Landessortenversuche Sommerfuttergerste 2022

Sommergerste in BerlingsenBild vergrößern
Sommergerste im Landessortenversuch in Berlingsen

Die nordrhein-westfälische Anbaufläche von Sommergerste lag 2022 bei über 9.200 ha. Dies entspricht einem Anstieg gegenüber dem Vorjahr von fast 25%. Auch bundesweit wurde der Anbau von Sommergerste ausgeweitet. Ursachen dafür waren nicht nur die hohen Marktpreise für Braugerste, sondern auch die deutlich gestiegene Nachfrage bei Futtermitteln ab Beginn des Ukrainekonflikts.

Gute Erträge, fallende Preise

Mit einem durchschnittlichen Ertrag von 58,6 dt/ha fiel die Sommergerstenernte 2022 in NRW auch im langjährigen Vergleich zufriedenstellend aus. Noch höhere Durchschnittserträge wurden zuletzt in den Jahren 2012-2014 erzielt. Begünstigt wurden die guten Erträge durch die im Vergleich zum Vorjahr frühere Aussaat und die höhere Sonnenstrahlung während der kritischen Phasen der Ertragsbildung. Mindererträge gegenüber dem Vorjahr ergaben sich vorwiegend auf Standorten mit nur geringem Wassernachlieferungsvermögen und bei ausbleibenden Niederschlägen. Abhängig vom tatsächlichen Witterungsverlauf war der Krankheitsdruck sehr unterschiedlich: Auf trockeneren Standorten ließen sich die Bestände meist mit einer einzigen Fungizidmaßnahme gesund halten während bei feuchteren Bedingungen intensivere Kontrollen und oft höhere Pflanzenschutzintensitäten erforderlich waren. Die Ernte erfolgte meist ohne Probleme und ließ sich aufgrund der überwiegend hohen Hektolitergewichte gut vermarkten. Anders als im Vorjahr, in dem die Preise für Futtergerste sich nach einem kurzen Einbruch zur Ernte anschließend deutlich erhöhten, profitierten 2022 vor allem die Landwirte, die ihre Ernte bereits frühzeitig verkauft hatten. Der aktuelle Marktpreis für Futtergerste liegt zwar immer noch deutlich höher als in den vergangenen Jahren, wie sich dieser in der nächsten Zeit entwickeln wird ist aber selbst für Experten schwer abzuschätzen.

Braugerste auch in Westfalen?

Die im Vergleich zu Futtergerste aktuell deutlich höheren Marktpreise für Braugerste lassen auch den ein oder anderen Landwirt außerhalb des traditionellen Anbaugebiets in der rheinischen Voreifel über den Anbau von Sommerbraugerste nachdenken. Allerdings reicht es für die erfolgreiche Produktion von Braugerste keinesfalls aus nur eine geeignete Sorte zu wählen, sondern es müssen auch die Standortwahl, die Kulturführung und vor allem die Vermarktung angepasst beziehungsweise abgeklärt werden. Aufgrund der Qualitätsanforderungen für Braugerste, vor allem im Hinblick auf einen Proteingehalt von möglichst 9,5-11,5%, sind Böden mit einem hohen Stickstoffnachlieferungspotential nur begrenzt für den Anbau geeignet. Die N-Düngung für Braugerste sollte bevorzugt mineralisch, vor der Aussaat und in reduzierter Menge erfolgen. Auch bei optimalen Voraussetzungen und angepasster Bestandesführung bleibt ein witterungsbedingtes Risiko, die geforderten Qualitäten nicht zu erfüllen. Besonders für Neueinsteiger in den Braugerstenanbau empfiehlt sich daher eine vorherige Kontaktaufnahme mit der regionalen Landwirtschaftsberatung.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2022

