Landessortenversuche Sommerhafer 2021

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Sommerhafer in Ostwestfalen

Die Anbaufläche von Sommerhafer in NRW ist 2021 mit etwa 6.900 ha gegenüber den Vorjahren annähernd konstant geblieben. Schwerpunkte des Anbaus liegen in Ostwestfalen-Lippe, dem Münsterland, dem Kreis Mettmann und den südöstlichen Mittel- und Höhenlagen. Winterhafer wird auf etwa 1.200 ha und fast ausschließlich im Rheinland angebaut. Obwohl inzwischen fast die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Hafers als Nahrungsmittel dient wird in NRW überwiegend Futterhafer angebaut. Der Anbau erfolgt überwiegend auf schwächeren Standorten und oft mit reduziertem Einsatz an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln.

Rückblick auf 2021

Mit durchschnittlich 46,2 dt/ha blieben die Hafererträge in NRW in 2021 erneut hinter den langjährigen Mittelwerten zurück. Zwar profitierte der Haferanbau grundsätzlich von der im Vergleich zu den Vorjahren kühlen und feuchten Witterung, die kurze Hitzephase im Juni – die etwa während des Rispenschiebens auftrat – und die anschließend starken Niederschläge führten regional aber zu deutlichen Ertragsverlusten. Die meist gute Wasserversorgung und hohe Stickstofffreisetzung bewirkten, dass sich trotz der eher späten Aussaat überwiegend dichte Bestände mit allerdings nur relativ weichen Halmen entwickelt hatten. Sorten mit einer hohen Lagerneigung und Bestände mit einem zu geringen Wachstumsreglerschutz hatten den folgenden Wind- und Regenereignissen nur wenig entgegenzusetzen. Lager und durch die anhaltend feuchte Witterung begünstigter Zwiewuchs reduzierten nicht nur den Ertrag und die Qualität, sondern erschwerten auch die Ernte. Auch bei extensiver Bestandesführung wären 2021 oft zwei Wachstumsreglermaßnahmen erforderlich gewesen um Lager effektiv zu vermeiden. Mehltau und Haferkronenrost hatten nur geringe Bedeutung. Gelegentlich wurde ein Befall mit der durch Pseudomonas syringae verursachten und sonst nur selten auftretenden Bakteriellen Streifenkrankheit festgestellt, der aber keinen Einfluss auf den Ertrag hatte. Blattläuse traten meist erst spät auf und ließen sich bei Bedarf, ebenso wie die häufiger auftretenden Getreidehähnchen, mit Insektiziden bekämpfen.

Renaissance für den Haferanbau auch in NRW?

Bundesweit sind die Anbauflächen von Hafer seit 2019 um 40% gestiegen. Besonders in Schleswig-Holstein, aber auch in Niedersachsen, Bayern und anderen Bundesländern erlebt der Haferanbau eine kleine Renaissance. Ursache dafür ist unter anderem der gestiegene Bedarf an Schälhafer für die Lebensmittelherstellung, die aktuell nur zu etwa 30% aus heimischer Produktion gedeckt werden kann. Die übrigen Mengen werden oft aus Finnland, Schweden und Polen importiert. Hafermühlen die sich weniger abhängig von Importen machen oder mit Regionalität werben wollen fragen zunehmend Schälhafer aus Deutschland nach. Das größte Risiko für den Landwirt beim Anbau von Schälhafer besteht darin, die geforderten Qualitäten nicht zu erreichen. Das am Markt meist genannte Hektolitergewicht von über 52 kg wird unter nordrhein-westfälischen Anbaubedingungen nicht zuverlässig erreicht. Da für viele Hafermühlen andere Qualitätskriterien (Kern- und Spelzenanteil, Schälbarkeit, Sortierung) wichtiger sind, kann es sich lohnen, den direkten Kontakt mit den Verarbeitern zu suchen und individuelle Vermarktungskriterien zu treffen. Dies sollte möglichst bereits vor der Aussaat erfolgen, da oft nur bestimmte Sorten als Schälhafer angenommen werden. Die hohen Qualitätsanforderungen erklären auch, warum die Ausweitung des Haferanbaus überwiegend in den norddeutschen Bundesländern erfolgt. Hafer ist für eine optimale Kornausbildung nicht nur auf eine ausreichende Wasserversorgung angewiesen, sondern benötigt auch möglichst kühle und gleichmäßige Temperaturen. Diese Voraussetzungen lassen sich in den maritim geprägten Küstenregionen deutlich leichter erfüllen als in den vergleichsweise kontinentalen Bodenklimaräumen in Nordrhein-Westfalen.

