Landessortenversuche Ökowintergerste 2012

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Die Ökowintergerste der Sorte Highlight stand deutlich dünner...


Ökowintergerste der Sorte SemperBild vergrößern
... als die Sorte Semper. Fotos: Dr. Claudia Hof-Kautz


Neuer Öko-Wintergerstensortenversuch bringt gute Erträge

Aufgrund der gestiegenen Nachfrage aus der Praxis, bedingt durch vermehrte Ökoschweinehaltung, hat die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen im Jahr 2011/12 wieder einen Öko-Wintergerstensortenversuch durchgeführt. Dr. Claudia Hof-Kautz erläutert den Anbauversuch und dessen Ergebnisse.

Wintergerste lässt sich auch im Ökolandbau gut anbauen, wenn eine gute Saatbettbereitung erfolgt, geeignete Vorfrüchte, wie Körnerleguminosen, gewählt werden, zum richtigen Zeitpunkt gestriegelt wird und geeignete blattgesunde, langstrohige und standfeste Sorten mit schneller Jugendendwicklung angebaut werden. Durch die frühere Ernte bietet die Wintergerste ausreichend Zeit für den Anbau von Zwischenfrüchten. Zudem können Arbeitsspitzen entzerrt werden.

In Zusammenarbeit mit den Versuchsanstellern der Ländereinrichtungen aus Niedersachsen und Hessen können im für NRW relevanten Anbaugebiet „AGB 3, Lehmige Standorte West“ grundsätzlich drei Standorte gemeinsam verrechnet werden. Auf einem Standort in Nordrhein-Westfalen - in Stommeln auf lehmigem Sand bis sandigem Schluff, Ackerzahl 60 bis 65 - wurden 2012 in einem Landessortenversuch acht verschiedene Wintergerstensorten auf ihre Eignung für den Anbau im ökologischen Landbau geprüft, siehe dazu die Tabelle 1.

Im AGB 3 stehen darüber hinaus zwei weitere Standorte in Niedersachsen (Wiebrechtshausen, sandigem bis schluffigem Lehm, Ackerzahl 70) sowie in Hessen (Alsfeld, sandigem Lehm, Ackerzahl von 50 bis 55) zur Verfügung, die allerdings beide aufgrund der sehr starken Auswinterung in diesem Winter komplett ausfielen. Die Aussaat erfolgte Ende September.

Problematische Auswinterung

Die Auswinterung war in diesem Jahr an einigen Standorten durch Kahlfröste ohne Schneebedeckung Anfang Februar über mehrere Tage extrem hoch. In NRW werden die Umbruchanteile in einigen Regionen Ostwestfalens auf bis zu 85 bis 90 % geschätzt. Der Öko-Wintergerstensortenversuch lag in NRW im Rhein-Erft-Kreis und war davon nicht so sehr betroffen. Daher sind die Auswinterungsbonituren mit mittleren Noten von etwa 2 recht gut, siehe Tabelle 2. Nur die Sorten Highlight und Souleyka wiesen mit Note 3,5 bis 4,0 höhere Verluste auf. Etwas schlechter mit im Mittel Note 3,6 war die Auswinterungsbonitur am Standort Wiebrechtshausen in Niedersachsen. Die Sorten zeigten aber ähnlichen Tendenzen. So war die Sorte Souleyka mit Note 5,8 am schlechtesten, gefolgt von Highlight mit Note 4,0. Im weiteren Vegetationsverlauf konnten sich die Pflanzen allerdings aufgrund der folgenden Frühjahrstrockenheit im März/April an diesem Standort nicht mehr ausreichend weiterentwickeln und der Versuch musste durch weiteren Ausfall von Pflanzen aufgebeben werden. Ganz anders sah es im Standort Alsfeld in Hessen aus. Hier war der Wintergerstensortenversuch mit Auswinterungsnoten von 8 bis 9 praktisch sofort komplett abgestorben.

Erträge der Standorte und Sorten

Am Standort Stommeln betrug der Ertrag in 2012 der Sorten des Standardmittels (Lomerit, Mercedes) 44,5 dt/ha, siehe Tabelle 3. Die beiden anderen Standorte in Hessen und Niedersachsen scheinen ein deutlich höheres Ertragspotenzial aufgrund der besseren Wasserspeicherfähigkeit auf den dortigen Lössstandorten zwischen 73,3 und 81,6 dt/ha in den Jahren 2010 bis 2011 zu besitzen beziehungsweise es kamen dort auch in den extrem trockenen Vorjahren zum richtigen Zeitpunkt im Juni ausreichend Niederschläge für die Kornfüllung. Über die Jahre und Standorte zeigen sich die Sorten Lomerit und Semper überdurchschnittlich im Ertrag; Highlight im Prinzip auch, fällt aber in 2012 in Stommeln mit nur 62 % Relativertrag deutlich ab. Die neuen Sorten KWS Median und Amelie schnitten mit jeweils 106 % Relativertrag in Stommeln 2012 sehr gut ab.

Proteingehalte und Hektolitergewicht

In Stommeln konnte die Gerste in diesem Jahr nur extrem niedrige Proteinwerte realisieren, im Mittel 7,7 %, siehe Tabelle 4. Dies lag vermutlich an der geringen Stickstoffverfügbarkeit, wie an dem niedrigen N min-Wert im Frühjahr von 11 kg N min-N/ha zu sehen. In der Fruchtfolge stand sie hier nach zweimal Getreide eher ungünstig. Die Sorte Highlight erzielte mit 8,6 % noch den höchsten Proteingehalt, hatte aber auch die geringsten Erträge. An den beiden anderen Standorten des AGB 3 lagen die Proteinwerte deutlich höher, wenn auch zum Teil niedrige Proteinwerte auftraten. Hier bestätigt sich einmal mehr die Regel, dass bei sehr hohen Erträgen wie in 2011 in Alsfeld (Mittel 81,6 dt/ha) nur niedrige Proteinwerte (Mittel 10,2) zu erwarten sind. Dennoch gibt es auch Sorten, die ertragreich und proteinstark sind, wie zum Beispiel Mercedes und Semper.

Das Hektolitergewicht als Maß für die Kornqualität sollte bei Wintergerste höher als 62 kg/100 l liegen. Hohe Feuchtegehalt und große Schaleanteile reduzieren das Hektolitergewicht, Trockenheit und hohe Stärkegehalte hingegen erhöhen das Hektolitergewicht. Auf allen Standorten und Jahren konnten alle Sorten das gewünschte Niveau erzielen, siehe Tabelle 5. Die Sorten Lomerit und Semper liegen im Mittel sogar über 70 kg/100 l.

Die Sorten im Einzelnen

Im Folgenden sind die Sorten anhand der letzten drei Jahre im Öko-LSV des ABG 3 dargestellt.

Mehrjährig geprüfte Sorten:

Highlight ist eine ertragsstarke Sorte, die sich an den Standorten in Niedersachsen und Hessen, also auf mittleren bis schweren, nährstoffreichen Böden, schon über mehrere Jahre bewährt hat. Auf leichteren Standorten ist sie weniger geeignet. In Stommeln hat sie in diesem Jahr nur unterdurchschnittliche Erträge gebracht. Sie kam zum einen mit der Winterkälte nicht so gut zurecht, zum anderen war bei dieser Sorte ein stärkerer Kaninchenfraß zu verzeichnen und es trat vermehrt Gelbverzwergungsvirus auf als bei den anderen Sorten. Daher konnte sie ihr Ertragspotenzial nicht ausschöpfen. Diese Sorte ist eher langsamer in der Jugendentwicklung, kann aber Unkräuter später möglicherweise durch einen höheren und stärkeren Pflanzenwuchs unterdrücken. Bei der Lagerneigung und dem Halm- und Ährenknicken wird sie im mittleren Bereich eingestuft. Die Tausendkornmassen sind hoch.

Lomerit weist ebenfalls langjährig sehr gute, überdurchschnittliche und ausgeglichene Erträge auf. Die Proteinwerte sind eher niedriger, das Hektolitergewicht ist hoch. Sie ist sowohl für schwere als auch für leichte Standorte geeignet. Sie kam in diesem Winter am besten von allen Sorten auf allen Standorten mit der Kälte zurecht. Überdies hat Lomerit eine schnelle Jugendentwicklung mit guter Bodenbedeckung und eine hohe Massebildung in der weiteren Entwicklung, was ihr ein hohes Unkrautunterdrückungspotenzial verleiht. Beim Halm- und Ährenknicken ist sie mittel eingestuft, hat aber eine höhere Lagerneigung. In Stommeln traten 2012 bei dieser Sorte mehr Rhynchosporium-Blattflecken auf.

Mercedes hat mittlere bis gute, stabile Erträge über mehrere Jahre und Standorte mit höheren Proteingehalten und gutem Hektolitergewicht gebracht. Die Neigung zu Lager sowie Halm- und Ährenknicken ist gering, trotz längeren Strohs. Diese Sorte ist sehr blattgesund und kältetolerant. Die Jugendentwicklung und Wüchsigkeit und damit die Bodenbedeckung und Unkrautunterdrückung ist gut, wenn auch etwas schwächer als bei Lomerit.

Semper ist eine Sorte mit langjährig überdurchschnittlichen Erträgen und hohem Hektolitergewicht und guten Proteingehalten. Bei der Winterüberlebensfähigkeit war sie in diesem Jahr vorne mit dabei. Im Frühjahr ist die Sorte sehr wüchsig und konkurrenzstark. Die Neigung zu Lager und Halmknicken ist gering, zu Ährenknicken mittel eingestuft. Die Sorte ist relativ blattgesund.

Souleyka ist eine ertragsstarke Sorte. In diesem Jahr konnte sie dies in Auweiler aufgrund der höheren Auswinterung und Kaninchenfraß nicht zeigen. Auch scheint sie eher auf bessere Standorte als auf leichte zu passen. Die Proteingehalte sind eher niedriger als bei den anderen Sorten. Die Neigung zu Lager sowie Halm- und Ährenknicken ist gering bis mittel eingestuft. Die Sorte ist relativ blattgesund. Diese mittellange Sorte weist eher eine geringere Wüchsigkeit auf und kann Unkräuter nicht so gut unterdrücken.

Neue Sorten:

KWS Meridian zeigte im ersten Prüfjahr in Stommeln die sehr hohe Ertragsleistung, in der sie auch vom BSA eingestuft ist. Die Überwinterung war gut. Die Neigung zu Lager und Ährenknicken ist mit Mittel angeben, das Halmknicken etwas besser eingestuft. Die Sorte weist eine mittlere Pflanzenlänge auf und scheint eine gute Bestandesdichte zu haben und recht blattgesund zu sein.

Amelie brachte in Stommeln ebenfalls sofort sehr gute Erträge. Die Überwinterung war gut. Die Neigung zu Lager und Ährenknicken ist als Mittel angeben, für das Halmknicken ist sie sogar etwas schlechter eingestuft. Die Sorte weist eine mittlere Pflanzenlänge auf und scheint eine gute Bestandesdichte zu haben.

Henriette hat im ersten Anlauf nur unterdurchschnittliche Erträge in Stommeln realisieren können. Die Überwinterung war gut. Die Neigung zu Halm- und Ährenknicken liegt auf mittlerem Niveau, die Lagerneigung ist etwas besser. Auch diese Sorte weist eine mittlere Pflanzenlänge auf.

Saatgutbezug

Die Verwendung von ökologisch erzeugtem Saat- und Pflanzgut ist grundsätzlich gemäß EU-Bioverordnung vorgeschrieben. Der Saatgutbezug kann über die Ökosaatgutvermehrer aus NRW z.B. Bioland-Z-Saatgutliste erhältlich beim Bioland Landesverband NRW erfolgen. Die Verfügbarkeit einzelner Sorten finden Sie im Überblick unter www.organicXseeds.de. Weitere Informationen finden Sie unter www.oekolandbau.nrw.de

Fazit für die Praxis

Bewährt haben sich für den Ökolandbau die Sorten Lomerit, Mercedes und Semper. Alle drei Sorten gehören in die engere Wahl. Vielversprechend von den neuen Sorten sind KWS Meridian und Amelie, die sich aber in weiteren Jahren zeigen müssen.

Autor: Dr. Claudia Hof-Kautz