Landessortenversuche Winterroggen 2008

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Winterroggen

Hohe Erträge, selten noch hohe Brotroggenqualität

Die Witterung führte auch beim Winterroggen zu sehr hohen Erträgen. Allerdings waren an einzelnen Standorten die Witterungsbedingungen vor und zur Ernte so ungünstig, dass sich nach der Milchreife keine ausgeprägte sekundäre Keimruhe einstellen konnte. Infolge der niedrigen Fallzahlen wurden so nicht immer Brotroggenqualitäten erzielt, Preisabzüge waren die Folge. Das sehr hohe Ertragsniveau ließ sich damit nicht in maximale Marktleistung umsetzen, wie Dr. Joachim Holz berichtet.

Nach ersten vorläufigen Schätzungen ist die Roggenanbaufläche in NRW im aktuellen Anbaujahr gegenüber dem Vorjahr um rund 2 000 ha zurückgegangen (Tabelle 1). Dieses lag zum Teil an der schwierigen Saatgutversorgung im Vorjahr. Inwieweit sich die diesjährige Erfahrung mit der Fallzahlproblematik auf die Anbauentscheidung auswirken wird, kann nur gemutmaßt werden. Zumindest ist der Roggen in dieser Hinsicht generell mit einem größeren, pflanzenbaulich nicht zu beeinflussenden Qualitätsrisiko behaftet. Auf Grund nun mehrjährig vorliegender Fallzahlergebnisse ist diesjährig erstmals eine Einschätzung zur Fallzahlstabilität der Roggensorten vorgenommen worden, welche als Sortenwahlkriterium   zusätzlich berücksichtigt werden sollte (Tabelle 6). Acker- und pflanzenbaulich betrachtet zählt Roggen zu den wertvollen Fruchtfolgegliedern.

Ertraglich zeigt sich im neunjährigen Betrachtungszeitraum kein Fortschritt. Dieses liegt zum Teil auch an der Verlagerung des Roggens von den besseren Ackerbaustandorten auf leichtere, sandige Standorte, auf denen der Roggen durch sein tiefreichendes, verzweigtes Wurzelsystem immer noch sichere und vergleichsweise gute bis sehr Erträge garantiert. Züchterisch gesehen stand in den letzten Jahren die Verringerung der Mutterkornanfälligkeit sowie der Verbesserung der Braunrostresistenzen im Mittelpunkt. Die so genannte Pollen-Plus-Technologie, speziell der KWS-Lochow-Roggensorten, ist hierfür ein erfolgreiches Beispiel.

In den Landessortenversuchen konnten gegenüber dem Vorjahr im Mittel rund 27 % höhere Erträge erzielt werden, während das Fallzahlniveau im Mittel der Sorten bei lediglich 130 Sekunden lag. Im Vorjahr bewegten sich die Fallzahlen im Mittel um 230 Sekunden.

Hauptursache für die hohen Erträge (Tabelle 3) auf den Lehmstandorten waren die gegenüber den Vorjahren deutlich höheren Kornzahlen je Ähre bei recht hohen Tausendkornmassen. Die im Herbst problematischen Saatbedingungen zeigen sich in den niedrigen Bestandesdichten, die aber durch die anderen Ertragskomponenten durch die optimalen Witterungsverhältnisse nach Winter mehr als kompensiert wurden. Wenn auf den Sandstandorten gleichmäßig verteilte Niederschlagsverhältnisse vorliegen, können hervorragende Erträge auch bei relativ geringen Bestandesdichten erzielt werden. Insbesondere die hohen Tausendkornmassen haben in diesem Jahr das hohe Ertragsniveau bedingt.

Die Landessortenversuche

Im Herbst 2007 wurden landesweit vier Winterroggen-Landessortenversuche angelegt, von denen alle auswertbar sind. Aus dem benachbarten Kammerbezirk Niedersachsen konnten zur Absicherung der Ergebnisse noch vier weitere Versuche in die Gesamtauswertung einbezogen werden, sodass insgesamt acht Landessortenversuche sichere Aussagen über die geprüften Sorten zulassen.

Die Prüfung der Sorten erfolgte wie üblich landesweit in zwei Intensitätsstufen, die Details dazu sind der Tabelle 2 zu entnehmen. Die höheren Intensitätskosten in der Stufe B2 erforderten bei einem unterstellten Erzeugerpreis von 17 € je dt einen Mindestmehrertrag von 6,0 dt je ha. Wie aus Tabelle 4 in den unteren Zeilen deutlich zu ersehen, konnten im Mittel der Sorten an allen Standorten durch die höhere Intensität wirtschaftliche Mehrerträge erzielt werden. Im Mittel aller Standorte lagen die Mehrerträge bei rund 17 % gegenüber der niedrigeren Intensitätsstufe.

