Landessortenversuche Winterroggen 2007

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Winterroggen

Winterroggen: Erträge enttäuschend

Die Roggenerträge fielen in diesem Jahr in Nordrhein-Westfalen sehr enttäuschend aus. Dieses war den Beständen, sowohl in den Versuchen als auch in der Praxis, so nicht anzusehen. Zum Teil lagen auch die Fallzahlen auf einem niedrigeren Niveau. Der Mutterkornbesatz stellte in diesem Jahr meist keine Probleme dar, so dass eine noch gute Brotroggenqualität erzielt werden konnte. Dr. Joachim Holz, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, gibt einen Überblick über die Sorten.

Nach Jahren sinkender Roggenanbauflächen in NRW ist in diesem Jahr wieder ein leichter Aufwärtstrend erkennbar (Tabelle 1). Angesichts der europaweiten Knappheit folgen die Erzeugerpreise denen des Weizens, so dass der Roggenanbau auch wieder lohnt. Auch ackerbaulich ist dies zu begrüßen, damit die äußerst positive Fruchtfolgewirkung des Roggens genutzt werden kann. Im Ertrag zeigt sich im achtjährigen Vergleich kein Züchtungsfortschritt. Dieses liegt zum Teil auch an der Verlagerung des Roggens von den besseren Standorten hin auf die leichteren, sandigen Standorte, auf denen der Roggen durch sein tief reichendes, verzweigtes Wurzelsystem immer noch sichere und vergleichsweise gute bis sehr Erträge garantiert. Züchterisch gesehen lag der Schwerpunkt der Sortenentwicklung in den letzten Jahren eher auf der Verringerung der Mutterkornanfälligkeit sowie der Verbesserung der Braunrostresistenzen.

In den Versuchen wie auch der Praxis waren in diesem Jahr erhebliche Ertragsminderungen hinzunehmen. Hauptursache dafür waren die deutlich niedrigeren Bestandesdichten und auch die Tausendkornmassen (Tabelle 3). Bedingt durch den extrem trockenen April bildeten sich nach dem Wiederbefeuchtung der Böden sehr viele Nachschosser in den Beständen, die häufig nicht mehr die Körner voll ausbilden konnten. So erklären sich die deutlich niedrigeren TKM. Schartigkeit war in diesem Jahr kein großes Problem. Im Mittel der Versuchsstandorte waren gegenüber dem Vorjahr rund 15 % niedrigere Erträge hinzunehmen. Die Schwankungen reichten von -2 % in den Übergangslagen bis hin zu erstaunlichen   -18 % auf den Sandstandorten. Auf den Lehmstandorten waren rund 10 % Minderertrag zu verzeichnen.

Für die Vermarktung profitabler Brotroggenqualitäten sollten bei der Sortenwahl neben den Erträgen auch die Fallzahlstabilität und die Mutterkornanfälligkeit beachtet werden.

Die Landessortenversuche

Im Herbst 2006 wurden landesweit fünf Winterroggen-Landessortenversuche angelegt. Aus dem Kammerbezirk Niedersachsen konnten noch vier Versuche in die Auswertung einbezogen werden, so dass insgesamt neun Landessortenversuche sichere Aussagen über die Leistungen der Sorten zulassen. Wegen der gegenüber den Populationssorten deutlich besseren Erträge der Hybridsorten wurden nur noch diese Sorten geprüft.

Die Prüfung der Sorten erfolgte landesweit in zwei Intensitätsstufen, siehe Tabelle 2. Die höheren Intensitätskosten in der Stufe B2 erforderten bei einem unterstellten Erzeugerpreis von 17 € je dt einen Mindestmehrertrag von 6,6 dt je ha. Bei den aktuell höheren Erzeugerpreisen sinkt der erforderliche Mindestmehrertrag nochmals deutlich. Wie aus den unteren Zeilen von Tabelle 4 deutlich zu sehen ist, konnten im Mittel der Sorten an allen Versuchsstandorten durch die höhere Intensität wirtschaftliche Mehrerträge erzielt werden. Sie lagen bei rund 30 % gegenüber der niedrigeren Intensitätsstufe.

Erträge der Sorten

In Tabelle 4 sind die Erträge der Sorten aufgeführt. Von den mehrjährig geprüften Sorten zeigten die etwas neueren Sorten Amato und Rasant häufiger überdurchschnittliche Erträge. Auch die neuere Sorten Visello, die über eine ausgesprochene Mutterkornwiderstandsfähigkeit verfügt, konnte häufig noch befriedigen. Bei den erst einjährig geprüften Sorten Placido und Balistic scheint sich züchtungsbedingt ein Ertragssprung abzuzeichnen. Diese beiden Sorten, die ebenfalls über eine geringere Mutterkornanfälligkeit verfügen, konnten an allen Standorten überdurchschnittliche Erträge erzielen, welches gerade unter den diesjährigen extremen Witterungsbedingungen sehr bemerkenswert ist.

Der Sortenleistungstabelle 5 sind - als sichere Beurteilungsgrundlage für die nächstjährige Leistungsschätzung der Sorten - die Erträge der Sorten aus den letzten fünf Prüfjahren in den jeweiligen Anbauregionen zu entnehmen. Hinzuweisen ist auf das Merkmal Fallzahlstabilität, das auf Grund der in vergangenen Jahren ermittelten Fallzahlen zu einer eigenen Einschätzung geführt hat. In der Tabelle 6 sind die standortspezifischen Sortenempfehlungen zusammenfassend aufgeführt.

Wirtschaftlichkeit der Intensitätsstufen

Bereits im dritten Jahr wird in den beiden Intensitätsvarianten B1 und B2 der Landessortenversuche die Stickstoffdüngung einheitlich durchgeführt. Dieses ermöglicht die Beantwortung der Frage, ob es Sorten gibt, die auf Grund ihrer besseren Gesundheit sowie Standfestigkeitsmerkmale einen verhalteneren Fungizid- und Wachstumsreglereinsatz benötigen. Da schon in jeweils einem Jahr bei einer Sorte, je nach Standort und Ertragsbedingungen, mal in der B1, mal in der B2-Variante die höchste bereinigte Marktleistung erzielt wird und in mehreren Jahren weitere Schwankungen hinzukommen, lassen sich allerdings nur sortenspezifische Tendenzen bezüglich der Behandlungsbedürftigkeit ableiten.

Das dafür herangezogene Beurteilungskriterium bereinigte Marktleistung ist das Ergebnis aus dem Ertrag multipliziert mit dem Erzeugerpreis abzüglich der jeweils in B1 und B2 vorhandenen variablen Kosten für Überfahrten, Wachstumsregler, Fungizide und Stickstoff (Tabelle 3).

Aus der Abbildung lassen sich folgende Aussagen ableiten: Im Unterschied zu den anderen Getreidearten, wie Weizen und Gerste, zeigen alle Roggensorten bis auf die sehr standfeste Sorte Festus, dass sie fast ausschließlich in der höheren Intensitätsstufe B2 auch die höchsten bereinigten Marktleistungen erzielen. Zwischen den Sorten liegen nur geringe Unterschiede vor.

Beschreibung der empfohlenen Sorten

Amato: Sorte mit konstant überdurchschnittlichen Erträgen in allen Anbauregionen. Qualität: Fallzahl und Fallzahlstabilität unterdurchschnittlich, sicheres Erzielen einer Brotroggenqualität nicht immer möglich. Die Ertragsbildung erfolgt über eine durchschnittliche Bestandesdichte, eine leicht überdurchschnittliche Kornzahlen je Ähre sowie eine überdurchschnittlich hohe TKM. Agronomische Merkmale: Längere Sorte mit hoher Lagerneigung, was pflanzenbaulich Berücksichtigung finden muss. Vorsicht auf Standorten mit hoher unkalkulierbarer N-Nachlieferung (Güllestandorte). Besonderheiten: Sorte mit höherer Mutterkornanfälligkeit und stärkerem Rhynchosporiumbefall auf einigen Standorten. Empfehlung: Für   alle Standorte gut geeignet, eher für die Futterroggenerzeugung.

Rasant: Sorte mit gutem konstant überdurchschnittlichem Ertrag. Qualität: Fallzahl und Fallzahlstabilität unterdurchschnittlich, sicheres Erzielen einer Brotroggenqualität nicht gesichert möglich. Ertragsbildung über eine durchschnittliche Bestandesdichte, leicht überdurchschnittliche Kornzahlen je Ähre sowie eine überdurchschnittlich hohe TKM. Agronomische Merkmale: Mehltauanfällige Sorte. Besonderheiten: Ausgangs des Winters etwas kriechender Wuchs, etwas heller in der Blattfarbe, was nicht zu einer erhöhten N- Gabe verleiten sollte. Empfehlung: Eingeschränkt für Löß- und Lehmstandorte, auf Lehm-Übergangs und Höhenlagen gut geeignet. Anbau eher für die Futtererzeugung.

Askari: Sorte mit im Mittel durchschnittlichem Ertrag und stärkeren Streuungen. Wegen mangelnder Fallzahlstabilität je nach Jahr keine sichere Brotroggenqualität erzielbar. Ertragsbildung erfolgt über höhere Bestandesdichte sowie einer hohen Kornzahl je Ähre und einer unterdurchschnittlichen TKM. Agronomische Merkmale: Erhöhte Anfälligkeit gegenüber Rhynchosporium, 2007 auch stark Braunrost. Besonderheiten: Trotz höherer Länge relativ standfest. Empfehlung: Bei eigenen noch guten Anbauerfahrungen auf Sand- und Übergangs- sowie Höhenlagenstandorten eher für die Futterroggenerzeugung.

Visello: Im Mittel leicht überdurchschnittliche und recht konstante Erträge. Qualität: Hohe Fallzahl und hohe Fallzahlstabilität verbunden mit sehr niedriger Mutterkornanfälligkeit prädestinieren diese Sorte für die sichere Brotroggenerzeugung. Ertragsbildung erfolgt über hohe Bestandesdichte sowie eine mittlere Kornzahl je Ähre und TKM. Agronomische Merkmale: Relativ blattgesunde, kürzere, steilwüchsige Sorte, tendenziell etwas früher reif. Im vergangenem Jahr etwas höhere Lagerneigung. 2007 etwas stärkerer Mehltaubefall, sehr wenig Braunrost. Besonderheiten: Sorte mit IRAN IX-Gen zur Reduzierung des Mutterkornbefalles (PollenPlus-Technologie). Empfehlung: Zweijährig geprüfte Sorte für alle Standorte zur Brotroggenerzeugung.

Hinweise zur Aussaat

Schon bei der Aussaat des Roggens ist an die potentielle Mutterkorngefahr zu denken. Der Mutterkornbefall ist über Spritzmaßnahmen nicht oder nur sehr eingeschränkt zu reduzieren. Alle acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen, die einen gleichmäßigen, ausreichend dichten Bestand und eine Pflanzenentwicklung ohne Zwiewuchs bis zum gleichmäßigen Abschluss der Blüte gewährleisten, können einen stärkeren Befall eindämmen. Darüber hinaus gewährleistet solch ein Bestand eine gleichmäßigere Bekörnung der Ähren mit geringer Schartigkeit. Insbesondere zu spät gesäte, lückig aufgelaufene Bestände mit stärkerem Zwiewuchs (Nachschosser) weisen bei mutterkornfördernden Witterung besonders starken Befall auf. Die Blüte verläuft nur sehr verzögert über einen langen Zeitraum mit insgesamt geringem Pollendruck. Auch Auswinterungsprobleme wie Hochfrieren und Wurzelabrissen können zu Ausdünnungen und ungleichmäßiger Pflanzenentwicklung mit Nachschossern führen. Das Jahr 2007 zeigte dieses in Form geringer Kornausbildung mit entsprechend niedrigen TKM.

Um diesen Gefahren vorzubeugen, muss für ein gut abgesetztes Saatbett bei trockener Grundbodenbearbeitung gesorgt werden. Die Saattiefe mit etwa 2 cm ist besonders beim Roggen für einen hohen und gleichmäßigen Feldaufgang wichtig. Die anzulegenden Fahrgassen dürfen nicht zu schmal gehalten werden, da bei späteren Durchfahrten mit breiteren Reifen die Randreihen niedergefahren werden. Aus diesen können sich später Zwiewuchspflanzen mit Blühverzögerungen und höherer Mutterkorngefahr entwickeln. Zusätzlich kann über eine unmittelbare Infektion der Nachbarpflanzen zum Beispiel durch Honigtau und Blattlausübertragung der Befall   weiter erhöht werden.

Trotz des teureren Hybrid-Saatgutes sollte die Aussaatstärke beim Winterroggen nicht zu stark reduziert werden, da sich dann bei zu starker Bestockung dieser ohnehin schon sehr bestockungsfreudigen Getreideart zu viele Triebe höherer Ordnung ausbilden. Diese Triebe gelangen erst später in die Blüte und können zu den oben geschilderten Folgen führen. In Tabelle 7 sind die Empfehlungen für Winterroggen nach Standorten auf der Grundlage vieljähriger Ertragsstrukturuntersuchungen der Landessortenversuche aufgeführt.

Autor: Dr. Joachim Holz, Heinz Koch