Antibiotikamonitoring - die Kennzahl ist überschritten! Was nun?

Die erste Runde im staatlichen Antibiotikamonitoring ist abgeschlossen und inzwischen liegen die betriebsindividuellen Kennzahlen vor. Nicht nur in den Betrieben, auch die Hoftierärzte, die Veterinärverwaltung und die landwirtschaftlichen Organisationen haben sich im Vorfeld gefragt, wie die gesetzlichen Vorschriften und die Konsequenzen daraus in der Praxis umgesetzt werden sollen. Vor Ostern hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit in Berlin die Kennzahlen der bundesweiten Antibiotikadatenbank bekannt gegeben. In einigen Landkreisen ist den Betrieben bereits ihre individuelle Therapiehäufigkeit durch die zuständigen Veterinärämter mitgeteilt worden. Diese Mitteilung ist im AMG so vorgesehen, und sie ist gebührenpflichtig. Das war sicher für einige Beteiligte überraschend. Sogar bei einer Nullmeldung für eine Viehsammelstelle wurde ein Gebührenbescheid verschickt.

Die jeweilige Therapiehäufigkeit kann aber auch über die HIT Datenbank abgerufen werden. Dies soll auch der zukünftige Weg sein. Aber, ob „die Auskunft durch Abruf im automatisierten Verfahren“ auch für die Antibiotikadatenbank gilt, konnte bisher mit dem LANUV noch nicht zweifelsfrei geklärt werden. Auf jeden Fall gilt, dass auch Tierhalter, die sich die Therapiehäufigkeit aus der Datenbank abrufen, dem Veterinäramt schriftlich mitteilen muss, dass er die Daten abgerufen und die erforderlichen Maßnahmen eingeleitet hat. Also ist der Abruf der Therapiehäufigkeit durch den Tierhalter zwar möglich, aber die Mitteilung der Veterinärbehörde kann sie bisher nicht ersetzen.

Betriebe, die gemeldet haben, müssen dann ihre jeweilige Therapiehäufigkeit an Hand der veröffentlichten Kennzahlen bewerten. Die Kennzahl 1 (K1) beschreibt eine Therapiehäufigkeit des Betriebes über dem Durchschnitt der Gesamtbetriebe, die Kennzahl 2 (K2) beschreibt eine Therapiehäufigkeit oberhalb von dreiviertel aller Betriebe, also das schlechte Viertel.

Tierart / Nutzungsart Kennzahl 1: Median Kennzahl 2: Drittes Quartil
Mastkälber bis 8 Monate 0,000 5,058
Mastrinder älter als 8 Monate 0,000 0,015
Ferkel bis 30 kg Körpergewicht 4,793 26,191
Mastschweine über 30 kg Körpergewicht 1,199 9,491
Masthühner 19,558 35,032
Mastputen 23,030 47,486

Vom BVL im Bundesanzeiger veröffentlichte Kennzahlen zur Therapiehäufigkeit. Quelle: Herkunftssicherungs- und Informationssystem für Tiere

Wie hat der Landwirt bei einer entsprechenden Überschreitung der Kennzahlen zu reagieren?

Zunächst muss der Tierhalter innerhalb von zwei Monaten (also bis zum 31. Mai 2015) anhand des Vergleichswertes überprüfen, ob sein Betrieb die Kennzahl 1 oder 2 überschreitet. Das Ergebnis der Überprüfung muss dokumentiert werden.

Hier stellt sich aber jetzt schon die Frage für die Rinderhalter, ob sie Maßnahmen besprechen müssen, obwohl sie keine Antibiotika einsetzen. Denn der Median liegt ja bei Null.

Wird die Kennzahl zwei überschritten, muss der Tierhalter innerhalb von weiteren zwei Monaten (bis zum 31. Juli 2105) einen schriftlichen Maßnahmenplan erstellen. Der Maßnahmenplan ist unaufgefordert der Veterinärbehörde vorzulegen.

Die Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Termine, für die Erstellung des Maßnahmenplanes und auch für die spätere Umsetzung liegt dabei beim Tierhalter. Der Hoftierarzt kann dabei Hilfestellung leisten. Bei der Überschreitung des Schwellenwertes K1 ist zu prüfen, ob ein Tierarzt hinzuziehen ist, bei Überschreitung des Schwellenwertes K2 ist der Maßnahmenplan auf der Grundlage einer tierärztlichen Beratung zu erstellen.

Wie konkret muss der Maßnahmenplan tatsächlich aussehen?

Zunächst ist wichtig zu wissen, dass der Tierhalter für alle Tierarten auf seinem Betrieb, die unter die Novellierung des Arzneimittelgesetzes fallen, je einen Maßnahmenplan erstellen muss wenn die entsprechenden Kennzahlen überschritten werden. Das heißt für Mastschweine leichter 30 kg; für Mastschweine schwerer 30 kg; für Rindermast jünger als 8 Monate; für Rindermast älter als 8 Monate und für Masthühner ebenso wie für Mastputen. Im Extremfall könnten also bis zu sechs Maßnahmenpläne erforderlich werden, wenn die entsprechenden Betriebszweige auf dem Betrieb vorhanden sind, und die Kennzahlen überschritten werden.

Die Angaben für den Maßnahmenplan sollen in der Durchführungsverordnung zum §58 des Arzneimittelgesetzes festgelegt werden. Diese Durchführungsverordnung liegt derzeit als Entwurf vor und soll vom Bundesrat verabschiedet werden. Danach muss der Maßnahmenplan Angaben zum Betrieb enthalten und mutmaßliche Gründe zur Überschreitung der Kennzahl 2. Diese Angaben sind vom Tierhalter auszufüllen. Das Ergebnis der tierärztlichen Beratung und konkrete Angaben zu Maßnahmen sowie der geplante Umsetzungszeitraum sind mit dem Hoftierarzt abzustimmen.

Für diesen Maßnahmenplan ist zur Zeit keine besondere Form vorgeschrieben. Diese Situation ist im Moment noch sehr unbefriedigend. Daher haben bereits im letzten Jahr Vertreter aus der Veterinärverwaltung, den praktischen Tierärzten und den landwirtschaftlichen Organisationen in Nordrhein-Westfalen gemeinsam beraten, um ein möglich einheitliches Vorgehen zu erreichen und auch die Vollständigkeit gewährleistet ist. Die Koordination wurde von Vertretern der Tierärztekammern übernommen. Dieses Vorgehen ist bis jetzt einmalig in Deutschland.

Das hat den Vorteil, dass es die Betriebe, die landwirtschaftliche Beratung, die Hoftierärzte und die Veterinärverwaltung mit einem Dokument zu tun haben. Das erleichtert das Vorgehen in den Betrieben und auch natürlich auch die entsprechenden Kontrollen.

Die Maßnahmenpläne können hier abgerufen werden:

Wichtig ist, dass nach dem Gesetz, die Verantwortung für den Maßnahmenplan beim Tierhalter liegt, vor allen Dingen wenn es um die Angaben zum Betrieb geht. Bei den mutmaßlichen Gründen und zur Einleitung weiterer Maßnahmen ist der Hoftierarzt der erste Ansprechpartner. Neben Impfprogrammen kann auch eine weitere produktionstechnische Beratung (Klima, Fütterung, Hygiene) mit Zeitvorgaben empfohlen werden.

Was macht das Veterinäramt mit den Maßnahmenplänen?

Das Veterinäramt prüft selbstverständlich die Pläne auf Vollzähligkeit (haben alle Betriebe mit Kennzahl 2 einen Plan bis zum 31.07.15 abgegeben); auf Vollständigkeit (sind alle erforderlichen Angaben gemacht worden) und ob die angeführten Maßnahmen ausreichend konkret und geeignet sind, den Antibiotikaverbrauch zu senken.

Werden auch Vorortkontrollen durchgeführt?

Das Veterinäramt ist angehalten, in besonderen Betrieben auch Vorortkontrollen durchzuführen. Was ein besonderer Betrieb ist, entscheidet das Veterinäramt. Bei einer Vorortkontrolle wird dabei nicht über Diagnosen und Therapien der Vergangenheit und  des Maßnahmenplanes diskutiert. Die Kontrollen richten sich nach der Einhaltung der gesetzlichen Mindestanforderungen hinsichtlich der Tierschutznutztierhaltungsverordnung, der Schweinehaltungshygieneverordnung,  des Arzneimittelrechtsund der Betriebshygiene. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in die Bewertung des jeweiligen Maßnahmenplanes mit ein. Das Veterinäramt kann im Einzelfall auch eine Ergänzung des Maßnahmenplanes fordern. Reichen die beabsichtigten Maßnahmen nicht aus, den Antibiotikaeinsatz dauerhaft zu verringern, kann die Behörde weitere zusätzliche Maßnahmen nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft anordnen. Das kann zusätzliche Diagnostik oder bestimmte Impfungen umfassen. Das Veterinäramt kann auch weitergehende Anforderungen an die Tierhaltung nach dem Stand der guten fachlichen Praxis stellen. Dies kann die Fütterung, die Hygiene, die Stallausstattung oder Stalleinrichtung oder auch die Belegdichte umfassen. Ein nächster Schritt ist, bei erheblicher Überschreitung Kennzahl 2 und zweimaligem Überschreiten in Folge, der Einsatz von Antibiotika nur durch den Tierarzt. Werden Anordnungen nicht befolgt oder die K2 wiederholt überschritten, kann die Veterinärbehörde, sicherlich als letzten Schritt, auch das Ruhen der Tierhaltung anordnen.

Mit Auswertung der Antibiotikadatenbank sind auffällige Tierhalter zum 31. März 2015 hinsichtlich des Therapieindexes angeschrieben worden. Damit kommen einige Verpflichtungen auf den Landwirt zu. Der Landwirt sollte zunächst die Richtigkeit der Daten überprüfen, und bei Unstimmigkeiten sofort mit seinem Veterinäramt Kontakt aufnehmen, allerspätestens bis zum 31.05.2015. Wird die Kennzahl 2 überschritten muss der Landwirt einen Maßnahmenplan erstellen, dazu muss er sich von seinem Tierarzt beraten lassen. Das Veterinäramt kommt erst ins Spiel, wenn sich ein Betrieb in der geforderten Frist nicht meldet, zu wenig getan wird oder wenn Rechtsverstöße vorliegen. Ziel aller Beteiligten muss sein, den Antibiotikaeinsatz zu minimieren. Dazu ist ein kooperatives Vorgehen auf fachlicher Basis aller Beteiligten dringend geboten.

Autor: Dr. Jürgen Harlizius und Bernhard Feller