Landessortenversuche Sommerhafer 2008

Erntereifer Hafer

Sommerhafer mit befriedigenden Erträgen und guten Qualitäten

Nach den vorjährig völlig desolaten Erträgen mit nur 43 dt je ha konnten in diesem Erntejahr mit 51 dt je ha landesweit zwar keine Spitzenerträge erzielt werden, sie bewegen sich aber für den Sommerhafer im oberen Ertragsbereich. Dr. Joachim Holz und Heinz Koch, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, lassen die Hafersaison Revue passieren.

Die Anbauflächen verzeichneten 2008 gegenüber 2007 eine Zunahme von rund 470 ha auf insgesamt 17 430 ha, wobei diese Zunahme ausschließlich im Landesteil Westfalen-Lippe erfolgte. Die in der Regel gute und gleichmäßige Niederschlagsverteilung, vor allem auch in der späteren Abreifephase, sorgte überwiegend auch für gute hl-Gewichte, ein wesentliches bezahlungsrelevantes Qualitätsmerkmal für den Sommerhafer. Im Jahr 2008 wurden in NRW mit insgesamt neun Sorten an drei Standorten die Landessortenversuche Hafer durchgeführt. Wegen Hagelschlags auf dem Lößstandort Kerpen-Buir konnte der dortige Versuch nicht ausgewertet werden. Zur besseren Absicherung und Beurteilung der Sortenleistungen wurden aus den benachbarten Kammerländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein noch sechs weitere Landessortenversuchsergebnisse in die Auswertung einbezogen, so dass insgesamt acht Landessortenversuchsergebnisse aus verschiedenen Ackerbauregionen für eine gesicherte Sortenempfehlung zur Verfügung stehen. Die Sortenprüfungen erfolgten in zwei Intensitätsvarianten, wie aus Tabelle 1 ersichtlich.

Bezüglich des Ertragsaufbaus in diesem Erntejahr waren in den Landessortenversuchen auf den Lehm- und Höhenlagenstandorten bei gut durchschnittlichen Bestandesdichten mit 400 rispentragenden Halme je m² sowie einer durchschnittlichen Kornzahl je Rispe von 48 vor allem die deutlich höheren Tausendkornmassen für die sehr guten Erträge maßgebend. Auf den Sandstandorten waren die Erträge diesjährig enttäuschend. Die Bestandesdichten waren gut, während die Kornzahl je Rispe und die TKM im Vergleich zu den vergangenen Jahren unterdurchschnittlich waren. Die diesjährigen Sortenversuchsergebnisse in Tabelle 2 zeigen je nach Standort zum Teil sehr große Unterschiede zwischen den Sorten. Nach vorjährig unterdurchschnittlichen Erträgen bei Flämingsprofi auf den Löß- und Lehmstandorten zeigte, wie schon in den anderen Vorjahren, diese Sorte diesjährig wieder konstant überdurchschnittliche Erträge. Auch Freddy konnte ertraglich wieder überzeugen. Unter Berücksichtigung der Vorjahresergebnisse, die für die einzelnen Ackerbauregionen zusammenfassend in der Tabelle 3 aufgeführt sind, sind in der Tabelle 4 die Sortenempfehlungen für das kommende Anbaujahr für NRW zu entnehmen.

