Landessortenversuche Wintergerste 2011

Wintergerste aufgefrorenBild vergrößern
Bei Wintergerste waren 2011 deutliche Auswinterungsschäden durch Auffrierungen zu sehen.

Erträge unterdurchschnittlich, Qualität in Ordnung

Die Witterung im Vegetationsjahr 2010/11 stellte wieder einmal eine Besonderheit dar. Für die drei großen Landesteile Rheinland, Münsterland und Ostwestfalen-Lippe lassen sich die Witterungsverläufe von der Saat bis Ende Mai kurzgefasst mit „erheblich zu trocken und vor allem zwischen März und Mai erheblich zu warm“ charakterisieren. Was sich aus diesem Saisonstart für deren weiteren Verlauf ergeben hat, schildern Dr. Joachim Holz und Heinz Koch, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

Die sich ab Juni einstellenden Niederschläge konnten bei der Wintergerste gerade noch einen Beitrag zur besseren Kornfüllung leisten, so dass die hl-Gewichte überwiegend unkritisch waren. Infolge der deutlich niedrigeren Bestandesdichten waren die Erträge aber größtenteils unterdurchschnittlich. Die Bodengüte bezüglich der nutzbaren Feldkapazität stellte in diesem Jahr die ertragsentscheidende Größe dar. Die Ernte startete verzögert, schwerpunktmäßig in der ersten Julidekade.

Im Mittel der Jahre 1999 bis 2009 lag die Wintergerstenanbaufläche in NRW relativ beständig um rund 172 500 ha. Im aktuellen Anbaujahr 2011 ist sie, wie bereits in etwas geringerem Maße schon im Vorjahr, nach vorläufigen Anbauschätzungen des statistischen Landesamtes Düsseldorf nochmals um weitere knapp 8 % gesunken. Sie beträgt jetzt etwa 149 300 ha - im Rheinland 29 240 ha, Westfalen-Lippe rund 120 000 ha. Mit knapp 11 000 ha gegenüber dem Vorjahr wurde die Wintergerstenfläche in Westfalen-Lippe sehr deutlich reduziert, im Rheinland waren dieses dagegen moderate 1 500 ha.

Ungünstiges Wetter

Der Witterungsverlauf des abgelaufenen Vegetationsjahres war aus acker- und pflanzenbaulicher Sicht durch besonders ungünstige Konstellationen geprägt. In allen drei Landesteilen Rheinland, Münsterland und Ostwestfalen-Lippe gleich, nur auf einem etwas unterschiedlichen Niveau, lagen die mittleren Temperaturen in den Monaten Oktober bis Dezember im Vergleich zum Vorjahr jeweils um rund 2,5°C niedriger. Der Januar bis Mai dagegen war deutlich wärmer, im Mittel um 3,5°C. Mit gut 5°C war der Erntemonat Juli gegenüber dem Vorjahr kühler. Die größten Ertragsauswirkungen hatten sicherlich die Niederschlagsverhältnisse. Von der Saat bis Mai inklusive war gegenüber dem Vorjahr im Rheinland ein Niederschlagsdefizit von rund 180 mm, im Münsterland von 195 mm und in Ostwestfalen-Lippe von rund 240 mm zu ermitteln. Gepaart mit einer annähernd doppelt so hohen Sonnenscheindauer, vor allem im März bis Mai, sowie der höheren Temperaturen ergaben sich entsprechend sehr hohe negative klimatische Wasserbilanzen. Diese bewegten sich nach Ermittlungen des deutschen Wetterdienstes zwischen 225 mm und 250 mm.

Die ertragsstrukturellen Auswirkungen bei der Wintergerste, vor allem auf die Bestandesdichteentwicklung, aber auch die Kornzahl je Ähre mit einem Doppelringstadium während der Bestockungsphase waren in allen Ackerbauregionen von NRW, insbesondere natürlich den Sandstandorten, entsprechend drastisch, siehe dazu Tabelle 1. Die gegenüber dem Vorjahr tendenziell höheren TKM konnten die beiden anderen ungenügenden Ertragsstrukturfaktoren nicht mehr über einen noch befriedigenden Ertrag kompensieren.

Nicht zu vergessen sind aber auch die teilweise erheblichen Auswinterungsschäden durch Auffrierungen bei der Wintergerste, die landesweit mal mehr, mal weniger zu beobachten waren. Die durch das Auffrieren freigelegten Wurzeln vieler Wintergerstenpflanzen wurden durch späte Herbizidmaßnahmen, Spätfröste und die Trockenheit zusätzlich geschädigt, was in der Folge zu massiver Wachstumshemmung bis hin zum völligen Absterben ganzer Pflanzen führte und damit das Bestandesdichteproblem insgesamt noch verschärfte. Im Mittel der 2011 insgesamt neun auswertbaren NRW-Landessortenversuche aus den verschiedenen Anbauregionen ist gegenüber dem Vorjahr ein Minderertrag von rund 18 % hinzunehmen. Bei den hl-Gewichten konnte im Mittel aller Versuche mit 66,1 kg/hl ein noch befriedigendes Ergebnis erzielt werden. Eine abzugsfreie Vermarktung bezüglich der Kornqualität von mindestens 64 kg/ha konnte damit zumindest gesichert werden.

Die Landessortenversuche

Aus Nordrhein-Westfalen und dem benachbarten Kammergebiet Niedersachsen mit überlappenden gemeinsamen Anbaugebieten auf der Basis gleicher Boden-Klima-Regionen stehen im Vegetationsjahr 2010/11 insgesamt 15 Landessortenversuche Wintergerste für eine sichere und exakte Bewertung der spezifischen Sortenleistungen zur Verfügung. Unter Berücksichtigung der Vorjahresergebnisse 2007 bis 2010 ergibt sich damit eine hinreichende Datenbasis für eine zuverlässige Sortenempfehlung für die verschiedenen Anbauregionen in NRW. Die Prüfung der Wintergerstensorten erfolgte wie immer in den zwei Intensitätsstufen B1 und B2, siehe Tabelle 2.

Nur noch zwei N-Gaben

Auf der Grundlage vieler N-Düngungsversuche wurde in diesem Jahr erstmalig auch in den Landessortenversuchen die Stickstoffdüngung von früher drei auf jetzt zwei Überfahrten reduziert. Neben dem sich daraus ergebenden arbeitswirtschaftlichen Vorteil ist diese Vorgehensweise generell auch als eine pflanzenbauliche Reaktionsstrategie gegenüber drohenden Trockenheitskalamitäten, wie in diesem frühen Frühjahr, zu sehen. Ziel ist, etwa zwei Drittel der insgesamt notwendigen N-Düngermenge schon frühstmöglich im Boden wurzelverfügbar zu platzieren und damit die risikobehaftete oberflächige Bodenfeuchtigkeitsabhängigkeit für das Wirksamwerden der Schosser-N-Gabe zu vermeiden. Die gegenüber B1 höheren Produktionskosten in der B2-Variante entsprechen in diesem Jahr bei einem veranschlagten Erzeugerpreis von 19,00 € je dt einem wirtschaftlich notwendigen Mindestmehrertrag von 6,1 dt je ha. Wie aus den unteren Zeilen der Tabelle 3 zu ersehen ist, war auch in diesem Anbaujahr wieder die höhere Intensitätsstufe B2 im Mittel über alle Sorten nur auf knapp der Hälfte, also sieben von insgesamt 15 Standorten, wirtschaftlich gewesen.

Erträge und Qualitäten der Sorten

Als praxisnahe Grundlage für gut gesicherte Sortenempfehlungen dienen die mehrjährig erzielten Leistungen der Sorten aus der höheren Intensitätsvariante. Die in den Exaktversuchen zwischen einigen Sorten ermittelten Ertragsdifferenzen von 1 bis 2 % lassen sich in der Praxis nicht wiederfinden. Deshalb sollten solche geringen Differenzen keinen übermäßigen Einfluss auf die Bewertung und die Sortenwahl haben. Auch ein im aktuellen Jahr mal unterdurchschnittliches Ertragsergebnis von sonst sich mehrjährig bewährten Sorten sollte nicht überbewertet werden, vor allem, wenn die eigenen Anbauerfahrungen mit solchen Sorten bislang gut waren. Entsprechend umgekehrt sollte ein überproportional gutes Ergebnis in diesem Jahr nicht das alleinige Maß für die Sortenwahl darstellen. Dieses gilt vor allem für die ganz neuen, erstjährig geprüften Sorten.

Bei der Bewertung der eigenen Praxisergebnisse von zwei bis drei Sorten im Vergleich zu den Ergebnissen aus den Landessortenversuchen ist zu bedenken, dass diese im Betrieb teilweise unter unterschiedlichen Bedingungen angebaut werden. Die exakte Beurteilung der Leistungsfähigkeit dieser Sorten ist damit eingeschränkt. In den Landessortenversuchen dagegen müssen sich diese Sorten gegenüber 20 bis 25 anderen Sorten unter verschiedenen Ackerbau - Regionsbedingungen in mehrfacher Wiederholung messen lassen, so dass hier der Vergleich um ein Vielfaches schärfer und genauer ist. Vor diesem Hintergrund ist erklärbar, dass die eigenen, möglicherweise noch guten Anbauerfahrungen mit einer Sorte sich nicht unbedingt mit einem korrespondierenden Sortenergebnis aus den Landessortenversuchen decken.

Mit jährlich anderen Witterungsbedingungen und auch Witterungsextremen ist zu rechnen. Für die Sortenwahl bedeutet dieses im Sinne einer Ertrags-Risikostreuung, dass je nach einzelbetrieblichem Umfang der Wintergerstenfläche mindestens zwei Sorten angebaut werden sollten. Deutlich unterschiedliche Entwicklungs- und Reifezeitpunkte bei den Sorten ermöglichen darüber hinaus auch, Arbeitsspitzen bei Düngung, Pflanzenschutz und Ernte zu entzerren.

Leibniz und Lomerit liegen vorn

Der Tabelle 3 sind die diesjährig an den verschiedenen Prüfstandorten in den jeweiligen Ackerbauregionen erzielten Sortenerträge, fallend sortiert nach ihrem Gesamtmittel über die Standorte, zu entnehmen. Die bereits mehrjährig geprüften Sorten in Tabelle 4 Zzoom (Hybride), Leibniz und Lomerit zeigten über alle Standorte und Anbauregionen hinweg die beständigsten überdurchschnittlichen Erträge. Das Gleiche gilt für die zweijährig geprüfte Sorte Hobbit (Hybride). Alle anderen Sorten differenzieren sich deutlicher in Abhängigkeit der jeweiligen Anbauregion. Dieses gilt für die Sorte Nerz mit guten Ertragsleistungen auf Lehm- und eingeschränkt auf Höhenlagenstandorten, Souleyka auf Löß- und Höhenlagenstandorten, Naomie und Amrai auf den Sandstandorten. Die Sorte Pelican war nach guten Vorjahresergebnissen in diesem Jahr enttäuschend, konnte aber bislang vor allem auf den Lehm- und Höhenlagenstandorten recht gut überzeugen. Die erstjährigen Ergebnisse der neuen Sorten insgesamt zeigen keine neuen, deutlich besseren Leistungsträger. Je nach Anbauregion streuen sie ertraglich. Überzeugende Ergebnisse der mehrjährigen Wertprüfungsergebnisse spiegelten sich unter den diesjährigen Anbaubedingungen damit nicht gleichsinnig deutlich wider, so dass keine sicheren Anbauempfehlungen daraus abzuleiten sind. Beachtlich ist allerdings das recht gute Abschneiden der zweizeiligen Sorte Matros.

Die Hybridsorten Zzoom und Hobbit zeigen insgesamt recht gute Leistungen. Es ist aber festzuhalten, dass es auch unter den diesjährigen Anbaubedingungen Liniensorten gibt, die gleichgute Leistungen zeigen. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet, wenn die Saatgutkostendifferenz je ha rund 35 € mehr für Hybriden bei einer Saatstärke von 180 Körnern je m² beträgt, ist bei der Sortenwahl daher auch dieser Aspekt zu beachten.

Basis für die Anbauregionen-spezifischen Sortenempfehlungen sind die in der Tabelle 4 aufgeführten mehrjährigen Ertragsergebnisse. Die daraus resultierenden Sortenempfehlungen sind der Tabelle 7 zu entnehmen. Generell liegt das Leistungsspektrum der im Mittel überdurchschnittlichen Sorten sehr eng beieinander. Der Tabelle 5 sind die Ergebnisse der hl-Gewichte der Sorten zu entnehmen. Es zeigen sich mehrjährig deutliche Sortenleistungsunterschiede hinsichtlich dieses Qualitätsmerkmals. In der Tabelle 8 sind die besonderen sortenspezifischen Ertragsbildungsmerkmale sowie weitere besondere Eigenschaften der Empfehlungssorten zusammengefasst. Die Angaben zu den sortenspezifisch erforderlichen ertragsstrukturellen Voraussetzungen, wie Bestandesdichte, Kornzahl je Ähre sowie TKM, für das Erreichen hoher Erträge beruhen auf langjährigen Ergebnissen zu diesen Merkmalen (n =). Je mehr Einzelergebnisse vorliegen, desto genauer die Aussage.

Wirtschaftlichkeit der Intensitäten

Neben der Bewertung der Ertrags- und Qualitätsleistungen der Sorten im Landessortenversuch ist auch die Beurteilung eines eventuell vorhandenen sortenspezifischen Intensitätsanspruchs von Bedeutung. Hier spielen die verschiedenen agronomischen Eigenschaften der Sorten, aufgeführt in Tabelle 6, eine entscheidende Rolle. Die Frage lautet, ob es Sorten gibt, die auf Grund ihrer besseren Gesundheit sowie Standfestigkeitsmerkmale tendenziell mit einem reduzierten Pflanzenschutz wirtschaftlicher produziert werden können. Die mehrjährigen Ergebnisse zeigen, dass bei einer Sorte auf den verschiedenen LSV-Standorten in den verschiedenen Prüfjahren unterschiedlich, mal in der B1, mal in der B2-Variante die jeweils höchsten bereinigten Marktleistungen erzielt werden. Demzufolge lassen sich nur sortenspezifische Tendenzen bezüglich des erforderlichen Intensitätsanspruchs ableiten, ermöglichen aber damit praxisrelevante Hinweise.

Eindeutig mit einem niedrigeren Intensitätsniveau lassen sich die mehrjährig geprüften Sorten Metaxa (2) und Souleyka wirtschaftlich führen. Stärker schwankende Intensitätsansprüche ergeben sich bei den Sorten Lomerit, Pelican und Nerz. Höhere Intensitätsansprüche zeigen die Sorten Zzoom, Highlight, Leibniz sowie Naomie.

Hinweise zur Aussaat

Die ersten ertragsentscheidenden acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen beginnen im Herbst mit der optimalen Saatbettbereitung sowie der Wahl der Saatzeit und einer darauf abgestimmten Saatmenge. Extrem frühe Saattermine sind zu vermeiden. Ein Großteil möglicher Herbstprobleme kann damit schon wesentlich gemildert werden. In der Tabelle 9 sind für die verschiedenen nordrhein-westfälischen Ackerbau-Anbauregionen Empfehlungen zu den Aussaatmengen aufgeführt. Die dort jeweils aufgeführten Angaben zur anzustrebenden Zielbestandesdichte, den Beährungskoeffizienten sowie den Feldaufgangs- und Überwinterungsverlusten, die bei in einer korrekten Ausaatmengenberechnung zu berücksichtigen sind, basieren auf mehrjährig in den Landessortenversuchen ermittelten Werten.

Zwischen den Anbauregionen sind Unterschiede vorhanden. Liegen eigene standörtliche Erfahrungen vor, sollten sie in der Rechnung berücksichtigt werden. Die aufgeführten Werte beziehen sich auf die regional langjährig bewährte normale Saatzeit für die Wintergerste sowie auf gute Saatbettbedingungen. Bei größerer Saatzeitverspätung müssen die Beährungskoeffizenten, also die ährentragenden Halme je überwinterter Keimpflanze, reduziert werden, da sich die verfügbare Zeit für eine ausreichende Bestockung unter Kurztagsbedingungen verringert. Bei sich verschlechternden Saatbedingungen sind die Werte für die Feldaufgangsverluste sowie gegebenenfalls für die Überwinterungsverluste zu erhöhen.

Ziel dieser flexiblen Korrektur-Anpassungen ist, über die sich daraus ergebenden Aussaatmengenänderungen ausreichende, aber nicht überhöhte Bestandesdichten als wichtige Basis für einen hohen und sicheren Ertrag zu sichern. Beim Anbau zweizeiliger Wintergerste sollte die Saatstärke generell um etwa 30 Körner je m² über der jeweiligen standortspezifischen Saatstärke der mehrzeiligen Wintergerste erhöht werden. Zu beachten ist, dass die Keimfähigkeit des Saatgutes sowie die TKM als Korrekturfaktoren bei der Saatmengenberechnung noch zu berücksichtigen sind.

Wintergerste, Saatkorn zu tief abgelegtBild vergrößern

Ein nicht optimal, weil zu tief abgelegtes Saatkorn kann eine geschwächte Pflanze zur Folge haben.

Vor dem Hintergrund des abgelaufenen Vegetationsjahres hat sich wieder deutlich gezeigt, dass das Erreichen einer bestimmten Mindest-Zielbestandesdichte bei der Wintergerste für einen hohen Ertrag um ein Vielfaches wichtiger ist als beim Winterweizen. Die Kornzahl je Ähre sowie das TKM können bei der Wintergerste weniger ertragskompensierend wirken als beim Weizen. Dieses zeigen vieljährige Ertragsstrukturergebnisse sehr deutlich. Daher sollten bei der Bemessung der Saatstärke keine allzu großen Einsparungen vorgenommen werden. Die unkalkulierbaren Herbst-, Überwinterungs- und Frühjahrsbedingungen für eine ausreichende Bestandesdichteetablierung sind zu berücksichtigen.

Ein weiterer wesentlicher Feldaufgangsfaktor ist die Einhaltung der optimalen Saattiefe von 2 bis 3cm. Insbesondere unter witterungsbedingt ungünstigen Verhältnissen können zu tief abgelegte Körner infolge der notwendigen, aber energiezehrenden Ausbildung eines Halmhebers zu geschwächten Pflanzen mit ungenügender Bewurzelung und Bestockung führen. Andererseits erhöht sich bei zu flach abgelegtem Saatgut das Auffrieren mit entsprechenden Schäden - wie in diesem Jahr deutlich zu sehen.

Autor: Dr. Joachim Holz, Heinz Koch