NRW-Erklärung Caudophagie

Ferkel mit Ringelschwanz

Das „routinemäßige“ Kürzen der Schwänze von Saugferkeln wird in der konventionellen Tierhaltung bisher als wirksamste Methode gegen Schwanzbeißen angesehen, ist aber nach den EU-rechtlichen Vorschriften und den Vorgaben des deutschen Tierschutzgesetzes nur in begründeten Ausnahmefällen erlaubt. Da Schwanzbeißen jedoch auch bei Schweinen mit kupiertem Schwanz vorkommt, ist das Kupieren keinesfalls die generelle Lösung des Problems, denn die zugrundeliegenden multifaktoriellen Ursachen für ein Beißgeschehen werden dadurch nicht behoben.

Da im Sinne des Tierschutzes eine tiergerechtere Lösung für die Problematik des Schwanzbeißens gefunden werden muss, wurde im Februar 2014 zwischen dem damaligen Landwirtschaftsminister Johannes Remmel und den beiden Präsidenten der nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsverbände eine „Gemeinsame Erklärung zum Verzicht auf das ‚routinemäßige‘ Kürzen des Schwanzes bei Schweinen“ beschlossen. Um das Gesamtvorhaben fachlich und strategisch zu begleiten, wurde bei der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen eine Beratungs- und Koordinierungsstelle Caudophagie eingerichtet.

Die NRW-Erklärung gliedert sich in insgesamt drei Phasen. Begonnen wurde in der Phase 1 im Jahr 2014 mit einer Beratungs- und Informationsoffensive, um den derzeitigen Stand des Wissens zu diesem Thema in die Praxis zu tragen und ein Beratungskonzept zur Vermeidung von Caudophagie bei Schweinen zu erarbeiten. Dieses Beratungskonzept wurde in der Phase 2 im Jahr 2015 mit abgestimmten Maßnahmen in 15 Pilotbetrieben, die in definierten Tiergruppen auf das Kupieren der Schwänze verzichteten, erprobt. Im Rahmen der NRW-Erklärung wurde außerdem ein Leitfaden für Hoftierärzte, Berater und Landwirte zur Haltung unkupierter Schweine entwickelt. Dieser fand in der Phase 3 (2016/2017) Anwendung, in welcher 49 Betriebseinheiten bestehend aus 58 Betrieben bei Gruppen von bis zu 129 Tieren auf das Kupieren der Schwänze verzichteten. Sie wurden dabei federführend durch Berater der Landwirtschaftskammer NRW begleitet. Die Beratung der teilnehmenden Betriebe wurde durch das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Als weiterer Projektpartner unterstützte die REWE Zentral AG die beteiligten Betriebe der Phase 3 mit finanziellen Mitteln.

Um zusätzliche Erfahrungen zu sammeln, setzten 25 von 49 Betriebseinheiten aus der Phase 3 den Kupierverzicht mit einer größeren Tierzahl von bis zu 269 Ferkeln in einem Anschlussdurchgang fort. Insgesamt verbesserten sich die Ergebnisse im Vergleich zur vorangegangenen Phase 3 jedoch nicht, denn auch im Anschlussdurchgang erreichte keine Betriebseinheit die vom Beirat der NRW-Erklärung empfohlene Erfolgsquote von 95 % intakter Ringelschwänze am Ende der Mast.

Die Ergebnisse der NRW-Erklärung zeigen, dass momentan noch keine Empfehlung für einen flächendeckenden Kupierverzicht gegeben werden kann. Stattdessen ist es ratsam, sich systematisch mit dem Thema auseinanderzusetzen, betriebsindividuelle Risikoanalysen durchzuführen, mögliche Schwachstellen zu beseitigen und erst danach in enger Abstimmung mit fachkundigen Beratern mit einer kleinen Gruppe unkupierter Tiere Erfahrungen zu sammeln.

Nationaler Aktionsplan Kupierverzicht

Das Ziel der betriebsindividuellen Optimierung von Management und Haltungsbedingungen verfolgt auch der Nationale Aktionsplan Kupierverzicht. Das Auftreten von Schwanzbeißen soll reduziert und eine Ausgangsbasis geschaffen werden, um im nächsten Schritt Erfahrung mit kleinen Gruppen unkupierter Tiere zu sammeln und damit die Anzahl unkupierter Schweine in Deutschland schrittweise zu steigern.

Der Aktionsplan wurde im Jahr 2018 entwickelt, nachdem die EU-Kommission die Mitgliedstaaten im November 2017 aufgefordert hatte, zeitnah einen Maßnahmenplan zur Einhaltung der Rechtsvorschriften in Bezug auf das Schwänzekupieren beim Schwein vorzulegen.

Die Umsetzung des Nationalen Aktionsplans Kupierverzicht erfolgt auf Länderebene. Als erstes Bundesland hat NRW dazu bereits im November 2018 einen Erlass veröffentlicht. Ab dem 01.07.2019 muss jeder Schweinehalter, der Ferkel kupiert bzw. kupierte Tiere einstallt, die Unerlässlichkeit des Kupierens auf seinem Betrieb nachweisen. Dazu erfolgt eine Risikoanalyse, in deren Rahmen Schwanz- und Ohrverletzungen dokumentiert sowie geeignete Optimierungsmaßnahmen festgelegt und anschließend umgesetzt werden. Die Ergebnisse werden dann in Form einer Tierhalter-Erklärung zur Darlegung der Unerlässlichkeit gegenüber der zuständigen Behörde genutzt. Es wird empfohlen, die ausgefüllte Tierhalter-Erklärung bis zum 01.07.2019 in Eigeninitiative an das jeweils zuständige Veterinäramt zu schicken. Eine zweite Option sieht den Einstieg in den Kupierverzicht mit einer kleinen Gruppe unkupierter Tiere vor. Die Bemessung der Tierzahl erfolgt dabei proportional zur Zahl der Plätze in dem jeweils beteiligten Mastbetrieb. Es müssen jederzeit ein Prozent der Plätze im Mastbestand mit dauerhaft gekennzeichneten (z. B. mit einer farbigen Ohrmarke), unkupierten Tieren belegt sein. Bei dieser Option ist die Durchführung einer Risikoanalyse nicht zwingend vorgegeben, wird aber empfohlen.

Detailliertere Informationen rund um den Aktionsplan sowie die notwendigen Dokumente zu dessen Umsetzung finden Sie unter www.ringelschwanz.info, Rubrik „Weitere Informationen“. Für konkrete Fragen zur Umsetzung kontaktieren Sie gerne die Fachberater der Kreisstellen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

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