Workshop Innovative Nutzung „alter“ Getreide

Ausgefallene BrotsortenBild vergrößern
Im Rahmen des Workshops konnten auch ausgefallene Brotsorten probiert werden.

„Innovative Nutzung „alter“ Getreide für neue Getreide-Rohstoffe mit Farbe, Geschmack und Genuss “ war das Thema eines Workshops zum Anbau pflanzengenetischer Ressourcen in Nordrhein-Westfalen.

Wenn Wissenschaftler der Genbank des IPK Gatersleben über morphologische Besonderheiten von mittelalterlichen Weizen mit Wissenschaftlern der Universität Hohenheim zu Veränderungen des CO2 Gehaltes der Atmosphäre und deren Einfluss auf das Wuchsverhalten diskutieren, und Spezialisten für Getreidequalität sich über Eigenschaften alternativer Getreide zusammen mit Landwirten, Ökotrophologen, Bäckern, Brauern bis hin zu Fachleuten von Marketing und Handel darüber austauschen, welche wirtschaftlichen Chancen die „alten“ Getreidesorten eröffnen können, zeigen sich überraschende Querverbindungen für kreative Lösungsansätze.

So geschehen am 27.06.2013 auf Haus Düsse!

Die bisherige Entwicklung der Landesinitiative „Pflanzengenetische Ressourcen“ wurde von Herrn Dr. J. Eisele (MKULNV NRW) und Herrn R. Lemke, Leiter des Geschäftsbereiches Land- und Gartenbau der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, vorgestellt.

Mit dem aktiven Erhalt „Pflanzengenetischer Ressourcen“ beschäftigt sich die Landwirtschaftskammer seit 13 Jahren, aktuell im Rahmen einer Landesinitiative. Damals wurde zuerst nach Beständen von alten Haus- und Hofsorten in NRW gesucht. Die nordrhein-westfälische Landwirtschaft mit ihrer hohen Produktivität hatte sich aber längst an Sorten und Verfahren mit hoher Ertragssicherheit orientiert, die den Ansprüchen der hochentwickelten Verarbeitungstechnologien im Lande entsprachen. Da damals keine „Altbestände“ von Getreidesorten mehr im Anbau waren, wurde für den Aufbau eines Sortimentes regionaler oder regional tauglicher Hof- und Landsorten auf Saatgutmuster der Genbanken zurückgegriffen. Teilweise standen bis zu 150 Getreidevarianten zum Beurteilen ihrer Eigenschaften auf dem Acker. Der aktive Erhalt einer Auswahl daraus konnte durch engagierte Landwirte erfolgen.

Eine langfristige Nutzung und sinnvolle Erhaltung ist aber auch dann nur möglich, wenn auch eine wirtschaftliche Nutzung und damit Nachfrage erfolgt. Es blieb die Strategie, Produkte mit wirtschaftlichen Optionen zu entwickeln, also mit regionaler Identität und Alleinstellungsmerkmalen.

Das Resümee der bisherigen Aktivitäten zum Anbau pflanzengenetischer Ressourcen ergab, dass im Rahmen der Landesinitiative in NRW heute wieder 15 Getreidesorten auf über 100 ha bei 13 Landwirten im Anbau stehen. Die nahezu gesamte Erntemenge findet Eingang in Verarbeitungsprozesse bei Bäckereien, Brauereien und Brennereien.

Als besonders stabile Wertschöpfungskette zeigt sich die direkte Verbindung von Landwirt und Verarbeiter. So konnte Herr Bungart von der Bäckerei „ Tollkötter“ aus Münster auf ein Emmerbrot verweisen, dessen Rohstoff seit 2005 direkt von 2 ausgewählten Landwirten bereitgestellt wird.

Noch intensiver sind die Kooperationsbeziehungen des „konsequenten Biobäckers“ aus Ahaus, der Produkte aus alten Sorten in 250 Filialen in Deutschland, den Niederlanden und Belgien anbietet und dazu direkt mit 22 Landwirten in Deutschland und den Niederlanden den Anbau für seine Produktlinien abstimmt.

