Landessortenversuche Winterroggen 2012

WinterroggenährenBild vergrößern
Winterroggen

Sehr gute Erträge

Erwartungsgemäß hat der Winterroggen den Kahlfrostwinter 2012 am besten überstanden. Wie bei den anderen Wintergetreidearten auch, lagen die diesjährigen Ertragsergebnisse auf einem sehr hohen Niveau. In den Landessortenversuchen wurde gegenüber dem Vorjahr im Mittel über alle Standorte ein deutlicher Mehrertrag von 17 % erzielt. Dr. Joachim Holz und Heinz Koch, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, haben die Ergebnisse zusammengefasst.

Nach ersten vorläufigen Ergebnissen der Besonderen Ernteermittlung für NRW wurde dieses gute Ergebnis in der Praxis sogar noch weit überschritten. Die bislang vorliegenden Fallzahlergebnisse sind, je nach Standort, zum Teil jedoch unbefriedigender. Die Vorernte- Witterungsbedingungen waren zum Teil ungünstig für die Ausprägung einer deutlicheren Keimruhe.

Mit rund 17 700 ha verzeichnet die Roggenanbaufläche landesweit gegenüber dem Vorjahr keine wesentliche Änderung. Seit dem Jahr 2008 bewegt sie sich relativ konstant um dieses Mittel. Acker- und pflanzenbaulich betrachtet, zählt Roggen zu den wertvollen Fruchtfolgegliedern, wie in vielen Fruchtfolgeversuchen immer wieder eindeutig nachgewiesen. Die früher häufiger auftretende Mutterkornproblematik, die mit einem generell höheren Erzeugungs- und Qualitätsrisiko verbunden war, ist durch die seit mehreren Jahren verfügbaren neueren Winterroggensorten mit einem deutlich verbesserten Pollenschüttungsvermögen nunmehr auf ein Minimum reduziert. Die so genannte Pollen-Plus-Technologie der KWS-Lochow-Roggensorten ist hierfür ein Beispiel. Bleibt als weiterer möglicher Qualitäts-Risikofaktor die vergleichsweise geringere Fallzahlstabilität bei dieser Getreideart. Allerdings sind unterhalb der preisabschlagsfreien 180 Sekunden- Fallzahlgrenze bäckereitechnologisch betrachtet noch bis etwa 140 Sekunden keine Probleme gegeben.

Insbesondere auf den leichteren, sandigen Standorten, auf denen der Roggen durch sein tiefreichendes, verzweigtes Wurzelsystem immer noch sichere und vergleichsweise gute bis sehr gute Erträge garantiert - dieses zeigte sich dieses Jahr auch wieder sehr deutlich, wie in Tabelle 2 zu sehen, hat sein Anbau nach wie vor größere Bedeutung. Dieses kommt auch im Vergleich der bereinigten Marktleistungen in € je ha aus den Landessortenversuchen von Winterweizen, Triticale und Winterroggen auf den Sandstandorten zum Ausdruck. In den Jahren 2006 bis 2011 war der Roggen dem konkurrierenden Fruchtfolgeglied Triticale immer sehr deutlich überlegen, mit dem Winterweizen in der Regel mindestens auf gleichem Niveau, je nach Jahr auch mal noch besser in der Wirtschaftlichkeit. Auch auf den besseren Lehmstandorten ist der Winterroggen im Mehrjahresvergleich 2006 bis 2011 dem Triticale in der Wirtschaftlichkeit in der Mehrzahl der Jahre leicht überlegen.

Ein zusätzlich neues Interesse verdient der Winterroggenanbau in den Höhenlagen, in denen Auswinterungsprobleme häufiger auftreten können. Hier ist sie zweifellos die robusteste oder sicherste Getreideart. Generell - und dieses gilt vor allem für Güllestandorte - ist die vergleichsweise erhöhte Lagerneigung von Winterroggen noch als Ertragsrisikofaktor zu sehen, vor allem dann, wenn das Lager schon frühzeitiger, zu Beginn oder während der Kornfüllungsphase auftritt. Hier ist pflanzenbaulich besonders sorgfältig in Abhängigkeit auch der Wasserversorgung am Standort der Wachstumsreglereinsatz durchzuführen. Auf den Lehmstandorten wurden diesjährig die leicht höheren Erträge über höhere Bestandesdichten, höhere Kornzahl je Ähre, aber niedrigerer TKM erzielt, siehe Tabelle 1. Auf den Sandstandorten erklären ausschließlich die - fast schon zu hohen - Bestandesdichten die sehr hohen Erträge.

Vier Landessortenversuche

Im Herbst 2011wurden NRW-weit vier Winterroggen-Landessortenversuche angelegt, von denen alle auswertbar sind. Aus dem benachbarten Kammerbezirk Niedersachsen konnten zur Absicherung der Ergebnisse noch fünf weitere Versuche in die Gesamtauswertung einbezogen werden, so dass insgesamt neun Landessortenversuchsergebnisse - sechs auf Lehm- sowie drei auf Sandstandorten - sichere Aussagen über die Leistungen der geprüften Sorten für diese beiden Ackerbauregionen von NRW zulassen. Als Referenzsorte und zur Leistungskontrolle zu den sonst ausschließlich geprüften Hybridsorten steht noch die Populationssorte Conduct im Sortiment. Die Prüfung der Sorten erfolgte wie üblich landesweit in zwei Intensitätsstufen, die Details dazu sind der Tabelle 2 zu entnehmen. Die höheren Intensitätskosten in der Stufe B2 erforderten bei einem diesjährig unterstellten Erzeugerpreis von 20,00 € je dt einen wirtschaftlich erforderlichen Mindestmehrertrag von 7,7dt je ha gegenüber der Extensivvariante B1. Aus der Tabelle 3 ist aus den unteren Zeilen zu ersehen, dass im Mittel der Sorten dieser notwendige Mindestmehrertrag auf allen Landessortenversuchsstandorten in NRW sehr deutlich erzielt wurde. Auch in den Vorjahren war beim Winterroggen das Erreichen der Mindestmehrerträge durch die höhere Intensität in der Regel gewährleistet.

Die Erträge der Sorten

Die vegetationsbegleitenden regelmäßigen Versuchsbesichtigungen zeigten zwischen den Sorten und an den verschiedenen Versuchsstandorten im Jahr 2012 keine herausragenden Auffälligkeiten und Unterschiede. Auch der Krankheitsdruck, insbesondere Braunrost, war gut beherrschbar. Sortenspezifische Unterschiede sind zwar vorhanden, aber nur marginal, so dass sich daraus keine wesentlich sortenspezifisch differenzierenden Behandlungsstrategien ableiten lassen. Die Standfestigkeit war diesjährig gefordert, aber auch hier sind die Sortenunterschiede nur geringfügig. In der Tabelle 3 sind die diesjährigen Erträge der Sorten an den einzelnen Versuchsstandorten aufgeführt. Es zeigt sich sowohl in der Anbauregion Lehm als auch Sand recht deutlich, dass die drei derzeitigen leistungsstarken Sorten Brasetto, Palazzo und Guttino sich in einem engen Ertragsniveaubereich bewegen. Als zweijährig geprüfte Sorte zeigt SU Mephisto konstant sehr gute Erträge. Anhand der mehrjährigen Zahlen aus Tabelle 4 lässt sich die hohe Leistungsdichte der Sorten bestätigen. In der Tendenz behauptet sich die Sorte Brasetto mehrjährig ein wenig besser.

Die Mehrjahres-Ertragsergebnisse dienen als sichere Beurteilungsgrundlage für die in der Tabelle 5 aufgeführte Sortenempfehlung in den verschiedenen Anbauregionen. Sortenspezifische Hinweise zur Ertragsbildung sowie spezieller zu beachtender Stärken und Schwächen der empfohlenen Winterroggensorten sind in der Tabelle 6 aufgeführt. Die auf der Grundlage vielortiger und vieljähriger Ergebnisse erhobenen Ertragsstrukturverhältnisse der einzelnen Sorten im höheren Ertragsbereich zeigen recht deutliche Unterschiede zwischen den Sorten. Insbesondere bei den unterschiedlichen Bestandesdichte-Verhältnissen der Sorten ist zu beachten, dass es also pflanzenbaulich keinen Sinn hat, zum Beispiel eine Sorte Brasetto über gegebenenfalls erhöhte Startstickstoffmaßnahmen auf die Bestandesdichten der Sorte Guttino bringen zu wollen. Tabelle 7 vermittelt einen Gesamtüberblick über die jeweiligen agronomischen Eigenschaften der 2012 geprüften Winterroggensorten. Bei den empfohlenen Sorten handelt es sich ausschließlich um Hybridsorten.