Die Erträge der Sorten

In der Tabelle 4 sind die diesjährigen Erträge an den einzelnen Versuchsstandorten aufgeführt. Von den mehrjährig geprüften Sorten zeigt die Pollen-Plus Sorte Visello, die genetisch bedingt über eine ausgesprochen geringe Mutterkornanfälligkeit verfügt, herausragend stabile überdurchschnittliche Erträge über alle Standorte. Die zweijährig geprüften Sorten Placido und Balistic konnten ihre vorjährig guten Ertragsleistungen in diesem Jahr bestätigen. Von den erstmals geprüften Sorten deuten sich keine ausgesprochenen Überflieger an. Bemerkenswert ist der mittlerweile doch sehr deutliche Ertragsabstand einer Populationssorte zu den Hybrid-Spitzensorten, der im Mittel rund 15 % beträgt. In der Tabelle 5 sind die mehrjährigen Ertragsergebnisse als sichere Beurteilungsgrundlage der Sorten in den verschiedenen Anbauregionen aufgeführt.

Unter zusätzlicher Beachtung der sich stärker differenzierenden Fallzahlstabilität der Sorten (Tabelle 6) als auch der Mutterkornanfälligkeit ergeben sich die in der Tabelle 7 für die jeweiligen Anbaugebiete aufgeführten Sortenempfehlungen.

Wirtschaftlichkeit der Intensitätsstufen - Sortenreaktionen

Bereits im vierten Jahr wird in den beiden Intensitätsvarianten B1 und B2 der Landessortenversuche die Stickstoffdüngung einheitlich durchgeführt. Dieses ermöglicht die Beantwortung der Frage, ob es Sorten gibt, die auf Grund ihrer besseren Gesundheit sowie Standfestigkeit, welche insbesondere für den Roggen ein sehr wichtiges Merkmal ist, insgesamt einen verhalteneren fungiziden Pflanzenschutz sowie Wachstumsreglereinsatz benötigen. Wie in der Praxis, so auch in den Versuchen, werden schon in jeweils einem Jahr bei einer Sorte, je nach Standort und Ertragsbedingungen mal in der B1-, mal in der B2-Variante die höchsten bereinigten Marktleistungen erzielt. In mehreren Jahren kommen weitere Schwankungen hinzu. Daher lassen sich nur sortenspezifische Tendenzen bezüglich ihrer  Behandlungsbedürftigkeit ableiten.

Die bereinigte Marktleistung ist das rechnerische Produkt aus dem Ertrag und dem Erzeugerpreis abzüglich der jeweils in B1 und B2 vorhandenen variablen Kosten für Überfahrten, Wachstumsregler, Fungizide und Stickstoff (Tabelle 2).

Aus der beiden Abbildungen lassen sich sowohl bei mehr- als auch diesjähriger Betrachtung folgende Aussagen ableiten. Von jeder Sorte wurde von jedem Standort aus den letzten drei Jahren die entweder in der B1- oder in der B2-Intensitätsstufe vorliegende höchste Bereinigte Marktleistung gemittelt (Säulen im Diagramm). Die jeweils der höchsten Marktleistung zugeordnete Intensitätsstufe als Ziffer – 1 oder 2 – wurde ebenfalls gemittelt, siehe die Punktemarkierung im Diagramm. Wenn in einem Versuchsjahr also überwiegend aus der Behandlungsstufe B1 die höchste bereinigte Marktleistung bei einer Sorte erzielt wurde, ergibt sich ein niedriger Behandlungsindex beziehungsweise ein Behandlungsanspruch von 1,1 bis 1,4. Wenn sich dieses über mehrere Jahre bei der gleichen Sorte so zeigt, lässt sich tendenziell daraus ableiten, dass diese Sorte eine niedrigere Behandlungsintensität benötigt, um die höchsten bereinigten Marktleistungen zu erzielen.

Alle Roggensorten zeigen einheitlich in der Tendenz, dass eine höhere Behandlungsintensität in der Produktionstechnik erforderlich ist. Nur dann sind die höheren bereinigten Marktleistungen erzielbar. Die mehrjährigen Ergebnisse zeigen, dass es zwischen den Sorten je nach Jahr nur graduelle, aber pflanzenbaulich nicht nutzbare Unterschiede gibt.

Beschreibung der empfohlenen Sorten

Amato: Sorte mit im Mittel recht konstant überdurchschnittlichen aber etwas stärker streuenden Erträgen in allen Anbauregionen. Qualität: Fallzahl und Fallzahlstabilität unterdurchschnittlich, sicheres Erzielen einer Brotroggenqualität nicht immer möglich. Etwas höhere Mutterkornanfälligkeit. Ertragsbildung erfolgt über eine durchschnittliche Bestandesdichte, eine leicht überdurchschnittliche Kornzahle je Ähre sowie eine überdurchschnittlich hohe TKM. Längere Sorte mit höherer Lagerneigung, was pflanzenbaulich Berücksichtigung finden muss. Vorsicht auf Standorten mit hoher unkalkulierbarer N-Nachlieferung (Güllestandorte). In der Blattfarbe etwas heller, Sorte mit stärkerem Rhynchosporiumbefall auf einigen Standorten. Empfehlung :Für   Lehmstandorte noch bei eigenen zufrieden stellenden Anbauerfahrungen, auf Sand gesichert besser und zu empfehlen.

