Braugerste, Erfolg in der Nische?

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Die Freunde der Braugerste haben in den letzten Jahren mit größeren Stimmungsschwankungen zu kämpfen. Neben den volatilen Preisen, denen alle Getreidearten unterliegen, ist die Braugerste noch stärkeren Ertrags- und Qualitätsschwankungen ausgesetzt. Neue Sorten mit speziellen Eigenschaften und Anforderungen verlangen viel „Fingerspitzengefühl“ von den Landwirten und führen in den ersten Anbaujahren nicht direkt zu Höchstleistungen. Auch signalisieren die Mälzer immer wieder den Bedarf an Qualitätsware, doch Wochen später geben sie beim Einkauf billigeren Partien den Vorzug.

Winterbraugerste aber auch eiweißschwache „normale Gerste“ sind je nach Marktlage die ersten Konkurrenten qualitativ hochwertigen Sommerbraugerste. Zurzeit sind Importe aus Argentinien unterwegs, da man den hiesigen Mengen und Qualitäten nicht traut. Dahingegen verzeichnet Russland einen Importbedarf, der den EU-Markt „ leerfegen“ könnte. Die Versorgung mit Braugerste für die laufende Kampagne kann knapp werden, obwohl die Ernte 2011 in Deutschland über der Menge des Vorjahres lag. Die Witterung setzte jedoch der Qualität so zu, dass über das tatsächliche Volumen an „braufähiger Ware“ auch fünf Monate nach Abschluss der Ernte weiterhin große Unsicherheit herrscht. Die größtenteils unter schwierigen Witterungsverhältnissen eingebrachte Ernte zeigt erhebliche Probleme mit der Keimenergie, beim Eiweißgehalt, aufgrund von Trocknungsschäden sowie durch vereinzelten Befall mit Mikroorganismen. Daher ist bereits viel Ware mit Grenzqualitäten in den Futtertrog gewandert. Ein Glück, dass der Preis für Futtergerste sehr nahe an dem der abgewerteten Braugerste lag.

Trotz der speziellen Marktproblematik bleibt die Braugerste eine interessante Kultur insbesondere im Anbauspektrum der Frühjahrskulturen, die vielfach größeren Ertragsschwankungen ausgesetzt sind. Diese Schwankungen werden im Wesentlichen durch den Zeitpunkt der Aussaat, die Aussaatbedingungen und die dann folgende Witterung verursacht, insbesondere durch die Niederschläge. Dennoch werden viele Betriebe aus Fruchtfolgegründen nicht auf „Frühjahrskulturen“ verzichten, so dass eine ökonomische Betrachtung der Braugerste auf den passenden Standorten immer wieder sinnvoll ist.

Die Deckungsbeitragserwartungen als Entscheidungshilfe

In dem nachfolgenden Vergleich wird nur auf die gängigsten Kulturen eingegangen und unterstellt, dass es im gesamten Betrieb keine Unterschiede bei den festen Kosten gibt, so dass der Deckungsbeitrag in der Planungsrechnung das entscheidende Bewertungskriterium ist. Genauso ist es für den Rentabilitätsvergleich nicht erforderlich, die EU-Prämien zu berücksichtigen, da diese ab 2005 für alle Ackerkulturen gleich sind. Wesentlich für die wirtschaftliche Beurteilung sind nicht allein die in der Tabelle 1 angenommenen Erträge, sondern ist auch die Relation der Erträge untereinander, die von Betrieb zu Betrieb auch schwanken kann. Die angenommenen var. Kosten entsprechen dem zugrundeliegenden Betriebsmittelniveau. Die angesetzten Erzeugerpreise sind von den Terminmarktkursen abgeleitete Kassamarktpreise teilweise ex. Ernte und teilweise bei einer späteren Vermarktung. Wie aus der Übersicht 1 ersichtlich differieren die Deckungsbeiträge auf mittleren Standorten und bei dem aktuellen Preisniveau zwischen 600 und 1.400 Euro pro Hektar. Dabei liegt die Braugerste mit über 800 Euro/ha im unteren Drittel und kann nicht mit Zuckerrüben und Raps konkurrieren. Vergleicht man jedoch die Braugerste mit den tatsächlichen Konkurrenten wie Getreide und Mais so kann man erkennen, dass die Braugerste in getreidereichen Fruchtfolgen und auf dem passenden Standort einen festen Platz in den Anbauüberlegungen hat. Dabei ist bei der Braugerste auch unterstellt, dass im Durchschnitt der Jahre ein Viertel des Ertrages als Futterware verkauft werden muss. Auch bei eventuellen Preisänderungen nach oben und unten bleibt die relative Anbauwürdigkeit bestehen. Neben der Ertrags- und Qualitätsstabilisierung nimmt der zu erzielende Erlös und somit die Vermarktung der Braugerste eine entscheidende Rolle für die Vorzüglichkeit ein.

Die Vermarktung professioneller gestalten

Bei der Vermarktung „klemmt“ es bei der Braugerste besonders, da die Seite der Verarbeiter sich immer mehr konzentriert und großen Wert auf günstige Einkaufskonditionen legt. Dabei kommen den Verarbeitern in den letzten Jahren verstärkt günstigere Angebote von „zweitklassigen“ Malzrohstoffen entgegen und die qualitativ hochwertige Braugerste verliert an Wert. Für den Anbau heißt es daher verstärkt sich gegen derartige Marktentwicklungen abzusichern. In erster Linie muss der Anbauer seine Stückkosten kennen, um zu entscheiden zu welchem Erzeugerpreis er gewinnversprechend vermarkten kann. Liegen die Vermarktungsangebote für Braugerste unter der Gewinnschwelle, muss über Anbaualternativen nachgedacht werden, die wie aus der Übersicht 2 ersichtlich durchaus vorhanden sind. Betrachtet man Raps und Weizen als „gesetzt“, so geht es ja möglicherweise nur noch um maximal ein Viertel der Ackerfläche, die zur Diskussion steht. Statt dem Ausweichen auf andere Kulturen könnte aber auch eine professionelle Vermarktung die Erlöse und auch den Braugerstenanbau stabilisieren. Preisableitungen vom Terminmarkt, die Braugerste wird seit Mai dieses Jahres in Paris notiert, helfen bei günstigeren Marktbedingungen sich im voraus gute Konditionen zu sichern.

Fazit

Die ausgewiesene Deckungsbeitragsrechnung dient nur als Schema und es sollte in jedem Betrieb individuell exakt kalkuliert werden. Dabei können sich die Relationen von der einen zur anderen Kultur mehr oder weniger stark verschieben. Die Braugerste ist ein Nischenprodukt und unterliegt je nach Angebot und Nachfrage immer stärkeren Preisschwankungen. Von daher empfiehlt sich bei der Braugerste ein Vertragsanbau bei passenden Konditionen. Die Festpreis- und Prämienkontrakte aber auch die Absicherung am Terminmarkt wirken auch bei der Braugerste den Erlös stabilisierend. Im Falle nicht erfolgversprechender Konditionen kann man auf andere Ackerkulturen ausweichen, die die Braugerste zumindest temporär ersetzen und die in die Fruchtfolge passen. Die Kenntnis der fundamentalen Daten und der Vermarktungsinstrumente verbunden mit deren richtigem Einsatz und einer guten Strategie fördern die Sicherheit des Unternehmens. Konsequentes Handeln kann und soll nach der Kenntnis der betriebsindividuellen Stückkosten und unter Berücksichtigung des Mengen- und Qualitätsrisikos erfolgen.

Autor: Hans Jürgen Hölzmann