Landessortenversuche Winterroggen 2014

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Winterroggen

Erträge sehr gut

In den Landessortenversuchen wurden in diesem Jahr im Schnitt mit 101 dt/ha gut 4 % weniger als im Spitzen-Vorjahr gedroschen, Nach erster Schätzung der Getreideernte 2014 des statistischen Bundesamtes liegen die Praxiserträge für NRW auf Vorjahresniveau. Dr. Kathrin Bürling, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, erklärt, wie die Sorten im Einzelnen abschnitten.

In zahlreichen Fruchtfolgeversuchen wurde immer wieder eindeutig nachgewiesen, dass der Fremdbefruchter Roggen zu den wertvollen Fruchtfolgegliedern zählt. Er kann Winterfeuchtigkeit gut nutzen und insbesondere auf den leichteren oder grundwasserfernen sandigen Standorten durch sein tiefreichendes, verzweigtes Wurzelsystem Trockenphasen besser überbrücken und dabei immer noch sichere und vergleichsweise gute bis sehr gute Erträge erzielen. Nach den verheerenden Auswinterungsschäden 2011/12 verdient der Winterroggenanbau Aufmerksamkeit in den Höhenlagen, in denen Auswinterungsprobleme häufiger auftreten können. Hier ist er zweifellos die robusteste und sicherste Getreideart.

Darüber hinaus hat besonders in den letzten Jahren der Roggen aufgrund seines hohen ernährungsphysiologischen Wertes in der Bevölkerung wieder Interesse geweckt. Auch in der Tierernährung spielt diese Getreideart eine Rolle. Nach Angaben der Landwirtschaftskammer NRW werden beispielsweise bis zu 40 % Roggenmischungsanteil in der Schweine-Endmast als sinnvoll erachtet. Leider verzeichnet dennoch die Roggenanbaufläche mit rund 18 229 ha gegenüber dem Vorjahr wieder einen leichten Rückgang um 16 %.

Auf den NRW-Lehmstandorten wurde in diesem Jahr über sehr hohe Bestandesdichten und hohe Kornzahlen je Ähre, jedoch sehr niedrige TKM ein „nur“ mittleres Ertragsniveau erzielt (Tabelle 1). Auf dem Sandstandort in Merfeld erklären die fast schon zu hohen Bestandesdichten bei zwar leicht unterdurchschnittlichen Kornzahlen je Ähre, aber auch hohen TKM, die seit 2004 höchsten Erträge.

Die Landessortenversuche

Im Herbst 2013 wurden nrw-weit vier Winterroggen-Landessortenversuche angelegt, drei auf Lehmstandorten, einer auf einem Sandstandort. Aufgrund des erhöhten Lagerdrucks konnte ein Versuch auf einem der Lehmstandorte nicht geerntet werden. Aus Niedersachsen konnten noch fünf weitere Versuche in die Auswertung einbezogen werden, sodass insgesamt acht Landessortenversuchsergebnisse, vier auf Lehm- sowie vier auf Sandstandorten, sichere Aussagen über die geprüften Sorten zulassen. Als Referenzsorte und zur Leistungskontrolle zu den sonst ausschließlich geprüften Hybridsorten steht noch die Populationssorte Conduct im Sortiment.

Die Prüfung der Sorten erfolgte wie üblich landesweit in zwei Intensitätsstufen, siehe Tabelle 2. Die höheren Intensitätskosten in der Stufe B2 erforderten bei einem unterstellten Erzeugerpreis von 13,50 € je dt einen wirtschaftlich erforderlichen Mindestmehrertrag von 12,7 dt je ha gegenüber der Extensivvariante B1. Aus Tabelle 3 ist aus den unteren Zeilen zu ersehen, dass im Mittel der Sorten dieser notwendige Mindestmehrertrag auf allen Standorten in NRW erzielt wurde. Auch in den Vorjahren war beim Winterroggen das Erreichen der Mindestmehrerträge durch die höhere Intensität in der Regel gewährleistet, also immer wirtschaftlich.

