch guter Standfestigkeit und relativ guter Strohstabilität. Gute Winterhärte. Passt eher auf die besseren Böden.

Joker: Früher reif als KWS Keeper. Schwächen bei Halmknicken und hl-Gewicht.

SU Ellen: Frühreife Sorte mit sehr guter Standfestigkeit. Schwächen bei Strohstabilität und hl-Gewicht.

Die neuen Sorten

Galileoo: Hybride mit hohen Erträgen und ausreichenden hl-Gewichten, gute Grundgesundheit, Schwächen beim Ährenknicken. Testempfehlung für alle Standorte.

KWS Orbit: Linie mit hohen Erträgen und guten hl-Gewichten, gute Einstufungen bei Lager und Strohstabilität, Schwächen bei Zwergrost. Testempfehlung für alle Standorte

Mirabelle: Linie mit hohen Erträgen und guten hl-Gewichten, gute Einstufung bei Lager und Strohstabilität. Testempfehlung für Löss, Lehm und Sand.

SU Jule: Linie mit guten Erträgen und guten hl-Gewichten, gute Einstufung bei Lager und Strohstabilität, Schwächen bei Mehltau. Testempfehlung für Löss, Lehm und Sand.

Pixel: Frühreife, kurze Linie mit schwächeren hl-Gewichten, Schwächen bei Strohstabilität und Netzflecken.

Wencke: Kurze Linie mit schwächeren hl-Gewichten, standfest, auf Ährenknicken achten, gute Grundgesundheit.

Gezielte Sortenwahl reduziert Risiken

Jeder Anbauer muss überlegen, welche Eigenschaften für ihn besonders wichtig sind und sollte dann bei der Sortenwahl unter den Leistungsträgern selektieren. Unter www.sortenberatung.de bietet die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen eine kostenlose und neutrale Beratung und Information zu Getreide- und Winterrapssorten. Die Internetseite macht Sortenberatung schneller, einfacher und individueller. Das Programm funktioniert auf dem Smartphone, dem Tablet und dem PC. Mit nur wenigen Klicks werden geeignete Sorten selektiert und deren Stärken und Schwächen aufgezeigt.

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