Landessortenversuche Winterroggen 2011

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Winterroggen

Erträge noch gut, Fallzahlen litten

Nach ersten vorläufigen Ergebnissen der Besonderen Ernteermittlung für NRW konnte bei der Roggenernte mit 55,9 dt je ha ein gegenüber dem Vorjahr um 3 % leicht besseres Ergebnis erzielt werden. In den Landessortenversuchen, allerdings auf einem deutlich höheren Ertragsniveau, war mit 86,2 dt je ha gegenüber dem Vorjahr jedoch ein Minderertrag von 6 % hinzunehmen. Dr. Joachim Holz und Heinz Koch, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, haben die Zahlen ausgewertet.

Mit 17 670 ha verzeichnete die Roggenanbaufläche landesweit ein leichtes Plus von 1 600 ha gegenüber dem Vorjahr. Sowohl im Rheinland mit 2 800 ha als auch in Westfalen-Lippe mit 14 831 ha wurden die Anbauflächen erhöht. Der Anbauanteil des Roggens an der Getreidefläche insgesamt, inklusive Winterraps, beträgt in Westfalen-Lippe 3,5 %, im Rheinland 1,7 %. Acker- und pflanzenbaulich betrachtet, zählt Roggen zu den wertvollen Fruchtfolgegliedern, wie in vielen Fruchtfolgeversuchen immer wieder eindeutig nachgewiesen. Hinzu kommt, dass die früher häufiger auftretende Mutterkornproblematik mit einem generell höheren Erzeugungsrisiko verbunden war. Durch die bereits seit mehreren Jahren verfügbaren neueren Winterroggensorten mit einem deutlich verbesserten Pollenschüttungsvermögen ist das Mutterkornrisiko auf ein Minimum reduziert. Die Pollen-Plus-Technologie, speziell der KWS-Lochow-Roggensorten, ist hierfür ein Beispiel. Bleibt als weiterer Risikofaktor noch die vergleichsweise geringere Fallzahlstabilität bei dieser Getreideart. Allerdings sind unterhalb der preisabschlagsfreien 180 Sekunden-Fallzahlgrenze bäckereitechnologisch noch keine Probleme bis etwa 140 Sekunden gegeben.

Insbesondere auf den leichteren, sandigen Standorten, auf denen der Roggen durch sein tiefreichendes, verzweigtes Wurzelsystem immer noch sichere und vergleichsweise gute bis sehr gute Erträge garantiert, hat sein Anbau nach wie vor größere Bedeutung. Dieses zeigt auch der Vergleich der bereinigten Marktleistungen, ausgedrückt in € je ha, aus den Landessortenversuchen von Winterweizen, Triticale und Winterroggen auf den Sandstandorten. In den Jahren 2006 bis 2011 war der Roggen dem direkt konkurrierenden Fruchtfolgeglied Triticale immer sehr deutlich überlegen, mit dem Winterweizen in der Regel mindestens auf gleichem Niveau, je nach Jahr auch besser in der Wirtschaftlichkeit. Auch auf den besseren Lehmstandorten ist der Winterroggen im Mehrjahresvergleich 2006 bis 2011 dem Triticale in der Wirtschaftlichkeit in der Mehrzahl der Jahre leicht überlegen.

Die spezifischen Witterungsverläufe des abgelaufenen Vegetationsjahres 2010/2011 sind in dem Beitrag über die Wintergerste in der LZ-Ausgabe 32 ausführlich beschrieben worden. In der Reaktion auf die Witterung und ganz im Unterschied zur Wintergerste litten die Bestandesdichten beim Vergleich zu den Vorjahren nicht unter den extrem warmen und trockenen Witterungsverhältnissen im frühen Frühjahr von März bis Mai, siehe dazu Tabelle 1. Dies ist ein Zeichen für die tiefere Durchwurzelung der Böden und die sich daraus ergebende höhere nutzbare Wasserkapazität. In der späteren Schossphase allerdings, in der die endgültige Kornzahl je Ähre festgelegt wird, reichte auch für den Roggen das Wasser nicht mehr aus. Zuviel angelegte Körner in den Ähren wurden reduziert. Die dann ab Juni einsetzenden Niederschläge ermöglichten aber eine gute Auskörnung, was in den höheren TKM zum Ausdruck kommt. Beim Vergleich der Sand- und Lehmstandorte zeigt sich deutlich, welch immensen Einfluss in diesem Jahr die Bodenbonität hatte. Die TKM-Zunahmen auf den Sandstandorten waren nur marginal im Vergleich zu den Lehmstandorten.

