Wie alles begann - die Gründungen der LUFA-Vorläufer

Julius Adolph Stöckhardt
Julius Adolph Stöckhardt (1809 - 1886), deutscher Agrikulturchemiker. Quelle: commons.wikimedia.org

Hintergrund

Im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts begann man sich in Deutschland eingehender mit der tatsächlichen Beziehung zwischen Chemie und Landwirtschaft zu beschäftigen. Zunächst war es Albrecht Thaer (1752 - 1828), später dann Carl Sprengel (1787 - 1859) und Justus von Liebig (1803 – 1873), die die Zusammenhänge zwischen Boden und Pflanzenertrag wissenschaftlich untersuchten und mehr und mehr erkannten. Oft wurden die Erkenntnisse leidenschaftlich diskutiert, zuweilen auch in Frage gestellt, revolutionierten sie doch das damalige Wissen und Verständnis über den Pflanzenbau. Fortschrittliche Landwirte erkannten aber die Bedeutung der Forschungsergebnisse und die darin enthaltenen Chancen zur Ertragssteigerung und besseren Wirtschaftlichkeit.

Die flächendeckende Gründung von landwirtschaftlichen Versuchsstationen zur Erlangung, Verbreitung und Etablierung von neuen Erkenntnissen, wurde besonders gefördert durch Julius Adolph Stöckhardt (1809 – 1886), einem Agrikulturchemiker und Schüler Liebigs. Er richtete ein agrikulturchemisches Laboratorium mit angeschlossenem Versuchsfeld in Tharandt bei Dresden ein und bearbeitete dort die Liebigschen Lehren wissenschaftlich. Stöckhardt hielt dort und später auch in anderen deutschen Provinzen, populäre Vorträge über die Bedeutung der Chemie in der Landwirtschaft vor den landwirtschaftlichen Vereinen, was ihm den Beinamen „chemischer Feldprediger“ einbrachte. Eine Zusammenfassung seiner Vorträge findet sich in seinem Buch „Chemische Feldpredigten für deutsche Landwirte“, dessen erste Auflage 1851 erschien.

Auf einer Versammlung der Deutschen Land- und Forstwirte, die am 27. August 1855 in Kleve stattfand, wurde eingehend über Stöckhardts Vortrag und seine Visionen über den Nutzen, die Errichtung und die Aufgaben von agrikulturchemischen Laboratorien und Versuchsstationen für die praktische Landwirtschaft verhandelt. Stöckhardt hatte in Sachsen bereits erreicht, dass drei Versuchsstationen ins Leben gerufen worden waren. Und er trat nun energisch dafür ein, dass Versuchsstationen in allen deutschen Provinzen eingerichtet werden müssten.

Durch diese Stationen soll dem Landwirt eine nähere Kenntnis der Ernährung der Pflanzen und Tiere verschafft werden, damit er mit größerer Sicherheit auf dem Wege der Praxis vorzugehen vermöge.
(Clever Programm der Versammlung der deutschen Land- und Forstwirte am 27. August 1855 in Kleve)

Auf der Plenarversammlung am 29. August 1855 nahm man den folgenden Antrag einstimmig an:

Ein Spezialcommission mit der Befugnis zu ernennen, sich durch das eine oder andere thätige Mitglied der Versammlung selbst zu verstärken resp. zu ergänzen, welche sie damit beauftragt, den Versuch zu machen, die für so dringend nothwendig erachtete Vermehrung der bereits in Leben getretenen chemischen Stationen im gesamten deutschen Vaterlande zu bewirken, die diesen Stationen vorzuschreibenden chemisch-agronomischen Arbeiten zu sammeln, zusammenzustellen und der nächsten Versammlung der deutschen Land- und Forstwirte über die Erfolge ihrer Bemühungen zu berichten und die ferneren Beschlüsse anheim zu stellen.
(Beschluss der Plenarversammlung der deutschen Land- und Forstwirte am 29. August 1855 in Kleve)

Stöckhardt hatte überzeugt. Von da an ging eine Impulswirkung zur Gründung von Versuchsstationen aus. Rund 40 Einrichtungen über ganz Deutschland verteilt sollten es von 1855 bis 1893 werden. Alle Gründungen gingen von landwirtschaftlichen Vereinen und Gesellschaften aus, also von den Landwirten selbst.

Rheinland

Es ist nämlich in Cleve von allen Seiten anerkannt worden, dass die Chemie von außerordentlichem Einfluss auf die Fortschritte der Landwirthschaft ist und ich glaube, daß auch hier die ganze Versammlung davon überzeugt sein wird. Um diesen Einfluß noch wirksamer zu machen, sind Vorschläge von dem berühmten Chemiker Stöckhardt ausgegangen, welche die Bildung von landwirtschaftlichen Versuchs-Stationen mit chemischem Laboratorium bezwecken.
(Präsident des landwirtschaftlichen Vereins für Rheinpreußen Freiherr von Carnap-Bornheim am 18.9.1855 auf der 25. Generalversammlung in Bad Kreuznach)

Bereits drei Wochen nach der Versammlung der deutschen Land- und Forstwirte und Stöckhardts überzeugendem Vortrag, wurde auf der Generalversammlung des Landwirtschaftlichen Vereins zu Rheinpreußen in Bad Kreuznach beschlossen eine Landwirtschaftliche Versuchsstation im Rheinland einzurichten. Diskutiert wurde lebhaft, aber in erster Linie die Kostenfrage. Man einigte sich schnell auf eine aktive Selbsthilfe ohne Inanspruchnahme staatlicher Mittel, zumal auf Ersparnisse des Vereins für diesen wichtigen Zweck zurückgegriffen werden konnte. Man einigte sich ferner, dass die Anstalt nicht nach Bonn, also nicht in Verbindung mit der königlichen höheren landwirtschaftlichen Lehranstalt zu Poppelsdorf, sondern selbständig auf einem Gut errichtet werden sollte.

Der Beschluss des Landwirtschaftlichen Vereins fand in der praktischen Landwirtschaft großen Anklang, und es meldeten sich auch gleich zwei Gutsbesitzer, die die Versuchsstation bei sich aufnehmen wollten. Diese Angebote zerschlugen sich aber, weil zunächst der Leiter der Station gesucht werden musste. Aus mehreren Bewerbern wurde der Chemiker und Physiologe Dr. Karl Karmrodt ausgewählt und es gelang, die Station zunächst auf dem Klostergut St. Nicolas des Fürsten zu Salm-Dyck bei Glehn im Kreis Grevenbroich unterzubringen. Der Standort war insofern glücklich gewählt, als hier bereits 5 Jahre vorher eine Ackerbauschule des Landwirtschaftlichen Vereins eingerichtet worden war und man versprach sich eine gegenseitige Befruchtung der beiden Institutionen. Der Laborbetrieb wurde im Herbst 1856 von Karmrodt und einem Labordiener aufgenommen.

PUBLIKANDUM,
die landw. Chemische Versuchsstation betreffend. Da die Versuchsstation des Vereins durch die zuvorkommende Güte und Liberalität Sr. Durchlaucht des Fürsten zu Salm-Dyck auf dem Gute zu St. Nikolas bei Glehn zu Stande gekommen ist, so will das Curatorium nicht versäumen, die Mitglieder des Vereins von diesem Faktum in Kenntniß zu setzen, und sie zur Benutzung dieser Station in der vorgeschriebenen Weise ergebenst aufzufordern.

(Kuratorium für die Instandsetzung der Chemischen Versuchsstation 1857PDF-Datei)

In einer ersten Zielsetzung wurde der chemischen Versuchsstation Forschungsaufgaben zugewiesen, aber auch die Anweisung eine Bodenstatistik der Rheinprovinz zu erstellen.

So weit es, neben den dem Chemiker übergebenen Frage, dessen Zeit gestattet, soll wo möglich eine Bodenstatistik der Rheinprovinz angestrebt werden, und es ist ein Gegenstand von hohem Interesse, zu erfahren, in wiefern die durch chemische Analyse nachgewiesenen Verschiedenheiten des Bodens mit den erfahrungsmäßig bekannten Qualitäten der verschiedenen Theile des Landes in Zusammenhang stehen.

Normativ-Bestimmungen für die agriculturchemische Versuchsanstalt des Landw. Vereins für Rheinpreußen (1876)PDF-Datei

Institutsgebäude an der Weberstraße 59 in Bonn um 1884
Institutsgebäude an der Weberstraße 59 in Bonn um 1884

Westfalen

Wilhelm von Laer, der im Jahre 1861 als Generalsekretär des Landwirtschaftlichen Provinzialvereins für Westfalen nach Münster berufen worden war, hatte in richtiger Erkenntnis der Bedeutung der Chemie für die Landwirtschaft mit dem Apotheker und späteren Medizinal-Assessor Sigismund Feldhaus und mit dem damaligen Oberlehrer der Chemie am Realgymnasium zu Münster, Professor Lorscheid, ein Abkommen dahingehend getroffen, dass sie im Nebenamt chemische Untersuchungen besonders von Kunstdüngern und Mergeln für den Landwirtschaftlichen Provinzialverein ausführten. Obwohl sich Feldhaus und Lorscheid mit großem Eifer und in voller Uneigennützigkeit dieser Aufgabe widmeten und Feldhaus deshalb sogar seinen Wohnsitz eigens von Horstmar nach Münster verlegt hatte, erkannte man bald, dass die Untersuchungsarbeiten von Privatleuten nicht zeitgerecht zu bewältigen waren. Außerdem wollte man in der eigenen Provinz über ein wissenschaftliches Institut verfügen, das auf der Grundlage der Verhältnisse in Westfalen wissenschaftliche Forschung betreiben und Versuche anstellen sollte und gleichzeitig aber der praktischen Landwirtschaft durch die Untersuchung von Handelsprodukten unmittelbare Dienste zu leisten vermochte. Da damals die Verwendung von Kunstdüngern in der Provinz Westfalen ihren bedeutsamen Aufschwung erlebte, wollte man durch die Errichtung einer Versuchsstation ein wirksames Mittel zur Sicherung der Qualität der Düngerstoffe und zum Schutz und Abwehr vor fragwürdigen Produkten schaffen.

Von Laer veröffentlichte dann in der Landwirtschaftlichen Zeitung für Westfalen und Lippe, Ausgabe Nr. 17 vom 28. April 1870, eine Denkschrift zum Thema „Eine landwirtschaftliche agrikulturchemische Versuchs-Station“, in der er den Sinn und Zweck der Errichtung einer solchen Anstalt ausführlich darlegte. Hierin beklagte er auch, dass von allen preußischen Provinzen nur Schleswig-Holstein und Westfalen damals noch nicht über eine eigene landwirtschaftliche Versuchsstation verfügten und das zu einer Zeit, in der das Ausland bereits begonnen hätte, sich die deutschen Anstalten als Muster und Vorbild zu nehmen.

Nachdem am 6. Juli 1870 Burghard Freiherr von Schorlemer-Alst die Leitung des Landwirtschaftlichen Provinzialvereins übernommen hatte, konnte von Laer viele seiner beabsichtigten Pläne verwirklichen, wozu schließlich auch die Gründung eines agrikulturchemischen Institutes gehörte. Nach nur einjähriger Zusammenarbeit mit von Schorlemer-Alst waren die Geldmittel beschafft und damit die Voraussetzungen gegeben, für die chemischen Untersuchungen des Provinzialvereines ein eigenes Laboratorium einzurichten und einen hauptamtlich tätigen Chemiker anstellen zu können.

Am 1. Januar 1871 nahm die neugegründete Landwirtschaftliche Versuchsstation Münster in Westfalen ihre Tätigkeit auf. Die Wahl des ersten Leiters fiel auf Joseph König, einem westfälischen Bauernsohn aus Lavesum bei Haltern. Aufgrund seiner Herkunft war er mit den damaligen prekären Verhältnissen in der Landwirtschaft dieser Region bestens vertraut. Er war Schüler Liebigs, promovierte im Sommer 1867 in Göttingen und machte sich bis zu seiner Berufung nach Münster als Assistent an der Landwirtschaftlichen Versuchsstation für Kurhessen in Morschen durch verschiedene wissenschaftliche Arbeiten bereits einen Namen. Rund 40 Jahre konnte er die Einrichtung leiten, in der er nicht nur eine Fülle an Untersuchungserkenntnissen für die landwirtschaftliche Praxis gewann, sondern auch zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten verfasste.

Nach 14-jährigem Bestehen wurde vom Landwirtschaftlichen Provinzialverein ein Statut für die Versuchsstation sowie ein Reglement für den inneren DienstbetriebPDF-Datei beschlossen.

Hauptgebäude der Landwirtschaftlichen Versuchsstation, Südstraße70-72 in Münster (um 1874)
Hauptgebäude der Landwirtschaftlichen Versuchsstation, Südstraße70-72 in Münster (um 1874)

Die Versuchsstation hat den Zweck, einerseits durch Überwachung des Dünger-, Futter- und Sämereien-Handels die Landwirthe des Vereinsbezirkes vor Übervorteilung zu schützen, wie auch durch Untersuchung von Boden, Mergel, Futter, technisch-landwirtschaftliche Gegenständen etc. und durch Beantwortung von naturwissenschaftlichen, sich auf den landwirtschaftlichen Betrieb erstreckenden Fragen den Landwirthen rathend zur Seite zu stehen, andererseits wissenschaftliche Untersuchungen und Versuche im Interesse der Landwirthschaft und deren Nebengewerbe anzustellen
(§2 Statut der agrikulturchemischen Versuchsstation des Landw. Provinzial-Vereins für Westfalen und Lippe zu Münster i. W.)PDF-Datei

Tarif der Landw. Versuchstation zu Münster i. W. (1885)PDF-Datei
Probenahme von Ackererde (1886)PDF-Datei

Aus den Festschriften und Dokumentationen:

  • 100 Jahre Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt Bonn
  • 110 Jahre Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt Bonn
  • 100 Jahre Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt – Joseph-König-Institut Münster (Westf.)
  • 125 Jahre Landwirtschaftlichen Untersuchungs- und Forschungsanstalt (LUFA) Münster
  • 125 Jahre Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten e. V. (VDLUFA)