Ertrags- und Qualitätsreserven des Grünlandes nutzen

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Deutsches Weidelgras ist das futter- und pflanzenbaulich das wertvollste Futtergras intensiv genutzter Wiesen und Weiden. Foto: Hubert Kivelitz, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen

Die Bewirtschaftung von Grünland als Futtergrundlage, insbesondere in der Milchviehhaltung, ist anspruchsvoll. Sie erfordert vom Landwirt ein hohes Maß an pflanzenbaulichem und ökologischem Verständnis und Erfahrung. Die Landwirte sind mit schwierigen Standort-, Klimaverhältnissen und sonstigen Einflussfaktoren konfrontiert und dennoch darauf angewiesen, Grünlandaufwüchse mit hohen Erträgen und Qualitäten zu realisieren. Dass dieses Ziel nicht auf grundsätzlich allen Grünlandstandorten und –lagen und auch nicht in jedem Jahr möglich ist, ist klar. Welche Arten– und Sorten für beste Pflanzenbestände gewählt werden sollten, beschreibt Hubert Kivelitz, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

Unter den Rahmenbedingungen des Marktes und der Agrarpolitik ist eine grünlandbasierte Milchviehwirtschaft vor allem in Grünlandregionen dort rentabel, wo es gelingt, Futteraufwüchse mit hohen Erträgen und exzellenten Qualitäten zu erzielen. Dieser hohe Anspruch lässt sich im Grunde nur mit Pflanzenbeständen realisieren, die einen hohen Anteil futterbaulich wertvoller, ertrag- und energiereicher Gräser und zu gewissen Anteilen auch Klee und Kräuter, aufweisen. Doch dieser Anspruch stellt sich nicht von selbst ein und bleibt auch ohne angepasste Bewirtschaftung und intensive Pflegemaßnahmen nicht auf diesem Niveau. Insbesondere in ausgesprochen trockenen Jahren kommen auch vermeintlich hochproduktive Grünlandbestände an Ihre Grenzen.

Wirtschaftsgrünland mit ausgewählten Arten

Alle in Deutschland vorkommenden Grünlandtypen zusammengenommen beherbergen über 1 000 Pflanzenarten. Die für das Wirtschaftsgrünland bedeutungsvollen und ansaatwürdigen Kulturgräser beschränken sich auf etwa zehn bis zwölf Arten. Es handelt sich dabei um Arten, die an eine intensive Schnitt- und/oder Weidenutzung sowie hohe Düngungsintensitäten und Nährstoffversorgung angepasst sind und diese gut vertragen. Neben einem hohen Maß an ökologischer Anpassungsfähigkeit an unterschiedliche Standort- und Klimaverhältnisse, verfügen sie über eine hohe Ausdauer- und Regenerationsfähigkeit, ein großes Ertragsvermögen bei gleichzeitig hohen Futterqualitäten und, in Abhängigkeit von der Nutzung, eine ausreichende Konkurrenzkraft, siehe Tabelle 1. Natürlich sind die relevanten Gräser in den genannten Eigenschaften nicht alle gleich und jede Art hat wiederum aus futter- und pflanzenbaulicher Sicht ihre Stärken und Schwächen.