Auf schwächeren Standorten sowie in trockenen oder heißen Jahren werden die für eine Schälhafervermarktung geforderten Qualitäten meist nicht erreicht. Der überwiegende Anteil des in NRW angebauten Hafers wird daher innerbetrieblich genutzt oder als Futterhafer vermarktet. Dabei wird deutlich, dass der zuletzt beobachtete Anstieg der Getreidepreise bei Hafer vergleichsweise gering ausgefallen ist obwohl auf dem globalen Markt aktuell fast doppelt so hohe Preise notiert werden wie im Vorjahr. Dies ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass die Ernte in Kanada noch deutlich schlechter ausgefallen ist als in Nordosteuropa. Besonders bei Pferdehaltern und auch bei einigen Rinder- und Schweinezüchtern bleibt Hafer aber ein stark nachgefragtes Futtermittel.

Auch wenn die Deckungsbeiträge beim Haferanbau aktuell unter denen für den Anbau von Sommerweizen oder -gerste liegen, gibt es doch einige gute Argumente für den Anbau: Hafer gilt besonders in getreidelastigen Fruchtfolgen als Gesundungsfrucht gegenüber Halmbruch und Schwarzbeinigkeit und erfordert selbst nur einen vergleichsweise geringen Einsatz an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Der gezielte Anbau zur Bekämpfung von Ackerfuchsschwanz innerhalb der Fruchtfolge ist aufgrund fehlender in Hafer zugelassener Herbizide leider nur noch eingeschränkt möglich. Die geringen Ansprüche an den Boden und die Fruchtfolge ermöglichen es Hafer auch auf schwächeren Standorten anzubauen. Dies und die häufig extensive Kulturführung (inklusive ökologischem Landbau) erklären auch, dass die durchschnittlich in NRW erzielten Erträge deutlich unter den in den Landessortenversuchen erreichten Ertragsniveaus liegen. Auf besseren Standorten mit guter Wasserversorgung lassen sich mit einem angepassten Dünge- und Pflanzenschutzmitteleinsatz regelmäßig Erträge von bis zu 80 dt/ha erzielen.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2021

Die Landwirtschaftskammer NRW hat in den Landessortenversuchen 2021 insgesamt 8 Sommerhafersorten an 3 Standorten im weit gefassten Anbaugebiet "Marsch, Löss, Lehm, Mittel- und Höhenlagen" geprüft. Die Aussaat erfolgte in Kerpen-Buir am 23. März mit 290 Körnern/m², in Lage-Heiden am 1. April mit 370 Körnern/m² und in Möhnesee-Berlingsen bereits am 3. März mit 300 Körnern/m². Die durchschnittlichen Erträge bei praxisüblichem Pflanzenschutz lagen an den genannten Standorten bei 59,3 dt/ha, 75,1 dt/ha und 74,9 dt/ha. Bezieht man die für das genannte Anbaugebiet sowie das Anbaugebiet "Sand" relevanten Landessortenversuche aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein mit ein lag das durchschnittliche Ertragsniveau bei 73,5 dt/ha. Der weitgehende Verzicht auf Pflanzenschutzmitteln führte zu durchschnittlichen Ertragsverlusten von 5%. An den von Lager betroffenen Standorten Lage-Heiden und Möhnesee-Berlingsen wurden deutlich höhere Ertragsverluste von bis zu 15% festgestellt. Besonders in Lage-Heiden führten starke Niederschläge dazu, dass anfällige Sorten in der reduzierten Pflanzenschutzvariante mit nur 1,25 l/ha CCC in EC 39-49 (statt 0,2-0,3 l/ha Moddus in EC 31-32 und 1,5 l/ha CCC in EC 39-49 in der intensiven Variante) bereits zum Rispenschieben mehr oder weniger ins Lager gingen. Bei den Lagerbonituren zur Ernte ließen sich auch in der intensiven Pflanzenschutzvariante sowie am Standort Möhnesee-Berlingsen deutliche Unterschiede in der Standfestigkeit der Sorten feststellen. Blattkrankheiten traten kaum auf. Die durchschnittlichen Hektolitergewichte an den nordrhein-westfälischen Standorten lagen bei 44,8-48,4 kg.

Sortenempfehlungen

Die Sortenwahl bei Sommerhafer wird nicht nur von der Ertragsleistung, sondern in hohem Maße auch von den eigenen Anbauerfahrungen sowie den Anforderungen des Marktes bestimmt. Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass Hafersorten mit einer hohen Standfestigkeit deutliche Vorteile gegenüber lageranfälligen Sorten haben können. Wenn die Ernte über den Handel vermarktet werden soll, sind Sorten mit einem hohen Hektolitergewicht besser geeignet den Anforderungen des Marktes zu entsprechen. Beim gezielten Anbau von Schälhafer sollten die Sortenwahl und Qualitätskriterien frühzeitig mit den beteiligten Marktpartnern abgestimmt werden.

Max ist zwar die älteste der aktuell geprüften Sorten, dominiert aber weiterhin den Markt. Bei nur leicht unterdurchschnittlichen Erträgen erzielt Max vergleichsweise zuverlässig hohe Hektolitergewichte und ist daher nicht nur für die Vermarktung zu Futterzwecken sondern auch als Schälhafer beliebt. Die hohe Lagerneigung der Sorte erfordert einen gezielten Einsatz von Wachstumsreglern.

Symphony ist der einzige noch geprüfte Weißhafer im Sortiment. Die Sorte erzielte mehrjährig allerdings nur leicht unterdurchschnittliche Erträge und kann auch von den sonstigen Eigenschaften nicht ausreichend überzeugen. Darauf weist auch die deutlich zurückgegangene Vermehrungsfläche hin.

Apollon überzeugte mehrjährig vor allem auf Sand, während auf besseren Standorten nur unterdurchschnittliche Erträge erzielt wurden. Die Sorte ist trotz des nur durchschnittlichen Hektolitergewichts grundsätzlich auch als Schälhafer geeignet. Beim Anbau sind die relativ hohe Anfälligkeit für Mehltau und die verzögerte Strohreife zu beachten.

Delfin kann ertraglich in allen Anbaugebieten überzeugen, erzielte in den bisherigen Prüfungen aber nur unterdurchschnittliche Qualitäten. Vorteile der Sorte sind die hohe Standfestigkeit und die Resistenz gegenüber Mehltau. Die verzögerte Abreife des Strohs kann gelegentlich zu Problemen führen.

Armani wird aufgrund der mehrjährig überdurchschnittlichen Erträge für den Anbau als Futterhafer empfohlen. Armani ist vergleichsweise standfest und wenig anfällig gegenüber Mehltau. Aufgrund des geringen Hektolitergewichts lässt sich die Sorte nicht immer optimal vermarkten.

Lion erzielte in den bisherigen Versuchen nur geringfügig höhere Erträge als die Sorte Max, überzeugt aber mit ähnlich hohen Hektolitergewichten und einer insgesamt deutlich besseren Schäleignung. Die Sorte ist relativ standfest aber anfällig gegenüber Mehltau. Lion wird bevorzugt als Schälhafer empfohlen, kann aber auch zu Futterzwecken angebaut werden.

Fritz wird aufgrund der guten Erträge und Qualitäten in den vorherigen Wertprüfungen als möglicher Nachfolger für die Sorte Max diskutiert, konnte in den Landessortenversuchen 2021 aufgrund der hohen Lagerneigung aber noch nicht überzeugen. Wer die Sorte als Schälhafer anbauen möchte, sollte grundsätzlich zwei Applikationen von Wachstumsreglern einplanen.

Magellan ist ausschließlich als Futterhafer geeignet, erzielte aber bereits im ersten Prüfjahr deutlich überdurchschnittliche Erträge, besonders auf Sand. Das Sortenprofil ist insgesamt ausgeglichen.

Anbauhinweise

Sommerhafer sollte ähnlich wie Sommerweizen möglichst früh gesät werden, sobald die Boden- und Witterungsbedingungen es zulassen. Dies gilt besonders auf schwächeren Standorten, auf denen die verbliebene Winterfeuchte optimal ausgenutzt werden muss. Bei ausreichender Wasserversorgung und kühlem Witterungsverlauf reagiert Hafer auf eine verspätete Aussaat aber weniger empfindliche als Sommerweizen, da eine geringe Bestandesdichte infolge schwacher Bestockung relativ gut durch eine größere Kornzahl/Rispe ausgeglichen werden kann. Dennoch sollte bei einer späteren Aussaat die Saatdichte um 10-20% erhöht werden. Aufgrund des im Vergleich zu anderen Sommergetreiden etwas höheren Keimwasserbedarfs sollte die Saattiefe bei etwa 3-4 cm liegen. Auf schwächeren Standorten mit geringer Nährstoffversorgung empfiehlt sich eine Grunddüngung mit 100 kg/ha K2O. Die Stickstoffdüngung wird meist auf 2/3 zur Saat und 1/3 während der Schossphase aufgeteilt. Dabei sollte auch die N-Nachlieferung des Bodens berücksichtigt werden, da eine späte N-Aufnahme das Lagerrisiko erhöhen und Zwiewuchs begünstigen kann. Der Einsatz von Wachstumsreglern muss betriebs- und bestandsindividuell entschieden werden: Einerseits können zu hohe Aufwandmengen leicht zu Ertragsverlusten führen, andererseits hat das vergangene Jahr deutlich gezeigt, dass ein zu geringer Einsatz von Wachstumsreglern nicht nur in anfälligen Sorten zu erheblichen Lagerproblemen führen kann. Durch den gezielten Anbau von standfesten Sorten und eine an den Standort und die Bestandsentwicklung angepasste Düngung lässt sich das Lagerrisiko zwar verringern, abhängig vom Witterungsverlauf sollte die geplante Wachstumsreglerstrategie aber immer wieder überdacht werden. Unkräuter lassen sich optimal im 3- bis 4-Blatt-Stadium des Getreides mit Herbiziden bekämpfen. Da gegen Ackerfuchsschwanz in Hafer aktuell keine Produkte zugelassen sind, lässt sich das Ungras nur durch eine möglichst frühe Aussaat unterdrücken aber nicht aktiv bekämpfen. Dem Befall mit Mehltau kann durch den Anbau von wenig anfälligen Sorten oder den gezielten Einsatz von Fungiziden entgegengewirkt werden. Die Streifenkrankheit des Hafers und der Haferkronenrost verursachen nur selten große Ertragsverluste. Blattläuse als Vektoren der Haferröte sowie Getreidehähnchen sollten bei Überschreiten der Schadschwellen rechtzeitig bekämpft werden, um Ertrags- und Qualitätsverluste zu vermeiden. Hafer muss nach der Ernte vergleichsweise trocken gelagert werden.

Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch