Landessortenversuche Winterroggen 2005

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Winterroggen

Gute Erträge, schlechte Qualitäten

Die Roggenerträge in diesem Jahr bewegten sich, nach ersten vorläufigen Ergebnissen aus der besonderen Ernteermittlung, in der Praxis im Mittel etwa auf Vorjahresniveau, allerdings mit größeren Schwankungsbreiten. Dr. Joachim Holz von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen berichtet vom Ausgang der Landessortenversuche.

In den Landessortenversuchen lagen die Erträge gegenüber dem Vorjahr deutlich um rund 9 % niedriger. Generell lag das für die Vermarktung wichtige Qualitätskriterium Fallzahl auf Grund der in diesem Jahr überwiegend verspäteten Ernte auf niedrigstem Niveau, so dass eine Brotroggenqualität nur in seltenen Fällen erzielt werden konnte. Der Mutterkornbesatz stellte kein größeres Problem dar.

Aus Tabelle 1 ist zu ersehen, dass der Roggenanbau in Nordrhein-Westfalen mittlerweile nur noch einen sehr bescheidenen Anbauumfang einnimmt. Im Vergleich zum Jahr 2000 hat die Roggenanbaufläche NRW-weit um fast 10 000 ha abgenommen. Besonders stark ist der Rückgang im Rheinland, hier hat sich die Anbaufläche gegenüber 2000 halbiert. Ertraglich zeigt sich im letzten siebenjährigen Betrachtungszeitraum in beiden Landesteilen kein Züchtungsfortschritt. Mittlerweile liegen in diesem Zeitraum nach den Ergebnissen der besonderen Erntermittlung (= BEE = Probedrusche von Praxisflächen) die Wintergerstenerträge wieder deutlich über dem Roggen. Dieses liegt zum Teil an der Verlagerung des Roggens von den besseren Ackerbaustandorten hin zu den leichteren, sandigen Standorten, auf denen der Roggen durch sein tiefreichendes, verzweigtes Wurzelsystem immer noch sichere und vergleichsweise gute Erträge garantiert. Witterungsbedingt unsichere Qualitätsauswirkungen sowohl auf die Fallzahlen, wie besonders deutlich in diesem Jahr, als auch auf einen möglichen stärkeren Mutterkornbesatz wirken sich für den Roggenanbauer schwer kalkulierbar auf die zu erzielenden Marktpreise aus. Diese sind, verglichen mit denen des Weizens und der Gerste, sowieso schon deutlich niedriger. Die je nach Standort nicht geringen erforderlichen variablen Intensitätskosten zur Ertragssicherung stellen vor diesem Gesamthintergrund die Rentabilität des Roggenanbaues, vor allem für die guten Ackerbauregionen in NRW, schnell in Frage. Zukünftig kann daher nur über weizenangepasste Erzeugerpreise ein betriebswirtschaftlich vernünftiger Anreiz vor allem für den Brotroggenanbau gegeben sein. Bundesweit sind versorgungsmäßig immer noch genügend Brotroggenpartien verfügbar. Andererseits sollten die äußerst positiven Fruchtfolgewirkungen des Roggens sowie seine große Ertragssicherheit, vor allem auf den Sandstandorten, nicht vergessen werden. Trotzdem dürfte es der Winterroggen vor dem Hintergrund der diesjährigen Ernteerfahrungen auch im Vergleich zur konkurrierenden Wintergerste schwer haben, sich noch mit der diesjährigen Anbaufläche in NRW zu behaupten.

Acht Landessortenversuche

Im Herbst 2004 wurden landesweit sechs Winterroggen-Landessortenversuche angelegt, von denen fünf auswertbar waren. Aus dem benachbarten Kammerbezirk Weser-Ems wurden zur weiteren Absicherung der Ergebnisse noch drei Versuche in die Auswertung einbezogen, so dass insgesamt acht Landessortenversuche sichere Aussagen über die Leistungen der geprüften Sorten in den verschiedenen Ackerbauregionen von NRW zulassen. Die Prüfung der Sorten erfolgte landesweit in zwei Intensitätsstufen, die Details dazu sind der Tabelle 2 zu entnehmen. Auch beim Winterroggen wurde in beiden Intensitätsvarianten die gleiche Stickstoffdüngung durchgeführt. Damit sollen   bei der betriebswirtschaftlichen Auswertung gegebenenfalls Sorten   herausgefiltert werden, die auf eine höhere Pflanzenschutzintensität nicht mehr wirtschaftlich lohnend mit ihren Ertragsleistungen reagieren.