Die Landessortenversuche

Im Herbst 2010 wurden NRW-weit vier Winterroggen-Landessortenversuche angelegt, von denen alle auswertbar sind. Aus dem benachbarten Kammerbezirk Niedersachse konnten zur Absicherung der Ergebnisse noch sechs weitere Versuche in die Gesamtauswertung einbezogen werden, so dass insgesamt zehn Landessortenversuchsergebnisse, sechs auf Lehm- sowie vier auf Sandstandorten, sichere Aussagen über die Leistungen der geprüften Sorten für diese beiden Ackerbauregionen von NRW zulassen. Als Referenzsorte und zur Leistungskontrolle zu den sonst ausschließlich geprüften Hybridsorten steht noch die Populationssorte Conduct im Sortiment. Die Prüfung der Sorten erfolgte wie üblich landesweit in zwei Intensitätsstufen, die Details dazu sind der Tabelle 2 zu entnehmen. Die höheren Intensitätskosten in der Stufe B2 erforderten bei einem diesjährig unterstellten Erzeugerpreis von 19,00 € je dt einen wirtschaftlich erforderlichen Mindestmehrertrag von 7,1dt je ha gegenüber der Extensivvariante B1. Aus der Tabelle 3 ist aus den unteren Zeilen zu ersehen, dass im Mittel der Sorten dieser notwendige Mindestmehrertrag auf sieben von insgesamt zehn Landessortenversuchsstandorten erzielt wurden. Auf den restlichen drei Lehmstandorten wurde der Mindestmehrertrag in der höheren Intensitätsstufe aber auch nur knapp verfehlt. Auch in den Vorjahren war das Erreichen der Mindestmehrerträge durch die höhere Intensität in der Regel gewährleistet.

Die Erträge der Sorten

Die vegetationsbegleitenden regelmäßigen Versuchsbesichtigungen zeigten zwischen den Sorten und an den verschiedenen Versuchsstandorten im Jahr 2011 keine herausragenden Auffälligkeiten und Unterschiede. Auch der Krankheitsdruck, insbesondere Braunrost, war gering und damit gut beherrschbar. Die Standfestigkeit war ebenfalls nicht gefordert, was in normalen Jahren beim Winterroggen immer wieder etwas problematischer ist. In der Tabelle 3 sind die diesjährigen Erträge der Sorten an den einzelnen Versuchsstandorten aufgeführt. Es zeigt sich sowohl in der Anbauregionen Lehm als auch Sand recht deutlich, dass die beiden mehrjährig geprüften Sorten Palazzo und Guttino sowie die zweijährig geprüfte Sorte Brasetto in diesem Jahr an allen Versuchsstandorten beständig überdurchschnittliche Ertragsleistungen aufwiesen. Auf den Sandstandorten zeigte Guttino in diesem Jahr allerdings eine leichte Schwäche. Die erstjährig geprüfte Sorte SU Mephisto hat ein hohes Ertragspotenzial, auf den Lehmstandorten aber etwas stärker schwankend.

In den Ertragsleistungen und auch in der Ertragssicherheit heben sich die neueren Sorten Guttino, Palazzo und Brasetto deutlicher von den älteren Sorten ab. Aus der Tabelle 4 lässt sich dies anhand der mehrjährigen Zahlen bestätigen. Die dort aufgeführten mehrjährigen Ertragsergebnisse dienen als sichere Beurteilungsgrundlage für die in der Tabelle 5 aufgeführte Sortenempfehlung in den verschiedenen Anbauregionen. Sortenspezifische Hinweise zur Ertragsbildung sowie spezieller zu beachtende Stärken und Schwächen der empfohlenen Winterroggensorten sind in der Tabelle 6 aufgeführt. Die auf der Grundlage vieljähriger Ergebnisse an mehreren Standorten erhobenen Ertragsstrukturverhältnisse der einzelnen Sorten im höheren Ertragsbereich zeigen recht deutliche Unterschiede zwischen den Sorten. Insbesondere bei den unterschiedlichen Bestandesdichte-Verhältnissen der Sorten ist zu beachten, dass es pflanzenbaulich keinen Sinn macht, zum Beispiel eine Sorte Brasetto über gegebenenfalls erhöhte Startstickstoffmaßnahmen auf die Bestandesdichten der Sorte Guttino bringen zu wollen. Tabelle 7 vermittelt einen Gesamtüberblick über die jeweiligen agronomischen Eigenschaften der 2011 geprüften Winterroggensorten. Bei den empfohlenen Sorten handelt es sich ausschließlich um Hybridsorten.

