Augenerkrankungen bei Schafen und Ziegen

LidverletzungBild vergrößern
Bild 1: Lidverletzungen entstehen oft durch hervorstehende Nägel an den Buchtenwänden oder durch Drahtenden bei Knotengittern. Offene Lidverletzungen müssen sofort tierärztlich-chirurgisch behandelt werden.

HornhautperforationBild vergrößern
Bild 2: Hornhautperforation

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Bild 3: Das zunächst wässrige Sekret nimmt bei einer Bindehautentzündung zunehmend eitrigen Charakter an.

Pink eyeBild vergrößern
Bild 4: Das sogenannte Pink eye, eine infektiöse Entzündung der Binde- und Hornhaut.

EntropiumBild vergrößern
Bild 5: Einwärtsdrehung des Augenlidrandes

EktropiumBild vergrößern
Bild 6: Bei herunterhängenden Unterlidern gelangen leicht Staub oder Fremdkörper auf die Lidbindehaut. Dadurch entsteht ein permanenter Reizzustand an der Augenschleimhaut und möglicherweise auch an der Hornhaut.

MikrophthalmieBild vergrößern
Bild 7: Bereits 1957 wird die beidseitige Verkleinerung der Augäpfel in der Literatur beschrieben und der Verdacht auf einen genetischen Defekt geäußert.

Entwicklung MikrophthalmieBild vergrößern
Bild 8: Die von Mikrophthalmie betroffenen Lämmer finden sich in ihrer Bucht gut zurecht, reagieren bei Veränderungen aber auffallend schreckhaft.
  
Fotos: Dr. Wilfried Adams

Augenerkrankungen treten bei kleinen Wiederkäuern wesentlich häufiger auf als bei Rindern. Infektiöse Erkrankungen stehen dabei im Vordergrund. Dr. Wilfried Adams, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, informiert im folgenden Beitrag über die bedeutendsten Erkrankungen.

Nicht selten ist die gesamte Herde betroffen und es treten Probleme beim Hüten auf, da der Herdenverband auf Grund der mangelnden Orientierungsfähigkeit der Tiere verloren geht. Daneben kann man bei bestimmten Rassen genetisch bedingte Augenerkrankungen beobachten, die von Fehlsichtigkeit bis zur völligen Blindheit führen. Die genetischen Grundlagen sind wissenschaftlich nur teilweise geklärt. Auch Verletzungen des Auges und der Augenlider können bei Einzeltieren das Sehvermögen beeinträchtigen; hier scheinen nach den Erfahrungen des Schaf- und Ziegengesundheitsdienstes der Landwirtschaftskammer NRW Ziegen häufiger betroffen zu sein als Schafe. In der Praxis eher selten können Vitamin-A-Mangelzustände, Intoxikationen und Virusinfektionen zur Blindheit bei kleinen Wiederkäuern führen.

Verletzungen am Auge

Lidverletzungen sind oft mechanisch bedingt und stellen sich häufig als Risswunde an den Lidrändern dar (Bild 1). Eine Verletzungsgefahr geht von an den Buchtenwänden hervorstehenden Nägeln oder bei Knotengittern von freien Drahtenden aus. Man beobachtet eine schnell einsetzende Schwellung der Augenlider sowie vermehrten Tränenfluss mit Serum absonderndem, später eitrigem Augenausfluss. Als Sofortmaßnahme empfehlen sich neben Aufstallen der Tiere kühlende Umschläge. Keinesfalls darf man freihängende Hautlappen abschneiden. Jede offene Lidverletzung muss unverzüglich tierärztlich chirurgisch behandelt werden, damit künftig der physiologische Lidschluss wieder gewährleistet ist. Vorhandene Fremdkörper können dabei unter lokaler Betäubung entfernt werden. Anschließend erfolgt eine mehrtätige Nachbehandlung mit Antibiotika.

Hornstöße bei Rangkämpfen können bei Ziegen und Schafen zu Verletzungen der Augen und im Extremfall zu perforierenden Hornhautverletzungen mit Vorfall der Regenbogenhaut und Schrumpfung des Augapfels durch Verlust des Kammerwassers kommen (Bild 2). Wird auf rasche tierärztliche Hilfe verzichtet, kommt es durch Erreger oft zu lebensbedrohlichen Situationen.

Die Bindehautentzündung

Die normale Bindehaut ist blassrosa, glatt und glänzend. Durch viele Faktoren kann es zu Entzündungen kommen, die mit einer Rötung, Schwellung und verstärkter Sekretbildung einhergehen. Das zunächst wässrige Sekret nimmt zunehmend eitrigen Charakter an (Bild 3). Bei allen Maßnahmen am Auge sollte der Kopf des Schafes zum Zwecke der Untersuchung  durch eine zweite Person durch Andrücken an den Oberschenkel des Halters fixiert werden.

Fremdkörper führen meist zu Irritationen an einem Auge und befinden sich meist unterhalb der Lidkante oder im inneren Augenwinkel unter dem dritten Augenlid. Gelegentlich sieht man auf der Hornhautoberfläche die beim Lidschlag durch den Fremdkörper verursachten Kratzer. Fremdkörper versucht man zu entfernen, indem man das Auge bei Aufhalten der Lider mit reichlich Wasser spült. Steht keine physiologische Kochsalzlösung zur Verfügung, kann man auch Mineralwasser verwenden. Manchmal ist auch der vorsichtige Gebrauch eines feuchten Q-Tip-Stäbchens hilfreich. Bei Komplikationen oder tieferen Verletzungen der Hornhaut sollte man den Hoftierarzt konsultieren. Bei Verdacht auf bakterielle Entzündungen kann über einen sogenannten Bindehautabstrich ein Erregernachweis geführt werden. Antibiotika-haltige Salben müssen in diesem Fall mehrmals im Abstand von wenigen Stunden über einige Tage hinweg in den Bindehautsack eingebracht werden.

Infektiöse Entzündung der Binde- und Hornhaut

Die infektiöse Entzündung der Binde- und Hornhaut kommt bei kleinen Wiederkäuern relativ häufig vor und ist das ganze Jahr über, sowohl bei Weide- als auch bei Stallhaltung, zu beobachten (Bild 4). Die Übertragung der Erreger von Tier zu Tier erfolgt durch Tröpfcheninfektion oder durch Insekten; bereits nach wenigen Tagen können die meisten Tiere betroffen sein, so dass sich die Herde nicht mehr hüten lässt. Als wichtigste Erreger werden Moraxellen, Chlamydien und Mykoplasmen genannt; sie lassen sich mit Augentupfer kulturell nachweisen. Nach einer Inkubationszeit von zwei Tagen bis zu drei Wochen stellen sich meist beidseitig die ersten Symptome ein: Abtrennen von der Herde, verstärkte Tränensekretion, mit Blinzeln einhergehende Lichtscheue, gerötete und geschwollene Augenschleimhäute, vermehrte Füllung der Gefäße, eitrige Entzündung und schließlich Eintrübung der Hornhaut mit Ablagerung weißlich-gelber Herde auf der ansonsten glatten Oberfläche der Hornhaut. Manchmal sieht man auch eine vom Rand her einsetzende Gefäßeinsprossung in die Hornhaut, sie verleiht der Hornhaut eine hellrote Farbe, was zu dem Begriff Pink eye geführt hat. Im Extremfall kann es nach zentralen, meist vorgewölbten Defekten zu Perforationen der Hornhaut und zum Verlust des Auges kommen.

Die Aufstallung der erkrankten Tiere ist auf jeden Fall zu empfehlen. Das gedämpfte Licht lindert die Schmerzen und beschleunigt den Heilungsverlauf. Da das Allgemeinbefinden der Tiere auf Grund der sehr schmerzhaften Augenentzündungen erheblich gestört und die Orientierungsfähigkeit der Tiere eingeschränkt ist, müssen leicht zugängliches, staubfreies und nährstoffreiches Futter sowie reichlich Wasser angeboten werden. Durch Aufbringen von Pyrethroiden sollte man versuchen, die Fliegenbelastung zu reduzieren. In Abhängigkeit vom Erreger, der Herdengröße und der Anzahl der betroffenen Tiere werden nach Maßgabe des Tierarztes vorzugsweise antibiotisch wirksame Substanzen mehrmals täglich als Salben, zum Beispiel Vetoscon-Augensalbe von Pfizer, oder wässrige Lösungen lokal aufgetragen oder eingeträufelt. Bei stark betroffenen Tieren werden die Wirkstoffe vom Tierarzt injiziert und zusätzlich systemisch verabreicht.