Die diesjährigen Roggenerträge in den Landessortenversuchen stellten sich im Vergleich zum Vorjahr in ihrer ertragsstrukturellen Zusammensetzung, sicherlich witterungs- und vor allem bodenbedingt, je nach Anbauregion in NRW sehr differenziert dar, siehe Tabelle 3. Auf den drei Lehmstandorten in den Niederungslagen führten die niedrigeren Bestandesdichten, die niedrigeren Kornzahlen je Ähre sowie die niedrigeren Tausendkornmassen insgesamt zu den recht enttäuschenden Erträgen. Auf den Niederungslagen Sand waren die deutlich höheren Bestandesdichten hauptverantwortlich für die sehr guten Erträge, in den Höhenlagen waren dies die höheren Tausendkornmassen im Vergleich zum Vorjahr. Je nach Eintritt bestimmter Witterungsereignisse beziehungsweise -kalamitäten zu bestimmten sensiblen ertragsbeeinflussenden Entwicklungsstadien zeigt insbesondere der Roggen, innerhalb gewisser Grenzen, sehr gute Kompensationsleistungen hinsichtlich der unterschiedlich starken Ausprägung der drei verschiedenen Ertragsstrukturmerkmale.  

Die Ertragsleistungen der Sorten

In der Tabelle 4 sind die diesjährigen Ertragsleistungen der Sorten an den einzelnen Versuchsstandorten aufgeführt. Auch in diesem Anbaujahr haben die im Vorjahr empfohlenen Hybridroggensorten Treviso, Fernando, Avanti und Picasso wieder ihre guten Leistungen überwiegend bestätigt. Ascari enttäuschte auf allen Standortgruppen. Von den zweijährig geprüften Sorten zeigten Rasant und die sehr kurze und sehr standfeste Sorte Festus recht gute Leistungen. Deutliche Ertragsunterschiede zu den bereits älteren, mehrjährig geprüften Sorten sind nicht vorhanden. Besonderes Interesse von den erstjährig geprüften Sorten verdient die neue Hybridsorte Pollino, die über ein besonders starkes Pollenschüttungsvermögen verfügt, welches das Mutterkorn-Befallsrisiko auf das der alten Populationsroggensorten und darunter senkt. Deutlich bestätigte sich in diesem Jahr diese Eigenschaft auf dem Versuchsstandort Altenmellrich, auf dem die übrigen Hybridsorten zum Teil massiv mit Mutterkornsklerotien befallen waren.  

Der Sortenleistungstabelle 5 sind - als sichere Beurteilungsgrundlage für die nächstjährige Leistungsvorausschätzung der Sorten - die Erträge der Sorten aus den letzten vier Prüfjahren in den jeweiligen Anbauregionen zu entnehmen. Hier zeigen sich über die Jahre keine konstant deutlich differenzierten Leistungsunterschiede zwischen den oben aufgeführten Sorten. Ein in diesem Jahr mal wieder entscheidender Aspekt für die Vermarktung war die Fallzahlstabilität der Sorten, welche vor allem bei ungünstigen Vorernte-Witterungsbedingungen und bei verspäteter Ernte hohe Bedeutung gewinnt. In diesem Merkmal zeigten sich in den Versuchen deutlichere Unterschiede, die allerdings nur als Tendenzen zu verstehen sind, da es keine mehrjährigen, gesicherten Erfahrungen dazu gibt. Dabei zeigte sich die Sorte Fernando diesjährig als besonders fallzahlstabil, während die Sorten Picasso, Askari und, besonders stark, die Sorten Rasant und Festus schnell sinkende Fallzahlen aufwiesen, siehe Tabelle 5. Da jedoch die Fallzahlproblematik höchstens alle vier bis fünf Jahre verstärkt auftritt, ist es nicht empfehlenswert, allein dieses Merkmal als sortenwahlrelevant zu betrachten. In der Tabelle 6 sind die standortspezifischen Sortenempfehlungen zusammenfassend aufgeführt.

Wirtschaftlichkeit der Intensitätsstufen

Beim Vergleich der über alle Sorten gemittelten Ertragsleistungen in der niedrigen Intensitätsstufe B1 mit der höheren Intensitätsstufe B2 (Tabelle 4) ist festzustellen, dass, wie auch schon in den Vorjahren beim Winterroggen, die höhere Intensität zu deutlich wirtschaftlicheren Mehrerträgen führt. Im Erntejahr 2005 betrugen die Mehrerträge in B2, je nach Standort, zwischen 14 und 40 %, im Mittel 24 %, beziehungsweise rund 18 dt je ha. In der Sortenleistungstabelle 5 sind die Einstufungen der Sorten bezüglich Lager- und Krankheitsanfälligkeit aufgeführt. Dort wird deutlich, dass es mit Ausnahme der Sorte Festus keine andere in dem geprüften Sortiment gibt, die in allen, die Ertragssicherheit wesentlich beeinflussenden Merkmalen durchweg unproblematisch ist. Dieses zeigt sich auch in den Wirtschaftlichkeitsberechnungen der Tabelle 6. Hinsichtlich der bereinigten Marktleistung, dargestellt in € je ha, erzielt lediglich Festus in der Mehrzahl der Standorte schon die höchste bereinigte Marktleistung in der niedrigen Intensitätsstufe B1. Dieses Ergebnis eröffnet damit zumindest tendenziell bei dieser Sorte die Möglichkeit, auf einem niedrigeren Intensitätsniveau schon vergleichsweise hochwirtschaftliche Erträge zu erzielen.  

Hinweise zur Aussaat

Schon bei der Aussaat des Roggens ist an die potenzielle Mutterkorngefahr zu denken.   Der Mutterkornbefall ist pflanzenbaulich über Spritzmaßnahmen nicht oder nur sehr eingeschränkt zu reduzieren. Alle acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen, die einen gleichmäßigen, ausreichend dichten Bestand und eine Pflanzenentwicklung ohne Zwiewuchsbildung bis zum gleichmäßigen Abschluss der Blüte gewährleisten, können einen stärkeren Befall eindämmen. Insbesondere zu spät gesäte, lückig aufgelaufene Bestände mit stärkerem Zwiewuchs (Nachschosser) weisen unter mutterkornfördernden Witterungsbedingungen sehr starken Befall auf. Die Blüte verläuft dann nur sehr verzögert über einen langen Zeitraum mit insgesamt geringem Pollendruck. Auch Auswinterungskalamitäten, wie Hochfrieren und Wurzelabrissen können zu Bestandesausdünnungen und ungleichmäßiger Pflanzenentwicklung mit Nachschossergefahr führen.

Um diesen Gefahren vorzubeugen, muss für ein gut abgesetztes Saatbett bei trockener Grundbodenbearbeitung gesorgt werden. Die Saattiefe mit etwa 2 cm ist besonders beim Roggen für einen hohen und gleichmäßigen Feldaufgang wichtig. Die anzulegenden Fahrgassen dürfen nicht zu schmal gehalten werden, da bei späteren Durchfahrten mit breiteren Reifen die Randreihen niedergefahren werden. Aus diesen können sich später Zwiewuchspflanzen mit Blühverzögerungen und höherer Mutterkorninfektionsgefahr entwickeln. Zusätzlich kann über unmittelbare Infektion der Nachbarpflanzen (Honigtau, Blattlausübertragung) der Befall   weiter erhöht werden (Sekundärinfektionsweg). Trotz des teureren Hybrid-Saatgutes sollte die Aussaatstärke beim Winterroggen nicht zu stark reduziert werden, da sich dann bei zu starker Bestockung dieser per se schon sehr bestockungsfreudigen Getreideart zu viele Triebe höherer Ordnung ausbilden. Diese Triebe gelangen entsprechend erst später in die Blüte und können zu den oben geschilderten Folgen führen. In der Tabelle 8 sind, standortspezifisch orientiert, die Saatmengen- und Saatstärkenempfehlungen für Winterroggen auf der Grundlage vieljähriger Ertragsstrukturuntersuchungen der Landessortenversuche aufgeführt.

Autor: Dr. Joachim Holz