Bei der Sortenwahl ist neben den agronomischen Leistungsmerkmalen in Tabelle 5 auch das beabsichtigte Erzeugungsziel, Qualitätshafer für die Schälmühle oder die Futterhaferproduktion, zu berücksichtigen. Für die Qualitätshafererzeugung besitzt, zusammen mit einem möglichst niedrigen Spelzenanteil einer Sorte, das Vermarktungskriterium hl-Gewichtsleistung eine sehr große Erzeugerpreisrelevanz. Die Spelzenfarbe weiß oder gelb hat keinen differenzierenden Einfluss auf die Nutzbarkeit als Qualitätshafer. Die geforderten Mindest-hl-Gewichte von über als 50 kg je hl sind nicht immer sicher zu erreichen, aber für das Erzielen einer ausreichenden Rentabilität wichtig. Für den Qualitätshaferanbau sollten grundsätzlich nur Standorte mit sicherer Wasserführung während der Vegetationszeit gewählt werden, da das Qualitätskriterium hl-Gewichtsleistung nur auf solchen Standorten sicherer erzielt werden kann. Es kommt insbesondere auf ein hohes Tausendkorngewicht bei möglichst bauchiger Kornausbildung an; das Verhältnis von Spelzenanteil zu verwertbarem Kerneranteil ist dann günstig. Daher darf auch die Bestandesdichte nicht überzogen werden. Der Hafer ist als küstenklimatische Pflanze sehr wasserbedürftig. Ein Wassermangel, vor allem in der kritischen Kornfüllungsphase, wirkt sich negativ auf die Qualität aus, dieses umso mehr, je höher die Bestandesdichte ist. Aus der Tabelle 6 gehen die hl-Gewichtsleistungen der Hafersorten hervor. Die Sorten Freddy, Ivory sowie Typhon weisen in diesem Qualitätsmerkmal nicht nur diesjährig, sondern auch mehrjährig vergleichsweise hohe und sichere Leistungen auf. Unter Berücksichtigung des Spelzenanteils der Sorten sind allerdings nur noch die Sorten Ivory sowie Typhon für einen Qualitätshaferanbau sicher zu empfehlende Sorten, siehe Tabelle 5.

Wirtschaftlichkeit der Intensitätsvarianten

Unter Berücksichtigung der diesjährigen Erzeugerpreise mussten in der höheren Intensitätsvariante mindestens 2,7 dt je ha mehr gedroschen werden, um die dort durchgeführten Zusatzmaßnahmen wirtschaftlich zu rechtfertigen. Aus der Tabelle 1 ist zu ersehen, dass sich diese im Mittel über die Sorten nicht an allen Standorten lohnten. Bei mehrjähriger sortenspezifischer Betrachtung zeigt sich bei keiner Sorte eine eindeutige Tendenz zu einem höheren oder niedrigeren Intensitätserfordernis. Daraus ist abzuleiten, dass bei jeder Sorte jahresspezifisch entschieden werden muss, inwieweit eine Behandlung notwendig ist oder nicht.   

Beschreibung der empfohlenen Sorten

Ivory (Weißhafer): Ertrag: Im Mittel der Prüfjahre und Standorte etwas stärker schwankende Ertragsleistungen, im Mittel leicht überdurchschnittlich. Qualität: Sorte mit überdurchschnittlichen stabilen hl-Gewichtsleistungen und niedrigem Spelzenanteil. Ertragsbildung: über mittlere bis leicht überdurchschnittliche Bestandesdichten, sehr geringe Kornzahlen je Rispe sowie deutlich überdurchschnittlich hohe Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Mittellange Sorte mit mittlerer Standfestigkeit. Empfehlung für Löß- und Lehmstandorte bei eigenen, noch guten Anbauerfahrungen zur Qualitätshafererzeugung.

Freddy (Weißhafer): Ertrag: Im Mittel der Prüfjahre auf Lehm- und Höhenlagenstandorten konstante überdurchschnittliche Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit konstanten, überdurchschnittlichen hl-Gewichtsleistungen. Ertragsbildung über leicht unterdurchschnittliche Bestandesdichten, sehr hohe Kornzahlen je Rispe sowie mittlere Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Mittellange Sorte mit guter Standfestigkeit. Die Pflanzenschutzmittelwahl und -intensität ist auf die etwas höhere Blattmehltauanfälligkeit auszurichten. Empfehlung: Für Löß-, Lehm- und Höhenlagenstandorte.

Dominik (Gelbhafer): Ertrag: Im Mittel der Prüfjahre und Standorte recht konstante, überwiegend noch durchschnittliche Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit mittleren bis leicht unterdurchschnittlichen schwankenden hl-Gewichtsleistungen. Ertragsbildung über leicht überdurchschnittliche Bestandesdichten, leicht unterdurchschnittliche Kornzahlen je Rispe sowie etwas höhere Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Kurze Sorte mit guter Standfestigkeit. Empfehlung für alle Standorte bei eigenen, noch guten Anbauerfahrungen zur Futterhafererzeugung.

