Problemgras Gemeine Rispe – erst erkennen, dann handeln

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Gemeine Rispe

Die Grundfutterproduktion auf dem Grünland ist mit hohen Kosten verbunden. Die Grünlandpflege, die mehrmalige Futterernte pro Jahr, die Ausbringung von mineralischen und organischen Düngemitteln, die Flächenkosten – dies alles sind Aufwendungen die dazu führen, dass die grünlandbasierte Milchproduktion unter hohem ökonomischen Druck steht. Ziel einer wirtschaftlich orientierten Grünlandfutterproduktion in der Michviehhaltung muss es daher sein, entsprechend des Standortpotenzials, hohe Erträge und Qualitäten zu erzeugen. Unter dieser Maßgabe ist ein Grünlandbestand anzustreben, der von hochwertigen, ertragsstarken und ausdauernden Futtergräsern und –kräutern dominiert wird. Welche Arten sich etablieren, wie sich ein Grünlandbestand trotz kontinuierlich lenkender Maßnahmen entwickelt und welches Dominanzgefüge sich einstellt, ist in entscheidendem Maße von den Standort- und Klimafaktoren aber auch von der Art und Intensität der Bewirtschaftung abhängig. Insofern sind in einem Grünlandbestand auch Arten anzutreffen, die der Landwirt in der Regel nicht über Ein- und Nachsaaten dort eingebracht hat. Diese Arten kommen gewissermaßen natürlicherweise in der Diasporenbank des Bodens vor und sind meist hervorragend an den Standort und die Bewirtschaftung angepasst. Zum Teil handelt es sich dabei aber um Arten, die nicht unbedingt dazu beitragen, das Ziel der ökonomisch orientierten Grünlandbewirtschaftung zu realisieren.

Wo die Gemeine Rispe zu Hause ist

Im Wirtschaftsgrünland gibt es eine ganze Reihe an unerwünschten Kräutern und Gräsern, die bis zu einem gewissen Grad tolerierbar sind, dem Grünlandwirt aber immer wieder das Leben schwer machen. Dabei besteht in der Praxis vielfach das Problem, dass insbesondere die unerwünschten Gräser von den erwünschten auf den ersten Blick kaum unterschieden werden können. Dies betrifft in besonderem Maße die etwas niedrig wachsenden Untergräser. Ein besonderes problematisches und in Deutschland weit verbreitetes unerwünschtes Gras ist die Gemeine Rispe (Poa trivialis). Es ist ein eher unscheinbares Gras, das vorwiegend auf frischen bis feuchten und nährstoffreichen Wiesen und Weiden anzutreffen ist. Es wächst daher gern auf Moor- und Lehmstandorten unter milden und feuchten Klimabedingungen. Insbesondere in den niederschlagsreichen Mittelgebirgs- und Übergangsregionen sowie auf Grundwasser nahen Standorten ist die Gemeine Rispe eines der pflanzenbaulichen Hauptprobleme der intensiven Grünlandwirtschaft. Gerade die intensive Nutzung kommt diesem Gras im Hinblick auf ihre Entwicklung und Ausbreitung sehr entgegen. Denn die Gemeine Rispe ist an Nutzungsregime mit hohen Schnitt- und Beweidungsintensitäten, bei gleichzeitig guter Nährstoff- und Wasserversorgung, hervorragend angepasst. Durch das häufige Befahren von Schnittgrünland im Rahmen der Düngung, Pflege und Erntemaßnahmen – dies können je nach Nutzungsintensität über 20 Überfahren pro Jahr sein – ist der Boden insbesondere unter feuchten Verhältnissen hohen Druckbelastungen ausgesetzt. Die infolge dieser Druckbelastung verdichteten Böden weisen besonders in Fahrspurbereichen eine schlechtere vertikale Wasserführung auf; die Böden bleiben dort feuchter und es kann zu Staunässebereichen kommen. Dies kommt dem Anspruch der Gemeinen Rispe zusätzlich entgegen Gerade die Gülledüngung mit schweren Schleppern und Güllefässern unter feuchten Bedingungen im Herbst und Frühjahr, hat in den letzten 20 Jahren sicherlich maßgeblich zur Ausbreitung dieses ertragsschwachen Grases beigetragen. Von den Fahrspurbereichen kann sich die Gemeine Rispe dann über oberirdische Ausläufer in die Fläche ausbreiten und sukzessive hohe Flächenanteile einnehmen. Wie Untersuchungsergebnisse belegen, kann es insbesondere in den verdichteten Fahrspurbereichen zu einer stärkeren Ausbreitung der Gemeinen Rispe kommen (Abbildung 1).

Auf trockenen, flachgründigen und sandigen Standorten findet die Gemeine Rispe dagegen kaum optimale Wachstums- und Verbreitungsbedingungen. Als ein ausgesprochener Flachwurzler ist diese Rispenart auf eine gute Wasserversorgung im oberflächennahen Bodenhorizont angewiesen. Auf längere Trocken- und Hitzephasen reagiert sie daher mit deutlichen Wachstumsdepressionen bis hin zu Totalausfällen.

Grassorten in der Fahrspur

Abbildung 1: Ertragsanteil (%) von Bestandsbildnern im Grünland des zweiten Aufwuchses in Abhängigkeit von der Bodenbelastung beim ersten Schnitt (Neff, LLH 2013)

Futterwert hoch und doch niedrig

Zwar wird die Gemeine Rispe hinsichtlich ihres Futterwerts nach Klapp mit der Wertzahl 7 relativ hoch bewertet, dies wird dem eigentlichen Wert dieses Grases in der Grünlandpraxis heutzutage aber nicht gerecht. Auf Weideflächen wird sie von Rindern insbesondere im Sommer und Herbst aufgrund ihres muffigen Geruchs eher gemieden bzw. wieder aus dem Maul fallen gelassen. Das Hauptproblem ist aber, dass das Ertragsvermögen der Gemeinen Rispe um mindestens die Hälfte niedriger liegt, als das der wertvollen Kulturgräser wie Deutsches Weidelgras. Dies trifft insbesondere auf die Folgeaufwüchse nach der ersten Nutzung zu. Insofern muss der Futterwert der Gemeinen Rispe im Zusammenhang mit dessen Ertrags- bzw. Flächenanteilen beurteilt werden. Bei Ertragsanteilen über 20 Prozent sinkt der Futterwert dieser Rispenart auf maximal 4. Bei einem Flächenanteil von 20 Prozent an Gemeiner Rispe duldet, wird ein Ertragspotenzial von 8-10 dt/ha futterbaulich höherwertiger Kulturgräser vergeben.

Gemeine Rispe - ein Lückenfüller der Leiden schafft

Grünland in Deutschland unterliegt überwiegend der Schnittnutzung. Insbesondere das Deutsche Weidelgras ist ausgesprochen vielschnittverträglich. Aus arbeits- und betriebswirtschaftlichen Gründen werden aber auch Weidelgras betonte Grünlandbestände meist nicht häufiger als vier bis fünf Mal pro Jahr geschnitten. Bei solchen Nutzungsintensitäten ist jedoch nicht zu erwarten, dass sich durch die gesäten Kulturgräser wie das Deutsche Weidelgras, eine dichte, rasenartige Grasnarbe entwickelt. Anders als bei der Beweidung, ist die Bestockungsneigung des Deutschen Weidelgrases bei ausschließlicher Schnittnutzung deutlich geringer ausgeprägt. Die Bestände bleiben selbst bei relativ hohen Anteilen an Deutschem Weidelgras etwas locker bis lückig. Bei einem Blick auf die Grasstoppeln nach einem Schnitt wird dieser Zusammenhang deutlich. Unter diesen Nutzungsvoraussetzungen bleibt daher bei entsprechenden Standortverhältnissen immer noch genügend Platz für die Ausbreitung der Gemeine Rispe. Sie ist ein hervorragender, wenn auch unerwünschter Lückenfüller. Durch Auswinterungen der Kulturgräser oder durch tierische Schädlinge wie Mäuse, Maulwürfe oder Engerlinge sowie durch mechanische Belastungen beim Befahren, entstehen immer wieder mehr oder weniger große Lücken in der Grünlandnarbe. Diese können schnell von der Gemeinen Rispe besetzt werden, insbesondere dort, wo sie ohnehin schon in der Nähe ist. Dadurch erwecken viele Grünlandflächen auf den ersten Blick den Eindruck, dass sie eine dichte und intakte Grasnarbe ausgebildet haben.