Auch in den Versuchen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen wurden im Vergleich zum Vorjahr deutlich höhere Erträge erzielt. Am südwestfälischen Standort Möhnesee-Berlingsen lag das Ertragsniveau mit intensivem Pflanzenschutz bei 81,6 dt/ha und bei weitgehendem Verzicht auf den Einsatz von Fungiziden und Wachstumsreglern bei 71,0 dt/ha. Ursache für die Ertragsverluste in der extensiv geführten Stufe war eine breite Mischinfektion mit Mehltau, Netzflecken, Rhynchosporium und vor allem Zwergrost. Lager, Halm- und Ährenknicken traten kaum auf. Am neuen ostwestfälischen Standort Blomberg-Siebenhöfen, der eher den Niederungslagen zugerechnet werden kann, wurde in beiden Behandlungsintensitäten ein durchschnittliches Ertragsniveau von etwa 75,0 dt/ha erreicht. Aufgrund der deutlich geringeren Niederschläge blieben der Krankheits- und Lagerdruck an diesem Standort gering. Die etwas geringeren Erträge resultierten vor allem aus einer trockenstressbedingt geringeren Kornzahl/Ähre. Die beiden Versuche in Möhnesee-Berlingsen und Blomberg-Siebenhöfen wurden ab Beginn der zweiten Märzhälfte mit 320 beziehungsweise 280 Körnern/m² gesät. Die Ernte erfolgte am 29. Juli beziehungsweise 3. August. Mit durchschnittlichen Hektolitergewichten von fast 67 kg wurden die Qualitätsanforderungen des Handels deutlich übertroffen. Für die länderübergreifende Auswertung für das Anbaugebiet "Lehm, Sand, Mittel- und Höhenlagen" wurden zusätzlich 3 Versuche aus Niedersachsen und 2 Versuche aus Schleswig-Holstein einbezogen.

Sortenempfehlungen

Bei der Sortenwahl für den Anbau von Sommergerste zur Futternutzung stehen das Ertragspotential und die Ertragsstabilität an erster Stelle. Sorten mit einer guten Standfestigkeit und Strohstabilität sowie geringen Anfälligkeit gegenüber Blattkrankheiten können dazu beitragen, die Ertragsleistung abzusichern und den erforderlichen Pflanzenschutzaufwand zu reduzieren. Abgesehen von den nur zur Futternutzung geeigneten Sorten werden mit RGT Planet und Lexy zusätzlich zwei Sorten für den Anbau empfohlen, die grundsätzlich auch als Braugerste vermarktet werden können, wenn sie die entsprechenden Qualitätsanforderungen erfüllen.

RGT Planet wird voraussichtlich auch zur Aussaat 2023 wieder den größten Anteil der Anbaufläche von Sommerfuttergerste einnehmen. Die langjährig bewährte Sorte erzielte in den Versuchen 2022 durchschnittliche Kornerträge und ein hohes Hektolitergewicht. RGT Planet ist im Vergleich zu den meisten neueren Sorten etwas früher im Ährenschieben, allerdings weniger standfest und strohstabil und nur durchschnittlich blattgesund. Die im Hinblick auf die Bestandesführung langjährige Erfahrung vieler Landwirte mit der Sorte sowie die gute Saatgutverfügbarkeit begünstigen die Anbauempfehlung. RGT Planet ist international auch als Braugerste gefragt, lässt sich aufgrund der fehlenden Verarbeitungsempfehlung des Berliner Programms allerdings schwieriger vermarkten als andere Braugersten.

Kimberly erzielte in den bisherigen Versuchen ähnliche Erträge wie RGT Planet und überzeugt vor allem durch eine bessere Standfestigkeit und Strohstabilität sowie eine etwas geringere Anfälligkeit gegenüber Netzflecken und Zwergrost. Das ermittelte Hektolitergewicht ist leicht unterdurchschnittlich.

LG Belcanto erzielte mehrjährig etwas höhere Kornerträge als RGT Planet, ist im direkten Vergleich etwas später reif und weist nach Beschreibender Sortenliste 2022 etwas bessere Anbaueigenschaften auf. Die Saatgutverfügbarkeit ist relativ begrenzt, sodass sich für den Anbau zur Probe alternativ die Sorte LG Rumba anbietet.

