Testbetriebe gesucht!

Hof mit Biogas und PhotovoltaikBild vergrößern

Eine wichtige Grundlage für die Vorbereitung und Bewertung agrarpolitischer Entscheidungen und Subventionen auf Landes- und EU-Ebene bilden die Einkommen in der Landwirtschaft. Für die Ermittlung der Zahlen sind Auswertungen im Rahmen des Testbetriebsnetzes NRW eine unverzichtbare Grundlage, bei der eine neutrale Auswertung anonymisierter Jahresabschlüsse erfolgt. Bedauerlicherweise nimmt die Bereitschaft zur Teilnahme an diesem Netzwerk immer stärker ab. Eine realitätsnahe Abbildung des Einkommens aus der hiesigen Landwirtschaft ist nur dann möglich, wenn aktive Betriebsleiter mitwirken.

Bund und Länder sind verpflichtet, die Einkommenssituation in der Landwirtschaft und dem Gartenbau realitätsnah darzustellen. Dieser im Landwirtschaftsgesetz festgeschriebene Auftrag wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) erfüllt. In Anlehnung an die aus den Erhebungen ermittelten Strukturen im ländlichen Raum erstellt das BMEL für die jeweiligen Bundesländer einen Plan der jeweils auszuwertenden Betriebsformen. Ziel ist es, mittels einer Stichprobe, die stellvertretend für die Grundgesamtheit aller Höfe gilt, realitätsnah die Buchführungsergebnisse der Länder abzubilden. In Nordrhein-Westfalen ist die Landwirtschaftskammer vom Landesministerium mit der praktischen Durchführung des Testbetriebsnetzes beauftragt. Dabei gilt es, die Buchführungsergebnisse an den Bund weiterzuleiten und die Zahlen entsprechend für die Beratung aufzubereiten und zu interpretieren.

Vorgabe des BMEL nicht erfüllt

Am deutschen Testbetriebsnetz nehmen etwa 10.000 landwirtschaftliche Betriebe teil, von denen im Wirtschaftsjahr 2018/19 noch etwa 1240 aus NRW stammten. Unter Berücksichtigung der Gartenbaubetriebe fehlen nach den Vorgaben des BMEL aus Nordrhein-Westfalen immer mehr land- und gartenbauliche Betriebe, die zu einer besseren Erfüllung des Stichprobenplans beitragen würden. Demzufolge verwendet man auf Bundesebene die Hochrechnungsmethode. Dabei werden die Ergebnisse der Testbetriebe aus jeder Auswahlschicht mit der Zahl der dazugehörigen Betriebe in der Grundgesamtheit gewichtet. Das ist zwingend erforderlich, um die Einkommen aus den Betriebsformen trotz fehlender Betriebe möglichst korrekt abzubilden. Andererseits führt diese statistische Aufbereitung fehlender Ergebnisse zu einer gewissen Unschärfe, die zwar vertretbar ist, aber bei einer ausreichenden Anzahl von repräsentativen Testbetrieben niedriger ausfiele.

Das Ziel kann nur sein, auch weiterhin die Einkommenssituation den verantwortlichen Entscheidungsträgern aus Politik, Verbänden und Wissenschaft realitätsgetreu zu liefern, wofür verlässliche Einkommens- und Strukturdaten landwirtschaftlicher Betriebe gebraucht werden. Denn nur eine aussagekräftige und verlässliche Statistik bietet stichfeste Argumente und Chancen für die Beibehaltung und Einführung von Förderinstrumenten, die zum Erhalt von Arbeitsplätzen in landwirtschaftlichen Betrieben mit den vor- und nachgelagerten Bereichen zwingend erforderlich sind.

Die Teilnahme ist freiwillig

Landwirtschaftliche Buchstellen und Steuerberater erfüllen vorrangig den Auftrag der Landwirte, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ordnungsgemäß zu ermitteln, sie steuerlich zu beraten und dabei alle finanzbehördlichen Fristen einzuhalten. Da fehlt in vielen Fällen die Zeit, sich mit der Aufbereitung der Jahresabschlüsse für das Testbetriebsnetz zu befassen. Auch Einzelbetriebe sehen sich als sogenannte „Selbstbucher“ aus zeitlichen Gründen kaum in der Lage, ihre steuerlichen Jahresabschlüsse an die Erfordernisse des Testbetriebsnetzes anzupassen und diese dem Testbetriebsnetz zur Verfügung zu stellen. Hinzu kommt, dass die Teilnahme der Landwirte an diesem Netzwerk einerseits freiwillig ist, die Zahlen jedoch seitens des Bundes und der Länder zwingend erforderlich sind.

Wie sind die Abläufe, was wird vergütet?

Um den Datenschutz und die Vergleichbarkeit sicherzustellen, werden vom Bund anonymisierte Jahresabschlüsse auf Basis des bundeseinheitlichen BMEL-Abschlusses benötigt. Dieser unterscheidet sich vom handels- und steuerrechtlichen Abschluss durch die zusätzliche Erfassung von Stammdaten, Arbeitskräften, Flächen, Tieren sowie den erzeugten und verbrauchten Mengen. Der Abschluss ist vor der Weiterleitung mittels einer vom BMEL unentgeltlich zur Verfügung gestellten Software zu prüfen. Für den über die steuerlichen Erfordernisse hinausgehenden Mehraufwand erhalten landw. Buchstellen bzw. Datenlieferanten eine bundeseinheitliche Vergütung. Die Abgabe eines geprüften Jahresabschlusses auf elektronischem Wege (csv-Datei) zum 1. Abgabetermin des Bundes (16.10.2020) honoriert das BMEL mit bundeseinheitlichen 330 €, ergänzend ist eine Bereitstellung zum 2. Abgabetermin (13.11.2020) mit einer etwas niedrigeren Vergütung (305 €) möglich. Für die Zusammenführung von Bilanzen oder Jahresabschlüssen (z. B. bei Betriebsteilungen) werden ergänzende Aufwandsentschädigungen gezahlt. Den Buchstellen wird empfohlen, mehrere Jahresabschlüsse für das Testbetriebsnetz aufzubereiten. Auf diesem Wege wird der Umgang mit dem Plausibilitätsprogramm zur Prüfung der Jahresabschlüsse bei Buchstellen bzw. Datenlieferanten zur Routine, was die Anfertigung von mehreren Jahresabschlüssen für das Testbetriebsnetz auch aus finanzieller Sicht interessanter macht. Für den Einzelbetrieb, dessen Buchführung z. B. von einer landw. Buchstelle für das Testbetriebsnetz aufbereitet wird, ist die Teilnahme am Testbetriebsnetz kaum mit Mehraufwand verbunden. Einmalig sind einige Stammdaten des Betriebes zu erfassen und eine Einverständniserklärung vom Betriebsleiter zu unterzeichnen. Für diesen vertretbaren Aufwand erhält jeder teilnehmende Landwirt eine kleine Aufwandsentschädigung von 70 €.

Warum sollte ich Testbetrieb werden?

Nur eine ausreichende Anzahl an Testbetrieben der Bundesländer führt zu einem richtigen Abbild der Einkommenssituation in der Landwirtschaft. Daher kann eine ausreichende Anzahl nordrhein-westfälischer Jahresabschlüsse im bundesweiten Testbetriebsnetz nur im Interesse der Landwirte sein. Viele Betriebsleiter sind direkt, die Mehrheit jedoch indirekte Nutzer der Testbetriebsdaten. Beispielsweise ist in vielen Pachtverträgen oftmals mittels sogenannter „Pachtpreisanpassungsklauseln“ geregelt, unter welchen Voraussetzungen eine Pachtpreisanpassung vorgenommen wird. Als Grundlage für diese Berechnungen dienen Preisindizes in Kombination mit den regionalen Einkommen landwirtschaftlicher Betriebe aus dem Testbetriebsnetz. Weiterhin bieten die Auswertungen einzelner Betriebsformen sowie Größenklassen einen Vergleich des eigenen Betriebes mit der jeweiligen Vergleichsgruppe. Für einen solchen Betriebsvergleich ist wiederum der Jahresabschluss in Form eines BMEL-Jahresabschlusses am besten geeignet, der für die Teilnahme am Testbetriebsnetz ohnehin vorgesehen ist. Ergänzend dienen die Testbetriebsdaten der Betriebsanalyse, denn mittels eines plausibilitätsgeprüften BMEL-Jahresabschlusses lassen sich mit den vorhandenen Daten Kosten und Aufwendungen den Betriebszweigen einfacher und genauer zuordnen und mögliche Schwachstellen im Betrieb erkennen. Möglicherweise ist auch die Hausbank an einem solchen fundierten und aussagekräftigen Zahlenwerk interessiert. Ergänzend sind Testbetriebsdaten unerlässlich für die Evaluierung von Förderungsmaßnahmen (z. B. Agrarinvestitionsförderungsprogramm) und der Ermittlung von den für die Landwirtschaft relevanten Preisindizes. Auf Bundesebene fließen die Zahlen anonymisiert in das europäische Testbetriebsnetz ein, was wiederum eine der Grundvoraussetzungen für die Gewährung von Direktzahlungen ist.

Wie nehme ich teil?

Zunächst sollten Sie sich bei Ihrer Buchstelle erkundigen, ob eine entsprechende Weiterleitung eines plausibilitätsgeprüften, anonymisierten BMEL-Jahresabschluss Ihres Betriebes möglich ist. In der Regel lassen sich mit jeder Finanzsoftware bei Verbuchung der Geschäftsvorfälle mit einem landwirtschaftlichen Kontenrahmen die Ergebnisse nach den bundeseinheitlichen Vorgaben (BMEL-Jahresabschluss) darstellen.

Das Testbetriebsnetz ist ein wichtiges Instrument, um Verantwortliche in Politik und Wirtschaft über die aktuelle und mehrjährige Einkommenssituation landwirtschaftlicher Betriebe und Produktionsausrichtungen umfassend zu informieren. Insbesondere spiegeln die Ergebnisse ein Abbild der Volatilität der Märkte sowie der Kostenstrukturen wieder. Überlassen Sie die Einkommensentwicklungen im ländlichen Raum nicht statistischen Hochrechnungen, sondern beteiligen Sie sich als aktiv wirtschaftender Betrieb an der richtigen wirtschaftlichen Darstellung der Landwirtschaft. Unter der Adresse

www.bmel-statistik.de/landwirtschaft/testbetriebsnetz

finden Sie weitergehende Informationen des BMEL. Bei Fragen können Sie sich gerne an die Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in Münster wenden, Telefon: 0251 2376 406.

Autor: Jürgen Boerman