Wachstum von Kälbern bei unterschiedlicher Konzentration des Milchaustauschers

kaelberversuch_2010

Hintergrund und Fragestellungen

In der Kälberaufzucht soll das Wachstumspotential der jungen Kälber optimal ausgenutzt werden. Wegen der noch unterentwickelten Vormagenfunktion ist das junge Kalb zwingend auf Milchprodukte angewiesen. Zur Reduzierung der Aufzuchtkosten werden die Tränkegaben zeitlich und mengenmäßig begrenzt. Als Orientierungsgröße diente bisher ein Aufwand an Milchaustauscher (MAT) von 30 kg pro Kalb.

In einigen neueren Untersuchungen konnte jedoch gezeigt werden, dass eine sehr intensive Aufzucht in den ersten Lebenswochen nicht nur zu besseren Wachstumsleistungen, sondern auch zu höheren Milchleistungen in der ersten und zweiten Laktation führt. Begründet wird dies mit dem Wirksamwerden der metabolischen Programmierung, die einen Einfluss der Ernährungsintensität in der Phase nach der Geburt auf die Stoffwechselaktivität des erwachsenen Tieres beschreibt.

Im Landwirtschaftszentrum Haus Riswick wurde in einem Fütterungsversuch mit Kälbern geprüft, ob eine Versorgung mit knapp 45 kg MAT pro Kalb, verbunden mit einer MAT Konzentration von 160 g/ Liter in den ersten Lebenswochen, gegenüber einer Versorgung mit 30 kg MAT zu besseren Wachstumsleistungen in der Aufzuchtperiode führt. Ferner soll geprüft werden, ob die intensivere Aufzucht zu höheren Milchleistungen in späteren Laktationen führt.

Versuchsaufbau

Im Kälberstall wurde von März bis November 2010 ein Fütterungsversuch mit insgesamt 65 Kälbern der Rasse Deutsche Holstein beider Geschlechter in zwei Prüfvarianten durchgeführt. Bei gleichem Futterangebot (Kraftfutter/Mischration) unterscheidet sich die eingestellte Tränkekurve ab Einteilung in die Gruppe wie in Tabelle 1 dargestellt.

Die Haltung erfolgte in Abhängigkeit der Versuchsvariante räumlich getrennt und erstreckte sich je Gruppe auf 150 Tage. Nach Ende der ersten Lebenswoche in Einzelhaltung und Biestmilchversorgung erfolgte die Gruppenaufstallung. Die Biestmilch wurde angesäuert und den Kälbern ad libitum angeboten. Bei der Gruppeneinteilung fand das Geschlecht, das Geburtsgewicht und die Laktationsnummer der Mutter (Färse oder Mehrkalbskuh) Berücksichtigung.

Die Daten zur Milchaustauscher- und Kraftfutteraufnahme wurden täglich tierinidviduell, die Aufnahme an Mischration täglich als Gruppenmittel und die Daten zur Körperentwicklung am Tag der Einstallung, dem 35., 70., 110. und 150. Versuchstag erfasst.

Ergebnisse

In der Versuchsgruppe konnte die geplante MAT-Menge von 45 kg pro Kalb nicht vollständig verabreicht werden, da die Kälber in den ersten Wochen am Tränkeautomaten unterhalb des geplanten Milchabrufes von 6 Litern blieben. Die MAT-Aufnahme beschränkte sich somit auf 42 kg pro Kalb. Die Kälber der Kontrollgruppe zeigten ebenfalls eine reduzierte Milchaufnahme, diese stabilisiert sich aber frühzeitiger, so dass sie die geplanten 30 kg Milchaustauscher sicher erreicht haben. In beiden Gruppen verlief der weitere Tränkeverlauf bis zum Absetzen am 63. Versuchstag planmäßig. Die durchschnittliche Kraftfutteraufnahme lag in der Kontrollgruppe auf höherem Niveau und lässt sich über die gesamte Versuchsperiode auf einen Unterschied von 9 kg beziffern (Tabelle 2).

Wie in Tabelle 3 zu sehen ist, stieg die Aufnahme an Mischration in beiden Gruppen über den Versuchszeitraum kontinuierlich an. Erwartungsgemäß spielte die Aufnahme an Mischration in der ersten Hälfte der Tränkeperiode keine wesentliche Rolle bei der Ernährung des Kalbes.

Hinsichtlich der Lebendmasse waren die Kälber der Versuchsgruppe zu allen Messterminen im Vorteil, beim Wägetermin am 35., 110. und 150. Tag lässt sich der Unterschied in den Lebendmassen statistisch absichern. Zum Ende des Versuches am 150. Tag zeigten die Kälber mit der höheren MAT-Versorgung ein um 9 kg höheres Körperwicht (Abb. 1).

Die gute Körperentwicklung spiegelte sich auch in den Tageszunahmen wider. Bis zum 35. Tag hatten die Kälber der Versuchsgruppe eine um 50 g höhere Tageszunahme im Vergleich zur Kontrollgruppe (Abb. 2). In der zweiten Hälfte der Tränkeperiode näherten sich die Tageszunahmen wieder an. In der Zeit nach dem Absetzen der Milchtränke bis zum Versuchsende waren die Kälber mit der höheren MAT-Versorgung wieder im Vorteil.

In Tabelle 4 sind die mittleren Nährstoffaufnahmen für die einzelnen Versuchsabschnitte zusammengestellt. Im ersten Abschnitt bis zum 35. Versuchstag haben die Versuchskälber eine höhere Trockenmasseaufnahme, die sich maßgeblich über die höhere MAT-Konzentration erklären lässt. Dadurch ist die Energie- und Proteinzufuhr für 400 g Tageszunahmen (TZ) sicher gestellt. In den weiteren Versuchsabschnitten sind die Energie- und Nährstoffaufnahmen zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe vergleichbar und decken sicher das Niveau der Versorgungsempfehlungen ab. Auffallend ist, dass sich die Futteraufnahmen in beiden Versuchsgruppen oberhalb der Versorgungsempfehlungen bewegen.

Einordnung der Ergebnisse

Die Erhöhung der MAT Konzentration auf 160 g/l Milch in den ersten 28. Versuchstagen führte bei den Versuchskälbern zu einer stärkeren Körperentwicklung bis zum 150. Versuchstag. Die Kälber der Kontrollgruppe konnten durch eine intensivere und stabilere Kraftfutteraufnahme und eine vergleichbare Aufnahme an Mischration die geringeren Nährstoffaufnahmen aus dem Milchaustauscher nicht vollständig kompensieren. Die intensivere Versorgung mit Milchaustauscher zeigte auch über die Tränkephase hinaus Wachstumseffekte, die nicht direkt mit einer höheren Nährstoffaufnahme zu erklären, sondern möglicherweise in einer höheren Stoffwechselaktivität begründet sind. Die momentanen Ergebnisse lassen nur eine Beurteilung der Wachstumsleistungen und Nährstoffaufnahmen des jungen Wiederkäuers zu. Inwiefern die metabolische Programmierung auch zu einer höheren Leistung des erwachsenen Tieres führt, kann frühestens in drei Jahren, mit Abschluss der ersten Laktation, erfasst und ausgewertet werden.

Auf dem „Forum angewandte Forschung in der Rinder- und Schweinefütterung“, welches Anfang April 2011 in Fulda stattfand, wurden die Ergebnisse von mehreren Fütterungsversuchen zur Kälberaufzucht vorgestellt, in denen die bisherigen Aufzuchtregime mit einer deutlichen höheren Intensität der Nährstoffversorgung verglichen wurde. In der Tabelle 5 werden die zentralen Ergebnisse aus drei Versuchen zusammengefasst.

Empfehlungen für die Praxis

In allen Versuchen konnte das Wachstumspotenzial der Aufzuchtkälber in den ersten 5 – 6 Lebenswochen durch Erhöhung der Tränkekonzentration auf 160 g/l deutlich besser ausgenutzt werden. Ein negativer Einfluss auf die Kotkonsistenz ergab sich nicht. Die bisher genutzten Aufzuchtregime mit einer MAT-Konzentration von 100 bis 125 g/l haben das enorme Wachstumspotenzial der Kälber in den ersten Lebenswochen nicht annähernd ausgeschöpft. Auf Basis dieser Ergebnisse wird empfohlen, die Intensität im ersten Abschnitt der Aufzucht zu erhöhen. Beobachtungen aus der Praxis zeigen zudem, dass in der Frühphase besser entwickelte Kälber weniger krankheitsanfällig sind bzw. im Krankheitsfall eine bessere Genesungschance aufweisen.

Autoren:

Claudia Verhülsdonk, Hermann Siebers, Dr. Martin Pries, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen