Trockensteher nur mit Kraftfutter und Stroh füttern?

Strohfütterung bei Rindern mit Wiegetrog
Strohfütterung ad libitum über Wiegetröge bei Rindern. Foto: Christoph Hoffmanns

Für die bedarfsgerechte Versorgung von trockenstehenden Milchkühen wird eine zweigeteilte Fütterung mit geringer Energiedichte (5,1 - 5,5 MJ NEL/kg TM) im ersten und einer höheren Energiedichte (6,5 - 6,7 MJ NEL/kg TM) im zweiten Teil der Trockenstehzeit empfohlen. In der Praxis resultieren in der Frühtrockenstehphase Rationen bestehend aus Gras- und Maissilage sowie Stroh. In der Vorbereitungsfütterung erfolgt eine Aufwertung der Rationen mit 2 bis 4 kg Konzentratfutter, um so den höheren Energiebedarf abzudecken. Damit sich die Pansenmikroben auf die Situation nach der Kalbung einstellen können, wird der Einsatz von gleichen Futterkomponenten vor und nach der Kalbung gefordert. Derzeit wird von einigen Mischfutterherstellern ein Futterkonzept für Trockensteher auf Basis von Stroh und Kraftfutter vorgeschlagen. Dabei erhalten die Frühtrockensteher etwa 6kg Kraftfutter sowie Stroh zur freien Aufnahme. In der Vorbereitungsfütterung wird bei unverändertem Strohangebot die Kraftfuttermenge auf 8 kg gesteigert. Mit der Kalbung erfolgt eine sofortige Umstellung auf die Laktationsration, die entweder als Totale Mischration (TMR) oder als aufgewertete Mischration mit Kraftfutterergänzung über Abrufstationen verabreicht wird.

Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dieses Futterkonzept auf die Futteraufnahme, Leistungsbereitschaft und Stoffwechselstabilität in der Frühlaktation hat.

Wie wurde vorgegangen?

Im Landwirtschaftszentrum Haus Riswick, Kleve, wurde ein Fütterungsversuch mit 2 x 27 Tieren der Rasse Deutsche Holstein in der Frühtrockenstehzeit und Vorbereitungsphase durchgeführt. Der Färsenanteil lag in beiden Futtergruppen bei 20 %. In der Futtergruppe „Kontrolle“ wurde die betriebsübliche, Silage basierte und zweigeteilte Fütterung durchgeführt. In der Futtergruppe „Stroh/KF“ erhielten die Kühe die oben angegebenen Kraftfuttermengen (KF) über den Transponder und Stroh zur freien Aufnahme . Gemäß Deklaration enthielt das Kraftfutter 18 % XP, 6,7 MJ NEL/kg und einen bedarfsdeckenden Gehalt an Mengen- und Spurenelementen sowie Vitaminen. Die Mischrationen und das Stroh wurden in allen drei Versuchsphasen zur freien Aufnahme über Wiegetröge verabreicht, das Kraftfutter tierindividuell über Transponderstationen. Übersicht 1 (siehe unten) gibt eine nähere Beschreibung der Fütterungsvarianten.

Die Nährstoffgehalte der Mischrationen wurden auf Basis der Analysenbefunde für Grob- und Kraftfutter kalkuliert. Bei den Grobfuttern wurden Sammelproben, bei den Konzentratfuttern wurde jede Charge in der LUFA NRW gemäß den methodischen Vorgaben des VDLUFA untersucht. Die Untersuchungen von Blut und Urin erfolgten an der Tierärztlichen Hochschule Hannover.

Welche Ergebnisse wurden erzielt?

Die Tabelle 1 zeigt die mittleren Futter-, Nährstoff- und Energieaufnahmen der beiden Varianten in der Trockenstehzeit. Die Frühtrockenstehphase umfasst jeweils ca. 31 Tage. Hier werden in der Kontrollgruppe 10,8 kg und in der Stroh/KF-Gruppe 11,1 kg TM je Tier und Tag gefressen. Die Trockenmasseaufnahme aus Stroh in der Stroh/KF-Variante macht mit 6,1 kg TM je Tier und Tag etwa 58 % der Gesamttrockenmasseaufnahme aus. Die tägliche Energieaufnahme beträgt 60 MJ in der Kontroll- und 61 MJ NEL in der Stroh/KF-Variante. Damit sind TM- und Energieaufnahme praktisch gleich. Außer beim Rohprotein (XP) ergeben sich bei allen anderen Nährstoffen signifikant höhere Aufnahmen in der Stroh/KF-Gruppe. Auf die niedrige Kaliumversorgung in der Stroh/KF-Gruppe ist besonders hinzuweisen, da hohe Kaliummengen in der Trockenstehphase die Milchfieberhäufigkeit nach der Kalbung erhöhen können.

Die Dauer der Vorbereitungsphase beträgt in beiden Gruppen gut 14 Tage. Die TM-Aufnahme steigt in beiden Futtergruppen auf 12,3 kg TM je Tier und Tag, woraus sich eine tägliche Energieaufnahme von 82 MJ in der Kontroll- bzw. 72 MJ NEL in der Stroh/KF-Gruppe ergibt. In der Stroh/KF-Gruppe besteht eine geringere Aufnahme an XP, nXP und XS+XZ, dagegen eine höhere Aufnahme an XF und NDFom.

Die Abbildung 1 zeigt die mittleren Futteraufnahmen vor und nach der Kalbung. Die TM- Aufnahme ist in beiden Versuchsvarianten vergleichbar. Erst ab der vierten Laktationswoche zeigt sich eine höhere TM-Aufnahme in der Kontrollgruppe.

Wie in Tabelle 2 dargestellt liegt die mittlere TM-Aufnahme in der Frühlaktation bei 16,8 kg in der Kontroll- und 16,2 kg in der Stroh/KF-Gruppe. Aufgrund der identischen Rationsgestaltung in der Laktation ist in Folge dessen auch kein Unterschied in der Nährstoff- und Energieaufnahme zwischen den Futtergruppen zu beobachten.

Hinsichtlich der Milchleistungsparameter ergeben sich in beiden Varianten vergleichbare Werte. Mit 36,9 kg ist die natürliche Milchmenge in der Kontrollgruppe etwas niedriger als in der Stroh/KF-Gruppe (37,2 kg). Wegen der niedrigeren Fett- und Eiweißgehalte in der Kontrollgruppe bestehen bei der ECM etwas größere Differenzen (36,5 kg bzw. 37,3 kg). Der Fett- Eiweiß-Quotient, als Anzeiger einer möglichen Ketose, liegt in beiden Futtergruppen um 1,3 und damit unter dem kritischen Referenzwert ≥ 1,5.

Die Entwicklung der freien Fettsäuren (NEFA) und der Hydroxybuttersäuregehalte ( β-HBS-Gehalt) im Blutserum in der Trockensteh- und Frühlaktationsphase kann den Abbildungen 2 und 3 entnommen werden. Während die NEFA-Werte bei Mobilisation von Körperfett sehr schnell ansteigen, spiegeln die Werte von ß-HBS eher eine langfristige Stoffwechselbelastung des Tieres wider. Am Tag der Kalbung und in den ersten vier Wochen nach der Kalbung befinden sich die NEFA-Werte in beiden Futtergruppen oberhalb des derzeit gültigen Referenzwertes der Tierärztlichen Hochschule Hannover, was auf einen stärkeren Fettabbau hinweist. Im Mittel ergeben sich jedoch keine übermäßigen Entgleisungen des Energiestoffwechsels, da die β-HBS-Gehalte den Referenzbereich nicht übersteigen. Auffällig sind die großen Streuungen der Befunde, so dass individuell sehr differenzierte Stoffwechselsituationen innerhalb einer Fütterungsgruppe vorliegen. In jeder Gruppe mussten 4 Tiere mit einer akuten Ketose tierärztlich behandelt werden. In der Kontrollgruppe wurden 10 und in der Stroh/KF-Gruppe 4 Infusionen verabreicht. Bezüglich klinischer Milchfiebererkrankung wurden in der Kontrollgruppe 7 Tiere mit insgesamt 16 Infusionen versorgt. In der Stroh/KF-Variante erhielten 7 Kühe insgesamt 9 Ca-Infusionen.

Welche Schlussfolgerungen gelten?

In der Stroh/KF-Gruppe wird das zugeteilte Kraftfutter in Höhe von 6 bzw. 8 kg je Tier und Tag nahezu vollständig abgerufen. In der Frühtrockenstehphase werden 58 % der TM-Aufnahme aus dem Stroh erzielt. Daraus ergibt sich eine Energiekonzentration von 5,5 MJ NEL je kg TM-Aufnahme, die die Kühe freiwillig über die Regulation der Strohaufnahme eingestellt haben. Diese Energiedichte ist mit der eingestellten Energiekonzentration in der Kontrollration vergleichbar. In beiden Fütterungsvarianten werden die derzeit gültigen Vorgaben der GfE (2001) und der DLG (2001) bezüglich der Energieversorgung eingehalten. Dies erklärt die nahezu identischen TM- und Energieaufnahmen in den Futtergruppen.

Bei gleicher Energieaufnahme in der Frühtrockenstehperiode werden in der Stroh/KF-Gruppe mit 32 kg Lebendmassezuwachs höhere Werte als in der Kontrollgruppe (23 kg ) gemessen. Dies deutet auf eine bessere Nährstoffverwertung in der Stroh/KF-Gruppe hin. Ursächlich hierfür kann die bessere Versorgung mit Stärke+Zucker (ca. +300 g je Tier/Tag) sein, die zu einem anderen Insulinstatus mit der Folge eines höheren Stoffansatzes führt. Wichtig ist auch die Feststellung, dass es keine Unterschiede in den Geburtsgewichten der Kälber gibt.

Mit Beginn der Vorbereitungsfütterung steigen die TM-Aufnahmen wegen der höheren Energiedichte in den Rationen zunächst an, um dann vor allem in den letzten 1 bis 5 Tagen vor der Kalbung stark abzusinken. Dies entspricht Befunden ausfrüheren Untersuchungen und scheint eine physiologische Normalreaktion zu sein. Wichtig hierbei ist, die Phase der reduzierten Futteraufnahme so kurz wie möglich zu gestalten.

Mit der Umstellung auf die Laktationsration ergeben sich in den Futtergruppen fastidentische Trockenmasseaufnahmen, obwohl die Kühe der Stroh/KF-Gruppe nicht an die Aufnahme von Gras- und Maissilage gewöhnt waren. Dennoch muss festgehalten werden, dass die Tiere der Stroh/KF-Gruppe durch eine höhere Kraftfuttergabe auf die Nährstoffversorgung nach der Kalbung vorbereitet werden. Die Anpassung erfolgt bei diesem Futterkonzept über die Anpassung der Nährstoffdichte in der Ration, wodurch die Pansenmikroorganismen sowie die Pansenzotten auf die höhere Versorgungssituation nach der Kalbung vorbereitet werden.

Bei Bewertung der im Versuch gefressenen Futtermengen mit den derzeit geltenden Futtermittelpreisen zeigt sich, dass die Stroh-KF-Fütterung in der Trockenstehzeit um etwa 45 € je Kuh teurer ist als die Silage basierte Fütterung. Erst bei deutlich niedrigeren Strohkosten als in der Ernte 2011 und günstigeren Kosten für das Kraftfutter ergibt sich Kostengleichheit .

Fazit

Die unterschiedlichen Futterrationen hatten keinen Einfluss auf die Futteraufnahme in der Trockenstehperiode und in der Frühlaktation. Die Milchleistungsmerkmale und zentrale Größen des Stoffwechsels unterschieden sich ebenfalls nicht. Die größte Herausforderung im Herdenmanagement sind die tierindividuell sehr unterschiedlichen Reaktionen bezüglich Leistung und Stoffwechselanpassungen auf die Futterkonzepte. Zur Umsetzung der Stroh/KF- Fütterung ohne Transponderstationen empfiehlt sich ein Tier-Fress-Platz- Verhältnis von 1:1 mit Fixierungsmöglichkeiten. Nur so kann „Futterklau“ vermieden und die tierindividuell kalkulierten Nährstoffaufnahmen auch tatsächlich erreicht werden.

Der Versuch wurde mit Unterstützung der Agravis, Münster, durchgeführt.

Autoren:

Dr. Martin Pries, Annette Menke, Dr. Mark Holsteg
Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, Münster

Christoph Hoffmanns, Silke Beintmann, Dr. Klaus Hünting, Claudia Verhülsdonk
Landwirtschaftszentrum Haus Riswick, Kleve