Lexy hat sich bundesweit vor allem als Braugerste bewährt, lässt sich aber auch zu Futterzwecken erfolgreich anbauen. Die zu erwartenden Erträge liegen etwa auf dem Niveau von RGT Planet. Die Standfestigkeit, Strohstabilität und die Anfälligkeit gegenüber Netzflecken sind bei Lexy geringfügig besser zu bewerten. Die Sorte ist vor allem für Betriebe interessant, die sich die Möglichkeit einer Braugerstenvermarktung erhalten möchten.

LG Rumba besitzt ein noch etwas höheres Ertragspotential als LG Belcanto und konnte dies bereits im ersten Prüfjahr auch bestätigen. Die Sorte ist später in der Abreife und bildet den Ertrag über eine hohe Bestandesdichte und Tausendkornmasse. LG Rumba ist relativ standfest und strohstabil. Positiv zu bewerten ist die geringe Anfälligkeit gegenüber Zwergrost, negativ hingegen die höhere Anfälligkeit gegenüber Netzflecken und Rhynchosporium. Das in den Versuchen 2022 ermittelte Hektolitergewicht lag etwa auf dem Niveau von RGT Planet. Die Sorte wird für den Anbau zur Probe empfohlen.

Erträge optimieren, Aufwand reduzieren?

An den grundsätzlichen Anbauhinweisen für Sommerfuttergerste hat sich in den vergangenen Jahren nur wenig geändert. Der optimale Saattermin liegt meist zwischen Anfang März und Anfang April und orientiert sich vor allem am Zustand des Bodens: Ist dieser zu feucht, sollte mit der Aussaat gewartet werden, denn aufgrund der vergleichsweise schwachen Wurzelentwicklung reagiert Sommergerste empfindlich auf Staunässe und Schadverdichtungen. Da mit zunehmend späterer Aussaat das Bestockungsvermögen abnimmt sollte die Saatdichte sukzessive von 270-300 Körnern/m² zu Anfang März auf 330-360 Körner/m² zu Anfang April erhöht werden. Auf schweren und kalten Böden oder bei ungünstigen Aussaatbedingungen sind Aufschläge von bis zu 20% angeraten. Ziel ist eine Bestandesdichte von 600-800 Ähren/m². Die optimale Saattiefe liegt bei 2-4 cm. Bei vorwiegend mineralischer Düngung bietet es sich an, die Grunddüngung mit Kalium und Phosphat zusammen mit der ersten Stickstoffgabe (2/3 des Bedarfs) vor der Aussaat einzuarbeiten. Dies trägt dazu bei, dass das vergleichsweise schwache Wurzelsystem die Nährstoffe zuverlässig aufnehmen kann.

Die zweite Stickstoffgabe erfolgt meist zum Ährenschieben. Bei überwiegend organischer Düngung empfiehlt es sich, diese vollständig zur Aussaat einzubringen, um eine möglichst hohe Wirksamkeit zu erzielen. Bis zu 20 kg/ha Schwefel, sowie als Spurennährstoffe zusätzlich Mangan, Kupfer und Zink können zu einer optimalen Nährstoffversorgung beitragen. Möglichkeiten für einen reduzierten Einsatz von Pflanzenschutzmitteln ergeben sich zum einen aus der Sortenwahl (Standfestigkeit, Strohstabilität, Blattgesundheit) und zum anderen aus der regelmäßigen und intensiven Kontrolle der Bestandesentwicklung und der auftretenden Krankheiten und Schädlinge. Besonders beim Einsatz von Wachstumsreglern sollten nicht mehr als 0,2-0,3 l/ha Moddus in EC 31-34 oder bevorzugt 0,2-0,4 l/ha Camposan in EC 37-49 eingesetzt werden, um stressbedingte Ertragsverluste zu vermeiden. Bei nicht zu frühem Befall mit Netzflecken ist gegen Blattkrankheiten meist eine Fungizidmaßnahme in EC 39-49 ausreichend. Blattläuse und Getreidehähnchen befallen oft unterhalb der wirtschaftlichen Schadschwellen.

Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch