Landessortenversuche Winterweizen 2023

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Winterweizen

Die Anbaufläche für Winterweizen in Nordrhein-Westfalen hat sich zur Ernte 2023 leicht erhöht und lag bei etwa 237.000 ha. Die Saison wird nicht aufgrund des außergewöhnlich warmen Herbsts oder des nassen Frühlings mit anschließender Vorsommertrockenheit in Erinnerung bleiben, sondern vor allem aufgrund der schwierigen Ernte, die sich über einen Zeitraum von fast zwei Monaten erstreckte.

Die „drei Ernten“ in Nordrhein-Westfalen

Die letztjährige Winterweizenaussaat erfolgte meist unter guten Bedingungen. Aufgrund der hohen Herbst- und Wintertemperaturen entwickelten sich viele Bestände sehr üppig und wurden erst durch die kältere und feuchte Witterung im März/April eingebremst. Mehltau und Blattseptoria waren bis dahin die dominierenden Krankheiten, entwickelten sich aufgrund der ab der zweiten Maihälfte ausbleibenden Niederschläge aber selten weiter auf die oberen Blattetagen. Gelb- und Braunrost traten in anfälligeren Sorten auf und letzterer profitierte von deutlich zunehmenden Temperaturen. Auf leichteren Standorten ließen sich ab Juni die ersten Symptome von Trockenstress beobachten. Als weitere möglicherweise ertragsbegrenzende Faktoren lassen sich besonders für das Rheinland die sehr frühen Hitzetage in der ersten Junihälfte und die kurze Hitzephase am 8. und 9. Juli mit Temperaturen von bis zu 35 °C nennen.

Die Ernte ließ sich auf zwei Phasen aufteilen: Bereits in der ersten Julihälfte liefen im Rheinland die ersten Mähdrescher zur Ernte der sehr frühen Sorten. Das regionale Klima und die vorherige Trockenphase begünstigten die Abreife und den Erntefortschritt. Bis zum 24. Juli konnten im Rheinland etwa 70% der Weizenbestände beerntet werden, während der Erntefortschritt in den westfälischen Anbaugebieten nur bei etwa 16% lag. Diese „erste Ernte“ erzielte insgesamt durchschnittliche Erträge und Qualitäten und ließ sich bei ausreichenden Proteingehalten meist als Brot- und Backweizen vermarkten.

Ab dem 24. Juli führten anhaltende Niederschläge zu einer landesweiten Ernteunterbrechung von fast 3 Wochen. Bereits in dieser Phase, oft aber auch erst in den nachfolgenden Wochen, gingen vor allem bereits zuvor weit entwickelte Bestände ins Lager oder brachen im Halm zusammen. Abhängig von der Sorte und dem weiteren Witterungsverlauf entwickelte sich auch in stehenden Beständen deutlicher Auswuchs. Bei einzelnen Sorten traten Ausfall und Ährenverluste infolge von Spindelbrüchigkeit auf. Die sich an den Ähren entwickelnden Schwärzepilze ergaben ein zunehmend trauriges Bild.

Erst ab dem 10. August gab es lokal die ersten niederschlagsfreien Phasen und diese wurden intensiv genutzt um die Ernte voranzutreiben. Die oft kaum befahrbaren Böden, kürzer werdende Tage, geringe Temperaturen und eine insgesamt feuchte Witterung führten allerdings dazu, dass der Erntefortschritt in dieser zweiten Erntephase deutlich langsamer erfolgte als vor der Ernteunterbrechung. Darüber hinaus gab es auch in den nachfolgenden Wochen immer wieder lokale Niederschläge, die die Ernte weiter verzögerten. Die Erträge dieser „zweiten Ernte“ waren nicht selten noch zufriedenstellend, schwankten aber sehr stark und abhängig vom Bestand. Aufgrund reduzierter Fallzahlen und häufig auch durch Auswuchs begründet ließ sich das Korn aber weit überwiegend nur noch als Futterweizen vermarkten.

