Klinik wichtiger Schaf- und Ziegenkrankheiten

1. Belastungen mit Innenparasiten

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1. Hochgradig mit Innenparasiten belastetes Schaf (Schläfrigkeit, Anämie, lose Wolle, Kehlgangsödem, Durchfall)

Schafe sind im Gegensatz zu anderen Nutztierarten durch Innen- und Außenparasiten besonders gefährdet. In Sektionsstatistiken stehen Belastungen mit Innenparasiten als Verlustursache bei Schafen an erster Stelle. Regelmäßig lassen sich in über 50% der Kotproben von Schafen, die der Schafgesundheitsdienst der LWK NRW in klinisch unauffälligen Betrieben entnimmt, Entwicklungsstadien von Parasiten nachweisen. Dabei kann der Kot der Tiere durchaus unauffällig sein.

Zeigen Schafe (Bild 1) trotz guten Futterangebotes eine stumpfe, offene Wolle, wirken einzelne Schafe auffallend müde (apathisch) und fallen bei einzelnen Tieren teigige Anschwellungen zwischen der Unterkieferästen auf, sollten unverzüglich mehrere (mindestens 5) Einzelkotproben zur parasitologischen Untersuchung an ein tiermedizinisches Untersuchungsinstitut einschickt werden. Nach einer gezielten Behandlung kann bereits zwei bis drei Tage später mit dem Rückgang des Kehlgangsödems und einer deutlichen Vitalitätssteigerung der Schafe gerechnet werden. Da auch in unserer Region im Rahmen einer Dissertation im letzten Jahr Benzimidazol-Resistenzen nachgewiesen werden konnten, sollten etwa 10 Tage nach dem Einsatz dieser Wirkstoffgruppe erneut Kotproben zur parasitologischen Untersuchung zwecks Kontrolle des Behandlungserfolges eingeschickt werden.

2. Weidekokzidiose

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2. Durch Kokzidien stark in der Entwicklung gestörtes, 3 Monate altes Texellamm

In den ersten Lebenswochen, primär während der Stallhaltung bei hoher Besatzdichte und feuchter Einstreu, werden Schaflämmer regelmäßig mit einzelligen, mikroskopisch kleinen Parasiten, sog. Kokzidien, konfrontiert. Aufgrund der feucht-warmen Witterung der letzten Wochen konnte der Schafgesundheitsdienst NRW auch die sog. „Weidekokzidiose“ bei Lämmern vermehrt beobachten. Sie führt ab dem Alter von 4 Wochen zu breiigem Durchfall, wobei die Entzündung der Darmschleimhaut nicht selten mit starkem Drängen einhergeht. In Abhängigkeit von der Befallsintensität und der Dauer der Belastung können die Kokzidien - wie bei dem abgebildeten stark untergewichtigen, etwa drei Monate alten Texellamm (Bild 2) – zu Wachstumsdepression und Entwicklungsstörungen führen. Mittels parasitologischer Untersuchungen von Kotproben lassen sich die Erreger erkennen. Eine rechtzeitige, gezielte Behandlung der Schaflämmer mit einem speziellen, ausschließlich gegen Kokzidien wirksamen Präparat hilft wirtschaftliche Verluste zu vermeiden.

3. + 4. Lippengrindinfektion

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3. Bösartige labiale Form des Lippengrindes

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4. Genitale Form des Lippengrindes am Euter eines Mutterschafes

Auch in gut geführten Herden kommt es sporadisch immer wieder zu massiv auftretenden, entzündlichen, pustulösen Veränderungen an den Haut- und Schleimhäuten im Bereich des Kopfes, der Nase (Bild 3) und / oder an der Euterhaut und den Zitzen (Bild 4). Diese „Lippengrindinfektion“ wird durch ein sog. ORF-Virus hervorgerufen.

Bei der milden Verlaufsform klingen die Erscheinungen nach 14 Tagen wieder ab. Die bösartige Verlaufsform des Lippengrindes ist charakterisiert durch hochgradige Entzündungen der Maulschleimhaut mit käsigen Auflagerungen. Betroffene Schafe können infolge der mit starken Schmerzen einhergehenden reduzierten Futter- und Wasseraufnahme verenden. Bei Entzündungen der Euterhaut sind meist auch die Zitzen betroffen, so dass die Versorgung der Lämmer gefährdet ist und sich als Folge Euterentzündungen einstellen.

Lippengrind-Impfstoffe stehen leider nicht zur Verfügung, die Behandlung beschränkt sich auf symptomatische Maßnamen zur Bekämpfung der bakteriellen Sekundärinfektionen.

Die Virusinfektion kann auch beim Menschen bei vorliegenden Hautverletzungen zu bläschenförmigen Veränderungen führen, die beim Abheilen Narben hinterlassen. Da es sich um eine Zoonose handelt, sollten beim Umgang mit erkrankten Schafen grundsätzlich Handschuhe getragen werden.

5. MAEDI-Infektion

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5. Maulatmung bei einem MAEDI-infizierten, älteren Kamerunschaf

Magern Schafe trotz guter Futteraufnahme ab einen Alter von 2-3 Jahren ab, zeigen sie bei Belastung Husten (Bild 5) und im fortgeschrittenen Stadium starke Atemnot (Maulatmung), muss an eine MAEDI-Infektion gedacht werden. Aufgrund einer Rassendisposition sind Texel-, Milch- und Kamerunschafe besonders gefährdet. In der Regel zeigen die Tiere im Gegensatz zum „Schafrotz“ keine vermehrte Nasensekretion und keine erhöhte Rektaltemperatur. Die Retro-Virusinfektion kann durch eine blutserologische oder pathologisch-anatomische Untersuchung nachgewiesen werden. Behandlungen sind nicht möglich. In einem Sanierungsverfahren trennt man sich von den betroffenen, d. h. klinisch auffälligen und allen seropositiven, i. d. R. gesund erscheinenden Tieren und deren Nachzucht.

6. Listerose

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6. Zentralnervöse Störungen durch Listerien nach Verfütterung von schlechter Grassilage

Bei der Verfütterung qualitativ schlechter Silage an Schafe bzw. nicht regelmäßiger Reinigung der Raufen können gelegentlich zentralnervöse Symptome bei Schafen und Ziegen beobachtet werden. Verantwortlich ist das Bakterium “Listeria monozytogenes“, welches u. a. zu einer eitrigen Hirnhautentzündung  führt, die nur in der frühen Phase der Erkrankung durch hohe Antibiotika-Gaben therapierbar ist. Bei der sog. „Listerose“ trennen sich einzelne Schafe (Bild 6) anfangs von der Herde, wirken apathisch, zeigen Benommenheit, Drehbewegungen, vermehrte Speichelbildung, Tränenfluss, Zittern der Lippen und kommen nach wenigen Tagen zum Festliegen. Bei ausreichender Wasseraufnahme verenden sie spätestens nach 10-14 Tagen in Seitenlage. Impfstoffe stehen zur Prophylaxe leider nicht mehr zur Verfügung. Bei der Verfütterung von Silagen an Schafe sollte peinlich auf einwandfreie Qualität geachtet werden, Silagereste sind aus Raufen und Trögen regelmäßig zu entfernen.

7. Aborte

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7. Chlamydien-Abort mit charakteristischen Veränderungen der Eihäute

Aborte können in der Schafhaltung sowohl auf nichtinfektiöse (z. B. Treiben durch Hunde, Stoßeinwirkungen bei Rangkämpfen, Mykotoxine usw.) als auch auf infektiöse Faktoren zurückgeführt werden. Während man in der Praxis bei der Klärung des erstgenannten Ursachenkomplexes häufig auf Vermutungen (zeitliche Zuordnung, Ausschluss spezifischer Erreger) angewiesen ist, lässt sich der sog. „Virusabort“ als häufigste infektiös bedingte Abortursache relativ leicht nachweisen (Bild 7). Bei einer Erstinfektion mit dem zu den Bakterien zählenden Erreger, Chlamydophila abortus, können über 50% der Schafe die Frucht absetzen bzw. lebensschwache Lämmer gebären. Betroffen sind vorzugsweise Erstlinge im letzten Drittel der Trächtigkeit. Falls Nachgeburtsverhaltungen nicht zu Komplikationen führen, nehmen die Schafe wenige Wochen später wieder auf. Der Erregernachweis erfolgt vorzugsweise mikroskopisch über die Untersuchung von frisch entnommenem Eihautmaterial. Erreger-typisch sind gelb-graue, flockige Veränderungen im Bereich der Eihäute. Prophylaktisch sollte rechtzeitig vor dem Bockeinsatz für die folgende Ablammperiode der Einsatz einer handelsüblichen Chlamydien-Lebendvakzine eingeplant werden. In einer frühen Phase der Infektion kann versucht werden, in Zusammenarbeit mit dem Tierarzt die Ausbreitung des Erregers in der Herde durch Einsatz von Tetracyclinen zu unterbinden.