Die Fallzahlleistungen

In schwierigen Erntejahren, wie auch in diesem, hat die Fallzahlstabilität der Sorten eine große Bedeutung. Vermarktungsseitig werden beim Winterroggen mindestens Fallzahlen von 180 Sekunden gefordert. In normalen Erntejahren stellt dieses kein Problem dar. Wenn allerdings feucht-warme Vorerntebedingungen herrschen und oder sich die Ernte verzögert, kommt die Fallzahlstabilität der Sorten zum Tragen. In diesem Merkmal - wie aus Tabelle 7 ersichtlich - hebt sich von den Empfehlungssorten besonders die Sorte Guttino heraus. Auf hohem Niveau und sehr stabil über alle Standorte wurde die Mindestanforderung auch in diesem Jahr nicht unterschritten. Palazzo und Brasetto zeigten auf verschiedenen, später gedroschenen Standorten Schwächen. Sollten mehrere Sorten im Anbau sein, wäre dieses Merkmal bei Planung der Reihenfolge der Beerntung stärker zu berücksichtigen.

Wirtschaftlichkeit der Intensitäten

Mehrjährige Auswertungen unter Einschluss des aktuellen Jahres zeigen, dass es bei den empfohlenen Sorten keine Unterschiede gibt, ob eher eine grundsätzliche extensivere oder intensivere Produktionstechnik möglich oder nötig ist, um die höchsten bereinigten Marktleistungen zu erzielen. Es ist und bleibt weiterhin eher eine Standort- und Jahresfrage, ob eine extensivere oder intensivere Bestandesführung beim Roggenanbau erforderlich ist. Im Vergleich zu früheren Jahren zeigt sich aber, dass sich auch im Bereich der Gesundheitszüchtung beim Winterroggen, vor allem hinsichtlich der Mehltau- und Braunrostanfälligkeit, aber auch der Standfestigkeit, einiges getan hat. Eine genaue Beobachtung der Bestände und ein entsprechend gezielter Pflanzenschutzmitteleinsatz tragen zur Wirtschaftlichkeitserhöhung des Roggenanbaues bei. Die Behandlungsbedürftigkeit des Roggens ist allerdings nicht nur in Abhängigkeit ihrer acker- und pflanzenbaulich zu kontrollierenden agronomischen Schwächen zu sehen, sondern in starkem Maße auch von den jährlich sich stärker ändernden Erzeugerpreis-Kosten-Relationen.

Hinweise zur Aussaat

Alle acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen, die einen gleichmäßigen, ausreichend dichten Bestand und eine Pflanzenentwicklung ohne Zwiewuchsbildung bis zum gleichmäßigen Abschluss der Blüte gewährleisten, ermöglichen eine gleichmäßigere Bekörnung der Ähren mit geringer Schartigkeit, siehe siehe Tabelle 6. Zu spät gesäte, lückig aufgelaufene Bestände mit stärkerem Zwiewuchs durch Nachschosser können unter Mutterkorn-fördernden Witterungsbedingungen besonders starken Befall entwickeln. Wenn dann noch die Blüte nur sehr verzögert über einen langen Zeitraum mit insgesamt geringerem Pollendruck abläuft, steigt das Mutterkornbildungsrisiko noch stärker. Auch Auswinterungskalamitäten, wie Hochfrieren und Wurzelabrisse, können zu Bestandesausdünnungen und ungleichmäßiger Pflanzenentwicklung mit Nachschossergefahr führen. Ein gut abgesetztes Saatbett bei trockener Grundbodenbearbeitung ist Grundvoraussetzung. Die Saattiefe mit 2 bis 3 cm ist beim Roggen für einen hohen und gleichmäßigen Feldaufgang wichtig. Trotz des teureren Hybrid-Saatgutes sollte die Aussaatstärke beim Winterroggen nicht zu stark reduziert werden, da sich bei dann zu starker Bestockung dieser per se schon sehr bestockungsfreudigen Getreideart zu viele Triebe höherer Ordnung ausbilden. Diese Triebe gelangen entsprechend später erst in die Blüte und können zu den oben geschilderten Folgen führen.

In der Tabelle 8 sind - der Anbauregion entsprechend orientiert - die Saatmengen- und Saatstärkenempfehlungen für Winterroggen auf der Grundlage vieljähriger Ertragsstrukturuntersuchungen aus den Landessortenversuchen aufgeführt. Genauere Saatmengenberechnungen lassen sich natürlich bei Vorhandensein eigener zahlenmäßiger Ermittlungen und Erfahrungen kalkulieren. Für die empfohlenen Sorten können die in der Tabelle 6 angegebenen sortenspezifischen Zielbestandesdichten in die Saatmengenberechnung einbezogen werden.

Autor: Dr. Joachim Holz und Heinz Koch