Landessortenversuche Winterroggen 2015

Erntereifer WinterroggenBild vergrößern
Winterroggen

Winterroggen lieferte Spitzenerträgen

In diesem Jahr wurden in den Landessortenversuchen im Mittel über alle Standorte mit 110,2 dt/ha 9 % mehr als im Vorjahr gedroschen. Dieses ist bei fünfjähriger Betrachtung mit Abstand das beste Ertragsergebnis. Auf den Lehmstandorten sind bislang die höchsten Erträge überhaupt erzielt worden. Dr. Kathrin Bürling stellt die genauen Ergebnisse vor.

In zahlreichen Fruchtfolgeversuchen wurde immer wieder eindeutig nachgewiesen, dass der Fremdbefruchter Roggen zu den „wertvollen“ Fruchtfolgegliedern zählt. Der Roggen kann die Winterfeuchtigkeit gut nutzen und insbesondere auf den leichteren Standorten durch sein tiefreichendes, verzweigtes Wurzelsystem Trockenphasen besser überbrücken und dabei immer noch sichere und vergleichsweise gute bis sehr gute Erträge erzielen.

Dieses kam in der Vergangenheit auch im Vergleich der bereinigten Marktleistungen (Erträge x Erzeugerpreis abzüglich spezifische variable Produktionskosten, in € je ha) aus den Landessortenversuchen von Winterweizen, Wintergerste, Triticale und Winterroggen auf den Sandstandorten zum Ausdruck. In den Jahren 2006 bis 2011 war der Roggen dem konkurrierenden Fruchtfolgeglied Triticale immer sehr deutlich überlegen, mit dem Winterweizen in der Regel mindestens auf gleichem Niveau, je nach Jahr auch mal noch besser in der Wirtschaftlichkeit. In den Jahren 2012, 2013 und aktuell 2015 hat sich jedoch Triticale gegenüber dem Roggen als wirtschaftlicher erwiesen und lag dabei sogar über dem Niveau des Weizens.

Auf den besseren Lehmstandorten ist der Winterroggen 2006 bis 2010 sowie 2015 dem Triticale in der Wirtschaftlichkeit leicht überlegen, während sich aber auch hier in den Jahren 2011 bis 2014 das Bild umkehrt. Hier spielen sicherlich die leider deutlich schlechteren Erzeugerpreise für Roggen eine nicht ganz unwesentliche Rolle.

Nach den verheerenden Auswinterungsschäden 2011/12 verdient der Winterroggenanbau zusätzlich neues Interesse in den Höhenlagen, in denen Auswinterungsprobleme häufiger auftreten können. Hier ist er zweifellos die robusteste und sicherste Getreideart.

Auf den NRW-Lehmstandorten wurde in diesem Jahr das seit 15 Jahren beste Ertragsniveau bei bislang auch höchsten Bestandesdichten erreicht. Die trotz hoher Bestandesdichten auch überdurchschnittlich hohen Kornzahlen je Ähre konnten in dieser Kombination die unterdurchschnittlichen TKM mehr als kompensieren (Tabelle 1). Auf dem Sandstandort in Merfeld zeigte sich einmal mehr, dass für das Erreichen eines guten Ertragsniveaus in der Regel doch hohe Bestandesdichten erforderlich sind. Eine unterdurchschnittliche Kornzahl/Ähre sowie überdurchschnittliche TKM erklären zusammen mit den hohen Bestandesdichten das zufriedenstellende Ertragsniveau des aktuellen Erntejahres.

Der Krankheitsdruck durch Braunrost war regional erst gegen Ende der Vegetationszeit erhöht. Ein nennenswerter Befall mit Mutterkorn konnte 2015 in den Sortenversuchen nicht beobachtet werden.

Die Landessortenversuche

Im Herbst 2014 wurden NRW-weit vier Winterroggen-Landessortenversuche angelegt, drei auf Lehmstandorten, einer auf einem Sandstandort. Aus Niedersachsen konnten noch fünf weitere Versuche in die Auswertung einbezogen werden, sodass insgesamt fünf Ergebnisse auf Lehm- sowie fünf auf Sandstandorten sichere Aussagen über die Leistungen der Sorten zulassen. Als Referenzsorte zu den ausschließlich geprüften Hybridsorten steht noch die Populationssorte Conduct im Sortiment. An ihr wird der Ertragsvorsprung der Hybriden gegenüber den Populationssorten sehr deutlich und damit auch, dass letztere keine ernsthafte Anbaualternative mehr darstellen.

Die Prüfung der Sorten erfolgte wie üblich landesweit in zwei Intensitätsstufen, siehe Tabelle 2. Die höheren Intensitätskosten in der Stufe B2 erforderten bei einem unterstellten Erzeugerpreis von 14 € je dt einen wirtschaftlich erforderlichen Mehrertrag von 14,2 dt je ha gegenüber der Extensivvariante B1. Aus Tabelle 3 ist aus den unteren Zeilen zu ersehen, dass im Mittel der Sorten dieser notwendige Mehrertrag nur in Haus Düsse sicher erzielt wurde. In den Vorjahren war beim Winterroggen das Erreichen der Mindestmehrerträge durch die höhere Intensität in der Regel gewährleistet, also immer wirtschaftlich. Dieses Jahr stellt die Kombination aus niedrigem Erzeugerpreis, höheren Produktionskosten in der B2 gegenüber den vergangenen Jahren und einem für den Roggen sehr gesunden Jahr damit insgesamt eine wirtschaftlich ungünstige Konstellation dar.

Bei der Frage, ob es Sorten gibt, bei denen eher grundsätzlich eine extensivere oder intensivere Produktionstechnik möglich oder nötig ist, um die höchsten bereinigten Marktleistungen zu erzielen, hat sich über die Jahre gezeigt, dass vornehmlich der Standort- und Jahreseinfluss die Entscheidungsparameter hierüber sind. Wie in jeder anderen Kulturart auch sind letztlich eine genaue Beobachtung der Bestände und ein entsprechend gezielter Pflanzenschutzmitteleinsatz erforderlich. Auch die jährlich schwankenden und in diesem Jahr leider erneut sehr niedrigen Erzeugerpreise spielen eine entscheidende Rolle bei der Frage des lohnenden Einsatzes. Dieses zeigt aber auch eindeutig, dass es bislang noch keine Sorte gibt, die eine robuste und breit angelegte sehr niedrige Krankheitsanfälligkeit bei gleichzeitig hoher Ertragsleistung aufweist, bei der sich ein Fungizideinsatz nicht (mehr) lohnt oder dieser zu keiner Absicherung des Ertrages auf höherem Niveau führt.

Die Erträge der Sorten

In Tabelle 3 sind die Erträge der Sorten an den einzelnen Versuchsstandorten aufgeführt. Die Mehrjahres-Ergebnisse (Tabelle 4) dienen als sichere Beurteilungsgrundlage für die in Tabelle 5 aufgeführte Sortenempfehlung in den verschiedenen Anbauregionen.

Es zeigt sich sowohl in der Anbauregion „Lehm“ als auch „Sand“ recht deutlich, dass die Sorte SU Forsetti als dreijährig im LSV geprüfte Sorte, die nur diesjährig am NRW-Lehmstandort Haus-Düsse schwächer war, sonst immer konstant überdurchschnittliche Erträge erzielt. Die erhöhte Mutterkornanfälligkeit und Schwäche im Halmknicken dieser Sorte sind zu beachten. Auf den Lehmstandorten zeigt sich in der Tendenz die Sorte SU Performer als etwas ertragspotenter gegenüber SU Forsetti. Bei SU Performer ist die stark erhöhte Mutterkornanfälligkeit einerseits und die hohe Fallzahlstabilität andererseits zu berücksichtigen.

Die Sorten Palazzo und SU Mephisto stellen bei eigenen guten Erfahrungen auch noch eine Anbauoption für Lehmstandorte dar. Palazzo (Pollen-Plus-Technologie, Iran-IV Gen) kann auf den besseren Lehmböden noch gut mit den ertragsstarken SU-Hybro Sorten mithalten, erreicht aber ertraglich nicht mehr das absolute Spitzenniveau. Die geringe Mutterkornanfälligkeit sowie die gute Fallzahl und Fallzahlstabilität ist ein Vorteil.

Die Sorte SU Mephisto zeigt sich in diesen Merkmalen genau gegenteilig. Hier gilt es abzuwägen, in wieweit pflanzenbauliche Maßnahmen zur Verringerung eines Mutterkornbefalls realisiert werden können oder ob geplant ist, das Erntegut als Brotroggen zu vermarkten. Darüber hinaus zeigt sich SU Mephisto ertraglich unter den NRW-Standortbedingungen von Haus Düsse sowie auf den niedersächsischen Prüfstandorten mit sehr guten Leistungen, während dies unter den Standortbedingungen von Lage-Heiden und Neukirchen-Vluyn mehrjährig betrachtet weniger zutrifft. Auf den Sandstandorten hingegen drischt diese Sorte konstant besser als auf den Lehmstandorten und scheint somit eine bessere Eignung für diese Anbauregionen vorzuweisen. Mit der Sorte SU Performer verhält es sich hinsichtlich der Ertragsleistung in den beiden Prüfregionen genau umgekehrt. SU Performer, Leistungsträger auf Lehm, zeigt zwar auch gute Ergebnisse auf Sand, kommt aber nicht auf das Niveau der beiden voll empfohlenen Sorten. Analog der Ausführungen zu Lehm stellt die Sorte Palazzo auch auf Sand aufgrund ihrer Eigenschaften bei guten Erfahrungen mit dieser Sorte eine Anbauoption dar.

