Landessortenversuche Sommerhafer 2012

Erntereifer Hafer

Sommerhafer: Spitzen Erträge und akzeptable Qualitäten

Im Vergleich zum vergangenen Jahr lagen 2012 die Hafererträge wieder auf einem höheren Niveau, auch wegen der optimalen Witterungsbedingungen. Nach der besonderen Ernteermittlung wurden in NRW 61,4 dt je ha gedroschen, die Ergebnisse lagen damit gut 10 dt höher als das zehnjährige Mittel und übertrafen die Ergebnisse des letzten Anbaujahres um rund 18 %. Dr. Joachim Holz und Dr. Kathrin Bürlig, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, berichten über weitere Versuchsergebnisse sowie die Vor- und Nachteile eines Sommergetreideanbaues.

Trotz der sich ab Juni einstellenden reichlichen Niederschläge konnten die von der Industrie geforderten vermarktungsrelevanten Mindest-hl-Gewichte von 53 bis 55 kg/hl nicht erreicht werden. Lediglich an einem LSV-Standort in Niedersachsen konnte im Mittel über die Sorten ein Wert von 54,2 erzielt werden. Mit einer Anbaufläche von 11 418 ha NRW-weit ist langjährig der niedrigste Anbauumfang zu verzeichnen. Erstaunlich ist nach wie vor der mittlerweile beachtliche Ertragsunterschied zwischen den Landessortenversuchserträgen und den Praxiserträgen, welcher nicht mehr allein auf den versuchsbedingten Unterschied zurückzuführen ist. Auf den Lehmstandorten wurde diesjährig im Mittel über acht Standorte ein Ertrag von 88,0 und auf den Sandstandorten im Mittel von vier Standorten ein Ertrag von 96,4 dt je ha und damit 44 oder 57 % mehr als in der Praxis erzielt. Dieses zeigt grundsätzlich, dass auch beim Haferanbau durchaus passable Ertragsniveaus erreicht werden können.

Das Eingliedern einer Sommergetreideart in die Fruchtfolge ist nach den jeweiligen betriebsindividuellen Gegebenheiten abzuwägen. Im Vergleich zum Wintergetreideanbau liegen die Vorteile eines Sommergetreideanbaues generell in der Auflockerung der Fruchtfolge, der Möglichkeit einer nachhaltigen Beseitigung von Bodenstrukturschäden, der relativ einfachen und preiswerten Produktionstechnik sowie in der Entzerrung von Arbeitsspitzen. Speziell beim Sommerhafer ist darüber hinaus noch seine phytosanitäre Wirkung auf den Halmbrucherreger Cercosporellaherpotrichoides in sehr weizenlastigen Fruchtfolgen anzuführen. Auch hinsichtlich der Schwarzbeinigkeit hat Hafer durch seine Wurzelausscheidungen Cumarin und Scopoletin die die Entwicklung dieses Erregers hemmen, eine phytosanitäre Wirkung.

Vor allem bei der Qualitätshafererzeugung ist unter trockneren Standortbedingungen das Erreichen eines Mindest-hl-Gewichts als bezahlungsrelevante Größe nur selten gesichert. Aus diesem Grund konzentriert sich der Haferanbau in NRW erfolgreich zunehmend stärker auf die höheren Anbaulagen, in denen bei moderaterem Temperaturverlauf und in der Regel ausgeglicheneren Niederschlagsverhältnissen gute Erträge bei hohen hl-Gewichten sicherer erzielt werden können. Andererseits sind generell die im Vergleich zu den Winterungen niedrigeren Erträge, vor allem aber die größeren Ertragsunsicherheiten einer Sommerung zu beachten. Bei einer maximalen Ertrag beeinflussenden Vegetationszeit von rund 150 Tagen von Ende Februar bis etwa Ende Juli sind die witterungsbedingten Risiken höher oder eben unsicherer zu bewerten als bei einer Winterung.

Die Landessortenversuche

Im Jahr 2012 wurden in NRW mit insgesamt acht Sorten an drei Standorten die Landessortenversuche Hafer durchgeführt. Zur besseren Absicherung und Beurteilung der Sortenleistungen wurden aus den benachbarten Kammerländern Niedersachsen und Schleswig-Holstein sowie auch aus Hessen noch neun weitere Landessortenversuchsergebnisse in die Auswertung einbezogen, so dass insgesamt zwölf Landessortenversuchsergebnisse aus den beiden Ackerbauregionen „Lehm“ und „Sand“ für eine jeweils gesicherte Sortenempfehlung zur Verfügung stehen.