Auf geschätzt etwa 1-2% der Weizenanbaufläche (im Münsterland etwa 2-3%) war aufgrund von sehr starkem Lager und nachfolgendem Durchwuchs kaum noch ein Mähdrusch möglich oder dieser erfolgte mit hohen Verlusten. Diese in der Bilanz „fehlende Ernte“ konnte teilweise noch als Ganzpflanzenernte eingeholt und energetisch genutzt werden. Auf dem Acker blieb letztlich nur ein sehr kleiner Rest.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2023

Die „drei Ernten“ bilden sich auch in den Landessortenversuchen 2023 ab: Bereits in der ersten Erntephase gedroschen werden konnten die beiden Versuche in der Köln-Aachener Bucht, die allerdings deutlich unter den frühsommerlichen Hitze- und Trockenphasen gelitten haben. Die vorzeitige Abreife resultierte in Kerpen-Buir in einem durchschnittlichen Ertrag von 93,8 dt/ha bei einer durchschnittlichen Tausendkornmasse von nur 35,7 g („fast Kümmerkorn“). An dem besser wasserversorgten Standort in Erkelenz-Venrath wurde ein Ertragsniveau von 104,6 dt/ha erreicht. Auch bedingt durch die geringe Kornausbildung lagen die Proteingehalte mit 13,7% und 13,3% deutlich höher als überwiegend aus der Praxis gemeldet. Am 23.07.2023 wurde darüber hinaus der Versuch auf Haus Düsse (Ostinghausen) beerntet, der ein Ertragsniveau von 111,6 dt/ha bei 11,6% Protein erreichte. Ab dem 14.08.2023 bis zum 22.08.2023 wurden dann die Versuche auf Haus Riswick (89,8 dt/ha), in Lage-Heiden (105,8 dt/ha), Greven (87,1 dt/ha), Warstein-Allagen (102,0 dt/ha) und Blomberg-Holstenhöfen (108,1 dt/ha) geerntet. Obwohl sich dieser letztlich erfolgreich dreschen ließ wurden die im Landessortenversuch 2023 auf Haus Riswick ermittelten Erträge nicht in die weitere Auswertung aufgenommen, da einzelne Sorten infolge von starkem Lager sowie Aus- und Durchwuchs deutlich benachteiligt wurden. Auswuchs und Ausfall beeinflussten auch in den anderen Versuchen der zweiten Erntephase die Differenzierung der Sortenleistungen und wurde sowohl im Bestand als auch in den Ernteproben bonitiert. Als besonders auswuchsfreudig wurden insbesondere die Sorten Lemmy, Chevignon, KWS Mintum und KWS Keitum ermittelt, gefolgt von Asory, SU Willem, LG Optimist und Akasha, Sehr auswuchsfest zeigten sich nach bisherigem Stand die Sorten RGT Reform, LG Character, KWS Donovan, SU Jonte, Absolut, Informer, Spectral und Revolver. Die weiteren Qualitätsanalysen stehen überwiegend noch aus. Die Ergebnisse aus den nordrhein-westfälischen Landessortenversuche werden durch weitere Versuche aus Niedersachsen und Hessen ergänzt, um eine möglichst zuverlässige Sortenbewertung zu erhalten.

Sortenempfehlungen für die Aussaat im Herbst 2023

Die Sortenempfehlungen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen basieren zum einen auf den mehrjährigen Ergebnissen der beschriebenen Landessortenversuche und weiterer Sortenprüfungen, berücksichtigen aber zusätzlich die Rückmeldungen aus der landwirtschaftlichen Beratung und Praxis. Die „eine Sorte“ für alle Betriebe und Anbaubedingungen wird es auch in Zukunft nicht geben. Daher obliegt es letztlich vor allem dem Landwirt sich entsprechend der standort- und betriebsspezifischen Anforderungen für eine geeignete Sorte zu entscheiden. Die nachfolgenden Sortenbeschreibungen und beistehenden Tabellen sollen dabei als zusätzliche Informationen unterstützen.

Elite- und Qualitätssorten

Auch wenn in Nordrhein-Westfalen überwiegend Brot- und Backsorten angebaut werden können neben älteren Standardweizen auch bestimmte Qualitätssorten für den Anbau und insbesondere die gezielte Produktion von zumindest Brot- und Backweizen empfohlen werden.

KWS Emerick (E) erzielt auf früheren Standorten ähnliche Ertragsleistungen wie RGT Reform, wird als Elitesorte aber wahrscheinlich auch zukünftig keine große Anbaubedeutung in Nordrhein-Westfalen erlangen. Betrieben, die Winterweizen bewusst auf einen hohen Proteingehalt ausgerichtet produzieren möchten, kann die Sorte aufgrund ihrer insgesamt sehr guten Anbaueigenschaften empfohlen werden.

RGT Reform (A) hat sich in den Landessortenversuchen zur Ernte 2023 erneut als ausgesprochen ertragsstabil bewiesen und erzielte relativ ein besseres Ergebnis als in den Vorjahren. Mehrjährig kann die Sorte ertraglich allerdings nicht mit dem Sortimentsdurchschnitt und besonders den ertragsbetonten Neuzulassungen mithalten. RGT Reform überzeugt nach wie vor mit einer guten Winterhärte und Standfestigkeit sowie einer hohen Fallzahlstabilität und geringen Auswuchsneigung. Die Anfälligkeit gegenüber Gelbrost und Blattseptoria hat seit der Markteinführung in 2014 allerdings zugenommen.

Asory (A) hat in den Versuchen zur Ernte 2023 nicht nur unter Lager, sondern auch unter deutlichem Auswuchs und Ausfall bei Wind gelitten. Mehrjährig erzielt die Sorte durchschnittlich zwar etwas höhere Ertragsleistungen als RGT Reform, ist allerdings anfällig gegenüber Gelbrost. Bei der Kulturführung sollten daher entsprechende Wachstumsregler- und Fungizidmaßnahmen eingeplant werden.

LG Character (A) erzielte in den Versuchen zur Ernte 2023 leicht unterdurchschnittliche Kornerträge und erreicht auch mehrjährig ein durchschnittliches Ertragsniveau. Die etwas spätere Sorte hat bundesweit nach wie vor eine höhere Anbaubedeutung, wird aufgrund der insgesamt nur durchschnittlichen Sorteneigenschaften für den Anbau in Nordrhein-Westfalen aber nur noch eingeschränkt empfohlen.

KWS Donovan (A) überzeugt mehrjährig mit überdurchschnittlichen Kornerträgen und Proteingehalten, die sich auch in der aktuellen Beschreibenden Sortenliste wiederfinden: Darin wird KWS Donovan als eine von nur zwei Sorten mit N-Effizienz 7 angegeben. Damit die Sorte dieser Einstufung entsprechen kann, ist allerdings ein guter Rostschutz erforderlich. Abgesehen von frühem Gelbrost ist KWS Donovan vor allem gegenüber Braunrost sehr empfindlich. So wurde in den diesjährigen Landessortenversuchen durch eine Dreifachbehandlung mit Fungiziden ein Mehrertrag gegenüber einer Zweifachbehandlung von durchschnittlich 11,1% erreicht. Der vollständige Verzicht auf den Einsatz von Fungiziden führte zu durchschnittlichen Ertragsverlusten von 24,9% (SU Jonte zum Vergleich nur 6,2%). Aufgrund der ausgewogenen Kombination aus hohem Kornertrag und Proteingehalt sowie der sonst überwiegend guten Anbaueigenschaften wird KWS Donovan für alle Anbaugebiete besonders empfohlen.

KWS Imperium (A) erzielt in den Niederungslagen überdurchschnittliche Erträge, ist relativ winterhart, früh blattgesund und weniger anfällig gegenüber Ährenfusarium. Darüber hinaus präsentierte sich die Sorte in den letztjährigen Landessortenversuchen am Standort Greven und den diesjährigen Versuchen im Rheinland als relativ trocken- beziehungsweise hitzetolerant. Die Ertragsstabilität bei reduziertem Wasserangebot könnte mit der frühen Herbstentwicklung zusammenhängen, die KWS Imperium eher für mittlere und späte Saattermine empfiehlt. Bei zu früher Aussaat und auf ausreichend wasser- und nährstoffversorgten Böden kann die sehr hohe Lagerneigung der Sorte allerdings zu Problemen führen.

SU Jonte (A) präsentierte sich in den diesjährigen Versuchen ebenso ertragsstabil wie RGT Reform und teilt mit diesem auch viele weitere positive Sorteneigenschaften (Winterhärte, gute Standfestigkeit, geringe Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium, sehr hohe Fallzahlstabilität). Die neu erteilte Hauptempfehlung resultiert unter anderem aus der geringeren Anfälligkeit gegenüber Halmbruch und frühen Blattkrankheiten, sowie dem daraus resultierenden geringen Pflanzenschutzbedarf. SU Jonte ist insgesamt etwas weniger frohwüchsig und daher eher für frühe bis normale Saattermine geeignet. Die durchschnittlichen Ertragsleistungen liegen nur geringfügig über denen von RGT Reform, allerdings erzielt SU Jonte meist etwas höhere Proteingehalte und erfüllt damit noch zuverlässiger die handelsüblichen Anforderungen an Qualitäts- oder Backweizen.

Polarkap (A) wird statt KWS Emerick als proteinreiche Qualitätssorte für den Anbau auf mittleren und späteren Standorten einschließlich der Mittel- und Höhenlagen empfohlen. Auf diesen erzielt die Sorte durchschnittliche Erträge und überzeugt darüber hinaus durch eine sehr geringe Auswinterungsneigung sowie eine hohe Blatt- und Ährengesundheit. Aufgrund der zögerlichen Herbstentwicklung ist Polarkap eher für frühere bis mittlere Saattermine geeignet.

WPB Newton (A) erzielte im ersten Prüfjahr nicht nur hohe Ertragsleistungen in allen Anbaugebieten, sondern besitzt im Vergleich zu einigen anderen ertragsbetonten Qualitätssorten auch etwas günstigere Anbaueigenschaften. Positiv zu bewerten sind besonders die gute Standfestigkeit und die geringe Anfälligkeit gegenüber frühen Blattkrankheiten. Negativ hingegen die begrenzte Winterhärte und höhere Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium. WPB Newton wird zum Anbau auf Probe für alle Anbaugebiete, aber nicht für mais- oder getreidelastige Fruchtfolgen empfohlen. Die Sorte ist nicht CTU-tolerant.

Brot- und Backsorten

Der Weizenanbau in Nordrhein-Westfalen wird zu etwa 2/3 von Brot- und Backsorten dominiert, die abhängig von den regionalen Betriebs- und Handelsstrukturen bevorzugt vermarktet oder innerbetrieblich verfüttert werden. Aufgrund des (zulassungsbedingt) steigenden Anteils von ertragsbetonten aber proteinschwachen Sorten und der rechtlichen und ökonomischen Anforderungen an eine effiziente Stickstoffdüngung hat sich die Produktion von B-Qualitäten in den vergangenen Jahren erschwert.

Informer (B) überzeugt weniger durch hohe Erträge als durch einen reduzierten Pflanzenschutzbedarf, der aus der guten Standfestigkeit und der sehr geringen Anfälligkeit gegenüber frühen Blattkrankheiten (Mehltau, Gelbrost, Blattseptoria) resultiert. Aufgrund des halbliegenden Wuchses und der waagerecht stehenden breiten Blätter besitzt die Sorte darüber hinaus ein gutes Unkrautunterdrückungsvermögen und wird daher auch im ökologischen Landbau oder für bestimmte Agrar- und Umweltmaßnahmen empfohlen. Als größte Schwäche zeigt sich mehrjährig die sehr späte Abreife des Tausendkornmassetyps. Auf frühe Hitzetage oder längere Trockenphasen reagiert die Sorte regelmäßig mit geringen Erträgen.

Campesino (B) wird vorwiegend als früher Futterweizen angebaut und auch als solcher empfohlen. Die sehr ertragsbetonte Sorte konnte in fast allen Versuchen zur Ernte 2023 mit hohen Kornerträgen überzeugen. Die frühe Abreife, die relativ gute Winterhärte und Standfestigkeit sowie die geringe Anfälligkeit für Halmbruch resultieren in einer Hauptempfehlung für alle Anbaugebiete und als Stoppelweizen. Aufgrund der raschen Herbstentwicklung ist Campesino für späte Saattermine geeignet. Als Schwäche der Sorte ist die hohe Anfälligkeit gegenüber Gelbrost zu nennen, die einen angepassten Fungizideinsatz erfordert. Darüber hinaus wird aus der Praxis berichtet, dass sich Campesino aufgrund der Kleinkörnigkeit und einer etwas höheren Spindelbrüchigkeit etwas schlechter dreschen lässt als andere Sorten. Der geringe Proteingehalt ist bekannt. Die fehlende CTU-Verträglichkeit ist zu beachten.

SU Fiete (B) ist insgesamt noch etwas gesünder als Informer und eignet sich aufgrund der früheren Abreife deutlich besser für die früheren Standorte mit höheren Trocken- und/oder Hitzestressrisiko. Die Sorte ist ebenfalls relativ winterhart und standfest allerdings, ähnlich wie SU Jonte weniger frohwüchsig. SU Fiete ist für frühere Saattermine und auch für den Anbau als Stoppelweizen geeignet. Bei meist nur durchschnittlichen Kornerträgen erzielte die Sorten in den nordwestdeutschen Versuchen regelmäßig höhere Proteingehalt als aufgrund der Einstufung in der Beschreibenden Sortenliste zu erwarten.

Akasha (B) konnte zur Ernte 2023 weder in den Versuchen noch in der Praxis besonders überzeugen. Die relativ geringen Erträge in den früheren Anbaugebieten ließen sich wahrscheinlich auf den Einfluss von Hitze- und/der Trockenstress zurückführen. In den spät beernteten Versuchen führten Halmknicken und Ausfall zu Ertragsverlusten. Aufgrund der sehr geringen Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium bleibt Akasha als Spezialsorte für befallsbegünstigende Fruchtfolgen eingeschränkt empfohlen.

Chevignon [B] erzielte in den Landessortenversuchen zur Ernte 2023 überwiegend nicht die erwarteten Erträge. Mitursächlich dafür dürfte der deutliche Auswuchs sein, der an den spät beernteten Standorten bonitiert wurde und auch in der Praxis zu Ertragsverlusten führte. Darüber hinaus setzten Mehltau und kalte Temperaturen im Frühling der Sorte besonders in den Mittel- und Höhenlagen scheinbar mehr zu als anderen Weizensorten. Mehrjährig kann Chevignon nach wie vor als „runde“ Sorte überzeugen, die in allen Anbaugebieten und bereits bei einem angepassten Pflanzenschutzeinsatz zuverlässig überdurchschnittliche Kornerträge und bei entsprechender Kulturführung ausreichende Qualitäten erzielt.

Complice [B] ist als besonders frühe Sorte vor allem für die klimatisch wärmeren Anbaugebiete und trockenere Standorte interessant und erzielt auf diesen regelmäßig überdurchschnittliche bis sehr hohe relative Erträge. Aspekte wie die Vermeidung von Witterungsrisiken, die Entzerrung der Getreideernte oder die nachfolgende Fruchtfolgegestaltung sind weitere Argumente. Aufgrund der schnellen Jugendentwicklung und der relativ hohen Auswinterungsneigung ist die Sorte eher für mittlere bis späte Saattermine geeignet. Obwohl relativ kurzstrohig ist Complice nur durchschnittlich standfest und gegenüber frühem Lager empfindlich. Auf einen möglichen frühen Befall mit Mehltau oder Gelbrost ist zu achten.

Debian (B) erzielte in den ersten beiden Prüfjahren durchschnittlich die höchsten Kornerträge unter den mehrjährig geprüften B-Sorten und hat sich als ausreichend ertragsstabil für eine Hauptempfehlung bewiesen. Die ertragsbetonte Sorte erfordert einen angepassten Wachstumsreglereinsatz zur Vermeidung von frühem Lager und gezielte Maßnahmen gegen Mehltau und die neuen Rassen von Gelbrost. Debian kann vor allem in den früheren Anbaugebieten und Niederungen überzeugen, wird aufgrund der ausreichenden Winterhärte aber auch für die Mittel- und Höhenlagen empfohlen. Der Anbau nach Mais oder in pfluglosen Getreidefruchtfolgen ist aufgrund der hohen Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium nicht anzuraten. Die Qualitätsanforderungen für B-Weizen werden nicht immer zuverlässig erreicht.

RGT Kreuzer (B) könnte sich als neue ertragsbetonte Sorte mit mittlerer Abreife zu einem ernsthaften Konkurrenten für Debian entwickeln. Abgesehen von den Versuchen in der Köln-Aachener Bucht, in denen Debian wahrscheinlich von dem früheren Ährenschieben profitieren konnte, erzielte die Sorte RGT Kreuzer gleiche bis höhere Kornerträge. Darüber hinaus ist RGT Kreuer deutlich standfester und weniger anfällig gegenüber frühen Blattkrankheiten und Ährenfusarium. Die Sorte ist nach Angaben der Beschreibenden Sortenliste sehr fallzahlstark allerdings ausgesprochen proteinarm. Der Anbau zur Probe wird trotz begrenzter Saatgutverfügbarkeit für alle Anbaugebiete empfohlen.

Spectral (B) kann als spätreifere neue Sorte vor allem in den Versuchen in den klimatisch gemäßigteren Anbaugebieten überzeugen und erzielte zur Ernte 2023 die höchsten durchschnittlichen Kornerträge im gesamten Prüfsortiment. Darüber hinaus ist die Sorte überdurchschnittlich standfest, blattgesund und weniger anfällig für Ährenfusarium. Aufgrund des geringen Proteingehalts werden die marktüblichen Qualitätsanforderungen für Back- und Brotweizen trotz überdurchschnittlicher Fallzahlen nicht zuverlässig erreicht. Der Anbau zur Probe wird für alle Anbaugebiete außer der Köln-Aachener Bucht empfohlen.

Futtersorten (und ein „guter Brotweizen“)

Steht bereits vor der Aussaat fest, dass die produzierte Ernte nicht auf dem Teller sondern im Trog landen wird, bietet es sich alternativ zum Anbau von ertragsbetonten Back- und Brotweizensorten an, die Sortenwahl auf die ertraglich meist noch stärkeren „echten“ Futterweizensorten zu erweitern.

KWS Keitum (C) bleibt die einzige Hauptempfehlung für den Anbau von Futterweizen obwohl die Sorte zur Ernte 2023 sowohl in der Praxis als auch in den Versuchen starken Auswuchs zeigte. Abgesehen von einzelnen Standorten, an denen dieser scheinbar zu höheren Verlusten führte, erzielte KWS Keitum auch in der diesjährigen Saison deutlich überdurchschnittliche Kornerträge in allen Anbaugebieten. Die höhere Lagerneigung der Sorte führte in der Praxis allerdings zu teils erheblichen Problemen.

Revolver (C) ist ein etwas späterer, relativ winterharter, durchschnittlich standfester und blattgesunder Winterweizen mit gegenüber KWS Keitum allerdings geringerem Ertragspotential. Die Sorte konnte in den Versuchen zur Ernte 2022 nur bedingt überzeugen, erzielte diesjährig aber zufriedenstellende Erträge auf den besser wasserversorgten Standorten sowie in den Mittel- und Höhenlagen und wird für diese Anbaugebiete zur Probe empfohlen. Die Auswuchsneigung in den Versuchen war sehr gering.

Winner [C] kann bereits im ersten Prüfjahr mit hohen Kornerträgen und einer sehr guten Standfestigkeit (besonders im Vergleich zu den anderen sehr frühreifen Sorten) überzeugen. Die Winterhärte ist nach Angaben des Züchters durchschnittlich. Bei einem Anbau als Futterweizen ist die sehr geringe Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium positiv zu bewerten. Winner wird vom Bundessortenamt aufgrund einer zu geringen Volumenausbeute („die Menge an Luft, die man ins Brötchen kriegt“) aktuell nur als C-Sorte bewertet, in Frankreich aber als BPS („guter Brotweizen“) beschrieben. Die marktrelevanten Qualitätseigenschaften (Proteingehalt, Hektolitergewicht, Fallzahl, Sedimentationswert) liegen nach bisherigen Ergebnissen etwa auf dem Niveau der in den Landessortenversuchen geprüften Back- und Brotsorten.

Regionale und sonstige Spezialitäten

Als weitere Sorten mit regionaler Anbaubedeutung wurden in den diesjährigen Landessortenversuchen die Sorten Akzent (A) außer in der Köln-Aachener Bucht und die Sorten Mortimer [B] und Obiwan [B] nur an den rheinländischen Standorten beziehungsweise zusätzlich auf den Sandstandorten geprüft.

Akzent (A) wurde als Spezialsorte für den Anbau auf Standorten mit hohem Fusariumdruck bereits in den Vorjahren in allen Landessortenversuchen geprüft und erzielte dabei durchschnittlich gute aber stark schwankende Erträge. In den Versuchen zur Ernte 2023 hingegen zählte Akzent zu den ertragsstabileren Sorten. Aufgrund der nur durchschnittlichen Standfestigkeit bei allerdings guter früher Blattgesundheit wird die Sorte nur eingeschränkt, allerdings für alle Anbaugebiete weiter empfohlen.

Mortimer [B] wird zwar als „rheinischer Stoppelweizen“ beworben, kann diesem Anspruch bei einem Blick in die Beschreibende Sortenliste allerdings nur bedingt gerecht werden: Die Sorte besitzt zwar eine gute Halmbruchresistenz, wird aber als überdurchschnittlich anfällig gegenüber Blattseptoria, DTR und Ährenfusarium beschrieben. Mortimer erzielte in den Landessortenversuchen mehrjährig ähnliche Ertragsleistungen wie Chevignon und ist gegenüber diesem etwas standfester und blattgesünder. Als Stoppelweizen konnte die Sorte trotz der negativen Sorteneigenschaften bisher ebenfalls überzeugen, allerdings traten die kritischen Blatt- und Ährenkrankheiten in den Versuchen bis 2022 auch nicht auf.

Obiwan [C] ist die rheinische Alternative zu Complice mit ähnlichen Anbau- und Qualitätseigenschaften. Die Sorte ist noch etwas früher in der Abreife und erzielte in den Versuchen nur etwas geringere Erträge. Ähnlich wie Complice präsentierte sich auch Obiwan zur Ernte 2023 relativ anfällig gegenüber frühem Lager. Positiv zu bewerten sind die geringere Anfälligkeit gegenüber Ährenfusarium und die aus der frühen Bestandsentwicklung resultierende höhere Toleranz gegenüber Hitze- und/oder Trockenstress.

Die sonstigen Kandidaten

Sorten die nicht in den tabellarischen Sortenempfehlungen erscheinen sind:

Lemmy (A) hat sich mehrjährig als ertragsschwächere aber sehr proteinreiche Qualitätssorte bewährt, fiel zur Ernte 2023 allerdings durch eine sehr hohe Auswuchsneigung auf. Aufgrund der entzogenen Sortenzulassung können Betriebe, die gezielt die Produktion von proteinreichem Weizen anstreben, zur diesjährigen Aussaat noch Saatgut bestellen, sind zukünftig aber auf eigenen Nachbau angewiesen.

SU Willem (A) besitzt als Qualitätsweizen ein hohes Ertragspotential, das allerdings eine entsprechend pflanzenschutzintensive Kulturführung erfordert. Die Sorte hat sich in den ersten beiden Prüfjahren nicht nur als ausgesprochen lageranfällig präsentiert, sondern auch als anfälliger gegenüber Gelbrost, Blattseptoria und Braunrost herausgestellt.

Absolut (A) erzielte in den Versuchen zur Ernte 2023 erneut nur leicht unterdurchschnittliche Erträge bei allerdings sehr hohen Proteingehalten. Die relativ frühreife und standfeste Sorte ist eine mögliche Alternative zu Lemmy oder KWS Emerick, gegenüber letzterem aber weniger winterhart und gesund.

LG Optimist (A) erzielte in den Versuchen zur Ernte 2023 insgesamt nur durchschnittliche Erträge, die allerdings zu einem gewissen Anteil auf die höhere Auswuchsneigung der Sorte zurückgeführt werden können. LG Optimist zählt im Sortiment der Limagrain GmbH zu den frühreiferen Sorten, ist winterhart, resistent gegenüber Gelb- und Braunrost und wenig anfällig gegenüber Ährenfusarium. Schwächen sind die hohe Mehltauanfälligkeit und die frühe Lagerneigung, die sich in den diesjährigen Versuchen zeigte.

KWS Mintum (B) konnte in den Versuchen zur Ernte 2023 nicht an die guten Ergebnisse der vorherigen Wertprüfungen anschließen. Dies kann allerdings auf die höhere Auswuchsneigung und die damit verbundenen Ertragsverluste zurückzuführen sein. Die Erträge in den früh gedroschenen Versuchen waren deutlich besser, wenn auch nicht überragend. Als positive Eigenschaften der ertragsbetonten Sorte sind die geringe Anfälligkeit gegenüber Gelb- und Braunrost sowie Ährenfusarium zu nennen.

Spät säen, spät ernten

Spätsaaten resultieren überwiegend aus einer späten Ernte der Vorfrucht (z.B. Mais, Zuckerrüben), einer boden- und/oder witterungsbedingt späten Saatbettbereitbarkeit oder als mögliche Maßnahme des integrierten Pflanzenschutzes (z.B. Ackerfuchsschwanzmanagement). Winterweizen zählt im Hinblick auf den optimalen Saattermin zwar zu den besonders toleranten Kulturen, trotzdem sind nicht alle Sorten gleichermaßen für eine späte Aussaat geeignet. Anbaueigenschaften, die eine hohe Spätsaateignung erwarten lassen sind eine schnelle Jugendentwicklung, ein hohes Bestockungsvermögen, eine ausreichende Winterfestigkeit und eine möglichst nicht zu späte Abreife. Einzelährentypen können eine geringere Bestandesdichte gegebenenfalls besser kompensieren, wenn die ertragsrelevanten Phasen nicht bereits durch Hitze- und/oder Trockenstress beeinflusst werden.

Die in den Spätsaatversuchen zur Ernte 2023 erzielten durchschnittlichen Erträge lagen bei 77,4 dt/ha in Kerpen-Buir (Nörvenich), 111,6 dt/ha auf Haus Düsse (Ostinghausen) und 100,4 dt/ha in Blomberg-Holstenhöfen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass in Kerpen-Buir aufgrund der relativ späten Aussaat des Landessortenversuches die Spätsaat erst am 09.12.2022 und damit etwa einen Monat später als an den anderen Standorten erfolgte. Alle genannten Spätsaaten wurden erst in der zweiten Erntephase gedroschen. Der deutliche Minderertrag im Spätsaatversuch in Kerpen-Buir resultierte aus einer etwas geringeren Bestockung und einem vermutlich hitzebedingten vorzeitigen Abbruch der Kornfüllung. Am klimatisch gemäßigteren Standort Haus Düsse erzielten Normal- und Spätsaat exakt das gleiche Ertragsniveau. Die Ertragsdifferenz zwischen den Versuchen in Blomberg-Holstenhöfen lag bei etwa 10%.

Als mehrjährig besonders spätsaatverträglich haben sich die Sorten LG Character, KWS Donovan, Campesino und Complice bewiesen. Als für eine spätere Aussaat ebenfalls geeignet präsentierten sich Asory, Chevignon und KWS Keitum sowie Obiwan. Aufgrund ihrer beschriebenen Sorteneigenschaften lassen sich darüber hinaus die Sorten KWS Emerick, KWS Imperium LG Optimist, Debian, KWS Mintum und Winner als relativ spätsaatverträglich einschätzen, obwohl zu diesen Sorten keine ausreichenden Versuchsergebnisse bestehen. Die als Wechselweizen mitgeprüften Sommerweizensorten Licamero und Broca erzielten in den Spätsaatversuchen zwar nur leicht unterdurchschnittliche Erträge, lassen sich aufgrund des fehlenden Vernalisationsbedarfs aber flexibel und auch erst im Frühling säen.

Der Stoppelweizen bleibt!

Bis zur nächsten politischen Agenda steht vorerst fest, dass der Anbau von Stoppelweizen, wenn auch unter bestimmten Bedingungen, möglich bleibt. Dies ist nicht nur für Ackerbaubetriebe mit einer klaren Ausrichtung auf die Produktion von Brot- und Backweizen erfreulich, sondern auch für den ein oder anderen viehhaltenden Betrieb, der nach möglichen Alternativen zum Anbau von Wintertriticale sucht.

Der Stoppelweizenversuch zur Ernte 2023 in Kerpen-Buir (Nörvenich) wurde auf einem fruchtbareren Boden und etwa 3 Wochen früher als der Landessortenversuch nach Zuckerrüben gesät und erreichte daher mit durchschnittlich 107,1 dt/ha trotz negativer Vorfruchtwirkung ein höheres Ertragsniveau. Im zweiten Versuch in Blomberg-Holstenhöfen deuten der geringe durchschnittliche Ertrag von 78,1 dt/ha und die positive Wirkung einer Beizung mit Latitude XL auf einen Befall mit Schwarzbeinigkeit hin, der sich auch in einer unterschiedlichen Differenzierung der geprüften Sorten zeigt. Da die für den Anbau von Stoppelweizen relevanten Krankheiten (Schwarzbeinigkeit, Halmbruch, Blattseptoria, DTR, Ährenfusarium) meist nur an einzelnen Standorten auftreten, basieren die Sortenempfehlungen nicht nur auf den in den Versuchen ermittelten Erträgen, sondern auch auf den beschriebenen Sorteneigenschaften.

Als Sorten mit spezieller Stoppelweizeneignung lassen sich vor allem SU Jonte, Campesino, SU Fiete und KWS Keitum nennen. Darüber hinaus erzielten mehrjährig LG Character und KWS Donovan in den Stoppelweizenversuchen relativ gute Sortenleistungen. Informer und Chevignon besitzen zwar keine spezielle Stoppelweizeneignung, können dies aber durch andere Sorteneigenschaften kompensieren. Dies gilt auch für viele weitere und bisher nicht in den Stoppelweizenversuchen geprüfte Sorten.

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Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch