Testbetriebe gesucht!


In Zeiten weltweiter Handelskonflikte und unsicherer Märkte ist eine fundierte Einkommensabschätzung im Agrarsektor für verantwortliche Akteure und Berater von besonderer Bedeutung. Politische Fehleinschätzungen wären fatal und hätten negative Konsequenzen für den gesamten Berufsstand. Aber: Immer weniger Landwirte und Buchstellen stellen Zahlen zur Verfügung. Finanzielle Anreize für die Lieferung anonymisierter Buchführungsdaten sollen ab dem Jahr 2025 die Situation verbessern.
Was ist das Testbetriebsnetz?
Die Grundlage für das bundesweite Netzwerk landwirtschaftlicher Buchführungsergebnisse findet sich im Landwirtschaftsgesetz. Es handelt sich um ein System zur Auswertung von Buchführungsabschlüssen aus dem Agrarsektor. Das dient dazu, aktuelle Informationen über die wirtschaftliche Lage der Betriebe bereitzustellen. Diese sind eine wichtige Grundlage für agrarpolitische Entscheidungen sowie für beratende Institutionen. Die Zahlen dienen als Basis für die Instrumente in der Agrar-, Steuer- und Preispolitik. Basierend auf der Grundgesamtheit aller landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Betriebe wird vom Bund ein Auswahlplan erstellt. Eine daraus abgeleitete länderindividuelle Stichprobe an Betrieben steht stellvertretend für die Darstellung aller Unternehmen der Regionen. Es werden anonymisierte Jahresabschlüsse ausgewertet. Auch die EU fordert Zahlen zur Abschätzung der Einkommenslage, die eine unverzichtbare Hilfestellung zur Ausgestaltung der Agrarpolitik liefern. In NRW werden die Jahresabschlüsse von den Buchstellen aufbereitet und an die Landwirtschaftskammer übermittelt. Nach einer Plausibilisierung erfolgt die anonymisierte Weiterleitung an den Bund.
Anzahl an Betrieben wird nicht mehr erreicht
Aus der Praxis abgeleitete Vergleichskennzahlen sind für Betriebe, die Beratung und die Politik wichtig, um die wirtschaftliche Situation einzelner Unternehmen einordnen zu können. Doch im Testbetriebsnetz wird die Datengrundlage immer dünner, insbesondere fehlen Zahlen aus den jeweiligen Erzeugungsregionen und Erfolgskennzahlen spezieller Betriebsausrichtungen, wie z. B. schweinehaltender Betriebe. Das kann zu nicht bedarfsgerechten agrarpolitischen Entscheidungen führen. Für eine realistische Einkommensdarstellung sind die Länder gefordert, die vom Bund festgelegte Anzahl an Jahresabschlüssen zu erfüllen. Kein Bundesland ist derzeit noch in der Lage, dem Stichprobenplan des Bundes im vollen Umfang gerecht zu werden. Demzufolge verwendet man auf Bundesebene die Hochrechnungsmethode. Dabei werden die Ergebnisse der Testbetriebe aus jeder Auswahlschicht mit der Zahl der tatsächlichen Betriebe in der Grundgesamtheit gewichtet, um u. a. dem Bundestag einen erforderlichen, lückenlosen Bericht zur Einkommenssituation vorzulegen. Es wäre im Sinne des gesamten Berufsstandes, auf Hochrechnungen zu verzichten und eine ausreichende Anzahl an Jahresabschlüssen zu liefern.
Warum gibt es zu wenig Daten?
Landwirtschaftliche Buchstellen sind durch permanente steuerliche Anpassungen zunehmend gefordert, neben ihrem eigentlichen Tagesgeschäft ihre Mandanten in steuerlicher Hinsicht zu beraten. Es müssen von den Steuerberatungen immer mehr Datenübermittlungen an die Finanzämter erfolgen, da z. B. viele Betriebe infolge steuerlicher Vorgaben zur Regelbesteuerung wechseln mussten. Hinzu kommt die zunehmende Digitalisierung, die Landwirten und Buchstellen vieles abverlangt. Ganz zu schweigen vom Fachkräftemangel, der große Herausforderungen mit sich bringt. Die freiwillige Lieferung von Testbetriebsabschlüssen blieb oftmals auf der Strecke, da die Datenaufbereitung mit den verfügbaren Fachkräften in vielen Fällen nicht möglich war. Hinzu kam eine unzureichende Aufwandsentschädigung für die Kanzleien, sodass in vielen Fällen für die Tätigkeiten im Testbetriebsnetz keine Kostendeckung vorlag.
Welche finanziellen Anreize gibt es für die Zahlen?
Für Betriebsinhaber gibt‘s für die Teilnahme am Testbetriebsnetz 200 Euro. Der einzelne Landwirt hat keinen nennenswerten Mehraufwand, wenn die Buchstelle mit der Erstellung des Jahresabschlusses beauftragt ist. Je nach Liefertermin erhält die Buchstelle zukünftig eine kostendeckende, angemessene Vergütung für die Aufbereitung zum Testbetriebsabschluss. Dazu gehört u. a. die zusätzliche Erfassung von Stammdaten, Arbeitskräften, Flächen, Tieren sowie eine detaillierte Erfassung von erzeugten und verbrauchten Mengen. Diese liefern Landwirten zusätzliche Informationen, die für einen Betriebsvergleich unerlässlich sind. Die Teilnahme am Testbetriebsnetz setzt die Erstellung eines plausibilisierten BMLEH-Jahresabschlusses mit bundeseinheitlicher Codierung voraus. Sollten mehrere Buchführungen eines Unternehmens zusammen dargestellt bzw. konsolidiert werden, wird dieser Mehraufwand vergütet. Als aktiver landwirtschaftlicher oder gartenbaulicher Betrieb können Sie bei Ihrer Buchstelle erfragen, ob für Sie die Erstellung eines sogenannten „Testbetriebsabschlusses“ möglich ist. Das dürfte bei einer Verbuchung der Geschäftsvorfälle mit einem landwirtschaftlichen Kontenrahmen problemlos sein. Oftmals wird dieses „Format“ bereits ohnehin im Zusammenhang mit einer einzelbetrieblichen Förderung sowie zur Vorlage bei der Hausbank benötigt.
Jetzt sind Sie gefragt!
Landwirte und Buchstellen sind im Sinne einer soliden Ergebnisdarstellung gut beraten, eine möglichst hohe Anzahl an Testbetrieben zu liefern! Es kann nur das erklärte Ziel des Berufsstandes sein, mit einer ausreichenden Anzahl an Jahresabschlüssen aus der Praxis zur fundierten Einkommensermittlung beizutragen. Unter der Adresse
www.bmel-statistik.de/landwirtschaft/testbetriebsnetz
finden Sie weitergehende Informationen. Diese erhalten interessierte Buchstellen und Betriebsinhaber selbstverständlich auch bei der Landwirtschaftskammer in Münster, Telefon: 0251 2376 406.
Autor: Jürgen Boerman