Landessortenversuche Sommergerste 2006

Claas-Mähdrescher bei der Gerstenernte

Sommergerstenerträge auf Vorjahresniveau

Nach den Ergebnissen der besonderen Ernteermittlung des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik in Düsseldorf wurden in Nordrhein-Westfalen im Erntejahr 2006 mit 51,2 dt je ha knapp die Vorjahreserträge erzielt. Über den Sommerbrau- und -futtergersten-Anbau in NRW berichten Dr. Joachim Holz und Heinz Koch, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

Die Anbauflächen verzeichneten NRW-weit nochmals einen weiteren Rückgang um rund 2 360 ha. Gegenüber dem Jahr 2003 sind damit die Sommergerstenanbauflächen um 45 % reduziert worden. Der Flächenrückgang fand ausschließlich im westfälisch-lippischen Landesteil statt. In Nordrhein-Westfalen verteilt sich beim Sommergerstenanbau das Anbausegment Sommer-Braugersteanbau schwerpunktmäßig auf das Rheinland, daher hier auch die geringeren Anbauflächenschwankungen über die Jahre (Tabelle 1), während das Anbausegment Sommer-Futtergersteanbau sich hauptsächlich im westfälisch-lippischen Bereich etabliert. Ähnlich wie bei den anderen Sommergetreidearten unterliegen die Anbauflächen entsprechend auch stärkeren Schwankungen. In Jahren mit ungünstigem Aussaatverlauf im Herbst oder nach auswinterungsbedingten Umbrüchen steigt die Anbaufläche für Sommerfuttergerste. Umgekehrt fällt bei optimalen Herbstwitterungsbedingungen und normalen Wintern die Anbauentscheidung immer eher zugunsten der Wintergerste aus.

Landessortenversuche Sommerfuttergerste

Die Landessortenversuche Sommerfuttergerste wurden in NRW in 2006 an zwei Standorten mit insgesamt sechs Sorten angelegt. Zur besseren Absicherung der Sortenergebnisse konnten aus dem benachbarten Kammergebiet Niedersachsen noch weitere vier Landessortenversuche in die Auswertung einbezogen werden, so dass insgesamt sechs Versuche zur Verfügung stehen (Tabelle 3). Die meisten Versuche wurden auf Sandstandorten angelegt, wo der Sommerfuttergerstenanbau auch überwiegend zu Hause ist. Wie sich der Ertragsaufbau in diesem Erntejahr im Vergleich zu den vorigen Landessorten-Prüfjahren gestaltete, ist der Tabelle 2 zu entnehmen. Im Unterschied zur den Ergebnissen der BEE war in den Landessortenversuchen das Erntejahr 2006 noch ein recht gutes Ertragsjahr gewesen. Auf allen Standortgruppen zeigen sich im Vergleich zum Vorjahr, witterungsbedingt, im Mittel der Sorten insgesamt geringere Tausendkornmassen bei deutlich höheren Bestandesdichten, die letztlich die recht guten Erträge noch retteten. In der Tabelle 3 sind die diesjährigen an den Einzelstandorten erzielten Erträge aufgezeigt. In der Tabelle 4 sind zusammengefasst standortspezifisch die diesjährigen und mehrjährigen Ertragsleistungen sowie die Einstufungen der Sorten bezüglich ihrer agronomischen Merkmale aufgeführt. Aus diesen Tabellen abgeleitet, sind in der Tabelle 5 die entsprechenden standortspezifischen Sortenempfehlungen zu entnehmen. Hervorzuheben ist mit der spätreiferen, aber gut standfesten Sorte Orthega die älteste Sorte im Prüfsortiment, die nach wie vor immer noch recht beständige, überdurchschnittliche Ertragsleistungen unter fast allen Standortbedingungen aufweist.

Höhere Intensität wirtschaftlich?

Die Prüfung der Sommerfuttergerstensorten erfolgte unter den Bedingungen zweier Intensitätsstufen B1 und B2, siehe Tabelle 6. Bei kostenmäßiger Bewertung der Varianten ist in B2 ein wirtschaftlicher Mindestmehrertrag von 5,5 dt je ha gegenüber der unbehandelten B1-Variante erforderlich. Aus der Tabelle 3 ergibt sich, dass im Mittel der Sorten, wie auch schon im Vorjahr, eine Wirtschaftlichkeit der höheren Intensität auf fast allen Versuchsstandorten nicht gegeben war. Ob dieses spezifisch an den Trockenheitskalamitäten der vergangenen beiden Erntejahre liegt, lässt sich erst wieder bei einem normalen Jahr ermitteln. Sortenspezifische Behandlungsansprüche lassen sich in der Tendenz aus der Abbildung ersehen. Es zeigt sich in den letzten beiden Prüfjahren und Standorten, dass die in den Erträgen leicht unterdurchschnittlich abschneidende Sorte Simba fast ausschließlich in der unbehandelten Variante die höchsten bereinigten Marktleistungen erbrachte. Dieses korrespondiert sehr gut mit der breiten Blattgesundheit sowie sehr guten Standfestigkeit dieser Sorte, siehe Tabelle 4.  Tocada und Annabell erzielten mehrheitlich ebenfalls in den unbehandelten Varianten schon die höchsten bereinigten Marktleistungen, während Djamila sowie Orthega mehrheitlich in den behandelten Varianten die besten Ergebnisse erbrachten.

Beschreibung der empfohlenen Sorten

Tocada: Ertrag: Im Mittel der Prüfjahre auf Sand-Niederungsstandorten und Höhenlagen überdurchschnittliche Ertragsleistungen. Auf Lehm-Niederungsstandorten in 2005 nur durchschnittliche Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit mittlerer hl-Gewichtsleistung, sehr geringem Rohproteingehalt sowie etwas überdurchschnittlichem Vollgerstenanteil. Ertragsbildung über deutlich unterdurchschnittliche Bestandesdichten, überdurchschnittliche Kornzahlen je Ähre sowie   hohe Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Relativ kurze Sorte mit geringer Lagerneigung. Die Pflanzenschutzintensität ist auf die erhöhte   Anfälligkeit gegenüber Mehltau und Rhynchosporium auszurichten; Marktleistung: Im Mittel der letzten beiden Anbaujahre überdurchschnittliche bereinigte Marktleistungen, die häufiger schon in der niedrigen Intensitätsstufe erreicht wurden. Empfehlung: Für alle Standorte gut geeignet.

Djamila: Ertrag: Auf Sand-Niederungslagen langjährige, auf Lehm-Niederungslagen in 2005 überdurchschnittliche, hohe Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit leicht überdurchschnittlicher   hl- Gewichtsleistung, geringem Rohproteingehalt sowie etwas überdurchschnittlichem Vollgerstenanteil. Ertragsbildung über durchschnittliche Bestandesdichten, überdurchschnittliche Kornzahlen je Ähre sowie mittlere Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Mittellange Sorte mit   erhöhter Lagerneigung. Die Pflanzenschutzintensität ist auf die erhöhte   Lagerneigung entsprechend auszurichten. Marktleistung: Im Mittel der letzten beiden Anbaujahre überdurchschnittliche bereinigte Marktleistungen, die häufiger in der höheren Intensitätsstufe erreicht wurde. Empfehlung: Auf Lehm-Niederungslagen und Sand-Niederungslagen gut geeignet.

Simba: Ertrag: Im Mittel der Prüfjahre und Standorte leicht unterdurchschnittliche Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit leicht überdurchschnittlicher hl- Gewichtsleistung, geringem Rohproteingehalt sowie gutem Vollgerstenanteil. Ertragsbildung über sehr hohe Bestandesdichten, unterdurchschnittliche Kornzahlen je Ähre sowie mittlere Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Relativ kurze Sorte mit geringer Lagerneigung. Sehr gesunde Sorte. Marktleistung: Im Mittel der letzten beiden Anbaujahre Sorte mit der besten bereinigten Marktleistung, die fast immer in der niedrigeren Intensitätsstufe erreicht wurde. Empfehlung: Auf Sand-Niederungsstandorten gut geeignet.

Orthega: Ertrag: Im Mittel der Prüfjahre und Standorte relativ stabile durchschnittliche Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit leicht überdurchschnittlich hoher hl- Gewichtsleistung, geringem Rohproteingehalt sowie mittlerem Vollgerstenanteil. Ertragsbildung über relativ hohe Bestandesdichten, deutlich unterdurchschnittliche Kornzahlen je Ähre sowie relativ hoher Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Relativ kurze Sorte mit geringer Lagerneigung. Marktleistung: Im Mittel der letzten beiden Anbaujahre leicht überdurchschnittliche bereinigte Marktleistungen, die meistens in der höheren Intensitätsstufe erreicht wurden. Empfehlung: Auf Lehm-Niederungsstandorten sowie Übergangs- und Höhenlagen gut geeignet.

Annabell: Ertrag: Im Mittel der Prüfjahre in Höhenlagen stabile überdurchschnittliche Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit leicht überdurchschnittlich hoher hl- Gewichtsleistung, geringem Rohproteingehalt sowie mittlerem Vollgerstenanteil. Ertragsbildung über höhere Bestandesdichten und sehr hohen Kornzahlen je Ähre sowie relativ niedrigen Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Sehr kurze und standfeste Sorte. Die Pflanzenschutzintensität ist auf die sehr hohe Anfälligkeit gegenüber Mehltau sowie die hohe Anfälligkeit gegenüber Rhynchosporium auszurichten. Marktleistung: Im Mittel der letzten beiden Anbaujahre Sorte mit akzeptablen bereinigten Marktleistungen. In der niedrigeren Intensitätsstufe wurde sehr häufig die höhere bereinigte Marktleistung erzielt. Empfehlung: Für Übergangs- und Höhenlagen gut geeignet.

Hinweise zum Anbau

Wie bei allen Sommergetreidearten, muss auch bei der Sommergerste durch eine möglichst frühe Aussaat die per se knappe Vegetationszeit ausgenutzt werden. Insbesondere die noch verfügbare Zeit unter Kurztagsbedingungen vom Saattermin bis etwa 20. April bewirkt eine gute Bestockung als Voraussetzung für höhere Bestandesdichten bei noch moderaten Aussaatstärken. Der Tabelle 7 sind die Saatmengen und Saatstärkenempfehlungen zu entnehmen. Andererseits verträgt sie, im Unterschied zu Sommerweizen und Sommerhafer, auch kürzere Vegetationszeiten bei leicht verspäteter Aussaat noch am besten.

 Wie aus der Tabelle 7 zu ersehen, verfügt die Sommergerste im Vergleich zu den anderen Sommergetreidearten über das höchste Bestockungsvermögen und die entsprechend höchsten Beährungskoeffizienten. Das Erreichen ausreichend hoher Bestandesdichten als ein wesentliches Ertragsstrukturmerkmal zur Ertragssicherung ist bei dieser Kulturart damit noch am ehesten gewährleistet. Da Sommergerste sehr empfindlich auf Bodenverdichtungen reagiert, sollten auf jeden Fall gute Saatbettbedingungen abgewartet werden. Die Grundsätze für die N-Düngung sind die gleichen wie bei den anderen Sommergetreidearten. Sommergerste neigt stärker zu Zwiewuchs. Sommergerste hat einen geringen Vorfruchtwert. Sie kann auch mehrmals hintereinander angebaut werden, ohne Ertragsminderungen befürchten zu müssen.

Autor: Dr. Joachim Holz, Heinz Koch