Die Mischung macht’s

Anders als im Ackerbau, werden beim Grünland nicht einzelne Arten und Sorten angebaut, sondern es handelt sich in der Regel um Arten- und Sortenmischungen. Das Angebot beinhaltet sowohl Firmenmischungen als auch sogenannte Qualitätsstandardmischungen (QSM), die von den Landwirtschaftskammern und den landwirtschaftlichen Länderdienststellen empfohlen werden. Da der Landwirt auf die Mischungszusammensetzung vertraut, hat sich in der Grünlandbewirtschaftung nur ein eher schwach ausgeprägtes Arten- und Sortenbewusstsein entwickelt. Da kein Gras alle wünschenswerten agronomischen Eigenschaften in sich vereint, kommen in mehrjährigen Ackerfuttermischungen und besonders in Dauergrünlandmischungen mehrere Arten, darunter auch Kleearten, zum Tragen. Die Auswahl der Arten und Sorten und deren Mischungsverhältnis hängt maßgeblich vom Standort und Nutzungsziel ab. So bieten sich beispielsweise für milde Lagen der Norddeutschen Tiefebene oder den Niederrhein Grünlandmischungen an, in denen das Deutsche Weidelgras dominiert. Dagegen sollten für Höhenlagen, wo das Deutsche Weidelgras in stärkerem Maße auswintern kann, winterhärtere Arten, wie Wiesenlieschgras, Wiesenschwingel, Wiesenrispe oder Knaulgras in einer Mischung stärker hervortreten. Der Mischungsanbau ist in der Grünlandwirtschaft grundsätzlich sicherer. Denn lässt beispielsweise durch ungünstige Witterungsphasen, wie Trockenheit, Frost oder zeitweise Überflutung die Ertragssicherheit einer Art nach, können robustere Arten des Mischbestandes diesen Ausfall zumindest teilweise kompensieren. Ebenso ergänzen sich die Mischungspartner in der Ausnutzung des Boden- und Standraumes, da die verschiedenen Arten zum einen ein sehr unterschiedliches Wachstumsverhalten aufweisen und sich zum anderen im Habitus des oberirdischen Aufwuchses, aber auch der Wurzeln unterscheiden. Es gibt zudem zahlreiche Untersuchungen, die belegen, dass Gras- und Klee-Gras-Mischungen ertragreicher und ertragsstabiler sind als Reinsaaten.

Deutsches Weidelgras – Leitgras im Grünland

Unter der Zielvorgabe einer wirtschaftlich orientierten Grünland-Futterproduktion sind entsprechend dem Standortpotenzial hohe Erträge und Qualitäten zu erzeugen. Dem Deutschen Weidelgras kommt hier eine zentrale Bedeutung zu, da es im Hinblick auf seine pflanzen- und futterbaulichen Eigenschaften deutlich über den anderen Kulturgräsern steht. Mit über 150 eingetragenen Sorten (BSA-Liste) ist es unter allen Futtergräsern die Art mit der größten Bedeutung im Grünland und Futterbau, siehe Tabelle 2. Das hat seinen Grund, denn das Deutsche Weidelgras ist die in den letzten Jahrzehnten am intensivsten züchterisch bearbeitete Grasart. Keine andere Art zeigt im Hinblick auf Wuchstyp und Entwicklungsrhythmus ein so weites Spektrum an Variabilität. Es ist ein ausgesprochen schnellkeimendes, konkurrenzstarkes und regenerationsfähiges Gras, weshalb es auch Hauptbestandteil in Nachsaatmischungen ist. Hauptgrund für die intensive züchterische Bearbeitung sind die hervorragenden futterbaulichen Eigenschaften dieser blattreichen Grasart. Ihr kommt daher nicht unverdient die Funktion des Leitgrases in Grünlandmischungen zu. Hinsichtlich Trockenheitsverträglichkeit und Winterhärte kommt es genetisch bedingt allerdings an seine Grenzen, auch wenn es hier große Sortenunterschiede gibt. Letztlich sind für den Landwirt gerade in schwierigen Anbaulagen Aspekte wie Ausdauer, Gesundheit und Winterhärte von größerer Bedeutung als ein paar Prozent mehr oder weniger im Ertrag. Daher sollte bei der Sortenwahl weniger der Preis als vielmehr die Sortenqualität und die ausgewiesene Standorteignung ausschlaggebend für die Kaufentscheidung sein. Der züchterische Trend der letzten Jahre geht eindeutig in Richtung mittlerer und vor allem später Sorte, Tabelle 1. Bezogen auf die Ploidie dominieren immer mehr die tetraploiden Sorten, die tendenziell etwas besser im Ertrag und in der Energiekonzentration sind als diploide. In punkto Reife gibt es bei keiner züchterisch bearbeiteten Grasart ein so großes Spektrum wie beim Deutschen Weidelgras. So liegen zwischen der frühesten frühen und der spätesten späten Sorte 41 Tage Reifeunterschied, siehe Tabelle 3. Diese enormen Differenzen ermöglichen einen großen Spielraum im Hinblick auf die Auswahl geeigneter Mischungspartner und -sorten, die Nutzungszeiträume und Nutzungselastizitäten, die regionale Verwendung oder eine bessere Anpassung der Gräsermischung bei jahreszeitlichen Witterungsänderungen.

Auf die Nutzung kommt es an

Das Deutsche Weidelgras ist ein Horst bildendes Untergras, das im Vergleich zu anderen Horst bildenden Obergräsern, wie Wiesenschwingel, Wiesenlieschgras, Knaulgras oder Wiesenfuchsschwanz, ein wesentlich größeres Bestockungsvermögen, das heißt die Befähigung zur Seitentriebbildung, besitzt. Diese Ausbildung von Seitentrieben ist umso stärker, je intensiver das Deutsche Weidelgras genutzt wird. Insbesondere eine mehr oder weniger intensive Beweidung trägt maßgeblich zur ständigen Neubildung von Bestockungstrieben bei. Dadurch wird eine Grasnarbe zunehmend dichter und ist so in der Lage, Unkräuter und Ungräser, wie die Gemeine Rispe, zu verdrängen und dadurch selber dominant und mit hoher Ausdauer im Bestand zu bleiben. Die Zahlen in Tabelle 4 machen deutlich, dass die Triebdichte beim Deutschen Weidelgras umso höher ist, je höher die Beweidungsintensitäten, zum Beispiel bei Kurzrasenweide, sind. Unter solchen Nutzungsregimen wird eine Grasnarbe sehr dicht und ist damit ausgesprochen konkurrenzstark, trittfest und belastbar, aber auch ausdauernder und winterhärter. Wird Deutsches Weidelgras dagegen nur vier Mal im Jahr geschnitten, ist die Triebdichte um ein mehrfaches niedriger als bei intensiver Beweidung. Das heißt, die Grasnarbe bleibt immer relativ locker bis lückig, was der Blick auf die Stoppeln nach einem Schnitt verdeutlicht.

Das Deutsche Weidelgras kann sein Dominanzpotenzial nur bei hohen Nutzungsintensitäten voll ausschöpfen kann. Werden die ausgesäten Grünlandmischungen nur dreimal geschnitten, ist die Bestockung des Deutschen Weidelgrases nur noch gering und andere typische Obergräser, wie das Lieschgras, werden dominant. Das untermauert, dass das Deutsche Weidelgras für eine semiintensive Schnittnutzung nur bedingt geeignet ist und dass nur sehr hohe Schnittnutzungs- mit mindestens fünf Schnitten und/oder Beweidungsintensitäten hohe Anteile an Deutschem Weidelgras auch dauerhaft ermöglichen. Das heißt, werden Grünlandbestände mit hohen Anteilen an Deutschem Weidelgras nicht öfter als vier Mal geschnitten, wie in den Mittelgebirgslagen meist üblich, kann sich dieses Gras ohne regelmäßige Nachsaaten kaum dauerhaft in hohen Anteilen halten. Die begrenzte Bestockungsfähigkeit unter Schnittnutzung, lässt vor allem die Verbreitung unerwünschter Lückenfüller, wie Gemeine und Jährige Rispe, Ampfer, Löwenzahn, Vogelmiere, zu. Verstärkt wird dieser Aspekt zusätzlich durch die hohen mechanischen Belastungen durch die Maschinen, die eine Grünlandnarbe unter Schnittgrünland ausgesetzt ist. In der Summe aller Arbeitsgänge wird intensiv genutztes Schnittgrünland über 30 Mal überfahren. Die Scherkräfte der Maschinen führen zu Verletzungen und Verdichtungen der Grünlandnarbe, die unerwünschte Arten in stärkerem Maße begünstigt als die wertvollen Kulturgräser. Hohe Anteile des futterbaulich, und damit wirtschaftlich enorm wichtigen Deutschen Weidelgrases, lassen sich daher auf Schnittgrünland im Grunde nur über regelmäßige Nachsaaten halten, insbesondere dann, wenn durch die Bewirtschaftung selber, durch Auswinterung oder auch durch Mäuse verursachte Lücken in der Grasnarbe entstanden sind.