Bei der Frage, ob es Sorten gibt, bei denen eher eine grundsätzliche extensivere oder intensivere Produktionstechnik möglich oder nötig ist, um die höchsten bereinigten Marktleistungen zu erzielen, hat sich über die Jahre gezeigt, dass darüber eher Standort- und Jahreseinfluss entscheiden. Wie in jeder anderen Kulturart auch sind letztlich eine genaue Beobachtung der Bestände und ein gezielter Pflanzenschutzmitteleinsatz erforderlich. Auch die schwankenden und in diesem Jahr leider erneut sehr niedrigen Erzeugerpreise spielen eine entscheidende Rolle bei der Frage des lohnenden Einsatzes.

Die Erträge der Sorten

Durch die in diesem Jahr regional verstärkt aufgetretenen Starkregen begleitet von heftigen Sturmböen war auf der einen Seite die Standfestigkeit der Sorten und auf der anderen Seite ein sorgfältiger Wachstumsreglereinsatz gefordert, dies auch besonders vor dem Hintergrund der deutlich höheren Bestandesdichten. Auch der Krankheitsdruck durch Braunrost war regional nicht unerheblich. Beide Gefahrenpotenziale waren in den LSV durch eine gezielte Pflanzenschutzstrategie (Tabelle 2) gut beherrschbar. Ausnahme bildete ein Standort, der bereits sehr frühzeitig und danach noch mehrfach wiederholt durch massive Stürme mit Starkregen heimgesucht wurde und vollständig ins Lager ging. Der Befall mit Mutterkorn war 2014 in den Sortenversuchen als sehr gering bis gering einzustufen.

In der Tabelle 3 sind die diesjährigen Erträge an den Versuchsstandorten aufgeführt. Die Mehrjahres-Ertragsergebnisse (Tabelle 4) dienen als sichere Beurteilungsgrundlage für die in der Tabelle 5 aufgeführte Sortenempfehlung.

Es zeigt sich sowohl in der Anbauregion Lehm als auch auf Sand recht deutlich, dass die Sorte SU Satellit als dreijährig im LSV geprüfte Sorte konstant überdurchschnittliche Erträge erzielt. Die hohe Mutterkornanfälligkeit und Schwäche im Halmknicken dieser Sorte sind zu beachten. Auf den Sandstandorten drischt die ebenfalls mehrjährig geprüfte, stark mutterkornanfällige Sorte SU Mephisto, die eine nicht ganz unkritische Fallzahlstabilität aufweist, stabil überdurchschnittlich. Die Sorten Palazzo und Guttino sind in ihrer Leistung, besonders in diesem Jahr schwankend, zeichnen sich jedoch gegenüber den SU-Sorten durch eine geringere Anfälligkeit gegenüber Braunrost und Mutterkorn aus. Guttino ist darüber hinaus die kürzeste Sorte im Sortiment und kann durch ihre insgesamt gute Strohstabilität insbesondere für Güllestandorte eine Option sein. Die gute Fallzahlstabilität dieser Sorte ist ein Merkmal, das bei der Vermarktung als Brotgetreide bei der Sortenentscheidung eine Rolle spielen kann.

Bei den drei zweijährig geprüften Sorten zeichnet sich die Sorte SU Forsetti als die Ertragspotenteste ab. Die ebenfalls ertragsstarke Sorte SU Stakkato weist die von allen Prüfkandidaten mit Abstand höchste Anfälligkeit gegenüber Mutterkorn auf. SU Performer hat auf den Sandstandorten keine besseren Ertraäge gegenüber den älteren SU-Sorten. Auf den Lehmstandorten zeigt die Sorte SU Mephisto unter den NRW-Standortbedingungen von Haus Düsse sowie auf den niedersächsischen Prüfstandorten sehr gute Leistungen, während dies in Lage-Heiden und Neukirchen-Vluyn in NRW mehrjährig betrachtet weniger zutrifft.

Bei den jüngeren, zweijährig geprüften Sorten liegt das Ertragsniveau der Sorten SU Forsetti und SU Stakkato nicht über dem Niveau der Leistungsträger SU Performer oder SU Satellit.

Für die Aussaat Herbst 2014 ist zu beachten, dass Saatgut der SU Hybro-Sorten unter Umständen nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen wird.

Hinweise zur Ertragsbildung sowie zu den Stärken und Schwächen der empfohlenen Winterroggensorten siehe Tabelle. Hier zeigt sich auch, wie sich auf der Basis von vielen Ergebnissen die Ertragsstruktur der einzelnen Sorten unterscheiden. Bei den neueren, zweijährig geprüften Sorten ist die Datengrundlage für stabile Aussagen zu ihren optimalen Ertragsstruktur noch sehr gering und daher nur als erste Orientierung zu sehen. Tabelle 7 vermittelt einen Gesamtüberblick über die Eigenschaften der Sorten. Bei den empfohlenen Sorten handelt es sich ausschließlich um Hybridsorten.

Die Fallzahlleistungen

Ist der Vorerntewitterungsverlauf oder die Witterung zur Ernte suboptimal, kann die Fallzahlleistung, aber auch die Fallzahlstabilität der Sorten eine große vermarktungs- und damit auch rentabilitätsrelevante Bedeutung erlangen. Vermarktungsseitig werden beim Winterroggen mindestens Fallzahlen von 180 Sekunden gefordert. In normalen Erntejahren stellt dieses kein Problem dar. Darüber hinaus sind unterhalb der preisabschlagsfreien 180 Sekunden-Fallzahlgrenze bäckereitechnologisch betrachtet noch bis etwa 140 s keine Probleme gegeben. Weiterhin ist zur Beschreibung des Backverhaltens von Roggen der so genannte Amylogrammwert, der in keiner Beziehung zur Fallzahl steht, von wesentlich größerer Bedeutung. Zur Ermittlung dieses Parameters ist jedoch keine geeignete Schnellbestimmungsmethode vorhanden. Trotz der nicht ganz unkritischen, von Regenphasen unterbrochenen Erntebedingungen zeigt das erste von drei Ergebnissen zur Fallzahlleistung der geprüften Sorten ausreichende Fallzahlen zwischen 211 s und 307 s.

Hinweise zur Aussaat

Mehrfach wurde auf die Problematik der möglichen Mutterkornbelastung beim Roggen eingegangen. Nicht nur die Züchtung spielt hier eine Rolle, auch der Praktiker kann diesbezüglich wirksame Maßnahmen ergreifen. Entscheidend sind die Etablierung eines gleichmäßigen, ausreichend dichten Bestandes (siehe Tabelle 6) und eine Pflanzenentwicklung ohne Zwiewuchsbildung, damit ein kurzer, kompakt ablaufender Blühverlauf eine gleichmäßigere Befruchtung und entsprechende Bekörnung der Ähren und damit geringerer Schartigkeit gewährleistet. Zu spät gesäte oder lückig aufgelaufene Bestände mit stärkerem Zwiewuchs (Nachschosser) können unter mutterkornfördernden Witterungsbedingungen besonders starken Befall entwickeln, da unter solchen Bedingungen die Blüte verzögert über einen längeren Zeitraum bei dann auch insgesamt verringertem Pollendruck abläuft.

Auch wenn Roggen als per se bestockungsfreudigste Getreideart zählt, darf die Aussaatstärke nicht zu stark reduziert werden. Die Folge wäre eine zu starke Bestockung mit Bildung zu vieler Triebe höherer Ordnung, die dann entsprechend später in die Blüte kommen und zu den oben geschilderten Folgen führen können. Maßnahmen der Feldhygiene, wie die wendende Bodenbearbeitung beim Anbau von Roggen nach Roggen oder die Bekämpfung von Ungräsern als Wirtspflanzen im und neben dem Feldbestand, stellen weitere pflanzenbauliche Einflussmöglichkeiten dar. Auch sollten die Fahrgassen nicht zu schmal angelegt werden, um ein Überfahren der Bestände und damit Zwiewuchs zu vermeiden. Tipps zur optimierten fachliche Praxis sind auch in den „Handlungsempfehlungen zur Minimierung von Mutterkorn und Ergotalkaloiden in Getreide“ die zu Beginn des Jahres vom BMEL veröffentlicht wurde zu finden:

