Landessortenversuche Winterweizen 2016

Winterweizen und WindradBild vergrößern
Winterweizen

Winterweizen - große Ernüchterung bei der Ernte!

„So schlecht habe ich schon 20 Jahre nicht mehr gedroschen“ ist für viele Landwirte in NRW das ernüchternde Fazit der Weizenernte 2016. Bei einer flächenmäßig kleinen Kultur wäre das leichter zu verschmerzen. Bei der mit rund 260.000 Hektar mit Abstand größten Getreidekultur tut es wirklich weh. Normalerweise trifft es bei schlechten Ernten die schwächeren Standorte. Im Jahr 2016 traf es durchgängig die besseren und besten Standorte. Neben Ertragseinbußen gibt es für viele Landwirte durch schlechte Qualitäten zusätzliche Preisabschläge. Aus Brotweizen wurde oft nur Futterweizen. Wie soll man bei der Sortenwahl für die kommende Aussaat reagieren? Heinrich Brockerhoff und Heinz Koch stellen die Ergebnisse der Landessortenversuche vor und geben Tipps für die anstehende Sortenwahl.

Nach einer normalen Aussaat im Herbst 2015 folgten ein nasser Herbst und ein Winter, der keiner war. Im Frühjahr zeigten anfällige Sorten bei frühen Saatterminen Befall mit Mehltau, Blattseptoria, Gelb- und sehr ungewöhnlich auch schon Braunrost. Auch das Thema Fußkrankheiten war in Veranstaltungen oder bei Feldbegehungen allgegenwärtig. Spätere Saattermine und Weizen auf Höhenstandorten waren zu diesem Zeitpunkt relativ gesund. Das Frühjahr war trocken. Schlechte Bedingungen für fast alle Krankheiten mit Ausnahme von Gelbrost, der weiter das Krankheitsgeschehen dominierte. Bei angepasstem Pflanzenschutz entwickelten sich bis Ende Mai gute Bestände. Der Juni brachte Dauerregen und das Thema Fusarium bereitete größere Sorgen. Ungewöhnlich schnell setzte dann Anfang Juli die Abreife der Bestände ein. Die Pflanzen waren durch den Dauerregen, die nassen Füße, Sauerstoffmangel im Boden und das bedeckte Wetter aus dem Gleichgewicht gekommen. Besonders gelitten hatten die guten Standorte. Die weitere Witterung im Juli und August verzögerte die Ernte und ließ die Sorgen um schlechte Hektolitergewichte und Fallzahlen weiter wachsen. Schwärzepilze besiedelten zunehmend die überreifen Bestände. Einige Bestände brachen regelrecht zusammen. Die Erträge auf den guten Standorten waren ernüchternd. Stoppelweizen drosch oftmals deutlich besser als Weizen mit optimalen Vorfrüchten. Niedrige Fallzahlen und schlechte Hektolitergewichte machten aus Brotweizen oft Futterweizen. Mit einem blauen Auge bei den Erträgen kamen leichtere Standorte und die Höhenlagen davon. Entwarnung kann glücklicherweise in den allermeisten Fällen bei der Fusariumbelastung gegeben werden.

Sortenentscheidung gründlich überdenken!

Nach der Ernte ist bekanntlich kurz vor der nächsten Aussaat. Nach einem Jahr mit enttäuschenden Erträgen hinterfragt jeder Landwirt natürlich die Sortenentscheidung des letzten Jahres. Wie haben die eigenen Sorten abgeschnitten und welche neuen interessanten Sorten gibt es? Bei der Sortenauswahl für die kommende Aussaat sollte jeder Praktiker zunächst die wichtigen Sortenkriterien für den eigenen Betrieb definieren und das zur Verfügung stehende Sortenmaterial danach bewerten. Im Gegensatz zu anderen Getreidearten bietet Winterweizen deutlich mehr Kriterien, bei denen sich die Sorten unterscheiden. Wichtigstes Kriterium bleibt natürlich der Ertrag. Daneben spielen Qualität, Früh- oder Spätsaateignung, Stoppelweizeneignung, Früh- oder Spätreife, Winterhärte, Blattgesundheit, Fusariumanfälligkeit und Fallzahlstabilität eine für jeden Landwirt unterschiedliche Rolle. Bei größeren Anbauflächen sollte nicht alles auf eine Karte gesetzt werden. Wer für die Ernte 2012 nicht auf Winterhärte geachtet hatte, der wurde ebenso bestraft wie derjenige, der in diesem Jahr im Schwerpunkt auf ertragsstarke, aber fusariumanfällige und fallzahlschwache Sorten gesetzt hatte. Gezielte Sortenwahl ist praktizierte Risikominderung und Erlössicherung.

Mittel- und spätreifende Sorten sind der Standard

Bei Winterweizen führt die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen insgesamt neun Landessortenversuche mit mittel- und später abreifenden Sorten durch. Zwei Standorte stehen auf den Lößstandorten der Köln-Aachener Bucht, drei auf Lehmstandorten, einer auf einem Sandstandort und drei in Höhenlagen. Das Prüfsortiment ist im aktuellen Jahr ungewöhnlich groß, da sehr viele neuer Sorten in die Versuche aufgenommen wurden. Die Prüfung erfolgt in drei Intensitätsstufen. Stufe 1 mit normaler N-Düngung, geringem Wachstumsreglereinsatz und ohne Fungizide prüft die Gesundheit und Standfestigkeit der Sorten. Stufe 3 wird praxisüblich mit normaler N-Düngung und hoher Intensität bei Pflanzenschutz und Wachstumsreglern gefahren. Hier sollen die Sorten zeigen, was sie beim Ertrag können. In Stufe 2 wurde 2016 gegenüber Stufe 3 bewusst auf die Fusariumspritzung in die Ähre verzichtet. Auf den Ertrag hatte der Verzicht kaum Auswirkungen. Dafür konnte in dieser Stufe optimal die Anfälligkeit der Sorten bei Fusarium getestet werden.

Die Ergebnisse der älteren und neueren Sorten für 2016 sind in Tabelle 1 dargestellt. Am Lößstandort in Erkelenz erklärt ein Hagel im Juni die sehr schwachen Erträge. Ergänzt werden die Versuchsergebnisse für die mehrjährige Auswertung durch zusätzliche Lehm- und Sandstandorte aus Niedersachsen und Hessen. Gerade für Sandstandorte ist NRW mit nur einem Versuchsstandort dringend auf weitere Versuchsergebnisse angewiesen. Die mehrjährigen Ergebnisse für die Standortgruppen sind in Tabelle 2 zu finden.

Frühreife Sorten haben Vor- und Nachteile

In den Tabellen 3 und 4 sind zusätzlich die aktuellen und die mehrjährigen Versuchsergebnisse von frühreifen Weizensorten aufgeführt. Die Ertragsergebnisse und Relativzahlen sind aufgrund der unterschiedlichen Versuchsanlage nicht direkt miteinander vergleichbar. Geprüft werden hier Sorten, die in der Beschreibenden Sortenliste in Punkto Reife in wenigen Ausnahmefällen mit einer drei, in der Regel aber mit einer vier beschrieben sind. Mit Porthus steht im normalen Prüfsegment eine weitere ertragsstarke Sorte der Reifestufe vier. Auch Rumor und JB Asano werden in beiden Sortimenten geprüft.

Pro Reifestufe ergibt sich in der Entwicklung und in der Abreife ein Vorsprung von etwa drei bis vier Tagen. Frühreifere Sorten haben in Westeuropa und hier vor allem in Frankreich eine große Anbaubedeutung. Für die Klimabedingungen in NRW kann die frühere Abreife Vorteile bringen, sie muss es aber nicht. Viele Landwirte haben Bedenken, ob frühe Sorten das Ertragsniveau der anderen Sorten erreichen können. Daher haben wir die Versuchsergebnisse noch einmal daraufhin überprüft. Im Mittel der Versuchsjahre 2008 bis 2015 schnitten die zwei besten frühreifen Sorten nicht schlechter ab als die besten A-, B- oder C-Weizen der Reifegruppen fünf und sechs. Die leistungsstärksten Sorten haben also grundsätzlich eine Anbauberechtigung in NRW. Im südlichen Rheinland haben frühreifere Sorten schon länger einen größeren Stellenwert. Gründe für den Anbau der Sorten gibt es mehrere. In Regionen mit häufiger Frühsommertrockenheit bringt die frühere Abreife Ertragssicherheit. Es gibt aber weitere Vorteile beim Anbau dieser Sorten. Immer häufiger steht Winterweizen statt Wintergerste als Vorfrucht vor Winterraps. Die in der Regel frühere Ernte bei frühreiferen Weizensorten ermöglicht hier die zeitgerechte Rapsbestellung. In großen Ackerbaubetrieben mit knapper Mähdruschkapazität bringen begrenzte Anbauanteile frühreiferer Sorten außerdem mehr Mähdruschtage, mehr Druschleistung und mehr Erntesicherheit. Einige frühreife Sorten (Premio, Rubisko, Altigo, RGT Boregar, Cellule) sind begrannt. Nach Praxisbeobachtungen mindert dies auch Schäden durch Schwarzwild.

Wer die Vorteile schildert, der darf die Nachteile nicht vergessen. Viele frühreife Sorten verfügen über eine eingeschränkte Winterhärte. Im Rheinland in Normaljahren kein allzu großes Problem, auf Höhenstandorten aber in keinem Fall akzeptabel. Über eine überdurchschnittliche Winterhärte in diesem Segment verfügen nur Rumor und RGT Boregar.

Sortenempfehlungen für die kommende Aussaat

Die aktuellen Versuchsergebnisse bringen bei über 60 geprüften Sorten ein sehr umfangreiches Datenmaterial, mit dem sich jeder Praktiker bei der Suche nach seinen Sorten in Ruhe auseinander setzten sollte. Aus unserer Sicht kann die Empfehlung auf deutlich weniger Sorten eingeschränkt werden. Unter www.sortenberatung.de können empfohlene Sorten nach dem eigenen Anforderungsprofil selektiert werden. Das macht vor allem bei Winterweizen die Sortenentscheidung deutlich einfacher und transparenter. Empfehlung und Sorteneigenschaften können hier auch ausgedruckt werden.

Für Weizen nach Vorfrucht Raps, Zuckerrüben, Kartoffeln oder Mais werden vorrangig die nachfolgend kurz beschriebenen Sorten empfohlen. Die Reihenfolge erfolgt nach Qualitätsgruppe und dann alphabetisch. Die Sorteneigenschaften aller Sorten sind in Tabelle 5 aufgeführt.

Mindestens zweijährig geprüfte Sorten

A-Weizen

Julius: Beim Ertrag kein Überflieger, aber immer noch eine gute Empfehlung, wenn es um die Kombination von Frühsaateignung, Winterhärte, Standfestigkeit, Blattgesundheit, Fallzahlstabilität und Qualität geht. Eingeschränkte Empfehlung für alle Standortgruppen.

RGT Reform: Eine gute bis sehr gute Ertragsleistung kombiniert mit Frühsaateignung, Winterhärte, guter Standfestigkeit, relativ guter Blattgesundheit (Gelbrost nimmt leicht zu), Fusariumtoleranz und Fallzahlstabilität. Viel mehr geht eigentlich nicht. Eine sichere Empfehlung für alle Standorte. Von der Qualität eher ein B-Weizen.

Rubisko: Sehr frühreife, begrannte Sorte mit eingeschränkter Winterhärte, guter Blattgesundheit und sehr guter Fusariumtoleranz. Empfehlung für Löß, Lehm und Sand. Von der Qualität eher ein B-Weizen.

B-Weizen

Alexander: Gute bis sehr gute Ertragsleistung, kombiniert mit sehr guter Winterhärte, Standfestigkeit und Fallzahlstabilität sind die Stärken der Sorte. Die höhere Fusariumanfälligkeit schränkt die Empfehlung aber deutlich ein. Passt auf Löß, Lehm, Sand und Höhenlagen.

Benchmark: Sehr gute Ertragsleistung. Die relativ gute Standfestigkeit und die Fallzahlstabilität sind die Stärken der Sorte. Die höhere Auswinterungsneigung schränkt die Empfehlung besonders in den Höhenlagen ein. Auf Braun- und Gelbrost muss geachtet werden. Empfehlung für Löß, Lehm und Sand.

Johnny: Gute bis sehr gute Erträge. Sehr üppiger, fast schilfartiger Blattapparat mit guter Unkrautunterdrückung. Schwächere Winterhärte, relativ blattgesund und fusariumtolerant. Empfehlung für Löß, Lehm und Sand.

Rumor: Frühreifer Weizen mit guter Winterhärte und guten Erträgen. Gute Standfestigkeit, gelbrostanfällig mit leicht späterem Befallsbeginn, gute Fusariumtoleranz. Kleinkörnig. Empfehlung für Löß, Lehm, Sand und Höhenlagen.

Smaragd: Ertragstreu mit einigen größeren Macken. Die hohe Lager- und Fusariumanfälligkeit schränken die Empfehlung deutlich ein. Empfehlung nur noch für Sand.

RGT Bergamo: Gute bis sehr gute Ertragsleistungen bei guter B-Qualität, die durch die niedrigen Fallzahlen und die eingeschränkte Fallzahlstabilität in der Vermarktung als Brotweizen aber stärker gefährdet ist. Gute Standfestigkeit. Eingeschränkte Blattgesundheit. Empfehlung auf Löß, Lehm, Sand und Höhenlagen.

Tobak: Im Ertrag Jahr für Jahr überzeugend. Eine sichere Bank, wäre da nicht die sehr hohe Anfälligkeit bei Fusarium. Aus Gründen der Risikoabsicherung die Anbauanteile und die Fruchtfolgestellung noch stärker kritisch überdenken. Die Braunrostanfälligkeit hat deutlich zugenommen.

C-Weizen

Anapolis: Gute bis sehr gute Ertragsleistung. Einschränkungen bei  der Winterhärte begrenzen den Anbau in Höhenlagen. Saatzeitflexibel, standfest, blattgesund und mit geringer Anfälligkeit bei Fusarium. Empfehlung für Löß, Lehm und Sand.

Elixer: Gute bis sehr gute Ertragsleistung und gute Winterhärte. Die höhere Lagerneigung und die nachlassende Gesundheit (Mehltau, Braunrost) machen einen intensiveren Pflanzenschutz notwendig. Gute Fusariumtoleranz. Empfehlung für Löß, Lehm, Sand und Höhenlagen.

Manitou: Ertragsleistung auf dem Niveau von Anapolis und Elixer. Gute Winterhärte, mittlere Blattgesundheit bei Fusariumeinstufung fünf. Empfehlung für Löß, Lehm, Sand und Höhenlagen.

In der Auflistung der vorrangig empfohlenen Sorten fehlen bekannte Namen mit zum Teil auch größeren Vermehrungsflächen. Bei Desamo, Colonia und RGT Meister ist das eingeschränkte Ertragspotential hierfür verantwortlich. JB Asano, Matrix und Trapez sind extrem anfällig bei Gelbrost. Die frühreifen Sorten Premio und Cellule sind aufgrund ihrer eingeschränkten Winterhärte eine Spezialempfehlung in der Köln-Aachener Bucht und in der Voreifel.

Gibt es interessante neue Sorten?

Der Umfang erstmalig geprüfter Sorten war 2016 mit insgesamt 23 Sorten sehr groß. Darunter befinden sich mit Hyfi, Hylux, Hyvento und LG Alpha vier Hybridsorten. Aufgrund der in 2016 gezeigten Ertragsleistungen erhalten die Hybriden keine generelle Empfehlung. Interessant ist der Anbau auf Grenzstandorten. Bei der Qualitätseinstufung der neuen Sorten handelt es sich um 4 A-, 15 B- und 4 C-Sorten. Unter den Neuen gibt es eine Reihe von Sorten mit guter bis sehr guter Gesundheit. Leider sind einige dieser Sorten beim Ertrag stärker limitiert. Große Vorschusslorbeeren hatte die Sorte Nordkap (A), die gegenüber RGT Reform bei schwächerer Fallzahlstabilität mit Vorteilen bei der Qualität punkten kann und A-Niveau erreicht. Die Ertragsleistung 2016 lag unter RGT Reform. Vor einer Empfehlung wollen wir ein weiteres Prüfjahr abwarten.

Die im Folgenden genannten Sorten kommen aus unserer Sicht vorrangig für einen Probeanbau in Frage.

Bosporus (B): Gute Ertragsleistung auf Löß, standfest und sehr gute Blattgesundheit bei Fusariumnote vier. Testanbau auf Löß und Lehm.

Faustus (B): Frühreifere Sorte mit dem Ertragsniveau von Rumor. Standfest mit mittlerer Blattgesundheit und Fusariumnote vier. Testanbau auf Löß, Lehm, Sand und Höhenlagen.

Gustav: Gute bis sehr gute Ertragsleistung bei sehr guter Winterhärte, sehr guter Standfestigkeit und Fusariumnote vier. Testen auf Löß, Lehm, Sand und Höhenlagen.

KWS Maddox (B): Gute Ertragsleistungen. Schwächen in der Winterhärte schränken die Empfehlung ein. Mittlere Krankheitsanfälligkeit. Testen auf Löß, Lehm und Sand.

Porthus (B): Frühreifere Sorte mit sehr guter Ertragsleistung. Schwächen in der Winterhärte schränken die Empfehlung ein. Mittlere Standfestigkeit, eine gute Blattgesundheit bei Fusariumnote drei. Testen auf Löß, Lehm und Sand.

Sheriff (C): Gute Ertragsleistung im ersten Prüfjahr. Auffällig ist die sehr verhaltene Jugendentwicklung der Sorte. Frühsaateignung, keine Spätsaaten. Standfest, blattgesund und Fusariumnote vier. Testen auf Löß und Lehm.

Saatgut früh bestellen

Schlechtere Erträge, die schlechte Sortierung und Auswuchs haben 2016 zwangsläufig Auswirkungen auf die Saatgutverfügbarkeit. Wer seine Wunschsorte haben möchte, der muss umgehend bestellen. Der Saatgutmarkt ist mittlerweile überregional. Dennoch geben die Vermehrungsflächen einen relativ guten Überblick über die Saatgutverfügbarkeit. Besonders vermehrungsstark in NRW sind Elixer, RGT Reform, Tobak, Benchmark, Anapolis, Johnny, Rumor und Julius. Engpässe könnte es bei entsprechender Nachfrage am ehesten bei Alexander, Bosporus, KWS Maddox, Sheriff, Faustus und Gustav geben.

Ansprechpartner