Landessortenversuche Winterroggen 2013

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Winterroggen

Winterroggen-Erträge sehr gut

Wie die Sorten in den Versuchen abschnitten, erläutert Dr. Katrin Bürling, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

Mit rund 21 587 ha verzeichnet die Roggenanbaufläche landesweit gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg um fast 19 % und liegt damit auch 7 % über dem langjährigen Mittel. Acker- und pflanzenbaulich betrachtet, zählt der Fremdbefruchter Roggen zu den „wertvollen“ Fruchtfolgegliedern, wie in vielen Fruchtfolgeversuchen immer wieder eindeutig nachgewiesen wurde. Mittlerweile sind rund 80 % der in Deutschland zugelassenen Sorten Hybride. Die Züchtung von Hybriden brachte mit sich, dass sich die Pollenproduktion bei diesen Sorten verringerte. Damit kann sich unter ungünstigen Bedingungen zum Zeitpunkt der Blüte die Befruchtung verzögern und die Offenblütigkeit verlängern. Eine verstärkte Schartigkeit der Ähren mit unbefruchteten Blüten und ohne Körner oder höhere Mutterkornproblematik und damit ein für den Erzeuger generell höheres Erzeugungsrisiko können somit die Folge sein. Denn, einfach gesagt, geht es bei der Gefahr einer Infektion durch Mutterkornsporen im Wesentlichen darum, wer zuerst kommt: Pflanzenpollen oder Pilzspore? Die Sicherung eines hohen Pollenschüttungsvermögens beim Winterroggen soll diese Risiken auf ein Minimum reduzieren.

Dabei unterscheiden sich die Lösungsstrategien der Züchter. Bei den KWS-Lochow-Roggensorten ist dieses die „Pollen-Plus-Technologie“, bei der durch klassische Ein-kreuzung des Iran IV-Gens aus einer alten Landrasse das Pollenschüttungsvermögen erhöht wurde. Nach künstlicher Infektion zeigen diese Sorten eine geringe bis mittlere Anfälligkeit für Mutterkorn (nach BSL). Eine andere Möglichkeit, den Pollendruck zu erhöhen, besteht in der Zumischung von 10 % einer Populationssorte. Dass dieses auch erforderlich ist, zeigen die Ergebnisse nach künstlicher Inokulation der reinen Hybrid-Sorten der SU Hybro, ohne Iran IV-Gen mit einer mittleren bis sehr starken Anfälligkeit. In beiden Fällen soll letztlich durch die höhere Pollenschüttung die Bestäubungssicherheit erhöht und damit auch eine höhere Befruchtungswahrscheinlichkeit erreicht werden. In der Konsequenz sinkt das Risiko einer Infektion mit Mutterkornsporen. In den Landessortenversuchen werden in Anlehnung an die Wertprüfungen des Bundessortenamts reine Sorten geprüft.

Risikofaktor Witterung

Risikofaktor für alle Sorten bleibt die Witterung zur Blüte. Regnet es, wird diese abrupt beendet und die Pollensäcke (Antheren) abgeschlagen. Mutterkornsporen haben dann freie Bahn. Ein anderer möglicher Risikofaktor ist die vergleichsweise geringere Fallzahlstabilität dieser Getreideart. Allerdings sind unterhalb der preisabschlagsfreien 180 Sekunden- Fallzahlgrenze bäckereitechnologisch betrachtet noch bis etwa 140 s keine Probleme gegeben. Der Roggen kann die Winterfeuchtigkeit gut nutzen und insbesondere auf den leichteren sowie grundwasserfernen sandigen Standorten durch sein tiefreichendes, verzweigtes Wurzelsystem Trockenphasen besser überbrücken und dabei immer noch sichere und vergleichsweise gute bis sehr gute Erträge erzielen. Dieses kommt auch im Vergleich der bereinigten Marktleistungen (€ je ha) aus den Landessortenversuchen von Winterweizen, Triticale und Winterroggen auf den Sand-standorten zum Ausdruck. In den Jahren 2006 bis 2011 war der Roggen dem konkur-rierenden Fruchtfolgeglied Triticale immer sehr deutlich überlegen, mit dem Winterwei-zen in der Regel mindestens auf gleichem Niveau, je nach Jahr auch mal besser in der Wirtschaftlichkeit. In den letzten beiden Jahren hat sich jedoch Triticale gegenüber dem Roggen als wirtschaftlicher erwiesen und lag dabei sogar mindestens auf dem Niveau des Weizens.

