Landessortenversuche Sommerhafer 2006

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Sommerhafer besser als im Vorjahr

Wider Erwarten wurden im aktuellen Anbaujahr beim Sommerhafer etwas höhere Erträge erzielt als im Vorjahr. Mit knapp 50 dt je ha wurden nach den Ergebnissen der besonderen Ernteermittlung rund 5,7 % in NRW mehr gedroschen. Dr. Joachim Holz und Heinz Koch, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, stellen die Ergebnisse der Landessortenversuche in NRW vor.

Die trocken heiße Witterungsphase in den Monaten Juni und Juli konnte dem Hafer weniger anhaben als gemeinhin vermutet. Auch beim Sommerhafer sind die Anbauflächen 2006 nochmals um rund 2 600 ha in NRW reduziert worden.  Gegenüber einem Anbauflächenhoch von rund 26 300 ha im Erntejahr 2003 ist die Haferanbaufläche zur Ernte 2006 mittlerweile um deutlich 30 % auf 18 350 ha reduziert worden. Die Anbauflächenreduzierungen sind dabei im westfälisch-lippischen Landesteil deutlicher als im Rheinland.

Bei der Frage nach dem grundsätzlichen Sinn einer Hereinnahme einer Sommergetreideart in die Fruchtfolge sind nach den jeweiligen betriebsindividuellen Gegebenheiten die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen. Im Vergleich zum Wintergetreideanbau liegen die Vorteile eines Sommergetreideanbaues generell in der Auflockerung der Fruchtfolge, der Möglichkeit einer nachhaltigen Beseitigung von Bodenstrukturschäden, der relativ einfachen und preiswerten Produktionstechnik mit weniger Überfahrten sowie in der Entzerrung von Arbeitsspitzen. Speziell beim Hafer ist darüber hinaus noch seine phytosanitäre Wirkung auf den Halmbrucherreger in sehr weizenlastigen Fruchtfolgen anzuführen.

Als schwerwiegenderer Nachteil einer Sommerung ist das witterungsbedingte Ertragsrisiko anzuführen. Sommerhafer unterliegt generell in weitaus höherem Maße witterungsbedingten Anbaurisiken als Wintergetreide. Im Mittel steht von der Saat bis zur Ernte unter optimalen Bedingungen eine Vegetationszeit von rund 150 bis 160 Tagen zur Verfügung, in der die Witterung als natürlicher ertrags- und qualitätsbestimmender Einflussfaktor, insbesondere bezüglich der Wasser- und Temperaturverhältnisse,  stimmen muss. Auch ist das Saatzeitrisiko höher zu bewerten, da bei verspäteter Saat schneller mit niedrigeren Erträgen zu rechnen ist als beim Wintergetreide. Unter solchen Bedingungen kann die verfügbare Vegetationszeit auf 140 Tage und weniger sinken. Aus diesem Grund bergen vor allem trockene Standorte das höchste Anbaurisiko in sich. Als Nachteil speziell beim Sommerhafer lassen sich vor allem im Vergleich zum Sommerweizen die häufig niedrigeren Erträge (Tabelle 1) und bei der Qualitätshafererzeugung das erforderliche Erreichen einer Mindest-Hektoliter-Gewichtsleistung als Risiko anführen.

Die Landessortenversuche

Im Jahr 2006 wurden in NRW mit insgesamt zehn Sorten an drei Standorten die Landessortenversuche Hafer durchgeführt. Zur besseren Absicherung und Beurteilung der Sortenleistungen wurden aus dem benachbarten Kammerbezirk Niedersachsen noch sieben weitere Landessortenversuchsergebnisse in die Auswertung einbezogen, so dass insgesamt zehn Landessortenversuche aus verschiedenen Ackerbauregionen für die Auswertung zur Verfügung standen (Tabelle 3). Wie sich der Ertragsaufbau in diesem Erntejahr im Vergleich zu den vorigen Landessorten-Prüfjahren gestaltete, ist der Tabelle 2 zu entnehmen. Im Vergleich zum Jahr 2006 lagen die Bestandesdichten und auch die Kornzahlen je rispentragendem Halm in etwa auf Vorjahresniveau, teilweise sogar höher. Je nach einzelstandörtlichen Niederschlagsverhältnissen wirkten sich die erzielten Tausendkornmassen entscheidender auf die jeweiligen Ertragsverhältnisse aus.

Die letztjährigen Sortenversuchsergebnisse (Tabelle 3) zeigen je nach Standort zum Teil sehr große Unterschiede zwischen den Sorten, obwohl sich die Grenzdifferenzen insgesamt auf einem guten, niedrigen Niveau bewegen. Die außergewöhnlichen Witterungsbedingungen des abgelaufenen Vegetationsjahres haben im Zusammenhang mit den sortenspezifischen Reaktionen darauf sicherlich dazu geführt. Daher lassen sich, wie sonst in den Vorjahren, aus dem diesjährigen Ergebnis allein keine eindeutig sicheren Sortenaussagen ableiten. Umso wichtiger ist daher die Berücksichtigung der Vorjahresergebnisse, die in der Tabelle 4 aufgeführt sind. Im Zusammenhang mit den in dieser Sortenleistungstabelle aufgeführten standortspezifischen mehrjährigen Ertragsergebnissen lassen sich die in der Tabelle 5 aufgeführten Sortenempfehlungen für das kommende Anbaujahr für NRW ableiten.

Bei der Sortenwahl ist neben den Ertrags- und agronomischen Leistungsmerkmalen auch das beabsichtigte Erzeugungsziel, Qualitätshafer für die Schälmühle oder die Futterhaferproduktion zu erzeugen, zu berücksichtigen. Für die Qualitätshafererzeugung besitzt das erzeugerpreisrelevante Vermarktungskriterium „hl-Gewichtsleistung“ der Sorten eine sehr große Bedeutung. Die Spelzenfarbe weiß oder gelb hat keinen differenzierenden Einfluss auf die Nutzbarkeit als Qualitätshafer. Die geforderten Mindest - hl-Gewichte von mehr als 50 kg je hl sind nicht immer sicher zu erreichen, aber für das Erzielen einer ausreichenden Rentabilität wichtig, da es sonst Preisabzüge gibt. Für den Qualitätshaferanbau sollten grundsätzlich nur Standorte mit sicherer Wasserführung während der Vegetationszeit gewählt werden, da das Qualitätskriterium „hl-Gewichtsleistung“ nur auf solchen Standorten sicherer erzielt werden kann. Es kommt insbesondere auf ein hohes Tausendkorngewicht bei möglichst bauchiger Kornausbildung an; das Verhältnis von Spelzenanteil zu verwertbarem Kerneranteil ist dann günstig. Daher darf auch die Bestandesdichte nicht überzogen werden. Der Hafer ist als küstenklimatische Pflanze sehr wasserbedürftig. Ein Wassermangel, vor allem in der kritischen Kornfüllungsphase, wirkt sich negativ auf die Qualität aus, dieses umso mehr, je höher die Bestandesdichte ist.

Aus der Tabelle 6 gehen die hl-Gewichtsleistungen der Hafersorten hervor. Die Sorten Aragon, Ivory sowie Freddy weisen in diesem Qualitätsmerkmal nicht nur diesjährig, sondern auch mehrjährig vergleichsweise hohe und sichere Leistungen auf. Für die Qualitätshafererzeugung in der Schälmühle ist darüber hinaus noch der Spelzenanteil der Sorten ein entscheidendes Merkmal. Bei der Kombination Spelzenanteil und hl-Gewichtsleistung ist daher nur noch die Sorte Ivory für diese Erzeugungsrichtung eine sicher zu empfehlende Sorte.

Wirtschaftlichkeit der Intensitätsvarianten

In der Tabelle 7 sind die Intensitätsvarianten, unter denen die Sorten in den Landessortenversuchen leider nur in NRW geprüft wurden, aufgeführt. Bei kostenmäßiger Bewertung des höheren Aufwandes in der B2 Variante mussten mindestens 3,3 dt je ha Mehrertrag gegenüber der B1-Variante erzielt werden. Mit Ausnahme des Höhenlagenstandortes Altenmellrich, wie hier auch schon im Vorjahr 2005, wurden diese Mindestmehrerträge im Mittel aller Sorten auf den anderen beiden nordrhein-westfälischen Versuchsstandorten ebenfalls sicher erzielt. Die höhere Intensität lohnte sich damit, trotz der trocken heißen Witterung in den Monaten Juni und Juli. Aus der Abbildung gehen die sortenspezifischen Behandlungsansprüche der Sommerhafersorten hervor. Es zeigt sich, dass die meisten Sorten in der Tendenz, je Standort und Jahr, in 50 % der Fälle mal in der unbehandelten, mal in der behandelten Variante jeweils die höchsten bereinigten Marktleistungen erzielten. Lediglich bei der empfohlenen Sorte Freddy zeigt sich in der Mehrzahl der Versuchsjahre und Standorte, dass diese überwiegend in der unbehandelten Variante bereits die höchsten bereinigten Marktleistungen erzielte. Umgekehrt führte bei der Sorte Leo in der Mehrzahl eine Behandlung zu den höchsten bereinigten Marktleistungen. Eine wahrscheinliche Ursache dafür liegt sicherlich in der hohen Mehltauanfälligkeit dieser Sorte, siehe Tabelle 4. In der Schlussfolgerung sind bei den meisten Sommerhafersorten damit eine genaue Beobachtung der Bestände sowie ein genaues Abwägen von eventuellen Behandlungen erforderlich.