Die Sortenprüfungen erfolgten in zwei Intensitätsvarianten, siehe Tabelle 1. Die diesjährigen Versuchsergebnisse in Tabelle 2 zeigen an den verschiedenen Standorten recht schwankende Einzelsortenleistungen. Die Sortenunterschiede sind im Mittel über die Anbauregion Lehmstandorte Nordwest und Sandstandorte Nordwest hingegen nur marginal. Deutlich wird, dass die erstjährig geprüften neuen Sorten Simon, Oberon und Kurt gegenüber den älteren Sorten keine besseren Erträge erzielen. Unter Berücksichtigung der Vorjahresergebnisse, die für die einzelnen Ackerbauregionen in der Tabelle 3 zusammengefasst sind, ergeben sich die in der Tabelle 4 aufgeführten Sortenempfehlungen für das kommende Anbaujahr für NRW. Betrachtet man die Sortenleistung über einen Zeitraum von fünf Jahren, lässt sich zwischen den drei- und mehrjährig geprüften Sorten kein signifikanter Unterschied feststellen. Alle schwanken unabhängig von der Anbauregion gleichmäßig um den Mittelwert. Bei der Entscheidung für den eigenen Anbau kann daher der Ertrag nicht als alleinige Größe herangezogen werden.

Bei der Sortenwahl ist dabei neben den agronomischen Leistungsmerkmalen in Tabelle 5 auch das beabsichtigte Erzeugungsziel - Qualitätshafer für die Schälmühle oder die Futterhaferproduktion - zu berücksichtigen. Für die Qualitätshafererzeugung besitzt, zusammen mit einem möglichst niedrigen Spelzenanteil einer Sorte mit üblicherweise maximal 26 % das Vermarktungskriterium hl-Gewicht eine sehr große Erzeugerpreisrelevanz. Die Spelzenfarbe weiß und gelb hat keinen differenzierenden Einfluss auf die Nutzbarkeit als Qualitätshafer. Die geforderten Mindest-hl-Gewichte von 53 bis 55 kg je hl sind nicht sicher zu erreichen, aber für das Erzielen einer ausreichenden Rentabilität wichtig.

Für den Qualitätshaferanbau sollten grundsätzlich nur Standorte mit sicherer Wasserführung während der Vegetationszeit gewählt werden, da das Qualitätskriterium hl-Gewicht nur auf solchen Standorten sicherer erzielt werden kann. Es kommt insbesondere auf ein hohes Tausendkorngewicht bei möglichst bauchiger Kornausbildung an, was einem günstigen Verhältnis von Spelzenanteil zu verwertbarem Kerneranteil entspricht. Daher darf auch die Bestandesdichte, also die rispentragenden Halme je m², nicht überzogen werden. Der Hafer ist als küstenklimatische Pflanze sehr wasserbedürftig. Ein Wassermangel, vor allem in der kritischen Kornfüllungsphase, wirkt sich negativ auf die Qualität aus, dieses umso mehr, je höher die Bestandesdichte ist.

Welche Verwertungsrichtung?

Aus der Tabelle 6 gehen die hl-Gewichte der Hafersorten hervor. Über die Jahre betrachtet zeigen die Sorten Max (G), Moritz (G) und Flocke (W) gesichert höhere hl-Gewichte. Beachtlich ist die diesjährige Leistung der 2011 zugelassenen Gelbhafersorte Oberon. Auf neun von zehn Standorten zeigte die Sorte relative hl-Gewichtsleistungen zwischen 100 und 105. Auch die Erträge auf Sandstandorten können sich sehen lassen. Unter Berücksichtigung des Spelzenanteils der Sorten, siehe Tabelle 5, sind die Sorten Max sowie Flocke für einen Qualitätshaferanbau sicher zu empfehlende Sorten, die Sorte Oberon ist hier als etwas unsicherer zu betrachten. Auch für die Verwertung als Futterhafer sind Sorten mit einem geringen Spelzenanteil zu bevorzugen, da dann das Verhältnis Rohfasergehalt zu Rohprotein- oder Fettgehalt günstiger wird. Dieses wird beim Verkauf zwar nicht honoriert, beim Einsatz im eigenen Betrieb sollte dieser Aspekt der Verdaulichkeit des Futters aber beachtet werden.