Auf den besseren Lehmstandorten ist der Winterroggen im Vergleich 2006 bis 2010 Triticale in der Wirtschaftlichkeit leicht überlegen, während sich auch hier in den letzten drei Jahren das Bild umkehrt. Hier spielen sicherlich die schlechteren Erzeugerpreise für Roggen eine nicht ganz unwesentliche Rolle. Nach den verheerenden Auswinterungsschäden des vergangenen Jahres verdient der Winterroggen ein zusätzlich neues Interesse in den Höhenlagen, in denen Auswinterungsprobleme häufiger auftreten können. Hier ist sie zweifellos die robusteste und sicherste Getreideart. Darüber hinaus hat der Roggen besonders in den letzten Jahren aufgrund seines hohen ernährungsphysiologischen Wertes in der Bevölkerung wieder Interesse geweckt. Generell ist die vergleichsweise höhere Lagerneigung von Winterroggen noch als Er-tragsrisikofaktor zu sehen, vor allem dann, wenn das Lager schon frühzeitiger zu Beginn oder während der Kornfüllungsphase auftritt. Hier ist pflanzenbaulich besonders sorgfältig, auch in Abhängigkeit der Wasserversorgung am Standort, der Wachstumsreglereinsatz durchzuführen. Auf Güllestandorten ist dieser Problematik besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Auf den NRW-Lehmstandorten wurden in diesem Jahr die seit 2001 höchsten Erträge, wie auch im Vorjahr schon, über hohe Bestandesdichten und hohe Kornzahlen je Ähre, in diesem Jahr jedoch zusätzlich noch durch hohe TKM erzielt (Tabelle 1). Auf dem Sandstandort erklären die recht hohen Bestandesdichten, die höheren Kornzahlen je Ähre und die auch hier sehr hohen TKM die seit 2003 höchsten Erträge.

Die Landessortenversuche

Im Herbst 2012 wurden nrw-weit vier Winterroggen-Landessortenversuche angelegt, drei auf Lehmstandorten, einer auf einem Sandstandort. Aus Niedersachsen konnten noch fünf weitere Versuche in die Gesamtauswertung einbezogen werden, sodass insgesamt fünf Lehm- und vier Sandstandorte sichere Aussagen über die Leistungen der geprüften Sorten zulassen. Als Referenzsorte und zur Leistungskontrolle zu den sonst ausschließlich geprüften Hybridsorten steht noch die Populationssorte Conduct im Sortiment. Die Prüfung der Sorten erfolgte wie üblich landesweit in zwei Intensitätsstufen, siehe Tabelle 2. Die höheren Intensitätskosten in der Stufe B2 erforderten bei einem unter-stellten Erzeugerpreis von 13,50 € je dt einen wirtschaftlich erforderlichen Mindestmehrertrag von 10,9 dt je ha gegenüber der Extensivvariante B1. Aus der Tabelle 3 ist aus den unteren Zeilen zu ersehen, dass im Mittel der Sorten dieser notwendige Mehrertrag auf allen Standorten in NRW erzielt wurde. Auch in den Vorjahren war beim Winterroggen das Erreichen der Mindestmehrerträge durch die höhere Intensität immer wirtschaftlich.

