Landessortenversuche Sommerfuttergerste 2021

Pflanzenschutz in SommergersteBild vergrößern
Pflanzenschutz in Sommergerste

Die Anbaufläche von Sommergerste in NRW ist 2021 auf nur noch etwa 7.500 ha zurückgegangen. Davon entfielen etwa 2/3 auf die westfälischen Anbaugebiete, in denen Sommergerste fast ausschließlich zu Futterzwecken angebaut wird. In den rheinischen Anbaugebieten hat der Anbau von Sommerfuttergerste im Vergleich zum Braugerstenanbau nur eine untergeordnete Bedeutung.

Rückblick auf 2021

Sommergerste reagiert auf eine späte Aussaat zwar deutlich weniger empfindlich als Sommerweizen, dennoch lagen die durchschnittlichen Erträge in NRW in 2021 mit 48,7 dt/ha leicht unterhalb der langjährigen Mittelwerte. Die anhaltend kühle und feuchte Witterung im Frühling verzögerte nicht nur den Feldaufgang und die Entwicklung, sondern begünstigte auch einen frühen Befall mit Blattkrankheiten, die sich abhängig von den durchgeführten Fungizidmaßnahmen später auf die oberen Blattetagen ausbreiten konnten. Der verregnete Sommer trug wenig zur Kornfüllung bei und lokale Niederschläge ließen einzelne Bestände bereits zur Gelbreife ins Lager gehen oder erschwerten die Ernte. Die bei Sommergerste erzielten Hektolitergewichte waren zwar nicht immer zufriedenstellend, lagen aber deutlich über den Werten, die bei Wintergerste erreicht wurden ­– letztere befand sich während der Hitzephase im Juni bereits in der Kornfüllungsphase, während die Sommergerste noch die Ähre schob. Landwirte die ihre Ernte erst später vermarkteten konnten von steigenden Preisen profitieren.

Sommergerste ist flexibel!

Sommergerste ist aufgrund der kurzen Vegetationszeit und der im Vergleich zum Sommerweizen oder -hafer geringeren Ansprüche an den Boden beziehungsweise die Wasserversorgung ausgesprochen flexibel im Anbau. Bei normalem Witterungsverlauf lassen sich auch bei einer Aussaat im April noch gute und vor allem sichere Erträge erzielen. Sommergerste eignet sich daher auch für den Anbau auf leichteren Standorten sowie in Mittel- und Höhenlagen. Die im Vergleich zu anderen Sommerungen meist frühe Ernte erweitert die Möglichkeiten für den anschließenden Anbau von Winterkulturen oder Zwischenfrüchten.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2021

Aufgrund von drei interessanten Neuzulassungen wurde das Sortiment von Sommerfuttergerste in den Landessortenversuchen 2021 der Landwirtschaftskammer NRW auf insgesamt 7 Sorten erweitert. Diese wurden an je einem Standort in Ost- und Südwestfalen geprüft. Am Niederungsstandort Lage-Heiden wurde nach Aussaat am 1. April mit 280 Körnern/m² ein durchschnittliches Ertragsniveau von 64,8 dt/ha bei praxisüblichem Pflanzenschutz erreicht. Bei weitgehendem Verzicht auf den Einsatz von Wachstumsreglern und Fungiziden waren in den verschiedenen Sorten deutliche Ertragsverluste von 13-30% zu ermitteln, die sich überwiegend auf einen relativ starken Befall mit Ramularia zurückführen ließen. An dem auf etwa 260 m Höhe liegenden Standort Möhnesee-Berlingsen wurde trotz früherer Aussaat am 3. März und höherer Saatdichte von 320 Körnern/m² nur ein durchschnittlicher Ertrag von 60,1 dt/ha erreicht. Aufgrund der kühlen Witterung im März verzögerte sich der Feldaufgang an diesem Standort um mindestens eine Woche. Die anhaltend feuchte Witterung begünstigte den Befall mit Netzflecken und vor allem Zwergrost. Ausgelöst durch hohe Niederschläge gingen die nicht ausreichend mit Wachstumsreglern behandelten Parzellen bereits zur Gelbreife ins Lager. Die Ertragsverluste durch den weitgehenden Verzicht auf Pflanzenschutzmittel lagen bei durchschnittlich über 40%. Die nordrhein-westfälischen Ergebnisse zur Ertragsleistung werden für eine zuverlässigere Sortenbewertung durch die Versuchsergebnisse von 4 Standorten in Niedersachsen und 3 Standorten in Schleswig-Holstein ergänzt. An diesen wurden durchschnittliche Erträge von 59-84 dt/ha erzielt.

Sortenempfehlungen

Abhängig davon, ob die Ernte direkt verfüttert oder zunächst über den Handel vermarktet werden soll, kann bei der Sortenwahl von Sommerfuttergerste neben der Ertragsleistung auch das zu erwartende Hektolitergewicht zu berücksichtigen. Besonders auf Betrieben mit einer eher extensiven Bestandesführung können standfeste und blattgesunde Sorten deutliche Vorteile bringen. Gegenüber den bereits im vergangenen Jahr empfohlenen Sorten erzielten alle in 2021 erstmals geprüften Neuzulassungen gleiche oder höhere Ertragsleistungen bei ebenfalls verbesserten Anbaueigenschaften.

RGT Planet überzeugt nach wie vor mit überdurchschnittlichen Erträgen und einem guten Hektolitergewicht und bleibt daher eine Hauptempfehlung für die kommende Aussaat. Die im Vergleich zu den Neuzulassungen geringere Standfestigkeit und Strohstabilität und die nur durchschnittliche Blattgesundheit weisen aber darauf hin, dass in den nächsten Jahren ein allmählicher Sortenwechsel erwartet werden kann. RGT Planet kann bei angepasster Bestandesführung und entsprechender Nachfrage gegebenenfalls auch als Braugerste vermarktet werden.

Klarinette konnte sich am Markt aufgrund der unterdurchschnittlichen Ertragsleistung nicht durchsetzen und ist im Handel kaum noch erhältlich. Aufgrund der vergleichsweise sehr geringen Anfälligkeit gegenüber den meisten relevanten Blattkrankheiten einschließlich Netzflecken und Ramularia wird die Sorte aber weiterhin für Betriebe mit einer extensiven Bestandesführung und gegebenenfalls eigenem Nachbau empfohlen. Bei reduziertem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln erzielte Klarinette in den Landessortenversuchen deutlich höhere Erträge als eigentlich ertragsreichere aber anfälligere Sorten.

Applaus ist sowohl von der Ertragsleistung als auch von den Sorteneigenschaften sehr ähnlich zu bewerten wie RGT Planet und wird daher ebenfalls empfohlen. Bei der Planung von Pflanzenschutzmaßnahmen ist die relativ hohe Anfälligkeit gegenüber Rhynchosporium zu beachten.

Kimberly ist deutlich standfester und strohstabiler als RGT Planet oder Applaus und erzielte bereits im ersten Prüfjahr eine etwas höhere Ertragsleistung wie die beiden vorgenannten Sorten. Auch im Hinblick auf die Anfälligkeit gegenüber Netzflecken ist die Sorte etwas günstiger zu bewerten.

LG Belcanto scheint nach den bisherigen Ergebnissen noch etwas ertragsreicher zu sein und ist hinsichtlich der Anbaueigenschaften kaum schlechter zu bewerten als die ebenfalls neue Sorte Kimberly. Die Saatgutverfügbarkeit für die kommende Aussaat ist allerdings nur begrenzt.

Lexy wird hauptsächlich als Braugerste beworben, erzielte aber auch in den Landessortenversuchen für Sommerfuttergerste leicht überdurchschnittliche Erträge bei relativ günstigen Anbaueigenschaften. Die Sorte wird daher auch für die Futternutzung bereits eingeschränkt empfohlen.

Anbauhinweise 

Der optimale Aussaattermin für Sommergerste orientiert sich vornehmlich am Bodenzustand und dem Witterungsverlauf. Aufgrund der im Vergleich zu Sommerweizen oder -hafer kürzeren Vegetationszeit ist eine sehr frühe Aussaat nicht erforderlich und bei ungünstigen Bedingungen oft sogar nachteilig für die weitere Bestandesentwicklung. Der Boden sollte ausreichend erwärmt und abgetrocknet sein, um einen schnellen und hohen Feldaufgang sicherzustellen. Bei einer Aussaat in der ersten Märzhälfte sind unter günstigen Bedingungen etwa 270-300 Körnern/m² meist ausreichend um einen guten Bestand zu entwickeln. Ab der zweiten Märzhälfte sollte die Saatdichte auf 300-330 und ab April auf 330-360 Körner/m² erhöht werden. Abhängig vom Anbaugebiet sind diese Werte auf schweren Böden oder bei ungünstigen Aussaatbedingungen zu erhöhen. Die optimale Saattiefe liegt bei 2-4 cm. Aufgrund des relativ kleinen Wurzelsystems kann es sich anbieten die Grunddüngung mit Kalium und Phosphor zur Sommergerste durchzuführen. Die Stickstoffdüngung wird meist auf 2/3 zur Saat und 1/3 zum Ährenschieben aufgeteilt. Bei einer organischen Düngung empfiehlt es sich, die gesamte Menge vor der Saat zu geben, um eine zu späte N-Freisetzung zu vermeiden. Bei den meisten Sorten lässt sich das Lagerrisiko durch einen einmaligen Einsatz von Wachstumsreglern in EC 31-34 oder EC 37-49 zuverlässig reduzieren. Der Einsatz von Fungiziden orientiert sich an der Anfälligkeit der angebauten Sorten und den tatsächlich auftretenden Krankheiten.

Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch