Landessortenversuche Sommerhafer 2020

Sommerhafer mit später StrohreifeBild vergrößern
Sommerhafer mit später Strohreife

Die Anbaufläche von Hafer in NRW lag in den vergangenen Jahren annähernd konstant bei etwa 7.000 ha. Davon erstrecken sich mehr als 5.000 ha in Westfalen und Lippe. Der überwiegende Anteil der Haferernte wird als Futterhafer in der Pferde- und sonstigen Nutztierhaltung verwendet. Nur eine vergleichsweise geringe Menge wird als Schälhafer zu Nahrungsmitteln verarbeitet. Der Anbau erfolgt meist auf schwächeren Standorten und oft mit relativ geringem Pflanzenschutz- und Düngeaufwand.

Rückblick auf 2020

Mit durchschnittlichen Erträgen von nur 44,0 dt/ha wurde 2020 die schlechteste Haferernte in NRW seit zehn Jahren eingefahren. Bereits in den Vorjahren lagen die Erträge meist unter dem langjährigen Mittel. Ursache für die wiederholt enttäuschende Ernte war meist ein ungünstiger Witterungsverlauf. Besonders die 2020 stark ausgeprägte Frühlingstrockenheit setzte vielen Aussaaten zu. Sommerhafer besitzt sowohl bei der Keimung als auch in der späteren Entwicklung einen höheren Wasserbedarf als andere Getreide. Dieser konnte gerade zu Beginn der Vegetationszeit oft nicht gedeckt werden. Die hohen Temperaturen im April trugen zusätzlich dazu bei, dass sich im vergangenen Jahr überwiegend nur dünne und schwach bestockte Bestände entwickelten. Die anschließend kühlere und feuchtere Witterung begünstigte zwar den Ertrag/Rispe, aufgrund der zu geringen Bestandesdichte konnte das normale Ertragspotential aber nur selten realisiert werden. Die günstige Witterung von der Blüte bis zur Kornfüllungsphase trug zumindest dazu bei, dass im Vergleich zu den Vorjahren überwiegend gute Qualitäten mit hohen hl-Gewichten erzeugt wurden. Auf besseren Standorten mit guter Wasserversorgung und intensiver Kulturführung wurden auch 2020 deutlich höhere Hafererträge erzielt.

Chancen und Risiken beim Anbau von Sommerhafer

Sommerhafer wächst auch auf weniger fruchtbaren Böden, die für den Anbau von Sommerweizen nicht geeignet sind. Durch sein hohes Nährstoffaneignungsvermögen entlastet er die betriebliche Stickstoffbilanz und ermöglicht eine extensive Kulturführung. In engen Weizenfruchtfolgen kann der Anbau von Hafer dazu beitragen, den Befall mit Halmbruch und Schwarzbeinigkeit zu reduzieren. Risiken bestehen besonders beim Anbau auf Standorten, an denen eine gute Wasserversorgung nicht gesichert werden kann oder regelmäßig Hitzephasen auftreten. Dann ist auch bei sonst optimaler Kulturführung mit deutlichen Ertragsschwankungen zu rechnen. Auch wenn ein normal entwickelter Sommerhaferbestand auflaufendes Unkraut relativ gut unterdrückt, ist bei Besatz mit Ackerfuchsschwanz zu berücksichtigen, dass für die Bekämpfung in Sommerhafer aktuell keine Pflanzenschutzmittel zugelassen sind. Hafer gilt insgesamt als relativ blattgesund, abhängig von der Sortenwahl können Mehltau und Haferkronenrost aber zu deutlichen Ertrags- und Qualitätsverlusten führen. Dies gilt auch für einen Befall mit von Blattläusen übertragenen Viruskrankheiten, insbesondere der Haferröte.