Die Fallzahlen

In schwierigen Erntejahren, wie auch in diesem, hat die Fallzahlstabilität der Sorten eine große Bedeutung. Vermarktungsseitig werden beim Winterroggen Fallzahlen von mindestens 180 Sekunden gefordert. In normalen Erntejahren stellt dieses kein Problem dar. Wenn allerdings feucht-warme Vorerntebedingungen herrschen und oder sich die Ernte verzögert, kommt die Fallzahlstabilität der Sorten zum Tragen. In diesem Merkmal, das in Tabelle 7 zu finden ist, hebt sich von den Empfehlungssorten besonders die Sorte Guttino heraus. Auf hohem Niveau und sehr stabil über alle Standorte wurde die Mindestanforderung auch in diesem Jahr nicht unterschritten. Palazzo und Brasetto zeigten auf verschiedenen, später gedroschenen Standorten Schwächen. Sollten mehrere Sorten im Anbau sein, wäre dieses Merkmal bei Planung der Reihenfolge der Beerntung stärker zu berücksichtigen.

Wirtschaftlichkeit der Intensitätsstufen

Mehrjährige Auswertungen unter Einschluss des aktuellen Jahres zeigen, dass es bei den empfohlenen Sorten keine Unterschiede gibt, ob eher eine grundsätzliche extensivere oder intensivere Produktionstechnik möglich oder nötig ist, um die höchsten bereinigten Marktleistungen zu erzielen. Es ist und bleibt weiterhin eher eine Standort- und Jahresfrage, ob eine extensivere oder intensivere Bestandesführung beim Roggenanbau erforderlich ist. Im Vergleich zu früheren Jahren zeigt sich aber, dass sich auch im Bereich der Gesundheitszüchtung beim Winterroggen, vor allem hinsichtlich der Mehltau- und Braunrostanfälligkeit, aber auch der Standfestigkeit, einiges getan hat. Eine genaue Beobachtung der Bestände und entsprechend gezielter Pflanzenschutzmitteleinsatz trägt zur Wirtschaftlichkeitserhöhung des Roggenanbaues bei.

Die Behandlungsbedürftigkeit des Roggens ist allerdings nicht nur in Abhängigkeit ihrer acker- und pflanzenbaulich zu kontrollierenden agronomischen Schwächen zu sehen, sondern in starkem Maße auch von den jährlich sich stärker ändernden Erzeugerpreis-Kosten-Relationen.

Hinweise zur Aussaat

Alle acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen, die einen gleichmäßigen, ausreichend dichten Bestand und eine Pflanzenentwicklung ohne Zwiewuchsbildung bis zum gleichmäßigen Abschluss der Blüte gewährleisten, ermöglichen eine gleichmäßigere Befruchtung und entsprechende Bekörnung der Ähren mit geringer Schartigkeit, siehe Tabelle 6. Zu spät gesäte, lückig aufgelaufene Bestände mit stärkerem Zwiewuchs oder Nachschosser können unter mutterkornfördernden Witterungsbedingungen besonders starken Befall entwickeln. Dass hier die Sortenanfälligkeit einen sehr starken Einfluss hat, darauf wurde bereits hingewiesen. Wenn die Blüte nur sehr verzögert über einen langen Zeitraum mit insgesamt geringerem Pollendruck abläuft, steigt das Mutterkornbildungsrisiko noch stärker. Auch Auswinterungskalamitäten, wie Hochfrieren und Wurzelabrisse, können zu Bestandesausdünnungen und ungleichmäßiger Pflanzenentwicklung mit Nachschossergefahr führen.

Ein gut abgesetztes Saatbett bei trockener Grundbodenbearbeitung ist Grundvoraussetzung. Die Saattiefe mit 2 bis 3 cm ist beim Roggen für einen hohen und gleichmäßigen Feldaufgang wichtig. Trotz des teureren Hybrid-Saatgutes sollte die Aussaatstärke beim Winterroggen nicht zu stark reduziert werden, da sich bei dann zu starker Bestockung dieser per se schon sehr bestockungsfreudigen Getreideart zu viele Triebe höherer Ordnung ausbilden. Diese Triebe gelangen entsprechend später erst in die Blüte und können zu den oben geschilderten Folgen führen. In der Tabelle 8 sind, anbauregionspezifisch orientiert, die Saatmengen- und Saatstärkenempfehlungen für Winterroggen auf der Grundlage vieljähriger Ertragsstrukturuntersuchungen aus den Landessortenversuchen aufgeführt. Genauere Saatmengenberechnungen lassen sich natürlich bei Vorhandensein eigener zahlenmäßiger Ermittlungen und Erfahrungen kalkulieren. Für die empfohlenen Sorten können die in der Tabelle 6 angegebenen sortenspezifischen Zielbestandesdichten in die Saatmengenberechnung einbezogen werden.

Autor: Dr. Joachim Holz und Heinz Koch