Werden Bekämpfungsmaßnahmen gegen die Gemeine Rispe sowie Nachsaaten nur halbherzig, sporadisch oder gar nicht durchgeführt, kann dieses „Ungras“ auf entsprechenden Standorten derart überhandnehmen, dass die Wirtschaftlichkeit des Betriebsmittel- und Produktionstechnikeinsatzes in Frage gestellt ist. Auf solchen Flächen können weder Ertrag noch Qualität befriedigen; und das dauerhaft. Die damit zusammenhängende, äußerst unbefriedigende Nährstoffeffizienz sei in diesem Zusammenhang nur am Rande erwähnt.

Die Schwäche der Gemeinen Rispe nutzen

Die Schwäche der Gemeinen Rispe liegt im Hinblick auf ihre Bekämpfungsstrategie, in dessen flachen Wurzelsystem und der Empfindlichkeit gegenüber Trockenheit. Daher hat das intensive Herauskämmen mit geeigneten Grünlandstriegeln im Spätsommer (August bis Anfang September) während einer Trockenphase z.B. nach dem dritten Schnitt, den größten Effekt. Je nach Besatzstärke der Gemeinen Rispe kann ein 2 bis 3maliges scharfes Striegeln plus Nachsaat als Übersaat erforderlich sein. Nur durch das Schaffen von Lücken und das Anrauen der Bodenoberfläche können gute Bedingungen für die Keimung und Etablierung der Übersaat geschaffen werden. Die nachgesäten Gräser müssen sich in der bestehenden Altnarbe etablieren und durchsetzen. Deshalb haben Nachsaaten im Spätsommer meist einen größeren Effekt als im Frühjahr, da das Nachwuchsvermögen und damit die Konkurrenzkraft der Altnarbe ab August deutlich nachlassen.

Das Grünland kann nach intensivem Striegeln sehr dezimiert aussehen. Je lückiger aber der Bestand ist und je weniger kampfkräftige und Ausläufer treibende Pflanzenarten wie Gemeine Rispe, Flechtstraußgras, Quecke, Kriechender Hahnenfuß im Bestand sind, desto größer ist der Nachsaaterfolg.

Finden sich in Grünlandbeständen Anteile an Gemeiner Rispe und ggf. Flechtstraußgras von 20 bis über 50 Prozent, fallen durch scharfes mehrmaliges Striegeln oder Eggen so hohen Massen an, dass diese unbedingt geschwadet und abgefahren werden sollten. Dies verursacht zwar zusätzliche Kosten in Höhe von 40-45 €/ha (variable Maschinenkosten), ist aber erforderlich, damit zum einen die Nachsaaten sicher auf oder im Boden platziert werden können und zum anderen würden die herausgestriegelten Massen wie eine Mulchauflage wirken und die Regeneration der Altnarbe bzw. die Entwicklung der Nachsaaten behindern.

Wenn Gemeine Rispe vorne herausgestriegelt und hinten direkt wieder festgewalzt werden, so besteht Gefahr, dass ein Teil der sich vegetativ verbreitenden Pflanzenarten wieder anwächst. Letztlich hängt der Nachsaaterfolg in erster Linie von der Bodenfeuchte bzw. von den nachfolgenden Niederschlägen. Ohne Wasser keine Keimung und kein Wachstum!

Beweiden hilft

Auch eine intensive Beweidung kann sukzessive zu einem deutlichen Rückgang der Gemeinen Rispe beitragen. Dabei rupft das Vieh das oberflächlich durchwurzelnde Gras beim Weiden heraus. Oft wird die Gemeine Rispe dann wegen ihres muffigen Geruchs und Geschmacks wieder ausgespuckt und liegen gelassen. Durch den Tritt wird zudem der labile Rasenfilz dieses Grases zerstört.