Reifeunterschiede bei Arten und Sorten beachten

Aufgrund der oftmals großen Standortheterogenität, die insbesondere in Mittelgebirgsregionen stark ausgeprägt sein kann, können sowohl die Pflanzenbestandszusammensetzung als auch die optimale Schnittreife von Grünlandbeständen innerhalb eines Betriebes mehr oder weniger stark variieren. Unter solchen Voraussetzungen ist der Zeitpunkt der Schnittnutzungen daher immer ein Kompromiss, der in erster Linie auch von der Witterung zum potenziellen Erntetermin sowie von der Arbeitswirtschaft bestimmt wird. Zwischen den ansaatwürdigen Gräsern im Grünland gibt es mehr oder weniger große Unterschiede hinsichtlich ihrer physiologischen Reife. Frühe Sorten des Deutschen Weidelgrases eignen sich beispielsweise besser für Standorte, die zu Frühjahrs- und/oder Frühsommertrockenheit neigen. Durch ihren frühen Vegetationsbeginn können die frühen Sorten besser die Winterfeuchtigkeit nutzen und in Ertrag umsetzen. In Jahren mit guter Wasserversorgung lassen die frühen Sorten auch einen Schnitt mehr zu als die späten. Vorteile können die frühen Deutschen Weidelgrassorten auch im Ökolandbau haben, wo die Stickstoffversorgung des Grünlandes unter anderem über Weißklee angewiesen ist. Der Weißklee hat sein Entwicklungsoptimum etwa Mitte Juni. Die Konkurrenzkraft der frühen Deutschen Weidelgrassorten tritt in dieser Phase bereits zurück, so dass sich der Weißklee besser entwickeln kann.

Für die Nutzung von sehr intensiv genutztem Wechselgrünland oder mehrjährigem Ackerfutterbau auf den Gunststandorten der Tiefebenen eignen sich Mischungen aus mittleren und späten Sorten des Deutschen Weidelgrases oder ausschließlich späte Sorten. Dadurch wird ein relativ homogener Grünlandbestand mit homogener Reifephase angestrebt. Über die Eingrenzung des Reifespektrums der Sorten ist es daher möglich, höhere Energiedichten bei optimalem Schnittzeitpunkt zu realisieren, da alle eingemischten Sorten ihr Energiemaximum etwa zum gleichen Zeitpunkt erreichen. Unter dieser Prämisse haben Sorten, die neben der Fähigkeit zu hohen Ertragsleistungen, vor allem im Hinblick auf hohe Nährstoffgehalte und Verdaulichkeit auf überdurchschnittlichem Niveau liegen, einen besonderen Stellenwert.

Homogene Bestände anstreben

Auch wenn das Dauergrünland immer eine nutzungs- und standortangepasste Gesellschaft aus verschiedenen Arten ist, werden unter der Prämisse einer leistungs- und qualitätsorientierten Grünlandwirtschaft homogene und damit relativ artenarme Pflanzenbestände mit möglichst einheitlicher physiologischer Reife angestrebt. Wer seine Grünlandflächen regelmäßig mit konkurrenzstarken Deutschen Weidelgras-Sorten nachsäht, wird auf den meisten Standorten homogene und nutzungselastische Bestände mit hohen Anteilen dieses wertvollen Futtergrases entwickeln und halten können. Eine nahezu jährlich wiederkehrende Nachsaat mit Deutschem Weidelgras ist insbesondere auf reinen Schnittgrünlandflächen auch erforderlich, denn die Ausdauer sowie das Bestockungs- und Regenerationsvermögen dieser Grasart ist bei dieser Nutzungsform begrenzt.

Die ungünstige Pflanzenbestandszusammensetzung vieler Grünlandflächen führt in der Praxis häufig dazu, dass die Nutzungselastizität relativ gering ist. Das heißt, dass die Aufwüchse physiologisch relativ schnell altern und damit der Rohfasergehalt innerhalb weniger Tage schnell steigt, während wichtige Qualitätsparameter, wie Energiegehalt sowie Eiweiß- und Zuckerkonzentrationen und die Verdaulichkeit, stark abfallen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Grünland hohe Anteile Wiesenfuchsschwanz, Rohrschwingel oder Wolliges Honiggras auf feuchten oder eine Knaulgras Dominanz auf eher trockenen Standorten aufweisen. Das im Verhältnis dazu ausgesprochen blattreiche Deutsche Weidelgras oder die Wiesenrispe haben dagegen eine wesentlich größere Nutzungselastizität. Das heißt, dass sich der Qualitätsabfall nach dem optimalen Nutzungstermin wesentlich langsamer vollzieht als bei den stark halmbildenden Obergräsern. Auch moderate Anteile von Weißklee in der Grasnarbe mit 10 bis 20 % erhöhen die Nutzungselastizität der Aufwüchse wesentlich. Das heißt, dass das Zeitfenster für einen optimalen Schnitttermin bei obergras- oder ungrasreichen Grünlandbeständen wesentlich kleiner und deutlich früher ist als bei Beständen mit hohen Anteilen an Deutschem Weidelgras und Weißklee.

Auf Winterhärte achten

Mit der Wahl der eingesetzten Gräsermischungen kann aktiv auf die Überwinterung des Bestandes Einfluss genommen werden. Die Gräserarten und Sorten reagieren unterschiedlich auf die tiefen Temperaturen der Wintersaison, da die Kälteverträglichkeit genetisch bedingt ist. Wiesenlieschgras, Wiesenschwingel und Wiesenrispe sind sehr kälteverträglich. Die Wiesenrispe geht in den Zustand der Winterruhe über, stellt das Wachstum komplett ein und nimmt keine Nährstoffe mehr auf. Das Deutsche Weidelgras dagegen wächst auch bei niedrigen Plusgraden im Spätherbst und Winter weiter, nur erheblich langsamer als zuvor, und nimmt weiterhin Nährstoffe auf. Vor allem bei wechselnden Temperaturen im Winter ist das Deutsche Weidelgras daher auswinterungsgefährdet, da durch das Wachstum in wärmeren Perioden der Kälteschutz abgebaut wird. Doch gerade darauf haben die Züchtung und die Zulassungsstellen reagiert. Alle Neuzüchtungen werden, neben vielen anderen Kriterien, auch auf Ausdauer und Winterhärte geprüft. Die Arbeitsgemeinschaft der Landwirtschaftskammern des norddeutschen Bundes beispielsweise legen Moorprüfungen für Neuzulassungen des Deutschen Weidelgrases an, um die Ausdauer der Sorten und die Eignung für auswinterungsgefährdete Moorstandorte zu bestimmen. Gerade beim Deutschen Weidelgras treten starke Sortenunterschiede bei der Kälteverträglichkeit auf. Einige Sorten sind sehr widerstandsfähig gegen Schneeschimmel und eignen sich für schneereiche Standorte, während andere Sorten eine sehr hohe Kälteresistenz ausbilden und auf kahlfrostgefährdeten Standorten bestehen können. Die von den Landwirtschaftskammern konzipierten und empfohlenen Qualitätsstandardmischungen (QSM) dürfen nur Sorten beinhalten, die sich im Rahmen von mehrjährigen Landessorten- und Ausdauerprüfungen für bestimmte Regionen als besonders geeignet herausgestellt haben. So werden beispielsweise von den 152 in Deutschland zugelassenen Deutsche Weidelgrassorten für Mittelgebirgslagen derzeit nur 31 empfohlen (Empfehlung 2014 bis 2015). Deutsche Weidelgrassorten für Mittelgebirgslagen müssen sich vor allem durch eine hohe Winterhärte, ein gutes Regenerationsvermögen und eine gute Resistenz gegen Schneeschimmel (Fusarium) auszeichnen. Für die meist wintermilden Regionen Nordwestdeutschlands haben dagegen derzeit über 130 Deutsche Weidelgrassorten eine Empfehlung oder eine vorläufige Empfehlung. Sorten, die sich auch auf frostgefährdeten Moorsandorten bewährt haben, erhalten mit der Abkürzung „M“ die besondere Eignung auf Moor.

Viele Saatgutunternehmen bieten neben ihren eigenen Markenprodukten auch QSM an, die an dem roten (für Mittelgebirgslagen) und orangenen (Nordwestdeutschland) Etikett zu erkennen sind und nur die Sorten mit regionaler Empfehlung beinhalten.

