Epizootische Hämorrhagie der Hirsche - EHDV beim Rind
Mit EHDV breitet sich ein weiteres Virus in den Rinderbeständen in Europa aus.
In Europa ist EHDV-8 im Jahr 2022 erstmals auf Sardinien, Sizilien und in Südspanien aufgetreten. Seit September 2023 hat sich das Virus von Spanien aus über die Pyrenäen nach Frankreich ausgebreitet. Es ist damit zu rechnen, dass das Virus mittelfristig auch in Deutschland ankommt.
EHDV ist ein Virus aus der Familie der Orbiviren und es besteht eine enge Verwandtschaft mit dem Blauzungenvirus. Hinter dem ungewöhnlichen Namen versteckt sich eine Erkrankung, die der Blauzungenkrankheit sehr ähnlich ist. Befallen werden alle Wiederkäuer inklusive der Hirschartigen, wobei im Gegensatz zur BTV- bei EHDV das Rind deutlich empfindlicher ist als Schaf und Ziege. Der sperrige Name leitet sich von der ersten Beschreibung der Erkrankung bei Weißwedelhirschen mit starken Blutungen (Hämorrhagien) in Nordamerika ab. Es sind aktuell 10 Serotypen bekannt, die weltweit verbreitet sind. Die Infektion erfolgt nahezu ausschließlich über Gnitzen, daher werden erste Erkrankung in der Regel frühestens zu Beginn eines Sommers entdeckt, wobei mit der stärksten Ausbreitung in den Monaten August, September und Oktober zu rechnen ist.
Vergleich Epizootische Hämorrhagie der Hirsche / Blauzungenkrankheit |
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Kriterium | EHDV | BTV |
Virusfamilie | Orbivirus | Orbivirus |
Ausbreitung über | Gnitzen | Gnitzen |
Serotypen | 10 | 24 |
Zieltierart | Hirschartige, Rinder | Schafe, Rinder |
EU Seuchenrecht | Kategorie D | Kategorie C |
vorhandene Impfstoffe | Sertotyp 8 | Serotyp 1, 3, 4, 8, |
Krankheitsbild
Rind:
Bei einer Infektion treten nach 4-12 Tagen erste klinische Anzeichen auf. Typische Symptome sind Fieber über 40°C., Husten, Leistungsabfall, Schwellungen am Kopf, Speicheln, Rötung der Lidbindehäute sowie Fruchtbarkeitsproblem und Aborte. In schweren Fällen treten Entzündungen an den Zitzen, im Maul und am Flotzmaul auf, die stark an BTV erinnern. In seltenen Fällen können Tiere auch plötzliche verenden. Als Langzeitfolgen können sich hartnäckige Lahmheiten und nachhaltige Leistungsdepressionen anschließen. Infizierte Tiere sind etwa 8 Wochen ansteckend, so dass Gnitzen das Virus aufnehmen und weiterverbreiten können. Diagnostisch bleibt das EHD-Virus darüber hinaus über Monate im Blut nachweisbar und ähnelt auch darin stark der Blauzungenkrankheit.
Quelle: Jose Mauel Diaz-Cao et al. 2025: Description of the Clinical Findings Associated With the Epizootic Hemorrhagic Disease in Cattle From Northwestern Spain During the Emergence Transboundary and Emerging Diseases, Volume: 2025, Issue: 1, First published: 24 May 2025, DOI: (10.1155/tbed/7808243)
Schaf und Ziege
Die Infektion verläuft bei diesen Tierarten weitgehend symptomlos ab. Aber die kleinen Wiederkäuer spielen bei der Verbreitung der Erkrankung eine wichtige Rolle.
Wild- und Gattertiere
Bei den Wildtieren ist bekannt, dass besonders die nordamerikanischen Hirsche an EHDV erkranken können. Am empfänglichsten sind der Weißwedelhirsch und der Maultierhirsch, weiter gibt es Beschreibungen über mildere Erkrankungen beim Dickhornschaf, Yak, Wapiti, Kleinmazama und der Gabelbock Antilope. Daneben gibt es EHDV Antikörpernachweise in Damhirsch, Bison, Rothirsch und Reh (Jiménez-Cabello L. et al. 2023) Aus Spanien gibt es aus dem Jahr 2022 einen Bericht über zwei akute Infektionsverläufe bei Rotwild infolge einer EHDV-Infektion (F. Ruiz-Fons et al. 2022) Die tatsächlichen Folgen einer Infektion bei Gatterwild sind abschließend noch nicht vollständig zu beurteilen.
Aktuelle Situation in den Nachbarländern
Von unseren direkten Nachbarn ist aktuell nur der Südwesten von Frankreich betroffen. Im Jahr 2024 wurden 3750 Infektionen registriert, wobei die Ausbreitung des Virus über weitere Distanzen auch durch den Handel mit infizierten Tieren erfolgt ist. Um die Ausbrüche wurde eine Restriktionszone von 150 km eingerichtet, in der ein uneingeschränkter Transport möglich ist. In betroffenen Beständen war die Anzahl infizierter Rinder in Abhängigkeit von der Region zwischen 5 und 90% wobei in den Stark infizierten Herden Totalverluste von bis zu 10% durch EHDV aufgetreten sind. Um die Ausbreitung zu verlangsamen wurde 2024 entlang der Restriktionszonengrenze in einem 50 km breiten Gebiet mit staatlicher Förderung 1 Millionen Rinder gegen EHDV geimpft.