Gemeine Rispe und Rinder

Oft wird die Gemeine Rispe (rot eingekreist) wegen ihres muffigen Geruchs und Geschmacks von Weidetieren wieder ausgespuckt und liegen gelassen

Gemeine Rispe erkennen – der erste Schritt zur Besserung

Die Gemeine Rispe ist ein sehr frühes Gras. Der Blütenstand ist ähnlich der im Grünland erwünschten Wiesenrispe (Poa pratensis), aber insgesamt lockerer und schwächer mit Ährchen besetzt. Es handelt sich um ein Untergras, das zahlreiche oberirdische und sich bewurzelnde Ausläufer sowie viele schmale, zugespitzte Blätter bildet. Dadurch kommt es zu einem dichten, rasenartigen Grasfilz, der insbesondere im Sommer und Herbst auffälliger ist. Da die Gemeine Rispe ein sehr flaches Wurzelsystem ausbildet, ist sie leicht mit den Fingern herauszureißen. Riecht man an einem herausgerissenen Grasfilz, so fällt meist der etwas muffige Geruch auf, der von abgestorbenen Blättern und Ausläufern herrührt. Rinder reißen die Gemeine Rispe beim Grasen zwar mit heraus, verschmähen diese aber wegen des unangenehmen Geruchs. Im Vergleich dazu lässt sich das Deutsche Weidelgras kaum mit der Wurzel herausziehen.

Die Gemeine Rispe hat keine Blattöhrchen und ein relativ langes und spitzes Blatthäutchen. Diese Merkmale sind aber insbesondere beim jungen Gras mit dem bloßen Auge schwer zu erkennen. Die Blätter haben wie andere Rispenarten eine Doppelrille auf der Blattspreite, die Blattunterseite ist glänzend. Die Blätter sind im unteren Bereich gefaltet und laufen nach oben hin spitz zu. Daher wird die Gemeine Rispe auch als „Spitzgras“ bezeichnet. Bei der erwünschten Wiesenrispe (Poa pratensis) ist die Blattspitze dagegen eher bootsbugförmig.

Das einigermaßen geübte Auge erkennt die Gemeine Rispe im Grünlandbestand meist anhand des dichten Filzes, wie es auf dem Schnittgrünland kaum eine andere Grasart ausbildet.

Fazit

Die Gemeine Rispe ist in unseren Breiten weithin als Problemgras bekannt. Sie ist bevorzugt auf frischen und ausreichend feuchten Standorten zu Hause und ist hervorragend an hohe Düngungs- und Nutzungsintensitäten des Wirtschaftsgrünlands angepasst. Aufgrund ihrer geringen Ertragsbildung hat die Gemeine Rispe einen geringen Futterwert, ist aber in der Lage, wertvolle Kulturgräser zu verdrängen. Weil sie so ein aggressiver „Lückenfüller“ auf dem Grünland ist, sollten Nachlässigkeiten in der Grünlandpflege keinen Raum haben. Dennoch wird diese unerwünschte Rispenart in der Grünlandpraxis oftmals nicht ausreichend wahrgenommen, im Bestand unterschätzt und nicht mit letzter Konsequenz bekämpft. Insbesondere auf Standorten mit günstigen Voraussetzungen für die Entwicklung und Verbreitung der Gemeinen Rispe, ist Kontinuität bei den prophylaktischen und direkten Bekämpfungsmaßnahmen unabdingbar - ein Aufwand und eine Investition die sich langfristig aber auszahlen.

Ein entscheidendes Plus hat derjenige, der in der Lage ist, die Pflanzenarten seines Grünlandes zu kennen, zu erkennen und bestimmen zu können. Nur wer weiß, was auf seinem Grünland wächst und warum, kann wirkungsvolle Strategien zur Bestandesoptimierung entwickeln und den Erfolg dieser Strategien beurteilen. Dies ist ein ganz wesentlicher Beitrag zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der grünlandbasierten Milchproduktion.

Autor: Hubert Kievelitz