Die Erträge der Sorten

Die regelmäßigen Versuchsbesichtigungen zeigten zwischen den Sorten und an den verschiedenen Versuchsstandorten 2013 keine herausragenden Auffälligkeiten und Unterschiede. Auch der Krankheitsdruck, insbesondere Braunrost, war gut beherrschbar. Sortenspezifische Unterschiede sind zwar vorhanden, jedoch nicht der Art, dass sich daraus stärker differenzierende Behandlungsstrategien ableiten lassen könnten. Die Standfestigkeit war nach regional aufgetretenem Starkregen mit Sturmböen gefordert, aber auch hier sind die Sortenunterschiede nur geringfügig. Der Befall mit Mutterkorn war in den Sortenversuchen als sehr gering bis gering einzustufen.

In Tabelle 3 sind die diesjährigen Erträge der Sorten aufgeführt. Es zeigt sich sowohl in der Anbauregion Lehm als auch Sand recht deutlich, dass sich die vier derzeitigen leistungsstarken Sorten SU Mephisto, Brasetto, Palazzo und Guttino in einem engen Ertragsbereich bewegen, wobei die Sorte Guttino hier als die vergleichsweise Ertrags-schwächste anzusehen ist. Die Sorten Brasetto und Palazzo erweisen sich nur in die-sem Jahr etwas schwächer. Als zweijährig geprüfte Sorte zeigt SU Satellit konstant gute Erträge. Die mehrjährigen Ertragsergebnisse (Tabelle 4) dienen als sichere Beurteilungsgrundlage für die in der Tabelle 5 aufgeführte Sortenempfehlung. Sortenspezifische Hinweise zur Ertragsbildung sowie spezieller zu beachtender Stärken und Schwächen der empfohlenen Sorten sind in Tabelle 6 aufgeführt. Hier zeigt sich auch, wie sich auf der Basis von umfangreichen Ergebnissen die optimalen Ertragsverhältnisse der einzelnen Sorten im höheren Ertragsbereich unterscheiden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Frage nach der erforderlichen Bestandesdichte. In diesem Falle macht es zum Beispiel keinen Sinn, eine Sorte Brasetto über zu hohe Aussaatstärken oder gegebenenfalls erhöhte Startstickstoffmaßnahmen auf die Bestandesdichten der Sorte Guttino bringen zu wollen. Bei den neueren, zwei- und einjährig geprüften Sorten ist die Datengrundlage für gesicherte Aussagen zu ihrer optimalen Ertragsstruktur derzeit noch zu gering. Tabelle 7 vermittelt einen Gesamtüberblick über die jeweiligen Eigenschaften der 2013 geprüften Winterroggensorten. Bei den empfohlenen Sorten handelt es sich ausschließlich um Hybridsorten. Die Sorte Guttino wird auf den Lehmstandorten nur eingeschränkt empfohlen, da sie hier deutlicher negativ in ihrer Ertragsleistung von den übrigen mehrjährig geprüften Sorten abweicht. Die Sorte zeichnet sich jedoch durch eine höhere Fallzahl und auch Fallzahlstabilität aus. Darüber hinaus ist sie die kürzeste Sorte im Sortiment, was besonders für Güllestandorte interessant sein kann. Mit Ausnahme der Sorte SU Forsetti ist bei den Sorten der SU Hybro auf die sehr hohe Mutterkornanfälligkeit und überwiegende Schwäche im Halmknicken kritisch hinzuweisen. Für die Aussaat 2013 ist zu beachten, dass Saatgut der SU Hybro-Sorten nur sehr ein-geschränkt zur Verfügung stehen wird.