Bei den drei zweijährig geprüften Sorten zeigt sich in beiden Anbauregionen Lehm und Sand die Sorte SU Cossani als ertragspotent. Auf den Sandstandorten grenzt sich diese Sorte mit einer sehr konstant überdurchschnittlichen Leistung von den mehrjährig Geprüften ab, was auf den Lehmstandorten so nicht festgestellt werden kann. Hier ist die Sorte in Ertragsstärke, aber auch in den agronomischen Eigenschaften den älteren Prüfkandidaten nicht überlegen. Auch SU Composit kann nicht durch bessere Erträge - insbesondere auf den Sandstandorten - überzeugen, stellt aber in den Merkmalen Pflanzenlänge und Braunrostanfälligkeit eine Verbesserung dar.

Bei dem einzigen Neuzugang, der frühreiferen Sorte SU Nasri, kann man von einer guten, jedoch nicht überall überzeugenden Ertragsleistung sprechen.

Sortenspezifische Hinweise der empfohlenen Winterroggensorten sind in Tabelle 6 aufgeführt. Hier zeigt sich auch, wie sich auf der Basis der Ergebnisse die optimalen Ertragsstrukturen der einzelnen Sorten im höheren Ertragsbereich unterscheiden. Bei den neueren, zwei- und dreijährig geprüften Sorten ist die Datengrundlage für verlässliche Aussagen zu ihrer optimalen Ertragsstruktur derzeit noch sehr gering und daher nur als erste Orientierung zu sehen. Tabelle 7 vermittelt einen Gesamtüberblick über die Eigenschaften der 2015 geprüften Winterroggensorten. Bei den empfohlenen Sorten handelt es sich ausschließlich um Hybridsorten.

Die Fallzahlleistungen

Ist die Witterung vor oder zur Ernte suboptimal, kann die Fallzahlleistung aber auch die Fallzahlstabilität der Sorten eine große vermarktungs- und damit auch rentabilitätsrelevante Bedeutung erlangen. Vermarktungsseitig werden beim Winterroggen mindestens Fallzahlen von 180 Sekunden gefordert. In normalen Erntejahren stellt dieses kein Problem dar. Zu beachten ist darüber hinaus aber auch, dass unterhalb dieser preisabschlagsfreien 180 Sekunden-Fallzahlgrenze noch bis etwa 140 s bäckereitechnologisch absolut noch keine Probleme gegeben sind. Das bei Redaktionsschluss vorliegende erste von vier Standortergebnissen zur Fallzahlleistung der im LSV geprüften Sorten zeigt für 2015 ausreichende Fallzahlen zwischen 269 und 354 s.

Von wesentlich größerer Bedeutung als die Fallzahl ist zur Beschreibung des Backverhaltens von Roggen der Amylogrammwert, der in keiner Beziehung zur Fallzahl steht. Zur Ermittlung dieses Parameters ist jedoch keine geeignete Schnellbestimmungsmethode vorhanden.

Hinweise zur Aussaat

Auf die Problematik der möglichen Mutterkornbelastung beim Roggen wurde bereits eingegangen. Wie schon erwähnt, spielt nicht nur die Züchtung hier eine Rolle, auch der Praktiker kann und sollte wirksame acker- und pflanzenbaulichen Maßnahmen ergreifen. Entscheidend ist die Etablierung eines gleichmäßigen, ausreichend dichten Bestandes (siehe Tabelle 6) und eine Pflanzenentwicklung ohne Zwiewuchsbildung, damit ein kurzer, kompakt ablaufender Blühverlauf eine gleichmäßigere Befruchtung und eine entsprechende Bekörnung der Ähren und damit geringere Schartigkeit gewährleistet. Zu spät gesäte und/oder lückig aufgelaufene Bestände mit stärkerem Zwiewuchs (Nachschosser) können unter mutterkornfördernder Witterung besonders starken Befall entwickeln, da dann die Blüte verzögert über einen längeren Zeitraum bei insgesamt verringertem Pollendruck abläuft. Auch wenn Roggen als per se bestockungsfreudigste Getreideart zählt, darf die Aussaatstärke nicht zu stark reduziert werden. Die Folge wäre eine zu starke Bestockung mit Bildung zu vieler Triebe höherer Ordnung, die dann entsprechend später in die Blüte kommen und zu den oben geschilderten Folgen führen können.

Maßnahmen der Feldhygiene, wie die wendende Bodenbearbeitung beim Anbau von Roggen nach Roggen oder die Bekämpfung von Ungräsern als Wirtspflanzen, im und neben dem Feldbestand, stellen weitere pflanzenbauliche Einflussmöglichkeiten dar. Auch sollten die Fahrgassen nicht zu schmal angelegt werden, um ein Überfahren der Randpflanzen und damit Zwiewuchs zu vermeiden. Dezidierte Ausführungen über eine optimierte fachliche Praxis während des Getreideanbaus und der weiteren Verarbeitung sind auch in den „Handlungsempfehlungen zur Minimierung von Mutterkorn und Ergotalkaloiden in Getreide“ die zu Beginn des Jahres vom BMEL veröffentlicht wurde unter www.bmel.de in den Rubriken Gesunde Ernährung, Sichere Lebensmittel, Rückstände und Kontaminanten.

Besonderheiten beim Roggenanbau

Das Mutterkorn ist die Dauerform (Sklerotium) des Pilzes Claviceps purpurea, dessen darin enthaltene giftige Ergotalkaloide bei Menschen und Tieren gesundheitliche Schäden hervorrufen können. Hinsichtlich der Gefahr einer Blüteninfektion durch Mutterkornsporen geht es - einfach gesagt - im Wesentlichen immer darum, wer zuerst kommt, der Roggenpollen oder die Pilzspore. Denn Sporen und Pollenkörner konkurrieren um die Inanspruchnahme des Roggen-Fruchtknotens. Daher muss über die Sicherung eines hohen Pollendrucks und Pollenschüttungsvermögens einerseits, aber auch durch diverse pflanzenbauliche Maßnahmen dieses Risiko auf ein Minimum reduziert werden. Die Lösungsstrategien der beiden, den deutschen Sortenmarkt beherrschenden Züchtungsunternehmen unterscheiden sich dabei. Bei den KWS-Lochow-Roggensorten ist dieses die Pollen-Plus-Technologie, bei der durch klassische Einkreuzung des Iran IV-Gens aus einer alten Landrasse das Pollenschüttungsvermögen erhöht wurde. Nach künstlicher Infektion zeigen diese Sorten eine geringe bis mittlere Anfälligkeit für Mutterkorn (nach BSL).

Eine andere Möglichkeit, den Pollendruck zu erhöhen, besteht in der Zumischung von 10 % einer Populationssorte. Dass dieses auch erforderlich ist, zeigen die Ergebnisse nach künstlicher Inokulation der reinen Hybrid-Sorten der SU Hybro, ohne Iran IV-Gen, mit einer mittleren bis sehr starken Anfälligkeit. Diese Beschreibung der Anfälligkeit für Mutterkorn basiert auf Ergebnissen einer umfangreichen Resistenzprüfung durch das Bundessortenamt mit erhöhtem Infektionspotenzial. Durch den künstlich erhöhten Infektionsdruck werden die im Handel für den Mutterkornbesatz festgelegten Grenzwerte für die menschliche Ernährung und den Fütterungsbereich auch von den besten Sorten deutlich überschritten. In beiden Ansätzen soll letztlich durch die höhere Pollenschüttung die Bestäubungssicherheit erhöht und damit auch eine höhere Befruchtungswahrscheinlichkeit erreicht werden. In der Konsequenz sinkt das Risiko einer Infektion mit Mutterkornsporen.

In den Landessortenversuchen werden in Anlehnung an die Wertprüfungen des Bundessortenamts reine Sorten geprüft. Risikofaktor für alle Sorten bleibt die Witterung zur Blüte. Regnet es, wird diese abrupt beendet und die Pollensäcke (Antheren) abgeschlagen. Mutterkornsporen haben dann freie Bahn. Auf die pflanzenbaulichen Einflussmöglichkeiten zur Mutterkornbefallssenkung wird bei den Hinweisen zur Aussaat Im Artikel detailliert eingegangen.

Ein anderer möglicher Qualitäts-Risikofaktor ist die vergleichsweise geringere Fallzahlstabilität dieser Getreideart. Agronomisch betrachtet ist darüber hinaus die erhöhte Lagerneigung von Winterroggen noch als weiterer Ertragsrisikofaktor zu sehen, vor allem dann, wenn das Lager schon frühzeitiger zu Beginn oder während der Kornfüllungsphase auftritt. Wachstumsprozesse, der Saftfluss der Pflanze und insbesondere die Um- und Einlagerung ins Korn während der Kornfüllungsphase können dann beeinträchtigt sein. Hier ist pflanzenbaulich besonders sorgfältig, auch in Abhängigkeit der Wasserversorgung am Standort, der Wachstumsreglereinsatz durchzuführen. Auf Güllestandorten ist dieser Problematik besondere Aufmerksamkeit zu schenken.

Autor: Dr. Kathrin Bürling