Flämingsprofi (Weißhafer): Ertrag: Im Mittel der Prüfjahre auf Lehm- und Sandstandorten gute überdurchschnittliche Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit   leicht unterdurchschnittlichen hl-Gewichtsleistungen. Ertragsbildung über mittlere Bestandesdichten, niedrigere Kornzahlen je Rispe sowie hohe Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Mittellange Sorte mit erhöhter Lagerneigung, daher für Standorte mit hohem organischem Düngereinsatz und/oder entsprechend schwer kalkulierbarer Stickstofffreisetzung nicht geeignet. Die Pflanzenschutzintensität ist auf die erhöhte Lagerneigung und die Anfälligkeit gegenüber Mehltau auszurichten. Empfehlung für Löß- sowie Höhenlagenstandorte bei noch guten, eigenen Anbauerfahrungen, auf Lehm- und Sandstandorten uneingeschränkt zur Futterhafererzeugung.

Typhon (Gelbhafer): Ertrag: Auf Löß zweijährig überdurchschnittliche, auf Sandstandorten dreijährig konstante durchschnittliche Erträge. Qualität: Sorte mit gut überdurchschnittlichen stabilen hl-Gewichtsleistungen und noch relativ niedrigem Spelzenanteil. Ertragsbildung über durchschnittliche Bestandesdichten sowie Kornzahlen je Rispe und überdurchschnittliche Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Mittellange Sorte mit geringer Standfestigkeit und hoher Neigung zum Halmknicken. Ansonsten recht gesund. Die Pflanzenschutzintensität sollte mittels gezielten Wachstumsreglereinsatzes schwerpunktmäßig darauf ausgerichtet werden. Empfehlung für Löß- und Lehmstandorte bei eigenen, guten Anbauerfahrungen, auf Sandstandorten uneingeschränkt zur Qualitätshafererzeugung.

Hinweise zum Anbau

Die jährlichen Ertragsschwankungen beim Sommerhafer liegen gegenüber den anderen Sommergetreidearten höher. Vor allem ist die sehr starke Witterungsabhängigkeit von der Niederschlagsverteilung gegeben. Eine möglichst frühe Saat, wenn es die Bodenverhältnisse erlauben, sollte angestrebt werden. Die Winterfeuchtigkeit und die noch herrschenden kurzen Tageslängen können dann noch für eine ausreichende Bestockung und Bestandesdichteetablierung optimal genutzt werden. Die standortspezifischen Aussaatstärkenempfehlungen auf der Basis langjähriger Ertragsstrukturermittlungen aus den Landessortenversuchen sind der Tabelle 7 zu entnehmen. Eine zweimalige Stickstoff-Düngung für hohe Erträge und Qualitäten reicht aus. Vorteilhaft ist das flache Einarbeiten der ersten Stickstoffgabe in die Krume kurz vor der Saat. Wenn witterungsbedingt die Saat erst später erfolgt und/oder mit längerer Trockenheit nach der Saat zu rechnen ist, kann der bereits eingearbeitete Stickstoff witterungsunabhängiger noch pflanzenwirksam umgesetzt werden. Angesichts der kurzen Vegetationszeit ist eine frühzeitige, gesicherte pflanzenverfügbare Stickstoffversorgung besonders wichtig. Der Hafer verfügt über ein leistungsfähiges, stark verzweigtes Wurzelsystem. Eine Stickstoffüberversorgung kann daher leicht zu ertrags- und qualitätsmindernden Verlusten durch Lager führen. Die Standfestigkeitssicherung in EC 33 bis 37 mit Cycocel ist in der Regel eine wirtschaftliche und ertragssichernde Maßnahme, vor allem auf den besseren, wassersicheren Standorten.

Beim Einsatz eines Fungizids ist der aktuelle Zulassungsstand zu beachten. Speziell für Hafer ist er sehr eingeschränkt. Aus der Tabelle 5 wird deutlich, dass bei den empfohlenen Sorten je nach Jahr Krankheitskalamitäten auftreten können. Zu beachten ist beim Hafer die starke Ertragsreaktion gegenüber Blattlausbefall, wenn diese mit dem Gelbverzwergungsvirus infiziert sind. Hier sollten sofort bei Befallsermittlung entsprechende Insektizide zum Einsatz kommen.

Autor: Dr. Joachim Holz, Heinz Koch