Landessortenversuche Winterweizen 2015 - Frühsaaten

Winterweizen Sorte RumorBild vergrößern
Die Winterweizensorte 'Rumor' rollte sehr früh die Blätter ein, um den Wasserverbrauc zu reduzieren.

Frühreifer Weizen hatte im trockenen Frühsommer die Nase vorne

Der Anbau frühreiferer Sorten kann unter sehr trockenen Frühsommer- und Abreifebedingungen, wie sie dieses Jahr zu verzeichnen waren, in Form sicherer Erträge eine pflanzenbauliche Maßnahme zur Ertragsrisikostreuung im Winterweizenanbau sein. Neben dem normal- bis etwas später reifen Blattfruchtweizen-Sortiment werden daher in der gleichen Fruchtfolgestellung in einem separaten Versuch Winterweizensorten mit früherer Reifeeinstufung geprüft. Diese stellt Dr. Kathrin Bürling vor.

Sehr frühreife Sorten sind gegenüber den normal- bis etwas später reifen Weizensorten rund drei bis fünf Tage früher druschreif. Da der gesamte Entwicklungsverlauf während der Vegetationszeit etwas früher verläuft, finden auch alle produktionstechnischen Maßnahmen entsprechend eher statt. In der Praxis bedeutet dies eine Entzerrung von Arbeitsspitzen bis hin zur Ernte. Letzteres zeigt sich auch in diesem Jahr wieder von Bedeutung. Witterungsbedingt bereitet es im westfälischen Landesteil zum Teil Schwierigkeiten, die spätreiferen Sorten zu ernten.

Pflanzen- und ertragsphysiologisch betrachtet, bedeutet die etwas geringere Vegetationszeit auch eine natürliche Ertragsbegrenzung. Auf den Lehmstandorten zeigten die frühreifen Sorten 2015 an zwei von drei Standorten, auf denen die Weizenaussaat planmäßig verlief, gegenüber den normal - spätreifen Sorten Mehrerträge von im Mittel 11 dt/ha in Vluyn sowie 14 dt/ha in Haus Düsse. Im Schnitt der letzten elf Jahre allerdings ist kein ertraglicher Unterschied zwischen beiden Segmenten zu ermitteln. Auch auf den Höhenlagenstandorten lagen in den letzten neun Jahren von 2006 bis 2011 und 2013 bis 2015 die frühreifen Sorten gegenüber den normal- bis spätreifen Sorten im Mittel auf einem Ertragsniveau. Auf den hochertragreichen wasserführenden milden Lößstandorten im Rheinland fallen die frühreifen Sorten in ihrer durchschnittlichen Ertragsleistung hingegen mit 4 dt je ha im Mittel der letzten 13 Jahre gegenüber den normalreifen Sorten deutlicher ab. Auch in diesem Jahr reichte die Bodenwasserkapazität durch die vorangegangenen Monate mit guter Niederschlagsverteilung offenbar aus, um die sehr trockenen Bedingungen im Mai und Juni zu überbrücken und eine vollständige Kornfüllung der später reifen Sorten zu gewährleisten. Auf solchen Standorten steht der Aspekt der Arbeitsspitzenentzerrung im Vordergrund.

Demgegenüber zeigen sich generell auf den leichteren, grundwasserfernen, sandigen Standorten die Vorteile der frühreifen Sorten: Unter den dort per se wasserknapperen Bedingungen können spätreifere Sorten bei Frühsommertrockenheit in ihrer Kornfüllungsphase gehemmt werden, wenn hier der Bodenwasservorrat den Pflanzen nicht im benötigten Maße für das Erreichen der vollen Ertragsleistung zur Verfügung steht. Frühreifere Sorten haben in der Regel die Kornfüllung schon weiter abgeschlossen, so dass noch vorhandene Bodenwasservorräte hier ausreichend für die volle Ertragsleistung sind. In den Jahren 2013 und 2014 konnte eine geringfügig negative Ertragsdifferenz der frühreifen zu den normalreifen Sorten auf den Sandstandorten beobachtet werden. Noch passende Niederschläge und darüber hinaus im Monat Mai weit über dem Niveau des Vorjahres und des langjährigen Mittel liegende Niederschlagsmengen waren insgesamt für eine gute Wasserversorgung der normalreifen Sorten in der Kornfüllungsphase in diesen Jahren ursächlich. Im aktuellen Jahr lagen die Erträge gleich auf. Am Standort Merfeld wurde nach der extremen Trockenheit im Monat Mai und durch die Hitzewelle Ende Juni die Abreife der beiden Weizenversuche Blattfruchtweizen und frühreife Sorten abrupt beendet. Grüne, chlorophyllhaltige Blattmasse und damit die Voraussetzung für einen ertragsphysiologisch wirksamen Transpirationsstrom innerhalb der Pflanzen war danach nicht mehr vorhanden. Aufgrund der hohen Temperaturen in Kombination mit hoher Sonneneinstrahlung und geringerer Feldkapazität kam es zu einem regelrechten Verbrennen der vegetativen Organe. Zu dieser Zeit hatten die Bestände jedoch noch nicht die Teigreife erreicht. Im Mittel von neun Jahren betrachtet, zeigten die frühreifen Sorten aber auf den Sandstandorten einen deutlichen Ertragsvorteil von 4 dt je ha.

Späte Frühreife

Nicht alle Sorten in diesem Segment sind gleich frühreif. Die etwas Späteren unter den Frühreiferen haben somit oftmals Vorteile und erreichen Erträge, die an die besten Sorten im normalreifen Sortensortiment heranreichen. Auf der anderen Seite bieten Sorten wie Altigo aufgrund ihrer besonders frühen Reife gegenüber anderen Sorten dieses Sortimentes eine größere Chance zur deutlich früheren Ernte und damit Arbeitsspitzenentzerrung, obwohl sie unter der zuvor geschilderten natürlichen Ertragsbegrenzung früher reifer Sorten nicht immer zu den Ertragsstärksten zählen.

Stoppelweizenanbau in Rapsfruchtfolgen ist erforderlich, wenn die Gräserbekämpfung in Wintergerste als klassische Rapsvorfrucht problematisch ist. Oft ist aber, besonders in den Höhenlagen, das Zeitfenster zwischen Weizenernte und Rapsaussaat äußerst eng. Frühreifere Weizensorten als Stoppelweizen-Vorfrucht zu Raps in Kombination mit einer späteren Aussaat von Raps-Hybridsorten ergibt eine deutlich verlängerte Feldarbeitszeitspanne für eine optimale Saatbettbereitung und Aussaat des Rapses.

Den Vorzügen, die sich mit dem Anbau von Sorten mit unterschiedlicher Reifezeit ergeben, stehen auch mögliche Risiken gegenüber. Bei der Vermarktung können sich bezüglich der Fallzahl Probleme ergeben, wenn eine frühzeitigere Ernte witterungsbedingt nicht möglich ist. Hier sollte insbesondere die Fallzahlstabilität der Sorten beachtet werden, siehe Tabelle 5. Generell sollte die standortübliche Weizen-Saatzeit - und auch Saatstärke - auch für Sorten aus dem frühen Sortiment eingehalten werden. Pflanzenbaulich betrachtet ergibt sich aus einer früheren Saat im Herbst nicht eine frühere Reife im folgenden Sommer. Eine der Abreife angepasste Ernte sollte, möglichst auch unter Inkaufnahme einer eventuell höheren Kornfeuchte in problematischeren Erntejahren, eingehalten werden.

Acht Landessortenversuchsergebnisse

Im vergangenen Herbst wurden an insgesamt acht Standorten in NRW die Landessortenversuche mit insgesamt 13 frühreifen Winterweizensorten angelegt. Aus den gemeinsamen Anbauregionen mit der Landwirtschaftskammer Niedersachsen standen noch sieben weitere Landessortenversuchsergebnisse zur Verfügung, so dass 2015 insgesamt 15 Versuchsergebnisse für die Sortenleistungsbeurteilungen verfügbar waren. Die Anbautechnik und die Versuchsdurchführung entsprechen der höheren Intensitätsstufe (B 3) der Landessortenversuche für die normalreifen Sorten, siehe Tabelle 1. Dadurch ist die Vergleichbarkeit der Sorten-Erträge aus den verschiedenen Weizenanbausegmenten unmittelbar gegeben.

Der Tabelle 2 sind die diesjährigen Ertragsergebnisse von den Einzelstandorten zu entnehmen. Über alle Standorte und Anbauregionen betrachtet, zeigte sich im aktuellen Jahr bei den mehrjährig geprüften Sorten mit Ausnahme der Futterweizensorte Expert und der B-Weizensorte Rumor ein durchschnittliches Ertragsniveau. Bei den neueren Sorten zeichnet sich mit der erstjährig im LSV geprüften EU-Sorte Rubisko möglicherweise eine ertragsstarke Qualitätsorte ab. In der Tabelle 3 sind die mehrjährigen Ertragsergebnisse der Sorten in den verschiedenen Ackerbauregionen aufgeführt. Im Vergleich zu schon im vergangenen Jahr hervorragenden Erträgen konnten in diesem Erntejahr im Mittel über die Sorten auf den Lehm- und Höhenstandorten noch höhere Erträge erzielt werden. Im Mittel über alle Standorte sowie bei alleiniger Betrachtung der NRW-Standorte lagen die Erträge auf Vorjahres- und damit einem sehr guten Niveau. Auf der Basis dieser mehrjährigen Erträge ergeben sich die in der Tabelle 4 aufgeführten, anbauregionsspezifischen Sortenempfehlungen.

Auf den Lößstandorten zeigt sich bei den über das LSV-Sortiment hinaus speziell für diese Anbauregion geprüften Anhangsorten (Tabellen 2 und 3) die nicht winterharte, aber standfeste und fallzahlstabile Sorte Premio am Standort Buir im aktuellen Jahr durchschnittlich beziehungsweise leicht überdurchschnittlich. Mehrjährig betrachtet zeigt diese Sorte unter den spezifischen Standortbedingungen wie Kerpen-Buir eine Anbaueignung. Die beiden Sorten Cellule (Stärken: Standfestigkeit, Gelbrost, hohe Qualität; Schwächen: Halmbruch, Winterhärte) und Armada (Reife 3) zeigten auch dieses Jahr gute bis sehr gute Erträge. Armada hatte im vorangegangenen Jahr am Standort Beckrath sowie dem EU-Standort Haus-Düsse größere Standfestigkeitsprobleme. Das aktuelle Vegetationsjahr erforderte keine Stärke in diesem Merkmal.

Auf den Sand- und insbesondere den Lehmstandorten zeigt die sehr frühreife B-Sorte Altigo nach wie vor gegenüber den anderen eingeschränkt empfohlenen Sorten eine deutlich schwächere Leistung. Es konnte jedoch in den Sortenversuchen über mehrere Jahre eine überwiegend deutlichere Frühreife dieser Sorte gegenüber den anderen, gleich eingestuften Sorten festgestellt werden. Darüber hinaus ist sie unter den mehrjährig geprüften Sorten die einzige mit einer Begrannung, was an Standorten mit höherem Wildbesatz, zum Beispiel in Waldnähe, zu einem verringerten Risiko der Ertragsminderung durch Wildverbiss führen kann. Zu beachten sind die höhere Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium sowie die Schwächen in der Fallzahlstabilität und Winterhärte dieser Sorte.

Auf den Sandstandorten ist die wiederholt schwächere Leitung der A-Sorte Cubus auf dem landeseigenen Standort ursächlich für die eingeschränkte Empfehlung. Die zweijährig geprüften Sorten Boregar und Folklor zeigten in den beiden letzten Jahren stark kontrastierende Ergebnisse am NRW-Standort Merfeld, so dass hier derzeit noch keine sichere Bewertung dieser beiden Sorten vorgenommen werden kann. Auf den Lehm- und Höhenstandorten ist die Sorte Folklor ertraglich nicht besser als die beiden älteren und etablierten A-Sorten, JB Asano und Cubus, zeichnet sich jedoch durch bessere agronomische Eigenschaften aus. Die gelbrostanfällige Sorte Rumor hebt sich insbesondere auf den Höhenstandorten in ihrer Leistung deutlich von den übrigen Prüfkandidaten in den Versuchen ab. Unter den Standortbedingungen spezifisch - wie am niedersächsischen Versuchsstandort - scheint sie jedoch tendenziell weniger eine Anbaueignung vorzuweisen. Auffällig war bei dieser Sorte in diesem Jahr das frühzeitige Einrollen der Blätter als möglicher Schutzmechanismus bei Trockenstress, was die Transpiration und den Wasserverbrauch verringert, siehe Foto, was man bis dato in erster Linie von der Sorte JB Asano kannte. Die zum ersten Mal im LSV geprüfte begrannte und sehr blattgesunde Sorte Rubisko mit einer sehr guten Einstufung in der Fusariumanfälligkeit zeigt lediglich im Merkmal Winterhärte eine Schwäche. Die Fallzahlleistung dieser Sorte ist gering; über die Fallzahlstabilität liegen noch keine Ergebnisse vor. Hier wird sich in einem Fallzahljahr herausstellen, ob es bei dieser Sorte ein Problem hinsichtlich dieser vermarktungsrelevanten Kriterien geben wird.

Die alte Sorte Kerubino (Zulassung 2004 in Frankreich) erzielt als E-Sorte nach wie vor erstaunliche und in den Höhenlagen darüber hinaus auch sehr konstante Erträge. Unter dem Aspekt, mit dieser Sorte möglicherweise eine sicherere A-Qualität als mit einer A-Sorte erreichen zu können, sowie wegen der geringeren Fusariumanfälligkeit und guten Winterhärte der Sorte wird Kerubino eingeschränkt auf Löß und Höhe empfohlen. Die hohe Gelbrostanfälligkeit ist zu beachten.

Die bisher vorliegenden Fallzahlergebnisse der frühreifen Sorten aus den LSV bewegen sich insgesamt auf einem hohen Niveau. Lediglich die Sorte Hekto liegt am Standort Haus Düsse unter der Vermarktungsschwelle von 220 s, ebenso wie die beiden Löß-Anhangsorten Premio und Armada am Standort Kerpen-Buir.

Die Tabelle 5 zeigt die Einstufungen aller Sorten hinsichtlich ihrer agronomischen Eigenschaften. Zu den empfohlenen sehr frühreifen Winterweizensorten sind darüber hinaus in der Tabelle 6 in gleicher Art und Weise wie auch bei den übrigen Getreidearten die sortenspezifischen Eigenschaften und Merkmale aufgeführt.

Autor: Dr. Kathrin Bürling