Inzwischen ist aber auch schon bei den international aufgestellten Akteuren der Lebensmittelverarbeitung die Aufmerksamkeit für die Sortenvielfalt erwacht. Beim aufmerksamen Gang durch die Supermarktregale entdeckt man schon Müsli sehr bekannter Produzenten, die mit Anteilen von Einkorn, Emmer und Purpurweizen werben und dabei die besonderen Eigenschaften dieser Getreide herausstellen.

Auch bei den Vorträgen zeigte sich, dass sich eine Neubewertung von pflanzlichen Inhaltsstoffen im Getreide, wie phenolischen Verbindungen oder Hemizellulosen und Beta Glucan für die Ernährung und damit die Lebensmittelverarbeiter vollzogen hat, die wir in den züchterisch, bisher nur gering oder gar nicht bearbeiteten Getreiden in großer Variationsbreite vorfinden!

Wie schwer es aber ist, derartig neue Produkte, wie Emmer oder Nacktgerste dem Verbraucher schmackhaft zu machen, zeigte Herr Prof. Dr. G. Ritter von der FH Münster in seinem Vortrag. Dabei wurde deutlich, dass vor der Ausweitung der Rohstoffproduktion für innovative Produkte, die Vermarktungsfähigkeit der weitgehend unbekannten Produkte gesichert sein muss.

Nach alternativen Braurohstoffen in der Getränkeindustrie sucht Herr Dr. M. Zarnkow vom Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie Weihenstephan. Die Erfolge dazu konnten mit Proben von Emmer-, Schwarzhafer- und Imperialgerstenbier belegt werden. Auch für eine Zusammenarbeit mit Brauereien aus NRW werden aus der Ernte 2013 alte Sorten aus dem Projekt in ausreichenden Größenordnungen zur Verfügung stehen.

Die Chancen alternativer Getreidevarianten für die Ernährung und ihre Rolle als Rohstoff mit wertvollen Eigenschaften und Inhaltsstoffen für die Backtechnologie belegte Herr Dr. K. Münzig vom M. Rubner-Institut aus Detmold an Untersuchungen zu den Eigenschaften und Bewertungen von Spelzgetreiden, wie Einkorn, Emmer oder Dinkel aber auch verschiedener Hirsen.

Neben der Vorstellung der ca. 1 ha großen Feldversuchsflächen mit pflanzengenetischen Ressourcen, die sich in sehr gutem Zustand präsentierten, fand auch die Küche von Haus Düsse große Anerkennung bei den Tagungsteilnehmern.

Bei hervorragend zubereiteten Gerichten aus den „alten“ Kartoffelsorten „Bamberger Hörnchen“ und „Königsblau“, bestand auch die Gelegenheit zu intensiven Gesprächen. Es zeigte sich, dass jetzt der Zeitpunkt erreicht ist, den verschiedenen Akteuren von Wissenschaft, Landwirtschaft und Verarbeitung bis zum Handel regelmäßig die Möglichkeit zu geben Netzwerke zu knüpfen, die den Erhalt der Agrobiodiversität fördern

Vorträge auf der Tagung

  • 13 Jahre Pflanzengenetische Ressourcen in NRW
    Dr. J. Eisele, MKULNV NRW
  • Vorstellung der Landesinitiative und der Versuche zur Inwertsetzung von Phytogenetischen Ressourcen in NRW
    U. Schulze, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
  • Reaktion alter Getreidesorten auf den CO2-Düngeeffekt
    Dr. J. Franzaring, Uni Hohenheim
  • Alternative Rohstoffe für Fermentationsprozesse in der Getränkeindustrie
    Dr. M. Zarnkow, Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie Weihenstephan
  • Spelzgetreide: Wertschöpfung trifft Wertschätzung? Neue Getreiderohstoffe mit Farbe, Geschmack und Genuss
    Dr. Münzing, Rubner Institut Detmold

Auf Wunsch schicken wir Ihnen die Vorträge gerne per E-Mail zu. Schreiben Sie bitte an stefan.bohres@lwk.nrw.de.