Beschreibung der empfohlenen Sorten

Leo (Weißhafer): Ertrag: im Mittel der Prüfjahre und Standorte konstante überdurchschnittliche Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit recht konstanten, durchschnittlichen hl- Gewichtsleistungen. Ertragsbildung: über mittlere bis leicht höhere Bestandesdichten, überdurchschnittliche Kornzahlen je Rispe sowie eine etwas unterdurchschnittliche Tausendkornmasse. Agronomische Merkmale: mittellange Sorte mit guter Standfestigkeit. Die Pflanzenschutzintensität ist auf die erhöhte Anfälligkeit gegenüber Mehltau und Kronenrost auszurichten. Marktleistung: im Mittel der letzten beiden Anbaujahre überdurchschnittliche bereinigte Marktleistungen, die sehr häufig in der höheren Intensitätsstufe erreicht wurde. Empfehlung: für alle Standorte gut geeignet

Ivory (Weißhafer): Ertrag: Im Mittel der Prüfjahre und Standorte stärker schwankende Ertragsleistungen. Auf Lößstandorten in den vergangenen Jahren mittlere, in 2006 überdurchschnittlich hohe Ertragsleistungen. Auf Sand-Niederungslagen in den vergangenen beiden Jahren überdurchschnittlich hohe Ertragsleistungen. Auf den übrigen Standorten mittlere bis leicht unterdurchschnittliche Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit überdurchschnittlichen hl- Gewichtsleistungen. Ertragsbildung: über mittlere bis leicht überdurchschnittliche Bestandesdichten, sehr geringe Kornzahlen je Rispe sowie überdurchschnittlich hohe Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: mittellange Sorte mit mittlerer Standfestigkeit. Marktleistung: im Mittel der letzten beiden Anbaujahre Sorte mit der höchsten bereinigte Marktleistungen, die sehr häufig in der höheren Intensitätsstufe erreicht wurde.

Freddy (Weißhafer): Ertrag: im Mittel der Prüfjahre und Standorte konstante überdurchschnittliche Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit konstanten, überdurchschnittlichen hl- Gewichtsleistungen. Ertragsbildung: über leicht unterdurchschnittliche Bestandesdichten, sehr hohe Kornzahlen je Rispe sowie leicht unterdurchschnittliche Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: mittellange Sorte mit guter Standfestigkeit. Recht gesunde Sorte. Die Pflanzenschutzintensität ist gegen Blattmehltau auszurichten.

Marktleistung: Im Mittel der letzten beiden Anbaujahre überdurchschnittliche bereinigte Marktleistungen, die sehr häufig in der niedrigeren Intensitätsstufe erreicht wurden. Empfehlung: Für Niederungslagen-Lehm und Sand sowie für Übergangslagen und Höhenlagen gut geeignet.

Dominik (Gelbhafer): Ertrag: im Mittel der Prüfjahre und Standorte überdurchschnittliche Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit mittleren bis leicht unterdurchschnittlichen   hl- Gewichtsleistungen. Ertragsbildung: über leicht überdurchschnittliche Bestandesdichten, durchschnittliche Kornzahlen je Rispe sowie mittlere bis hohe Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Relativ gesunde, kurze Sorte mit guter Standfestigkeit. Marktleistung: Im Mittel der letzten beiden Anbaujahre überdurchschnittliche bereinigte Marktleistungen. Empfehlung: Für alle Standorte gut geeignet.

Kaplan (Weißhafer): Ertrag: nur auf Lößstandorten im Mittel der Prüfjahre konstante überdurchschnittliche Ertragsleistungen, ansonsten leicht unterdurchschnittlich. Qualität: Sorte mit mittleren   hl-Gewichtsleistungen. Ertragsbildung: über mittlere Bestandesdichten, leicht höhere Kornzahlen je Rispe sowie leicht unterdurchschnittliche Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Mittellange Sorte mit guter Standfestigkeit. Recht gesunde Sorte. Die Pflanzenschutzintensität ist schwerpunktmäßig gegen Blattmehltau auszurichten. Marktleistung: Im Mittel der letzten beiden Anbaujahre mittlere bereinigte Marktleistungen, die sehr häufiger schon in der niedrigeren Intensitätsstufe erreicht wurden. Empfehlung: für Lößstandorte gut geeignet.

Flämingsprofi (Weißhafer) : Ertrag: Im Mittel der Prüfjahre und Standorte   gute Ertragsleistung. In diesem Jahr auf Lößstandorten stark abgefallene, auf Niederungslagen-Lehm und Sand noch gute Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit   leicht unterdurchschnittlichen   hl- Gewichtsleistungen. Ertragsbildung: über mittlere Bestandesdichten, niedrige Kornzahlen je Rispe sowie sehr hohe Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Mittellange Sorte mit erhöhter Lagerneigung, daher für Standorte mit hohem organischem Düngereinsatz und entsprechend schwer kalkulierbarer Stickstofffreisetzung nicht geeignet. Die Pflanzenschutzintensität ist auf die erhöhte Lagerneigung und die Anfälligkeit gegenüber Mehltau auszurichten. Marktleistung: Im Mittel der letzten beiden Anbaujahre nur mäßige bereinigte Marktleistungen. Dabei war in den meisten Fällen die extensive Intensitätsvariante die wirtschaftlichere. Empfehlung: Für Niederungslagen-Lehm und Sand sowie Lößstandorte noch gut.

Hinweise zum Anbau

Die jährlichen Ertragsschwankungen beim Sommerhafer liegen gegenüber den anderen Sommergetreidearten höher. Dieses unterstreicht die sehr starke Witterungsabhängigkeit des Hafers, insbesondere von den Niederschlägen. Eine möglichst frühe Saat, im Rheinland ab Mitte Februar, wenn es die Bodenverhältnisse erlauben, in ein trockenes, feinkrümeliges, gut abgesetztes Saatbett, sollte angestrebt werden. Die Winterfeuchtigkeit und die noch herrschenden kurzen Tageslängen können dann noch für eine ausreichende Bestockung und Bestandesdichteetablierung optimal genutzt werden. Die standortspezifischen Aussaatstärkenempfehlungen auf der Basis langjähriger Ertragsstrukturermittlungen aus den Landessortenversuchen sind der Tabelle 8 zu entnehmen. Eine zweimalige Stickstoff-Düngung für hohe Erträge und Qualitäten reicht aus. Als vorteilhaft erweist sich das flache Einarbeiten der ersten Stickstoffgabe in die Krume kurz vor der Saat, wenn witterungsbedingt die Saat erst später erfolgt und/oder mit längerer Trockenheit nach der Saat zu rechnen ist. Darüber ist gewährleistet, dass der Stickstoff den auflaufenden Pflanzen witterungsunabhängig schneller zur Verfügung steht. Angesichts der kurzen Vegetationszeit ist eine frühzeitige gesicherte pflanzenverfügbare Stickstoffversorgung besonders wichtig. Der Hafer verfügt über ein leistungsfähiges und stark verzweigtes Wurzelsystem. Eine Stickstoffüberversorgung kann daher leicht zu ertrags- und qualitätsmindernden Verlusten durch Lager führen. Die Standfestigkeitssicherung in EC 33 bis 37 mit Cycocel ist in der Regel eine wirtschaftliche und ertragssichernde Maßnahme, vor allem auf den besseren, wassersicheren Standorten.

Beim Einsatz eines Fungizids ist der aktuelle Zulassungsstand zu beachten. Speziell für Hafer ist er sehr eingeschränkt. Aus der Tabelle 4 wird deutlich, dass bei den empfohlenen Sorten je nach Jahr größere Krankheitskalamitäten auftreten können. Nur dann kann sich ein Fungizideinsatz auch tatsächlich als wirtschaftlich erweisen. Es ist in diesem Zusammenhang aber auch das zu erwartende Marktpreisniveau zu beachten. Bei niedrigeren Erzeugerpreisen erhöht sich der wirtschaftlich notwendige Mindestmehrertrag. Dieses bedeutet, dass sich bei sehr niedrigen Marktpreisen eine höhere Intensität nur noch selten wirtschaftlich lohnt. Zu beachten ist beim Hafer die starke Ertragsreaktion gegenüber Blattlausbefall mit Haferröte und Verzwergung. Hier sollten sofort bei Befallsermittlung entsprechende Insektizide zum Einsatz kommen.

Autor: Dr. Joachim Holz, Heinz Koch