Wechselgrünland für Hochleistungsbetriebe

Betriebe, die im Rahmen grünlandbasierter Futterrationen sehr hohe Herdenleistungen anstreben, sind aus ökonomischer und ernährungsphysiologischer Sicht auf eine Grundfutterleistung von 50 % und mehr angewiesen. Eine Strategie vieler flächenknapper und intensiv wirtschaftender Grünlandbetriebe in Gunstlagen ist die Nutzung von Wechselgrünlandsystemen. Das heißt, dass Grünlandflächen in einem Turnus von etwa vier bis sechs Jahren umgebrochen und neu eingesät werden. Grund ist die Erfahrung aus der Praxis, dass die Ertrags- und Leistungsfähigkeit der Gräser durch die intensive, frühe und meist ausschließliche Schnittnutzung sowie durch die Belastung der Grasnarbe durch die eingesetzten Maschinen nach einigen Jahren nachlässt und auch die Ausdauer zurückgeht. Wird die Grünlandnarbe alle paar Jahre gewissermaßen ausgetauscht, ist der Anspruch der Arten und Sorten in Punkto Ausdauer nicht mehr so hoch wie bei klassischem Dauergrünland. Dann kann es durchaus sinnvoll sein, im Rahmen dieser Strategie nicht mehr auf Basis artenreicher Mischbestände zu agieren, sondern nur die produktivsten Gräserarten und Sorten einzusetzen. Und hier fokussiert sich die Auswahl schnell auf das Deutsche Weidelgras, auf die bereits hingewiesen wurde. Solche Grünlandnutzungssysteme sind zwar auf geeigneten Standorten für den Nutzungszeitraum einerseits hoch produktiv, bergen andererseits immer wieder das Neuansaatrisiko in sich. Zudem sind sie vor dem Hintergrund der sehr hohen Stickstoffumsetzung bei Grünlandumbruch und des damit verbundenen N-Auswaschungspotenzials kritisch zu sehen.

In vielen Regionen Nordrhein-Westfalens traten in den letzten Jahren immer wieder längere Phasen von Sommer- und Vorsommertrockenheiten auf. Vor diesem Hintergrund kommen Gräser in die Diskussion, die in der Trockenheitstoleranz gegenüber wertvollen Futtergräsern, wie Wiesenlieschgras, Wiesenschwingel und vor allem dem Deutschen Weidelgras, deutliche Vorteile aufweisen. Insbesondere Rohrschwingel, Knaulgras, Wiesenrispe und bedingt auch Rotschwingel zeigen sich gegenüber Trockenphasen ausgesprochen robust und regenerationsfähig. Unter diesen Bedingungen können diese Arten wesentlich zur Ertragssicherheit beitragen. Besonders dem Rohrschwingel – ein früher, wegen seiner harten Blätter, eher unbeliebtes Futtergras – wurde in den letzten Jahren eine höhere Aufmerksamkeit geschenkt. Durch Züchtung ist es zunehmend gelungen, sogenannte weich- oder sanftblättrige Sorten zu selektieren, die auch bei Weidenutzung vom Vieh in jungem Zustand gefressen werden. Durch die Züchtung konnte auch der Futterwert des Rohrschwingels maßgeblich gesteigert werden. Die Rohprotein-Gehalte dieses Grases sind relativ hoch.

Die Ertragsstärke und die Trockenheitstoleranz von Gräsern wie Knaulgras und Rohrschwingel gehen jedoch im Vergleich zum Deutschen Weidelgras mit geringeren Futterwerten einher. Ebenso zeigen diese Gräser eine relativ langsame Jugendentwicklung und sind vor allem in dieser Phase konkurrenzschwach. Kommen die Futtergräser wie das Deutsche Weidelgras auf Trockenstandorten an die Grenze ihrer Anbauwürdigkeit, können die trockenheitsverträglichen Arten als Mischungspartner aber ein wichtiges Gerüst für robuste und ausdauernde Grünlandmischungen bilden, die bei entsprechend frühen Nutzungsterminen passable Qualitäten liefern.

Autor: Hubert Kivelitz