Feldbesichtigung beginnt 2007 früher

Saatgutanerkenner
Schulung der Feldbesichtiger mit Ansprache von Sortenmerkmalen bei Wintergerste

Aufgrund des milden Winters und wegen der frühen Vegetation sind die Getreidebestände schon relativ weit entwickelt. Wintergerste, Roggen und Triticale haben bereits die Ähren geschoben oder stehen in Höhenlagen kurz davor. Sehr frühe Weizensorten haben in warmen Lagen auch schon den Beginn des Ährenschiebens erreicht. Aufgrund der fortgeschrittenen Vegetationsentwicklung beginnt die Feldbesichtigung in diesem Jahr gut zwei Wochen früher als sonst üblich. Welche Anforderungen an die Saatgutvermehrungen gestellt werden, erläutert Holger Dietzsch von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Münster.

Der Schwerpunkt der Saatenanerkennung fällt normalerweise in die Monate Juni und Juli. Im Gebiet der Anerkennungsstelle Nordrhein-Westfalen erfolgt die Feldbesichtigung durch die Saatenanerkenner grundsätzlich ohne vorherige Terminabsprache. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, wenn Familien- oder Betriebsangehörige über die Lage der Vermehrungsschläge informiert sind. Nur so lässt sich die Feldbesichtigung auch dann durchführen, wenn der Betriebsleiter einmal nicht anwesend ist. Überprüft werden die Vermehrungsbestände auf die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Normen. Der Zeitpunkt für die Besichtigung wird so gewählt, dass eine ausreichende Beurteilung der Sortenechtheit, des Fremdbesatzes und des Gesundheitszustandes möglich ist. Bei Getreide und Gräsern muss daher das Ähren- bzw. Rispenschieben abgewartet werden. Bei Gräsern wie z.B. Rotschwingel und Wiesenrispe beginnt die Kontrolle je nach Entwicklungsstand meist schon ab Ende Mai. Sie kann sich je nach Art (z.B. Deutsches Weidelgras) aber auch bis Ende Juli/Anfang August hinziehen. Die optimalen Besichtigungstermine ( phänologische Richtwerte) der einzelnen Fruchtarten sind in Übersicht 1 in Abhängigkeit der beantragten Saatgutkategorie aufgeführt.

Flächen rechtzeitig beschildern

Die Vermehrungsflächen sind rechtzeitig bis zum Beginn der Feldbesichtigung durch die entsprechenden Schilder zu kennzeichnen. Normalerweise werden die Schilder durch die VO-Firmen, bei Gräsern auch durch die Züchter zur Verfügung gestellt. Folgende Angaben sollten auf den Schildern vermerkt sein: Fruchtart, Sorte, beantragte Kategorie, Schlagbezeichnung, Schlaggröße, Anschrift des Vermehrers und VO-Firma. Der Feldbesichtiger kann so die Angaben für die Vermehrungsfläche mit den Angaben der Feldbesichtigungskarte vergleichen. Die Schilder sind gleichzeitig auch Werbung für die Ware des jeweiligen Saatguterzeugers. Fehlt das Schild, findet keine Feldbesichtigung oder nur eine Besichtigung unter Vorbehalt statt. In solchen Fällen ist dann eine gebührenpflichtige Nachbesichtigung (34 € je Feldbestand) erforderlich.

Zwei Besichtigungstermine bei Vorstufen- und Basissaatgut

Jede zur Anerkennung angemeldete Vermehrungsfläche von Getreide zur Erzeugung von ZSaatgut, von Gräsern und Sommerraps muss mindestens einmal besichtigt werden, Vorstufen- und Basissaatgut von Getreide sowie von mittel- und großkörnigen Leguminosen mindestens zweimal (Übersicht 1). Bei dem ersten Termin zu dem früheren Zeitpunkt kurz nach der Blüte können die Sortenmerkmale (z.B. Anthocyanverfärbung der Blattöhrchen oder der Grannenspitzen bei Wintergerste) kontrolliert werden, die später in der Abreife nicht mehr eindeutig zu erkennen sind. Der zweite Besichtigungstermin zu einem späteren Zeitpunkt ist erforderlich, um zum Beispiel Fremdbesatz bei Getreide im Vermehrungsbestand sicher erkennen zu können. Bei den mittelund großkörnigen Leguminosen erfolgt die zweite Besichtigung nach der Blüte zur Feststellung des Krankheitsbefalls (Brennflecken bei Erbsen, Wicken und Ackerbohnen sowie Anthracnose bei Lupinen).

Worauf achten die Feldanerkenner?