8. Entzündungen der Lidbindehäute und der Hornhäute

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8. Infektiöse Augenentzündung bei einem Kreuzungsschaf

Schwerpunktmäßig während der sommerlichen Weidehaltung können infektiöse Entzündungen der Lidbindehäute und der Hornhäute bei kleinen Wiederkäuern ein ernsthaftes gesundheitliches Problem darstellen. Zunächst stellt sich eine mit starkem Tränenfluss einhergehende, meist beidseitige Entzündung der Lidbindehäute ein, die mit Blinzeln und Lichtscheu einhergeht (Bild 8). Später greift die Entzündung auf die Hornhäute über, es kommt zur Einsprossung von Gefäßen, das Sekret nimmt eitrigen Charakter an und die Hornhaut trübt völlig ein. Bei der mikrobiologischen Untersuchung von Augentupfern lassen sich entweder Chlamydien, Mykoplasmen oder Moraxellen nachweisen. Insekten soll eine Vektorfunktion bei der raschen Verbreitung der Erkrankung im Bestand zukommen. Von der mehrere Wochen anhaltenden Sehstörungen ist oft einer hoher Prozentsatz der Tiere einer Herde betroffen; die Bewegungseinschränkungen können so gravierend sein, dass die Herde ihren Zusammenhalt verliert und nicht mehr gehütet werden kann. Zur Behandlung werden in kleineren Herden lokal am Auge Antibiotika nach Resistenztest appliziert, in größeren Herden müssen die Wirkstoffe per Injektion verabreicht werden. Als flankierende Maßnahme wird empfohlen, die Tiere aufzustallen oder zumindest für schattige Weideplätze zu sorgen, da die UV-Einstrahlung sich negativ auf den Heilungsverlauf auswirkt.

9. Schafrotz

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9. Pasteurellen-bedingte Entzündung der Atemwege (sog. "Schafrotz")

Sporadisch auftretender, trockener Husten und serös-eitriger Nasenausfluss (Bild 9) sind die Leitsymptome des sog. „Schafrotzes“, der in den letzten Jahren nicht nur bei ungünstigen stallklimatischen Verhältnissen (feuchtwarme Ställe mit hoher Schadgaskonzentration) sondern auch in Betrieben mit gutem Management während der Weideperiode bei sommerlichen Witterungsverhältnissen beobachtet wird. Alle Altersgruppen sind betroffen, wobei Fleischschafrassen wie Texel- und Schwarzköpfe anfälliger zu sein scheinen. Bei der bakteriologischen Untersuchung von Nasentupfern akut erkrankter, unbehandelter Tiere lässt sich das Bakterium „Mannheimia hämolytica“ regelmäßig nachweisen. Es ist nicht auszuschließen, dass eine Virusinfektion primär für das Krankheitsgeschehen verantwortlich ist. Der Einsatz von antibiotisch wirksamen Substanzen nach Maßgabe des Antibiogramms dämmt die klinischen Erscheinungen ein und verhindert irreparable Lungenschädigungen. Eine handelsübliche inaktivierte Vakzine, die rechtzeitig vor dem Ablammen sowohl bei (gesunden) Muttertieren als auch bei wenige Wochen alten Lämmern mit Revakzination nach 3-4 Wochen eingesetzt wird, mildert zumindest den Krankheitsverlauf.

10. Räude

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10. Durch Sarkoptes-Milben provozierte Kopfräude bei einem Texelbock

Die Räude der Schafe wird durch mit bloßem Auge nicht sichtbare Parasiten, sog. die Milben, hervorgerufen. Man unterscheidet zwischen der Kopfräude, der Körperräude und der Fußräude. Wirtschaftlich von Bedeutung sind die Kopf- bzw. Sarkoptesräude (Bild 10) und die Körper- bzw. Psoroptesräude. Der Erreger gelangt über latent infizierte Schafe oder kontaminierte Gegenstände (Hürden, Schermaschinen, gemeinsame Weiden) in die Herde. Außerhalb des Tierkörpers bleiben die Milben etwa sieben Wochen infektionsfähig. Klinisch stehen Unruhe, Juckreiz bzw. Scheuern an festen Gegenständen - verbunden mit strähnigem Wollverlust - im Vordergrund. Während man bei der Kopfräude entzündlich veränderte Hautbezirke vorzugsweise rund um die Augen, an den Ohren, im Stirnbereich und am Nasenrücken findet, sind bei der Körperräude besonders der Rumpf bzw. die seitliche Brustwand betroffen. Bei näherer Betrachtung ist die entzündlich geschwollene Haut waschbrettartig verändert (allergische Reaktion) und nicht selten blutig gescheuert. Für den mikroskopischen Erregernachweis im Labor muss ein Hautgeschabsel am Übergang von der gesunden zur erkrankten Haut tief entnommen werden. Zur Behandlung eignen sich sowohl Schafbäder als auch Avermectin-haltige Injektionspräparate. Um Rückfälle zu vermeiden, wird bei beiden Behandlungsmethoden eine Zweitbehandlung nach 10-14 Tagen dringend empfohlen.

11. Moderhinke

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11. Beginnende Ablösung des Klauenhorns vom Klauenbein infolge Moderhinke

Die Moderhinke wird durch das Zusammenwirken von zwei Erregern hervorgerufen, wobei dem Bakterium „Dichelobacter nodosus“, welches sich in mehrere Gruppen und Serovare aufteilt, primäre krankmachende Bedeutung zukommt. In Abhängigkeit vom Grad der entzündlichen Prozesse am Sohlen- und Wandhorn der Vorder- und/ oder Hintergliedmaßen und der Schädigung der Lederhaut zeigen die betroffenen Schafe unterschiedlich stark ausgeprägte Stützbeinlahmheiten.

Im Extremfall sind die Schafe aufgrund der extremen Schmerzen nicht mehr in der Lage sich fortzubewegen. In besonders gravierenden Fällen (Bild 11) kommt es zur völligen Ablösung des Klauenschuhes von der Gefäß- und Nerven-führenden Lederhaut und dem Klauenbein.

Die Sanierung einer betroffenen Herde beansprucht einen Zeitraum von mehreren Monaten und ist nur durch konsequente Klauenpflege, d. h. restloses Entfernen von defektem Klauenmaterial bei mehrfacher Nachkontrolle und Korrekturen in wöchentlichen Abständen möglich. Durch Einsatz einer handelsüblichen Vakzine bzw. eines herdenspezifischen Impfstoffes kann der Heilungsverlauf zusätzlich begünstigt bzw. Neuinfektionen reduziert werden. Zurzeit wird überprüft, ob der bisher praktizierte und zweifellos unverzichtbare Einsatz von Klauenbädern arzneimittelrechtlich zulässig ist.

12. Pseudotuberkulose

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12. Abszedierender Hinterohrlymphknoten bei einer Burenziege nach Pseudotuberkulose-Infektion

Die bevorzugt bei Ziegen, seltener bei Schafen, ab einem Alter von 1 bis 2 Jahren klinisch in Erscheinung tretende Pseudotuberkulose hat chronischen Charakter und wird durch den Erreger "Corynebacterium pseudotuberculosis" hervorgerufen. Die bakterielle Erkrankung wird auch als "verkäsende Lymphadenitis" bezeichnet. Außerhalb des Organismus behält der gegen übliche Desinfektionsmittel sehr empfindliche Keim im Erdreich, Kot oder Wasser wochenlang seine Infektionsfähigkeit. Durch direktes Sonnenlicht soll er innerhalb von 24 Stunden abgetötet werden.

Die Übertragung erfolgt hauptsächlich als Schmutz- und Schmierinfektion durch direkten Kontakt über kleine Hautverletzungen, beispielsweise beim Scheren, Kupieren der Schwänze. Dem Ziegen- oder Schafhalter fällt üblicherweise zunächst eine bis faustgroße, meist einseitige Schwellung der paarig angelegten Hautlymphknoten auf (Bild 12). Hierzu zählen besonders der Hinterohrlymphknoten, aber auch der Lymphknoten des Unterkiefers, der vor dem Schulterblatt liegende Buglymphknoten, der Kniefaltenlymphknoten sowie der Lymphknoten im Bereich des Euterspiegels.

Diese oberflächlich gelegenen Lymphknoten nehmen innerhalb weniger Wochen meist einseitig stark an Größe zu, wobei die wenig schmerzhaften Umfangsvermehrungen sich zu Beginn hart anfühlen und in einer fortgeschrittenen Phase bei einem Durchmesser von bis zu 10 cm eine teigige Konsistenz annehmen, so dass die Abszesskapsel sich mit dem Finger leicht eindrücken lässt. Schließlich bricht der Abszess auf und eine dickflüssige, oder auch krümelige oder konzentrisch geschichtete Eitermasse wird freigesetzt. Der Abszessinhalt besitzt eine gelblich-graue Farbe und ist geruchlos.

Während das Allgemeinbefinden der kleinen Wiederkäuer anfangs kaum beeinträchtigt ist, magern die Tiere nach einer mehrmonatigen Krankheitsdauer zunehmend ab. Beim Befall der inneren Lymphknoten, d. h. insbesondere der Kehlkopf- und Lungenlymphknoten sowie der Mediastinallymphknoten stellen sich Schluck- und Atembeschwerden, Tympanien und gelegentlich Aborte ein. Diese Veränderungen an den inneren Lymphknoten treten allerdings erst bei der Sektion der Tier zutage. Eine weitere Ausbreitung des Erregers in Leber, Milz, Niere, Gehirn und Rückenmark kann vereinzelt zu Todesfällen führen.

Die Diagnose erfolgt über den Nachweis des Erregers über eine bakteriologische Untersuchung des Abszessinhaltes. Zur Ermittlung bereits infizierter, allerdings klinisch noch unauffälliger Tiere bietet sich eine serologische Untersuchung der Herde mittels eines ELISA-Testes an.

Eine Heilung der Tiere nach Spaltung des reifen Abszesses und mehrtägiger Antibiose ist nicht zu erwarten. Klinisch erkrankte sowie serologisch positive Tiere müssen aus der Herde entfernt werden. Nach Ausmerzung der Reagenten sind Nachuntersuchungen erforderlich.

Es besteht die Möglichkeit des Einsatzes einer Herden-spezifischen Vakzine, die den Aufbau einer belastungsfähigen Immunität verspricht, die Infektionsgefahr bei noch nicht infizierten Tieren reduziert und solange appliziert werden muss, bis das letzte infizierte Tier die Herde verlassen hat.

13. CAE

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13. Symptomatisch für CAE-Infektionen bei Ziegen: beidseitig verdickte Carpalgelenke bei gleichzeitig schlechtem Nährzustand

Die CAE ( CaprineArthritis Encephalitis) der Ziegen wird ebenso wie die MAEDI-Infektion der Schafe durch ein Retro-Virus hervorgerufen.

Die häufigste Erscheinungsform der CAE äußert sich bei älteren Ziegen in einer langsam fortschreitenden (chronischen), seltener akuten Entzündung bzw. Anschwellung im Bereich der Gelenke, Sehnenscheiden und Schleimbeutel. Bevorzugt betroffen sind die Carpalgelenke, oft fälschlicherweise als „Kniegelenke“ bezeichnet (Bild 13). Im fortgeschrittenen Stadium fällt dem Tierbesitzer auf, dass die in der Milchleistung deutlich nachlassenden Tiere im Stand wechselseitig die Gliedmaßen durch Anheben entlasten und als Schmerzäußerung hörbar mit den Zähnen knirschen. Die Mobilität der Tiere lässt nach, die Liegephasen werden ausgedehnt, die Ziegen magern aufgrund mangelnder Futteraufnahme bzw. infolge der Schmerzen ab und kommen schließlich nach Wochen und Monaten zum Festliegen.

Darüber hinaus provoziert das Virus auch chronische Euterentzündungen, die mit knotigen Verhärtungen im Drüsenparenchym und Lungenentzündungen, einhergehen.

Bei Ziegenlämmern bis zum Alter von 4 Monaten verursachen die CAE-Viren Veränderungen in Gehirn und Rückenmark. Diese sog. Encephalomyelitis äußert sich zunächst in einer Hinterhandschwäche, die als Überköten im Fesselgelenk in Erscheinung tritt.

Auch bei dieser Slow-Virus-Infektion sind ebenso wie bei MAEDI Behandlungen nicht möglich. Die Sanierung entspricht im wesentlichem dem bereits dargestellten Vorgehen bei der Bekämpfung der MAEDI-Infektion der Schafe.

14. Blauzungenkrankheit

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14. Apathisches Merinolandschaf nach Blauzungeninfektion: Ober- und Unterlippe geschwollen, akute Entzündung der Nasenschleimhaut mit blutigem Ausfluss

Alle Fotos: Dr. Wilfried Adams

Bei der Blauzungenkrankheit (BT) handelt es sich um eine anzeigenpflichtige, virusbedingte Erkrankung, von der Schafe, aber auch Rinder sowie wild lebende Wiederkäuer betroffen werden.

Das Virus wird über relativ kleine, 1-3 mm große, blutsaugende Stechmücken von Tier zu Tier übertragen.

Der Serotyp 8 des Orbi-Virus (es werden 24 verschiedene Serotypen beschrieben) wurde nachgewiesen; dieser Serotyp wurde bislang nur in der Region südlich der Sahara festgestellt. Auf welchen Wegen er nach Deutschland bzw. in die Niederlande kommen konnte ist bislang unklar.

Das klassische Bild der Blauzungenkrankheit beim Schaf (Bild 14) ist nach einer Inkubationszeit von 2-12 Tagen durch mehrtägiges hohes Fieber, verbunden mit Rötung und Schwellung der Nasen-, Lippen-, Mund- und Kehlkopfschleimhaut, gekennzeichnet. Die Leitsymptome, d. h. die bei einigen Tieren zu beobachtende starke Schwellung und Blaufärbung der Zunge, gaben der Erkrankung ihren Namen. Auf der Maulschleimhaut vorzugsweise in der Umgebung der Zahnhälse und des harten Gaumens lassen sich geschwürige Veränderungen feststellen. Die Tiere speicheln vermehrt, dem Sekret kann Blut und Eiter beigemischt sein. Als Folge der Schwellungen und Verkrustungen im Bereich der Nasenöffnungen stellen sich Atemwegsprobleme ein. Schmerzhafte Entzündungen am Kronsaum können zu Lahmheiten führen, wobei im Gegensatz zur Moderhinke meist alle Gliedmaßen gleichzeitig betroffen sind. Auch Aborte und lebensschwache Lämmer wurden registriert. Bei Böcken stellen sich nach überstandener BT-Infektion Fertilitätsstörungen ein, die aber größtenteils reversibel sind, d. h. die Befruchtungsfähigkeit stellt sich nach mehreren Monaten wieder ein. Da das nächtliche Aufstallen der Tiere und der Einsatz insektizidhaltiger Präparate offensichtlich unbefriedigende Wirkungen gezeigt hat, war man im letzten Jahr gezwungen, sich auf die Anwendung symptomatischer Maßnahmen zu beschränken um das Leiden der Tiere zu mindern und die wirtschaftlichen Verluste einigermaßen in Grenzen zu halten.

Nach Angabe der Veterinäruntersuchungsämter wurden in diesem Jahr in NRW trotz der feucht-warmen Witterung und einiger weniger Verdachtsfälle aufgrund des klinischen BiIdes noch keine Blauzungenfälle bei Schafen, Ziegen oder Rindern festgestellt, die mit einem Virusnachweis untermauert werden konnten.

Die Impfung gegen die Blauzungenkrankheit ist mittlerweile bei Schafen in NRW abgeschlossen. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob eine spezifische Immunisierung durch Einsatz eines inaktivierten, monovalenten BTV-8-Impfstoffes in Kombination mit Feldvirusantikörpern in der Lage sein wird, das Infektionsgeschehen mit allen leidvollen Begleiterscheinungen in diesem und den folgenden Jahren abzufangen.

Autor: Dr. Wilfried Adams