Wenn sich der Lidrand einwärts dreht …

Die Mehrzahl der Schafhalter, vor allem die Halter von Schwarzköpfigen Fleischschafen, dürfte schon mit der Einwärtsdrehung des Augenlidrandes bei Lämmern konfrontiert worden sein, auch wenn dies erst bei näherer Untersuchung des Auges erkennbar wird (Bild 5). Man beobachtet meist an einem, seltener an beiden Augen neugeborener oder wenige Tage alter Lämmer eine vermehrte Tränensekretion. Die Entzündung kann auch eitrigen Charakter annehmen und zu Irritationen an der Hornhaut führen. Die oft angeborene, in selteneren Fällen erworbene Anomalie wird verursacht durch eine Dauerreizung, die bei nach innen gerollten Augenlidern durch die Wimpern an der Binde- und/oder Hornhaut provoziert wird. Der Defekt lässt sich durch Ausrollen des Lides mit dem Daumen leicht erkennen. Erfolgversprechend ist das Herunterziehen des eingerollten Lides; dies sollte über mehrere Tage mehrmals am Tag durchgeführt werden. Tritt kein Erfolg ein, kann der Tierarzt durch einen kleinen chirurgischen Eingriff das Lid straffen. Von dieser Krankheit betroffene Lämmer sollten wegen des möglichen genetischen Defektes von der Zucht ausgeschlossen werden.

… oder das Unterlid herunterhängt

Bei erblich bedingtem, mangelndem Lidschluss infolge eines herunterhängenden Unterlides gelangen leicht Staub oder Fremdkörper auf die Lidbindehaut. Dadurch entsteht ein permanenter Reizzustand an der Augenschleimhaut und möglicherweise auch an der Hornhaut (Bild 6). Bei stärkerer Ausprägung sollte man das Lamm dem Tierarzt vorstellen. Er kann den Defekt chirurgisch angehen, indem er nach lokaler Betäubung einen V-förmigen Schnitt in der Mitte unter dem Lidrand anlegt, die Haut dort keilförmig entfernt und die Wunde anschließend vernäht. Auch diese Lämmer sollten züchterisch keine Berücksichtigung finden.

Missbildungen am Auge

Seit den 60-er Jahren wurde bei aus Holland eingeführten Texelschafen und deren Nachkommen und Kreuzungsprodukten in Deutschland eine beidseitige Verkleinerung der Augäpfel festgestellt. Bereits 1957 wurde der Verdacht einer genetischen Disposition geäußert. Mittlerweile ist die sogenannte kongenitale Mikrophthalmie bei Texelschafen und deren Kreuzungsprodukten in Gebrauchsschafherden weit verbreitet (Bild 7). Das Leiden wird rezessiv vererbt und beruht offenbar auf einer Störung in der Augenentwicklung im Zeitraum der Bildung der Augenblase. Die von dieser Krankheit betroffenen Lämmer finden sich in ihrer geräumigen Ablammbucht relativ gut zurecht, sind nach derzeitigen Kenntnisstand von keinen weiteren Organveränderungen betroffen und zeigen ansonsten auch keine Störungen in der körperlichen Entwicklung. Erst bei näherer Betrachtung fällt auf, dass sie versuchen, ihre Blindheit oder eingeschränkte Sehfähigkeit durch das Gehör zu kompensieren. Dabei erscheinen sie beim Auftreten von Unregelmäßigkeiten auffallend schreckhaft.

In der Koppelschafhaltung können diese Tiere, vor allem bei Beibehaltung ihrer engen räumlichen Grenzen im Rahmen der saisonalen Ablammung im Winterhalbjahr und bei entsprechender Betreuung durch die Tierhalter, bis zur Schlachtreife gehalten werden (Bild 8). Da der Augapfel beidseitig nur verkümmert vorhanden ist, treten bei der klinischen Untersuchung das obere und untere Augenlid sowie das dritte Augenlid besonders hervor. Auch wenn man zunächst den Eindruck hat, dass die Augenanlage völlig fehlt, lassen sich meist bei genauerer Untersuchung Augenanlagen nachweisen. Eltern betroffener Lämmer sowie deren Nachkommen sollten unbedingt von der Zucht ausgeschlossen werden. Wissenschaftliche Einrichtungen in Deutschland beschäftigen sich derzeit mit der Entwicklung gentechnischer Verfahren, damit Anlageträger ohne den zeitaufwendigen Nachkommentest ermittelt werden können.

Grisefulvin, ein in der Tiermedizin nicht mehr zugelassener Wirkstoff gegen Hautpilze, Mykotoxine und Vitamin-A-Mangel-Zustände können auch zu Augenanomalien bei Schaflämmern führen. Die Infektion tragender Muttertiere mit dem Blauzungenvirus verursacht offenbar ebenfalls Augenveränderungen bei deren Nachkommen.

Autor: Dr. Wilfried Adams