Die Fallzahlen

Ist die Witterung vor oder zur Ernte suboptimal, kann die Fallzahlleistung, aber auch die Fallzahlstabilität der Sorten eine große vermarktungs- und damit auch rentabilitätsrelevante Bedeutung erlangen. In diesem Jahr wurde die Ernte durch viele Regenphasen, in denen zum Teil auch höhere Temperaturen vorherrschten, unterbrochen. Vermarktungsseitig werden beim Winterroggen mindestens Fallzahlen von 180 Sekunden gefordert. In normalen Erntejahren stellt dieses kein Problem dar. Trotz der nicht ganz unkritischen Erntebedingungen konnten dieses Jahr in den LSV keine Probleme bei den Fallzahlen ermittelt werden. Sie lagen bis auf sehr wenige Ausnahmen (bis dato zwei von 54) zwischen 200 und 400 Sekunden. Bezüglich der Fallzahlstabilität der Sorten hebt sich von den Empfehlungssorten be-sonders die Sorte Guttino heraus. Demgegenüber zeigt sich von den neueren Sorten SU Mephisto in diesem Merkmal nicht ganz unkritisch.

Wirtschaftlichkeit der Intensitätsstufen

Mehrjährige Auswertungen unter Einschluss des aktuellen Jahres zeigen, dass es bei den empfohlenen Sorten keine Unterschiede gibt, ob eher eine grundsätzliche extensivere oder intensivere Produktionstechnik möglich oder nötig ist, um die höchsten bereinigten Marktleistungen zu erzielen. Standort- und Jahreseinfluss sind daher die Entscheidungsparameter, ob eine extensivere oder intensivere Bestandesführung beim Roggenanbau erforderlich ist. Im Vergleich zu früheren Jahren zeigt sich aber, dass sich auch durch die Gesundheitszüchtung beim Winterroggen, vor allem hinsichtlich der Mehltau- und Braunrostanfälligkeit aber auch der Standfestigkeit, einiges getan hat. Wie in jeder anderen Kulturart auch ist eine genaue Beobachtung der Bestände und ein entsprechend gezielter Pflanzenschutzmitteleinsatz erforderlich und trägt zur Wirtschaftlichkeit des Roggenanbaues bei. Dabei spielen neben den acker- und pflanzenbaulichen Möglichkeiten jedoch auch die jährlich schwankenden, und in diesem Jahr leider sehr niedrigen Erzeugerpreise eine entscheidende Rolle bei der Frage des lohnenden Einsatzes.

Hinweise zur Aussaat

Eingangs wurde auf die Problematik der möglichen Mutterkornbelastung beim Roggen eingegangen. Nicht nur die Züchtung spielt hier eine Rolle, auch der Praktiker kann diesbezüglich ackerbauliche Maßnahmen ergreifen. Entscheidend sind die Etablierung eines gleichmäßigen, ausreichend dichten Bestandes (siehe Tabelle 6) und eine Pflanzenentwicklung ohne Zwiewuchsbildung, damit ein kurzer, kompakt ablaufender Blühverlauf, eine gleichmäßigere Befruchtung und entsprechende Bekörnung der Ähren und damit geringerer Schartigkeit gewährleistet. Zu spät gesäte und/oder lückig aufgelaufene Bestände mit stärkerem Zwiewuchs (Nachschosser) können unter mutterkornfördernden Witterungsbedingungen besonders starken Befall entwickeln, da dann die Blüte verzögert über einen längeren Zeitraum bei dann auch verringertem Pollendruck abläuft. Auch wenn Roggen als per se bestockungsfreudigste Getreideart zählt, darf die Aussaatstärke nicht zu stark reduziert werden. Die Folge wäre eine zu starke Bestockung mit Bildung zu vieler Triebe höherer Ordnung, die dann entsprechend später in die Blüte kommen und zu den oben geschilderten Folgen führen können. Maßnahmen der Feldhygiene, wie die wendende Bodenbearbeitung beim Anbau von Roggen nach Roggen oder die Bekämpfung von Ungräsern als Wirtspflanzen im und neben dem Feldbestand, stellen weitere pflanzenbauliche Einflussmöglichkeiten dar. Auch sollten die Fahrgassen nicht zu schmal angelegt werden, um ein Überfahren der Bestände und damit Zwiewuchs zu vermeiden.

Autor: Dr. Kathrin Bürling