Landessortenversuche Winterweizen 2012 - Stoppelweizen

Winterweizen, Beizung mit LatidudeBild vergrößern
Stoppelweizen: Unterschiede zwischen „ohne Latitude-Beizung“ - links - und „mit Latitude-Beizung“ - rechts. Der rechte Bestand präsentiert sich deutlich grüner

Für viele Betriebe ist der Stoppelweizenanbau eine feste Größe in der Fruchtfolge. Im Vergleich zu den konkurrierenden Fruchtfolgegliedern Wintergerste, Triticale und Winterroggen werden die hohen Erträge des Stoppelweizens sowie die in der Regel höheren Erzeugerpreise mit einer insgesamt höheren ökonomischen Vorzüglichkeit in Verbindung gebracht. Wie die Sorten abschnitten und ob der Einsatz einer Spezial-Wurzelschutzbeize wirtschaftlich lohnend ist erläutern Dr. Joachim Holz und Heinz Koch.

In diesem Jahr lagen im Mittel der Sorten und Standorte die Blattfruchtweizenerträge mit 1,3 dt je ha nur unwesentlich über denen der Stoppelweizenerträge mit durchschnittlich 97,3 dt je ha.

Beim reinen Ertragsvergleich zwischen Blattfrucht- und Stoppelweizen der letzten zehn Versuchsjahre auf Lößstandorten (Kerpen-Buir) ergibt sich im Mittel der Sorten ein Ertragsvorteil von 4,6 dt je ha zugunsten des Blattfruchtweizens. Auf den Lehmstandorten in Vluyn und Lage-Heiden lag der Minderertrag des Stoppelweizens gegenüber dem Blattfruchtweizen in den letzten acht Jahren zwischen 0 und 2,5 dt je ha, auf den Übergangslagen in Steinheim-Breitenhaupt betrug dieser im Mittel schon beachtliche 6,2 und auf den Höhenlagen in Altenmellrich deutliche 12 dt je ha. Auf den Lößstandorten konnten lediglich in drei von neun Jahren höhere Stoppelweizenerträge erzielt werden, auf den Lehmstandorten waren dieses in sieben von insgesamt 16 unmittelbaren Vergleichen und auf den Übergangs- und Höhenlagen in fünf von 14 Versuchen aus jeweils sieben Versuchsjahren zugunsten des Stoppelweizens der Fall.

Entscheidender sind die wirtschaftlichen Vergleiche der konkurrierenden Wintergetreidearten über die bereinigten Marktleistungen, bei denen die jeweiligen Erlöse mit den spezifisch anfallenden Produktionskosten verrechnet werden. Hier zeigt sich auf den Lößstandorten, dass in den letzten sieben Jahren gleich nach dem Blattfruchtweizen überwiegend der Stoppelweizen die nächst höheren bereinigten Marktleistungen erbringt. In den letzten beiden Jahren übertraf allerdings der Triticale den Stoppelweizen in der Wirtschaftlichkeit. Auf den Lehmstandorten zeigt sich in vier von sieben Versuchsjahren, dass der Winterroggen eine leicht höhere wirtschaftliche Vorzüglichkeit besitzt als der Stoppelweizen. Auf den Höhenlagenstandorten folgt nach dem Blattfruchtweizen in vier von sechs Vergleichsjahren dagegen gleich der Triticale mit einer nächst höheren Wirtschaftlichkeit. Daher sollte auf den Lehm- und Höhenlagenstandorten durchaus auch dem Roggen oder dem Triticale verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt werden, Roggenanbau vor allem dort, wo standortbedingt häufiger Auswinterungsschäden zu erwarten sind.

Neben diesen Ertrags- und Wirtschaftlichkeitsgegebenheiten lassen sich für einen Stoppelweizenanbau andererseits auch arbeitswirtschaftliche Vorteile für den Betrieb anführen. Diese ergeben sich vor allem dann, wenn noch ungenutzte maschinelle Schlagkraftreserven bei andererseits knapper Arbeitszeit verfügbar sind. Unter diesen Bedingungen lässt sich relativ einfach eine größere Winterweizenanbaufläche bewirtschaften, die erforderlichen Arbeitserledigungszeitspannen werden nur unwesentlich ausgeweitet. Demgegenüber sind verschiedene mögliche Anbaurisiken beim Stoppelweizenanbau zu beachten und in ihrer einzelbetrieblich zu betrachtenden Wertigkeit gegeneinander abzuwägen. Dieses sind allgemein die erhöhten Witterungsrisiken sowie speziell die möglichen erhöhten Aufwendungen im Bereich der gesamten Produktionstechnik, angefangen bei der Bodenbearbeitung bis hin zu erhöhten Fungizidaufwendungen.

Anbaubedingungen beachten

Einen Großteil der betrieblichen Anbaufläche bei der Herbstaussaat mit einer Kulturart zu besetzen, bedeutet, auf für diese Kulturart wichtige spezielle optimale Witterungskonstellationen der nächsten Monate zu vertrauen! Das Witterungs- und damit das Ertragsrisiko generell erhöhen sich. Spezifische produktionstechnische Aspekte und Entscheidungsparameter für einen erfolgreichen Stoppelweizenanbau sind nachfolgend aufgeführt:

  • Strohabfuhr - ja - nein, wenn nein, für eine sehr gute Stroh-Häckselqualität und Stroh-Verteilung durch den Mähdrescher Sorge tragen,
  • Stoppelbearbeitung und Saatbettbereitung - Pflug- oder Mulchsaat - Risikominimierung einer grünen Brücke bezüglich der Übertragbarkeit verschiedener Krankheiten,
  • Strohverdaulichkeit des Bodens und Mineralisierungsgeschwindigkeit gegeben? Einfluss auf eine gegebenenfalls höhere Saatstärke, höhere N-Düngung - N-Ausgleichsdüngung (Gülle?),
  • Ungrasproblematik - spezifische, aufwändigere Gräserbekämpfung erforderlich.
  • Konsequenzen für Krankheitsauftreten produktionstechnisch berücksichtigen (Schwarzbeinigkeit - Zusatzbeize, DTR, Fusariosen).

Alle diese sehr verschiedenen Faktoren sollten für die einzelbetriebliche Anbauentscheidung Pro oder Contra Stoppelweizenanbau sorgsam gegeneinander, auch in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen, abgewogen werden.

Winterweizen mit Weizen als Vorfrucht

Im Erntejahr 2012 standen in Nordrhein-Westfalen von insgesamt vier angelegten Landessortenversuchen mit insgesamt 17 Sorten nur noch zwei auswertbar zur Verfügung, siehe Tabelle 2. In den Höhenlagen mussten die anderen beiden wegen der Auswinterung umgebrochen werden. Ersatzweise konnten noch zwei andere Landessortenversuche Stoppelweizen aus Niedersachsen mit hinzugezogen werden. Die Versuchsdurchführung entspricht der höheren Intensitätsvariante B3 bei den Landessortenversuchen Winterweizen nach Blattfrucht. Die Sorten wurden jeweils mit einer Standardbeize (B1) sowie in der zweiten Variante (B2) mit der Zusatzbeize Latitude mit Schwerpunkt Schwarzbeinigkeitsbekämpfung geprüft.

Gegenüber dem Blattfruchtweizen-Landessortenversuch ist der N-Sollwert um 20 kg je ha erhöht, siehe Tabelle 1. Die Intensitätskosten der beiden Varianten unterscheiden sich lediglich durch die Beizkosten. Die mit Latitude gebeizten Sorten mussten gegenüber der Normalbeize bei einem unterstellten Erzeugerpreis von 23,00 € je dt nur noch einen wirtschaftlichen Mindestmehrertrag von 1,7 dt je ha erbringen. Beim Vergleich der Durchschnittserträge aus der B1-Variante (Standard-Beize) mit der B2-Variante (Latitude-Beize) zeigen in der Tabelle 2 die unteren Zeilen, dass die Latitude-Sonderbeizung sich in diesem Jahr auf den beiden nur noch verfügbaren Versuchsstandorten nicht als wirtschaftlich erwies.

Zur Beurteilung der Stoppelweizen-Anbaueignung der Weizensorten sind in der Tabelle 2 die diesjährigen Erträge der Einzelstandorte im Mittel der beiden Varianten B1 und B2 aufgeführt. Die Erträge der Sorten streuen - über die beiden Standorte hinweg betrachtet - sehr stark. Auch hier haben die Auswirkungen der diesjährigen Auswinterung sich standortspezifisch sehr variierend auf die Sorten-Ertragsleistungen ausgewirkt. In der Tendenz zeigen sich die deutlich winterhärteren Sorten auf beiden Versuchsstandorten einheitlich gut. Daher sollte dieses aktuelle, nur eingeschränkt wertbare Landessortenversuchsergebnis nicht zum ausschließlichen Sortenwahlkriterium herangezogen werden. Insofern sind für eine abgesicherte Sortenempfehlung die in Tabelle 3 aufgeführten Mehrjahresergebnisse entscheidend. Die daraus resultierenden Sortenempfehlungen, spezifisch für die verschiedenen Ackerbauregionen in Nordrhein-Westfalen, sind der Tabelle 4 zu entnehmen.

Wie vorher bereits zu den speziellen Intensitätsansprüchen beim Stoppelweizenanbau ausgeführt, gilt es, noch mehr als beim Blattfruchtweizenanbau die agronomischen Schwächen der Sorten zu beachten und diesen mit den entsprechenden acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen, wie Fungizidwahl und -strategie, zu begegnen. Vor allem die Problemkrankheiten Halmbruch, DTR und Ährenfusariumanfälligkeit sind besonders zu beachten. Viele der leistungsfähigen und empfohlenen Stoppelweizensorten zeigen in diesen Merkmalen nur durchschnittliche oder unterdurchschnittliche Widerstandsfähigkeiten.

Wirtschaftlichkeit der Wurzelschutzbeize

Die Frage nach dem wirtschaftlich lohnenden Einsatz der teureren speziellen Wurzelschutzbeize Latitude mit dem Wirkungsschwerpunkt gegen den im Stoppelweizenanbau häufiger auftretenden bodenbürtigen Schwarzbeinigkeitserreger stellt sich jedes Jahr neu. Reine Mittelwertberechnungen führen nicht zum Ziel, allenfalls zu einer groben Orientierung. Wesentlich wichtiger ist die Frage, ob es sortenspezifische Reaktionen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit auf die Latitude-Beize gibt. Vieljährige und vielortige Ergebnisse dazu zeigen recht eindeutig, dass bei den Sorten Winnetou, Inspiration, Julius die Sonderbeize überwiegend wirtschaftlich war. Bei diesen Sorten sollte damit Latitude generell eingesetzt werden. Die Sorten Smaragd und Lear dagegen zeigen in den meisten Fällen keine höhere Wirtschaftlichkeit mit der Latitude-Beize. Vor dem Hintergrund des derzeitigen Erzeugerpreisniveaus und des sich daraus ergebenden höheren wirtschaftlich erforderlichen Mindestmehrertrages von 1,7 dt je ha beim Einsatz von Latitude stellt sich pflanzenbaulich die Frage, ob die darüber dann gegebene mögliche Zusatz-Absicherung nicht auf jeden Fall vorgenommen werden sollte.

Hinweise zur Aussaat

Beim Stoppelweizenanbau ist die Frühsaat ein immer wieder diskutiertes Thema. Dabei ist unter einer richtigen Frühsaat zu verstehen, wenn die Saatzeit mindestens drei Wochen früher liegt als der standortspezifische normale Saattermin. Pflanzenbaulich betrachtet gibt es keinen stichhaltigen Grund, Stoppelweizen früher zu säen als den Blattfruchtweizen. Gerade das abgelaufene Vegetationsjahr zeigte auf den stärker auswinterungsgefährdeten Standorten wieder einmal sehr deutlich das mögliche Risiko solch früher Saattermine. Wenn Arbeitskapazitätsschwierigkeiten unbedingt eine Frühsaat erfordern, dann sollte eher der Blattfruchtweizen früher gesät werden als der Stoppelweizen, da die Frühsaat bei letzterem zu stärkeren Frühinfektionen mit bodenbürtigen Krankheiten im Herbst führen kann.

Durch Mulchsaat können sich diese Probleme zusätzlich noch verschärfen, Stichwort Grüne Brücke. Schwarzbeinigkeit, Halmbruch, die höhere Gefährdung mit Ährenfusarium sowie Blattseptoria und DTR können die Intensitätserfordernisse beträchtlich erhöhen, das Ertrags- und Qualitätsrisiko steigt. Weiterhin kann unter warmen Herbstbedingungen und Frühsaat der Befall mit dem durch Blattläuse übertragbaren Gelbverzwergungsvirus auch beim Weizen zu höheren Insektizidaufwendungen führen. Die Saatstärken sollten sich bei normaler, standortspezifischer Saatzeit auf dem Niveau des Blattfruchtweizens bewegen. Unter ungünstigeren Mulchsaatbedingungen, größeren und/oder ungleichmäßig verteilten Strohrückständen in der Krume ist die Saatstärke um 20 bis 30 Körner je m² zu erhöhen.

Autor: Dr. Joachim Holz und Heinz Koch