Unter Berücksichtigung der diesjährigen Erzeugerpreise von 22 €/dt, siehe Tabelle 1, mussten in der höheren Intensitätsvariante mindestens 1,5 dt je ha mehr gedroschen werden, um die dort durchgeführten Zusatzmaßnahmen wirtschaftlich zu rechtfertigen. Aus der Tabelle 2 ist zu ersehen, dass sich diese 2012 im Mittel über die Sorten an fast allen Versuchsstandorten lohnten. Lediglich an einem Standort in Hessen konnte der erforderliche Mehrertrag nicht erreicht werden.

Hinweise zum Anbau

Die jährlichen Ertragsschwankungen beim Sommerhafer liegen gegenüber den anderen Sommergetreidearten höher, besonders auf Sandstandorten. Eine möglichst frühe Saat, wenn es die Bodenverhältnisse erlauben - ein trockenes, feinkrümeliges, gut abgesetztes Saatbett ist nötig -, sollte angestrebt werden. Die Winterfeuchtigkeit und die noch herrschenden kurzen Tageslängen mit weniger als 14 Stunden können dann noch für eine ausreichende Bestockung und Bestandesdichteetablierung optimal genutzt werden. Die standortspezifischen Aussaatstärkenempfehlungen auf der Basis langjähriger Ertragsstrukturermittlungen aus den Landessortenversuchen sind der Tabelle 7 zu entnehmen.

Eine zweimalige Stickstoff-Düngung für hohe Erträge und Qualitäten reicht aus. Vorteilhaft ist das flache Einarbeiten der ersten Stickstoffgabe in die Krume kurz vor der Saat. Wenn witterungsbedingt die Saat erst später erfolgt oder mit längerer Trockenheit nach der Saat zu rechnen ist, kann der bereits eingearbeitete Stickstoff witterungsunabhängiger noch pflanzenwirksam umgesetzt werden. Angesichts der kurzen Vegetationszeit ist eine frühzeitige gesicherte pflanzenverfügbare Stickstoffversorgung besonders wichtig. Hafer verfügt generell durch seine höhere Energiegewinnung aus der Wurzelatmung über ein hohes Nährstoffaneignungsvermögen und besitzt zudem ein stark verzweigtes Wurzelsystem. Eine Stickstoffüberversorgung kann daher leicht zu ertrags- und qualitätsmindernden Verlusten durch Lager und einer verzögerten, ungleichmäßigen Abreife des Strohs führen.

Die Standfestigkeitssicherung in EC 33 bis 37 mit CCC ist in der Regel eine wirtschaftliche, qualitäts- und ertragssichernde Maßnahme, vor allem auf den besseren, wassersicheren Standorten. Auf Spurenelementmangel reagiert Hafer stärker als andere Getreidearten und gilt als Zeigerpflanze für Manganmangel. Die optimalen Temperaturen für das Haferwachstum liegen etwa 3°C niedriger als beim Weizen, da so die Nettoassimilation erhöht und ein langsamer Übergang zwischen den Entwicklungsstadien die Ausbildung der Ertragsorgane begünstigt werden.

Beim Einsatz eines Fungizids ist der aktuelle Zulassungsstand zu beachten. Speziell für Hafer ist er sehr eingeschränkt. Aus der Tabelle 5 wird deutlich, dass bei den empfohlenen Sorten je nach Jahr Krankheitskalamitäten, insbesondere Mehltau, auftreten können. Zu beachten ist beim Hafer außerdem die starke Ertragsreaktion gegenüber Blattlausbefall, wenn diese mit dem Gelbverzwergungsvirus infiziert sind und Haferröte und Verzwergung auftreten. Hier sollten sofort bei Befallsermittlung durch die Warndienste entsprechende Insektizide zum Einsatz kommen. Der Anbau von Sommergerste oder Sommerweizen nach Hafer sollte vermieden werden, da durch Haferanbau eine Vermehrung des Haferzystenälchens erfolgen kann. In der Tabelle 8 sind die für hohe Erträge erforderlichen sortenspezifischen Ertragsstrukturverhältnisse sowie die sonstigen Stärken und Schwächen der empfohlenen Sorten aufgeführt.

Autor: Dr. Joachim Holz, Dr. Kathrin Bürlig