Quelle: https://agriculture.gouv.fr/mhe-la-maladie-hemorragique-epizootique

Quelle: https://agriculture.gouv.fr/maladie-hemorragique-epizootique-mhe-letat-mobilise-pour-proteger-le-cheptel-francais-et-ralentir
In Belgien ist im Jahr 2025 mit staatlicher Unterstützung eine verpflichtende Impfung der Rinder gegen EHDV eingeführt worden.
Schutz nur durch Impfung
Der Schutz empfindlicher Wiederkäuer gegen EHDV-8 ist nur durch eine Impfung zu erreichen. Dazu stehen in Europa zwei Impfstoffe zur Verfügung, die über eingeschränkte Zulassungen verfügen. Zum einen Hepizovac® der Firma Ceva, dieser Impfstoff ist seit dem 23. April 2025 in ganz Europa vorläufig für 12 Monate zur Anwendung beim Rind zugelassen. Bei Hepizovac® handelt es sich um einen Totimpfstoff, der zweimal im Abstand von 21 Tagen verabreicht wird. Die Verfügbarkeit von Hepizovac® in Deutschland ist aber nicht vor August 2025 zu erwarten. Der zweite Impfstoff Syvac® EH Marker der Firma Syva ist ebenfalls ein Totimpfstoff und aktuell zur Anwendung bei Rind und Rothirsch nur in Spanien und Belgien zugelassen. Dieser Impfstoff verfügt über eine Marker-Strategie (DIVA) das bedeutet, dass geimpfte Tiere über spezielle Antikörpertests von natürlichen Infektionen unterschieden werden können. (DIVA steht für „Differentiation between Infected and Vaccinated Animals“) Die Impfung bei Syvac® EH Marker besteht aus zwei Impfungen im Abstand von 4 Wochen.
Andere Maßnahmen wie Aufststallung bei Nacht oder die Schutzwirkung durch Insekten abweisende Behandlungen mit sogenannten Repellentien ist wie auch bei anderen Erkrankungen, die durch Gnitzen übertragen werden, nur unvollständig.
Grundsätzlich sollten die Tiere durch eine optimale Ernährung und Pflege in einem guten gesundheitlichen Zustand gehalten werden, damit das Immunsystem den Erreger Wirkungsvoll bekämpfen kann.
EHDV im EU-Tierseuchenrecht
Das Virus der epizootischen hämorrhagie der Hirsche ist eine sogenannte Kategorie D Seuche, das Auftreten und die Ausbreitung dieser Krankheiten wird in Europa überwacht, aber nicht strategisch bekämpft. Mitgliedsländer mit festgestellten Ausbrüchen wird die Entscheidung zur Art der Bekämpfung selbst überlassen. Es bestehen jedoch Handelsbeschränkungen für empfängliche Tiere aus diesen Regionen. Tiere, die innerhalb der letzten 2 Jahre in einem Radius von 150km um einen Ausbruchsbetrieb gestanden haben, dürfen nicht in eine freie Region transportiert werden. Der Handel mit geimpften Tieren ist theoretisch möglich, aber den aktuellen vorläufigen EHDV-Impfstoffen fehlen die entscheidenden Angaben zum Wirksamkeitseintritt und der Immunitätsdauer.
Vorsicht beim Tierhandel mit Frankreich
In Belgien ist 2025 ein eingeführtes Tier aus Frankreich positiv auf EHDV getestet worden. Innerhalb Frankreichs sind im ersten Jahr viele Ausbruchsherde durch den Handel mit infizierten Tieren entstanden. Auf der Homepage des französichen Agrarministeriums stehen aktuelle Karten und eine Liste mit den Ausbruchsorten zur Verfügung:
https://agriculture.gouv.fr/mhe-la-maladie-hemorragique-epizootique
Züchter die über den Import von französischen Rinder oder andere empfänglioche Wiederkäuer nachdenken, sollten sich unbedingt im Vorfeld beim zuständigen Veterinäramt informieren.
Zusammenfassung
Mit EHDV steht eine weitere durch Insekten übertragene Viruserkrankung vor der Tür. Die Erkrankung ähneln stark einer Infektion mit BTV, kann aber auch mit der Maul- und Klauenseuche verwechselt werden. Die Ursache solcher Krankheitserscheinungen lässt sich nur durch eine Blutuntersuchung sicher diagnostizieren und unterscheiden. Innerhalb der Rinderhaltung wird besonders die Milchproduktion durch die Infektionen stark beeinträchtigt werden. Zum Schutz der Tiere steht ab August ein geeigneter Impfstoff in Aussicht, der in Abhängigkeit von der dann verfügbaren Menge, zuerst im Südwesten entlang der Grenze zu Frankreich eingesetzt werden sollte. Landwirte und Tierärzte müssen also weiterhin Wachsam bleiben, um die Rinderbestände zu schützen.
Autor: Dr. Mark Holsteg, Tiergesundheitsdienst