Landessortenversuche Winterraps 2019

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Erntereifer Körnerraps

Unter den anbaustarken Kulturen in NRW ist Winterraps momentan sprichwörtlich der angezählte Boxer. Die Wirtschaftlichkeit der Kultur war in den letzten drei Jahren bei hohem Aufwand, oftmals enttäuschenden Erträgen und schlechten Marktaussichten unbefriedigend. Die Ernte 2019 reiht sich nahtlos ein. Während Wintergetreide trotz Trockenheit und Hitze positiv überraschte, blieben die Rapserträge auch auf guten Standorten in der Regel zwischen 30 und 40 dt/ha.

In den nächsten Wochen steht die Entscheidung für das kommende Anbaujahr an. Bleibt Winterraps in der Fruchtfolge oder wird er durch eine andere Kultur ersetzt? In Niederungen sehen viele Landwirte Raps trotz der guten Vorfruchtwirkung kritisch. Sie können Raps anbauen, sie müssen es aber nicht und haben eine Reihe von Alternativen. Bei den hier noch unentschlossenen werden auch Aussaatbedingungen ab Ende August darüber entscheiden, ob wieder Raps auf die Fläche kommt oder ob das Saatgut in der Tüte bleibt. In den klassischen Rapsregionen von NRW gibt es zum Raps wenig Alternativen. Mais in Höhenlagen oder auf schweren Böden birgt Risiken und kann Winterraps nicht wirklich ersetzen. In diesen Regionen wird Raps trotz „Bauchschmerzen“ in der Fruchtfolge bleiben.

Wer beim Rapsanbau bleibt, muss in den nächsten Wochen die Sortenentscheidung treffen. Eine hoffentlich gute und wohlüberlegte Wahl, die auf Grundlage neutraler Versuchsergebnisse und Praxiserfahrungen getroffen werden sollte. Der Spruch „Ein Versuch ist kein Versuch“ trifft besonders bei Winterraps zu. Eine sichere Sortenbeurteilung kann nur auf der Grundlage von möglichst vielen Standorten getroffen werden. Die Landwirtschaftskammern NRW und Niedersachsen können für 2019 auf sieben Lehm-, drei Höhen- und vier Sandstandorte zurückgreifen. Eine solche Aussagesicherheit und zusätzlich Neutralität findet man nirgendwo sonst.

Kriterium Bereinigte Marktleistung

Wichtigstes für die Sortenwahl bei Winterraps ist die Bereinigte Marktleistung, die sich aus den Faktoren Kornertrag und Ölgehalt berechnet. Die beste Einstufung bei Kornertrag und Ölertrag in der aktuellen Beschreibenden Sortenliste besitzen mit der Höchstnote 9 bei beiden Merkmalen die Neuzulassungen Algarve und Ludger, die die Vorschusslorbeeren nun in den Landessortenversuchen und in der Praxis beweisen müssen. Sie haben bei diesen Merkmalen ältere Sorten wie Bender, Hattrick, Muzzical oder Puzzle auf Rang zwei verdrängt und belegen den langsamen, aber stetigen Züchtungsfortschritt. Die Hälfte des aktuellen Prüfsortimentes ist bei beiden Merkmalen mindestens mit Note 8 und damit ebenfalls im absoluten Spitzenbereich eingestuft. Der immer noch beliebte Oldie Avatar mit Zulassungsjahr 2011 wird bei beiden Merkmalen hingegen nur noch mit Note 7 bewertet. Das Angebot an Liniensorten ist mittlerweile sehr überschaubar. Arabella mit Zulassung 2013 ist der bekannteste Vertreter, liegt aber mit Note 6 bei Korn- und Ölertrag abgeschlagen hinter modernen Hybriden.

Ertrag ist nicht alles

Es wäre falsch, Sorten nur nach dem Ertragspotential zu beurteilen. Die gewählten Sorten sollen bei unterschiedlichen Witterungs- und Standortbedingungen und möglichst geringen Pflanzenschutzaufwand sicher und verlässlich Toppleistung bringen. Ein Anbaujahr gleicht dabei einem Zehnkampf, bei dem eine Toppleistung in einer Disziplin in aller Regel nicht zum Gesamtsieg reicht.

In Punkto Standfestigkeit gibt es nur geringe Unterschiede. Alle aktuellen Leistungsträger sind hier mit Ausnahme von Christiano KWS und DK Exception mit Note 3 eingestuft. Beim Thema Pilzkrankheiten spielen Kohlhernie, Phoma, Verticillium und Sclerotinia die größte Rolle. Als klassische Fruchtfolgekrankheit tritt auch in NRW vermehrt Kohlhernie auf. Die Probleme sind glücklicherweise nicht vergleichbar mit Befallsregionen wie Schleswig-Holstein. Kohlhernie lässt sich dauerhaft und sicher nur durch ackerbauliche Maßnahmen wie Fruchtfolge, Altrapsbekämpfung und pH-Wert Optimierung reduzieren. Da die Resistenz zusätzlich auch noch auf wackeligen Füßen steht, sollten resistente Sorten nur auf Befalls- und Verdachtsflächen zum Einsatz kommen.

Der Bereich Phoma, Verticillium und Sclerotinia muss differenziert betrachtet werden. Bei Phoma gibt es Sortenunterschiede. Gut eingestuft sind Bender, Fossil, PT 256, DK Exception und die Liniensorte Arabella. Bei Verticillium und Sclerotinia sind die Unterschiede nur sehr gering und bieten trotz Werbeversprechungen der Züchter momentan nur wenig Effekte.

Wünschenswert wären vor allem nach den Erfahrungen aus 2019 mehr Resistenzen gegen durch Insekten übertragene oder verursachte Schadbilder. Gegen das durch Blattläuse im Herbst übertragene Wasserrübenvergilbungsvirus (TuYV) gehören Resistenzen bei Neuzulassungen immer mehr zur Normalausstattung. Das bringt zusätzliche Sicherheit in Jahren mit milder Herbstwitterung. Mit Architect, Advocat, Algarve und Ludger stehen aktuell vier resistente Sorten im Prüfsortiment.

Die Novelle der Dünge-VO wird auf leichten oder schweren Standorten zu höheren Ansprüchen an Frohwüchsigkeit, Schoßfestigkeit vor Winter, Winterhärte und Regenerationsvermögen führen. Ohne Herbstdüngung müssen Sorten bei den neuen Spielregeln für die Herbstdüngung von Natur aus robust, vital und ausreichend wüchsig sein, ohne dass sie deutlich überwachsen und an Winterhärte verlieren. Langsamstarter dürften hier zukünftig eher benachteiligt sein.

Die Versuchsergebnisse

Die mehrjährigen Ergebnisse der bereinigten Marktleistung für die einzelnen Bodengruppen sind in Tabelle 1 dargestellt. Hierbei wurden neben dem Ertrag die Ölgehalte berücksichtigt. Zusätzlich zu den Ergebnissen der Einzeljahre ist hier die Bereinigte Marktleistung auch als mehrjährige Verrechnung ausgewiesen. Das ist für die Versuchsauswertung in NRW neu und bringt bessere Informationen zum Sortenranking. Durch die Einbeziehung von Wertprüfungen, Bundessorten- und EU-Versuchen aus den betreffenden Anbaugebieten erhöht sich für alle Sorten die Genauigkeit der Leistungseinschätzung. Die dargestellten Werte beschreiben das Leistungsniveau von Sorten auf Basis des Verrechnungssortimentes aus dem Jahr 2019. Durch den Bezug auf eine Vielzahl von neuen und ertragsstarken Sorten werden bei den älteren Sorten hohe Relativwerte aus Einzeljahren zum Teil deutlich abgeschwächt. Die Aussagekraft der ausgewiesenen Werte steigt mit zunehmender Anzahl an Versuchen. Daher lohnt für Sand und Höhenlagen mit weniger Versuchen auch der Blick auf die sehr gut besetzte Anbauregion Lehm und Löss.

Tabelle 2 zeigt die agronomischen Eigenschaften der geprüften Sorten. Diese Angaben sind der aktuellen Beschreibenden Sortenliste des Bundessortenamtes entnommen. Hier werden die Sorten aus unserer Sicht zutreffend beschrieben. Tabelle 3 zeigt die zusammengefasste Sortenempfehlung für die kommende Aussaat. Die Internetseite www.sortenberatung.de hilft bei der standortangepassten Sortenwahl. Verlinkt finden interessierte Leser hier auch Detailergebnisse.

Sortenempfehlungen

Sorten mit mindestens drei Prüfjahren

Im aktuellen Jahr haben bewährte Sorten wie Penn, Arazzo, Bender, DK Exception oder Hattrick in einigen Anbaugebieten durchaus schwächer abgeschnitten als erwartet. Bei Sorten mit vielen Prüfjahren steigt die Wahrscheinlichkeit auf ein schlechteres Prüfjahr. An älteren Sorten schätzen Praktiker die guten Erfahrungen aus Vorjahren und Detailkenntnisse zu Stärken und Schwächen. Man kennt und schätzt sich. Daher sollten bewährte Sorten nicht vorschnell aufgrund eines schwächeren Jahres aus dem Anbau gestrichen werden. Alvaro KWS, Arazzo, Attletick, Bender, Hattrick und Penn verdienen bei guten Erfahrungen im Betrieb auch weiterhin eine Anbauempfehlung. Eine generelle Empfehlung im Sortiment der mindestens dreijährig geprüften Sorten erhalten DK Exception und Trezzor.

Beide kombinieren hohe bis sehr hohe Erträge mit mittleren Ölgehalten. Sie sind robust, frohwüchsig und etwas großrahmigere Typen mit guter Standfestigkeit, die sich auch für späte Saattermine und schwierige Standortbedingungen eignen. DK Exception verfügt über eine relativ gute Phomaresistenz. Trezzor ist hier etwas schwächer.

Hybriden mit zwei Prüfjahren

Architect konnte die sehr guten Vorjahresergebnisse aktuell nicht ganz bestätigen. Die Sorte verfügt über TuYV-Resistenz und kombiniert hohe bis sehr hohe Erträge mit mittleren Ölgehalten. Als robuster, frohwüchsiger und großrahmigerer Typ mit guter Standfestigkeit ist sie für mittlere und späte Saattermine geeignet. Bei Phoma ist die Sorte mittel anfällig.

DK Expansion zeigt über hohe bis sehr hohe Erträge mit mittleren Ölgehalten stabil eine überdurchschnittliche Marktleistung. Die Sorte ist ein robuster, frohwüchsiger und großrahmigerer Typ mit guter Standfestigkeit, eignet sich für mittlere Saattermine und verfügt über eine relativ gute Phomaresistenz.

Puzzle kombiniert eine sehr hohe Ertragsleistung mit mittleren Ölgehalten zu einer überdurchschnittlichen Marktleistung. Die Sorte hat einen frühen Blühbeginn und eine etwas frühere Reife. Sie eignet sich für mittlere Saattermine. Bei Phoma ist sie mittel anfällig.

Was zeigten die neuen Sorten?

Bei den Sorten mit einem Prüfjahr bestätigen die TuYV-resistenten Sorten Algarve und Ludger die Vorschusslorbeeren aus der dreijährigen Wertprüfung. Algarve erreicht hohe bis sehr hohe Erträge mit überdurchschnittlichen Ölgehalten. Die Sorte eignet sich für mittlere Saattermine. Bei Phoma ist sie nach ersten Eistufungen etwas schwächer als der Sortendurchschnitt. Für Ludger ist leider für die kommende Aussaat kein Saatgut verfügbar. Eine Sortenempfehlung erübrigt sich daher. Bei Advocat, Christiano KWS und Fossil sollte ein zweites Prüfahr abgewartet werden.

Sorten mit Kohlhernieresistenz

Im aktuellen Prüfsortiment sind mit Aristoteles und SY Alix zwei gegen Kohlhernie resistente Sorten mit deutscher Zulassung und Kornertrag- und Ölertragsnote 6 oder 7. Auf Flächen ohne Befall liegen resistente Sorten bei der Bereinigten Marktleistung im Schnitt mindestens 10 Prozent hinter nicht resistenten Spitzensorten. Bewährt in diesem Segment sind Mentor und Menhir. Die EU-Sorten Crome und Crocodile haben in Versuchen auf Befallsflächen in Schleswig-Holstein interessante Ertragsleistungen und den Zuchtfortschritt in diesem Bereich aufgezeigt.

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