Möglichkeiten ergeben sich teilweise bei der Vermarktung: Wenn ein Futterhafer nicht auf dem eigenen Betrieb genutzt wird, kommt es beim Verkauf oft zu Abschlägen, da viele Partien das geforderte hl-Gewicht von 50-52 kg nicht erreichen. Bei einer Direktvermarktung lassen sich oft höhere Preise erzielen. Pferdehalter bevorzugen meist Gelb- oder Schwarzhafer. Da letztere meist etwas geringere Erträge erzielen, sollte dies beim Verkauf mit entsprechenden Aufschlägen ausgeglichen werden. Der Markt für Schälhafer ist in den vergangenen Jahren gewachsen, sodass aktuell fast 50% des Bedarfs aus dem Ausland importiert werden. Die von den Schälmühlen geforderten hl-Gewichte lassen sich allerdings nur bei geeigneter Sortenwahl, optimaler Kulturführung und günstiger Witterung erreichen. Daher sollte bereits vor dem Anbau mit den Abnehmern geklärt werden, wie Partien zu behandeln sind, die zwar nicht das erforderliche hl-Gewicht von 52 kg erreichen, aber trotzdem Schälhaferqualität besitzen.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2020

Die Landwirtschaftskammer NRW hat in den Landessortenversuchen 2020 insgesamt 6 Sommerhafersorten an drei Lehmstandorten geprüft. Am Standort Kerpen-Buir wurde aufgrund der besonders stark ausgeprägten Frühlingstrockenheit nur ein durchschnittlicher Ertrag von 46,8 dt/ha erzielt. 85,0 und 83,7 dt/ha wurden an den etwas feuchteren Standorten Altenmellrich und Lage-Heiden erreicht. Insgesamt wurden in den Versuchen innerhalb der Boden-/Klimagruppe „Lehm- und Marschstandorte Nordwest“ durchschnittliche Erträge von 57,3 dt/ha bis 106,9 dt/ha erzielt. Die höchsten Erträge ließen sich in den kühl-feuchten Anbaugebieten in Schleswig-Holstein realisieren. Auf den Sandstandorten reichten die durchschnittlichen Erträge von 39,3 dt/ha bis 63,3 dt/ha. Anders als in NRW lagen die Erträge im gesamten nordwestlichen Anbaugebiet in 2020 über dem Mittel von 2019. Das durchschnittliche hl-Gewicht lag bei 51,1 kg. Am besonders stark von der Trockenheit betroffenen Standort Kerpen-Buir wurden allerdings nur durchschnittlich 47,2 kg erreicht, während das durchschnittliche hl-Gewicht in Altenmellrich und Lage-Heiden bei 53,0 kg lag. Die Ergebnisse zeigen, dass die relative Ertragsleistung einiger Sorten in bestimmten Jahren deutlich vom mehrjährigen Mittel abweicht. Dies weist darauf hin, dass einzelne Sorten auf bestimmte Witterungsereignisse unterschiedlich reagieren, ohne dass sich daraus ein konstanter Vor- oder Nachteil ergibt. Wer unter seinen Anbaubedingungen mehrjährig positive Erfahrungen mit einer Sorte gemacht hat, sollte dies bei der Sortenplanung berücksichtigen. Der durch einen intensiveren Einsatz von Wachstumsreglern und Fungiziden erzielte Mehrertrag reichte von -1,5 dt/ha bis +10,1 dt/ha und war nicht nur abhängig vom Standort, sondern auch von der Sorte und dem tatsächlichen Befallsdruck.