Wichtige Merkmale in der Feldbesichtigung sind Sortenechtheit, Fremdbesatz mit anderen Arten, Unkrautbesatz und Gesundheitszustand hinsichtlich samenübertragbarer Krankheiten. Übersicht 2 zeigt die vorgeschriebenen Mindestnormen für Getreide je nach Kategorie. Großes Augenmerk wird auf den Besatz mit anderen Sorten der gleichen Art und nicht hinreichend sortenechten Pflanzen - so genannte „abweichende Typen“ - gerichtet, weil dieser nur im Feld und nicht mehr in der Saatgutuntersuchung im Labor zu erkennen ist. Der Besatz wird durch mehrmaliges Auszählen im Feldbestand ermittelt. Dabei wird bei den Mähdruschfrüchten jeweils eine Zählstrecke von ca. 83 m Länge und ca. 1,80 m Breite (ca. 150 m²) beurteilt. In der Praxis entspricht dies etwa 100 Schritten in beidseitigem Armbereich. Bei Kartoffeln müssen pro Prüfstrecke jeweils 100 Stauden beurteilt werden. Aus mehreren solchen Auszählungen im Vermehrungsbestand wird ein Durchschnittswert errechnet. Beim Überschreiten der Norm wird der Vermehrungsbestand „ohne Erfolg“ eingestuft.

Mindestentfernungen einhalten

Bei Fremdbefruchtern sind bestimmte Mindestentfernungen zu benachbarten Feldbeständen (Übersicht 2) erforderlich, um Einkreuzungen zu verhindern. Bei Populationssorten von Roggen betragen diese zum Beispiel 300 m bei Vorstufen/Basissaatgut bzw. 250 m bei Z-Saatgut. Bei Hybridroggen ist für die Erzeugung von Z-Saatgut sogar eine Mindestentfernung von 500 m vorgeschrieben. Aber auch bei den Selbstbefruchtern wie Wintergerste und Triticale sind Mindestentfernungen vorgeschrieben, da es hier zu einem gewissen Anteil an Fremdbefruchtungen kommen kann. Bei den Leguminosen zählen Erbsen, Lupinen und Wicken zu den Selbstbefruchtern, alle anderen Leguminosen zu den Fremdbefruchtern. Hier sind bei Vermehrungsflächen bis 2 ha Größe 200 m (Vorstufen-/Basissaatgut) bzw. 100 m (Z-Saatgut) einzuhalten, bei größeren Vermehrungsflächen 100 m (Vorstufen-/Basissaatgut) bzw. 50 m (Z-Saatgut). Bei den Gräsern werden nur die Rispenarten als Selbstbefruchter behandelt, alle übrigen Gräserarten zählen zu den Fremdbefruchtern. Die Mindestentfernungen betragen hier bei Schlägen von unter 2 ha Größe 200 m (Vorstufen/Basissaatgut) bzw. 100 m (Z-Saatgut), bei Schlägen über 2 ha Größe sind es 100 m (Vorstufen-/Basissaatgut) bzw. 50 m (Z-Saatgut). Werden die Mindestentfernungen unterschritten, hat das die Teil- oder Totalaberkennung des Vermehrungsvorhabens zur Folge, da Einkreuzungen nicht ausgeschlossen werden können.

Aus dem Mäh- und Mulchverbot für Stilllegungsflächen können sich unter Umständen Probleme hinsichtlich der Abstandsregelungen bei Grassamenvermehrungen ergeben. Sofern benachbarte Stilllegungsflächen vor Ablauf der Verbotsfrist gemäht oder gemulcht werden müssen, um Polleneintrag in den Vermehrungsbestand zu verhindern bzw. um etwaige Mindestentfernungen einhalten zu können, bedarf es der schriftlichen Ausnahmegenehmigung. Diese wird mit Zustimmung der unteren Landschaftsbehörde erteilt und ist beim jeweils zuständigen Kreisgeschäftführer der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen durch den Bewirtschafter der Stilllegungsfläche zu beantragen. Für den Fall etwaiger Kontrollen ist die Ausnahmegenehmigung aufzubewahren.

Trennstreifen

Grundsätzlich ist zwischen Vermehrungsbeständen und angrenzenden Mähdruschfrüchten immer ein Trennstreifen von mindestens 40 cm erforderlich (Übersicht 2), um mechanische Vermischungen bei der Ernte zu vermeiden. Der Trennstreifen muss deutlich erkennbar sein. Wenn der Trennstreifen nicht bei der Aussaat angelegt wurde, muss er notfalls nachträglich hergestellt werden (Fräsen, Herausmähen). Bei Grassamenvermehrungen sind die Feldränder der Vermehrungsflächen sauber zu halten, damit ein Einwandern von Fremdgräsern aus dem Rand in den Vermehrungsbestand verhindert wird. Die Abgrenzung zu Schlagrändern, Feldrainen, Böschungen o. ä. ist im Vermehrungsbestand vor der Feldbestandsprüfung herzustellen.

Brandkrankheiten streng bewertet

Für Brandkrankheiten gelten ziemlich strenge Grenzwerte. Das Auftreten von Brandkrankheiten ist aber aufgrund der konsequenten Beizung inzwischen sehr selten geworden. Eine Bereinigung ist in Vermehrungsbeständen nicht erlaubt und auch zwecklos, da die Sporen aus der Brandähre sofort nach dem Erscheinen verbreitet werden und Infektionen hervorrufen können, die äußerlich am Korn nicht zu erkennen sind. Das Auftreten von Flugbrand wird nicht nur im Vermehrungsbestand überprüft, sondern auch in den benachbarten Beständen in einem Abstand von 50 m. Zulässig sind hier maximal 15 Flugbrandpflanzen je 150 m² (Übersicht 2).

Flughafer sehr kritisch

Hafervermehrungen müssen frei von Flughafer sein. Das gilt nicht nur für die Zählstrecken, sondern für den gesamten Schlag. Bei der Erzeugung von Vorstufen- und Basissaatgut darf darüber hinaus in einem Abstand von 100 m vom Vermehrungsbestand kein Flughafer oder Flughaferbastard auftreten. Flughafer kann sich mit Hafer zu so genannten Bastarden kreuzen, die dann wiederum Flughafermerkmale aufweisen und wie Flughafer zu werten sind. Wegen der Gefahr der Einkreuzung ist eine Bereinigung von Flughafer aus Hafervermehrungen nach dem Beginn der Blüte nicht mehr erlaubt. Der Bestand kann dann nicht mehr mit Erfolg besichtigt werden. Selbst bei großen Haferschlägen ist beim Auftreten von Flughafer keine Abtrennung und Teilflächenanerkennung möglich. Diese strengen Regelungen beim Flughafer haben in der Vergangenheit dazu geführt, dass dieses Ungras im Saatgetreide nur selten vorkommt.

Bestände im Vorfeld selbst überprüfen

Vor Beginn der Feldbesichtigung sollte jeder Vermehrer seine Bestände kontrollieren. Wird dabei beispielsweise festgestellt, dass starker Fremdbesatz zu einer endgültigen Aberkennung führen würde und eine Bereinigung nicht Erfolg versprechend ist, kann der Vermehrungsbestand durch den Anmelder von dem Anerkennungsverfahren zurückgezogen werden. Die Zurückziehung muss dafür aber rechtzeitig bei der Anerkennungsstelle beantragt werden. Übersteigt ein möglicher Fremdbesatz die Normen nur geringfügig, so kann die sachgerechte Bereinigung durch den Vermehrer sinnvoll sein. Auch dies sollte möglichst bis zum Besichtigungstermin durchgeführt sein. Ergibt sich erst bei der Feldbesichtigung, dass Mängel im Bestand behoben werden müssen, so kann auf Antrag eine gebührenpflichtige Nachbesichtigung (34 € je Bestand) nach der Bereinigung stattfinden. Die Kosten hierfür sind vom Antragsteller der Nachbesichtigung zu tragen.

Fazit für die Praxis

Für den Vermehrer empfiehlt sich im Vorfeld der Besichtigungssaison auf folgendes zu achten:

  • Beschilderung der Vermehrungsschläge frühzeitig vornehmen
  • Rechtzeitige und sachgerechte Bereinigung bei Auftreten von Fremdbesatz
  • Zurückziehungen nur nach Abstimmung mit der zuständigen Saatzuchtfirma rechtzeitig bei der Anerkennungsstelle beantragen.
  • Auf Trennstreifen von mindestens 40 cm zu benachbarten Mähdruschfrüchten achten. Bei Gräservermehrungen Schlagränder sauber halten und gegebenenfalls mähen.
  • Mindestentfernungen bei Fremdbefruchtern (z.B. Roggen, Gräser, Ackerbohnen) einhalten. Auch bei Triticale und Wintergerste sind Mindestentfernungen vorgeschrieben.
  • Bei Unklarheiten mit dem Vertragspartner sprechen oder sich bei der Anerkennungsstelle informieren.

Autor: Holger Dietzsch