Besonderheiten beim Roggenanbau

Das Mutterkorn ist die Dauerform (Sklerotium) des Pilzes Claviceps purpurea, dessen  giftige Alkaloide bei Menschen und Tieren unerwünschte gesundheitliche Effekte hervorrufen können. Bei der Gefahr einer Blüteninfektion durch Mutterkornsporen geht es - einfach gesagt - im Wesentlichen darum, wer zuerst kommt, der Roggenpollen oder die Pilzspore. Die Sicherung eines hohen Pollendrucks und eines hohen Pollenschüttungsvermögens beim Winterroggenanbau soll dieses Risiko auf ein Minimum reduzieren. Dabei unterscheiden sich die Lösungsstrategien der beiden den deutschen Sortenmarkt beherrschenden Züchtungsunternehmen.

Bei den KWS-Lochow-Roggensorten ist dieses die „Pollen-Plus-Technologie“, bei der durch klassische Einkreuzung des Iran IV-Gens aus einer alten Landrasse das Pollenschüttungsvermögen erhöht wurde. Nach künstlicher Infektion zeigen diese Sorten eine geringe bis mittlere Anfälligkeit für Mutterkorn (nach BSL). Eine andere Möglichkeit, den Pollendruck zu erhöhen, besteht in der Zumischung von 10 % einer Populationssorte. Dass dieses auch erforderlich ist, zeigen die Ergebnisse nach künstlicher Inokulation der reinen Hybrid-Sorten der SU Hybro ohne Iran IV-Gen mit einer mittleren bis sehr starken Anfälligkeit.

Diese Beschreibung der Anfälligkeit für Mutterkorn basiert auf Ergebnissen einer Resistenzprüfung durch das Bundessortenamt mit erhöhtem Infektionspotenzial. Durch den künstlich erhöhten Infektionsdruck werden die im Handel für den Mutterkornbesatz festgelegten Grenzwerte für die menschliche Ernährung und den Fütterungsbereich auch von den besten Sorten deutlich überschritten. In beiden Ansätzen soll letztlich durch die höhere Pollenschüttung die Bestäubungssicherheit erhöht und damit auch eine höhere Befruchtungswahrscheinlichkeit erreicht werden. In der Konsequenz sinkt das Risiko einer Infektion mit Mutterkornsporen.

In den Landessortenversuchen werden in Anlehnung an die Wertprüfungen des Bundessortenamts reine Sorten geprüft. Risikofaktor für alle Sorten bleibt die Witterung zur Blüte. Regnet es, wird diese abrupt beendet und die Pollensäcke (Antheren) abgeschlagen. Mutterkornsporen haben dann freie Bahn. Auf die pflanzenbaulichen Einflussmöglichkeiten zur Mutterkornbefallssenkung wird bei den Hinweisen zur Aussaat detailliert eingegangen.

Ein anderer möglicher Risikofaktor ist die vergleichsweise geringere Fallzahlstabilität dieser Getreideart. Darüber hinaus ist die erhöhte Lagerneigung von Winterroggen noch als Ertragsrisikofaktor zu sehen, vor allem dann, wenn das Lager schon frühzeitiger zu Beginn oder während der Kornfüllungsphase auftritt. Wachstumsprozesse, der Saftfluss der Pflanze und insbesondere die Um- und Einlagerung ins Korn während der Kornfüllungsphase können dann beeinträchtigt sein. Hier ist pflanzenbaulich besonders sorgfältig, auch in Abhängigkeit der Wasserversorgung am Standort, der Wachstumsreglereinsatz durchzuführen. Auf Güllestandorten ist dieser Problematik besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Autor: Dr. Kathrin Bürling