Visello: Im Mittel leicht überdurchschnittliche und recht konstante Erträge. Qualität: Hohe Fallzahl und hohe Fallzahlstabilität, verbunden mit sehr niedriger Mutterkornanfälligkeit prädestiniert diese Sorte für die sichere Brotroggenerzeugung. Ertragsbildung erfolgt über hohe Bestandesdichte sowie eine mittlere Kornzahl je Ähre und TKM. Relativ blattgesunde, kürzere, steilwüchsige Sorte, tendenziell etwas früher reif. Im vergangenem Jahr etwas höhere Lagerneigung. 2007 etwas stärkerer Mehltaubefall, 2008 einzelstandörtlich etwas mehr Braunrost. Sorte mit IRAN IX-Gen, zur Reduzierung des Mutterkornbefalles (PollenPlus-Technologie). Empfehlung: für alle Standorte zur Brotroggenerzeugung.

Placido: Zeigte schon in den Wertprüfungen aber zweijährig auch in den Landessortenversuchen unter allen Standortbedingungen sehr gute und sichere Erträge. Qualität: Sehr hohe und sehr stabile Fallzahlen, gegenüber Visello leicht erhöhte Mutterkornanfälligkeit, keine Pollen Plus-Sorte! Ertragsbildung erfolgt über sehr hohe Bestandesdichte sowie mittlere Kornzahl je Ähre und Tausendkornmasse. Da diese Sorte über keine Pollen Plus-Eigenschaft verfügt, wird sie züchterseits nicht weiter verfolgt. Ähnlich wie Visello, eine Sorte ohne herausragende Probleme, steilwüchsiger, dunkler in der Blattfarbe, zeigte sich 2008 überwiegend sehr gesund und standfest.  Empfehlung: zum Testen für alle Standorte (siehe Besonderheiten).

Hinweise zur Aussaat

Potenziell ist immer noch das Mutterkornrisiko zu beachten. Alle acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen, die einen gleichmäßigen, ausreichend dichten Bestand und eine Pflanzenentwicklung ohne Zwiewuchsbildung bis zum gleichmäßigen Abschluss der Blüte gewährleisten, können einen stärkeren Befallsdruck eindämmen. Darüber hinaus gewährleistet solch ein Bestand eine gleichmäßigere Bekörnung der Ähren mit geringer Schartigkeit. Zu spät gesäte, lückig aufgelaufene Bestände mit stärkerem Zwiewuchs (Nachschosser) weisen unter mutterkornfördernden Witterungsbedingungen besonders starken Befall auf. Die Blüte verläuft nur sehr verzögert über einen langen Zeitraum mit insgesamt geringem Pollendruck. Auch Auswinterungsschäden wie Hochfrieren und Wurzelabrissen können zu Bestandesausdünnungen und ungleichmäßiger Pflanzenentwicklung mit Nachschossergefahr führen.

Ein gut abgesetztes Saatbett bei trockener Grundbodenbearbeitung ist Grundvoraussetzung. Die Saattiefe mit maximal 2 cm ist beim Roggen für einen hohen und gleichmäßigen Feldaufgang wichtig. Die anzulegenden Fahrgassen dürfen nicht zu schmal gehalten werden, da bei späteren Durchfahrten mit breiteren Reifen die Randreihen niedergefahren werden. Aus diesen können sich später auch wieder Zwiewuchspflanzen mit Blühverzögerungen und höherer Mutterkorninfektionsgefahr entwickeln. Zusätzlich kann über unmittelbare Infektion der Nachbarpflanzen durch Honigtau und Blattlausübertragung der Befall   weiter erhöht werden.

Trotz des teureren Hybrid-Saatgutes sollte die Aussaatstärke beim Winterroggen nicht zu stark reduziert werden, da sich bei dann zu starker Bestockung dieser per se schon sehr bestockungsfreudigen Getreideart zu viele Triebe höherer Ordnung ausbilden. Diese Triebe gelangen entsprechend später erst in die Blüte und können zu den geschilderten Folgen führen.

In der Tabelle 8 sind - regionspezifisch orientiert - die Saatmengen- und Saatstärkenempfehlungen für Winterroggen auf der Grundlage mehrjähriger Ertragsuntersuchungen aus den Landessortenversuchen aufgeführt. Genauere Saatmengenberechnungen lassen sich natürlich bei Vorhandensein eigener Ermittlungen und Erfahrungen kalkulieren.

Autor: Dr. Joachim Holz