  • Apollon erzielte in den letzten Jahren meist durchschnittliche Erträge auf Lehm- und Sandstandorten bei ebenfalls durchschnittlicher Qualität. Die Sorte ist grundsätzlich als Schälhafer geeignet, erreicht aber nicht ganz das hl-Gewicht von Max oder Lion. Beim Anbau ist auf die leicht verspätete Strohreife und die vergleichsweise hohe Anfälligkeit für Mehltau zu achten.
  • Delfin überzeugte 2020 mit überdurchschnittlichen Erträgen, zeigte in den vorherigen Jahren aber deutliche Ertragsschwankungen. Die Sorte ist nur bedingt als Schälhafer geeignet, dafür aber relativ standfest und sehr mehltauresistent. Beim Anbau ist die verspätete Strohreife zu berücksichtigen.
  • Max erreicht zwar nur leicht unterdurchschnittliche Erträge, erzielt aber zuverlässig hohe hl-Gewichte, die ihn sowohl als Futter- als auch als Schälhafer interessant machen. Max reift gleichmäßig ab, ist aber sehr lageranfällig und wenig strohstabil, sodass auf den Einsatz von Wachstumsreglern meist nicht verzichtet werden kann. Die Sorte ist gegenüber Mehltau anfällig.
  • Symphony ist ein Weißhafer, der besonders auf Sandstandorten leicht überdurchschnittliche Erträge erzielt. Das hl-Gewicht ist durchschnittlich, die Schäleignung wird aber durch den hohen Anteil an nicht entspelzten Körnern reduziert. Sie Sorte ist relativ standfest aber anfällig für Mehltau.
  • Lion überzeugte 2019 und 2020 trotz nur durchschnittlicher Erträge mit einer sehr guten Qualität. Das hl-Gewicht lag etwa auf gleichem Niveau wie bei Max und auch die Sortierung und Schälbarkeit sind deutlich höher zu bewerten als bei den meisten anderen Sorten. Lion reift gleichmäßig ab und ist weniger lageranfällig als Max, wird aber leicht von Mehltau befallen.
  • Armani erzielt durchschnittliche Erträge und ist wie Delfin resistent gegen Mehltau, reift aber gleichmäßiger ab. Bei der Vermarktung kann das unterdurchschnittliche hl-Gewicht zum Problem werden. Wer sich für die Sorte entscheidet, sollte sich frühzeitig um Saatgut bemühen.

Anbauhinweise

Sommerhafer sollte bevorzugt nur an feucht-kühlen Standorten mit ausreichender Wasserversorgung angebaut werden. Dabei sind Anbaupausen von mindestens 4 Jahren einzuhalten um Schäden durch Getreidezystennematoden zu vermeiden. Sommerhafer sollte, wie andere Sommergetreide auch, möglichst früh gesät werden, sobald es die Boden- und Witterungsbedingungen zulassen. Durch eine frühe Aussaat erhöht sich die Bestockung, verlängert sich die Vegetationszeit und verbessert sich insgesamt die Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit. Bei einer frühen Aussaat ab Anfang März sind Saatstärken von 260-300 keimfähigen Körnern/m² ausreichend, bei normalen Aussaatterminen sollte die Saatstärke auf 300-330 Körner/m² und bei späten Aussaatterminen auf 330-360 Körner/m² erhöht werden. Ziel ist eine Bestandesdichte von 400-500 Rispen/m². Die Saattiefe sollte aufgrund des höheren Keimwasserbedarfs bei 3-4 cm liegen. Wenn Sommerhafer auf schlecht nährstoffversorgten Standorten angebaut wird, kann eine Grunddüngung mit 100 kg/ha K2O den Ertrag deutlich steigern. Auch auf eine ausreichende Spurennährstoffversorgung mit Mangan, Kupfer und Bor sollte geachtet werden. Die Stickstoffdüngung wird meist auf 2/3 zur Saat und 1/3 in der Mitte der Schossphase aufgeteilt. Da späte N-Gaben die Lagerneigung erhöhen und zu Zwiewuchs führen können, sollte dabei stets die N-Nachlieferung des Bodens berücksichtigt werden. Der Anbau auf Standorten mir starkem Ackerfuchsschwanzbesatz sollte aufgrund des Mangels an zur Bekämpfung zugelassenen Herbiziden unterbleiben. Dem Befall mit Mehltau kann durch eine geeignete Sortenwahl oder den Einsatz von Fungiziden entgegengewirkt werden. Blattläuse können als Vektoren für Gelbverzwergungsvirus und Haferröte zu deutlichen Ertrags- und Qualitätsverlusten führen und sollten daher frühzeitig bekämpft werden. Auch auf einen möglichen Befall mit Getreidehähnchen sollte rechtzeitig geachtet werden. Wachstumsregler sollten immer nur nach Bedarf eingesetzt werden. Bei sehr standfesten Sorten und geringer Düngung kann gegebenenfalls sogar auf eine Behandlung verzichtet werden. Ansonsten reicht in den meisten Beständen eine einmalige Applikation aus.

Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch