Sommerhafer: Ergebnisse der Landessortenversuche 2019

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Sommerhafer – alte Kultur mit neuen Perspektiven?

Sommerhafer wird aktuell in NRW überwiegend zu Futterzwecken für die Pferdehaltung oder zur Aufbesserung des Kraftfutters für den eigenen Betrieb angebaut. Ein seit Jahren stagnierender oder sogar leicht rückläufiger Markt. Die jährliche Anbaufläche in NRW ist in den letzten drei Jahren mit 6.000 bis 7.000 Hektar sehr konstant. Das ist gegenüber 2009 aber eine Halbierung der Anbauflächen. Hafer steht momentan überwiegend in eher extensivem Anbau auf ertragsschwächeren Standorten als abtragende Frucht. Das Ertragspotential der Kultur und die positiven pflanzenbaulichen Effekte können so nicht realisiert werden.

Unter den Getreidearten nimmt Sommerhafer eine Sonderrolle ein, die zukünftig eigentlich wieder für mehr Interesse an der Kultur sorgen sollte. Innerhalb der Fruchtfolge wirkt Hafer wie eine Blattfrucht. Als Sommerung und als Gesundungsfrucht mit hohem Vorfruchtwert könnte er enge Getreide- und Rapsfruchtfolgen auflockern.

Neben den ackerbaulichen Vorteilen bietet Hafer auf besseren Standorten im Gegensatz zu Sommerweizen oder Sommerfuttergerste auch Marktchancen. Der Markt von Lebensmitteln auf Haferbasis boomt seit Jahren und heimische Hafermühlen können den steigenden Bedarf schon lange nicht mehr mit heimischer Ware decken. Einem Bedarf von 1 Mio. Tonnen steht eine Produktion von nur 550.000 Tonnen gegenüber. Ein Teil der Ware könnte marktnah in NRW produziert werden. Neue Perspektiven also für eine alte Kultur. Erfolgreicher Haferanbau setzt sich aus einer Vielzahl von ackerbaulichen Maßnahmen zusammen. Dazu gehören Faktoren wie Standortwahl, Fruchtfolge, Aussaat, Düngung und Pflanzenschutz. Wichtiger Baustein ist aber auch die richtige Sortenwahl.

Über die Ergebnisse der Sortenversuche 2019 und die abzuleitende Sortenempfehlung für die kommende Aussaat berichten Heinrich Brockerhoff und Heinz Koch.

Die aktuellen Versuchsergebnisse

Die Sortenprüfung von Sommerhafer erfolgt auf den Standortgruppen Lehm- und Sandböden im Verbund der Landwirtschaftskammern NRW, Niedersachen, Schleswig-Holstein und Hessen. Die Versuche in NRW standen auf den guten Ackerbaustandorten Kerpen-Buir, Lage-Heiden und Altenmellrich. Im Verbund mit den anderen Bundesländern stehen für die Sortenbeurteilung 2019 für die Standortgruppe Lehm neun und für Sand drei Standorte zur Verfügung. Eine sehr sichere Basis für eine gute Empfehlung. Erstmals werden in diesem Jahr die Versuche mit der „Hohenheim-Gülzower Methode“ statistisch verrechnet. Hierdurch können zusätzlich Ergebnisse aus Wertprüfungen und EU-Versuchen mit in die Sortenbewertung einbezogen werden. Das macht die Aussage zur Ertragsleistung sicherer und schneller.

Die Versuche werden in zwei Intensitätsstufen angelegt. In der extensiven Behandlungsstufe erfolgt ein reduzierter Wachstumsreglereinsatz in EC 31/32. Auf Fungizide wird hier verzichtet. In der intensiveren Behandlungsstufe erfolgt eine Wachstumsreglergabe in EC31/32. In EC 39/49 erfolgte dann bei Bedarf eine zweite Gabe eines Wachstumsreglers in Kombination mit einem Fungizid. Beide Behandlungsstufen werden praxisüblich in zwei Teilgaben mit Stickstoff gedüngt und bei Bedarf mit Insektiziden behandelt.

Die zusammengefassten, mehrjährigen Versuchsergebnisse der praxisüblichen Variante für die Ertragsleistung ist Tabelle 1 zu entnehmen.

Das Anbaujahr 2019 war mit extremen Trockenheit und Hitze wie 2018 ein schlechtes Jahr für Sommerhafer. Auf Sand wurden in Mittel der drei Versuche enttäuschende 46 dt/ha geerntet. Auf den Lehmstandorten lag der Durchschnittsertrag immerhin noch bei 69 dt/ha. Sehr negative Auswirkungen hatte die extreme Witterung wie im Vorjahr auch auf die hl-Gewichte, die in Tabelle 2 als Mittel aller Standorte sortenspezifisch dargestellt sind. Im Mittel der zwölf Standorte mit 44,8 hl-Gewicht ein sehr schlechtes Ergebnis.

Tabelle 3 zeigt zusammengefasst die Sortenempfehlung für die kommende Aussaat mit der Saatgutverfügbarkeit auf Grundlage der für 2019 in Deutschland angemeldeten Vermehrungsflächen. Die agronomischen Eigenschaften der geprüften Sorten finden sich in Tabelle 4. Unabhängig von der späteren Verwertungsrichtung sollte bei der Sortenwahl Wert auf einen hohen, stabilen Ertrag, ein gutes hl-Gewicht, eine möglichst geringe Lagerneigung und eine gute Strohstabilität gelegt werden.

Unter www.sortenberatung.de sind ab jetzt auch Versuchsergebnisse, Empfehlungen und Sortenbeschreibungen für Sommerhafer eingestellt. Auf der Internetseite kann eine gezielte und betriebsindividuelle Sortenbeurteilung und Auswahl erfolgen.     

Qualitätskriterien unterscheiden sich

Bei den Qualitätskriterien (Tabelle 5) gibt es zwischen Futter- und Schälhafer Parallelen, aber auch Unterschiede. Die Vermarktung von Futterhafer orientiert sich an den Kriterien hl-Gewicht, Feuchte, Besatz und Mykotoxinbelastung. Für das hl-Gewicht war in der Vergangenheit oftmals ein Basiswert von 52 kg Hektoliter angesetzt. Ein Blick auf Tabelle 2 mit den mittleren hl-Gewichten im Versuchsmittel der letzten acht Jahre verdeutlicht, dass dieses Ziel in der Praxis schon sehr ambitioniert ist und in der Rohware kaum erreicht wurde. Der Handel hat die Grenze für den Basispreis daher in vielen Fällen auf 50 kg Hektoliter abgesenkt.

Bei Schälhafer sind die Grenzen für hl-Gewichte mit der Mindestanforderung 52 kg höher. Auch Hafer mit etwas niedrigeren hl-Gewichten kann Schälhaferqualität besitzen. Für Schälhafer wichtige Kriterien sind zusätzlich Sortierung, Schälbarkeit und ein hoher Kernanteil. Die Mühlen sind an möglichst großen und einheitlichen Partien interessiert und untersuchen an Hand von Mustern im Vorfeld die Eignung entsprechender Partien. 

Sortenbeurteilung

Max ist die bekannteste, älteste und bundesweit immer noch deutlich vermehrungsstärkste Sorte. Bei der Ertragsleistung müssen mittlerweile Abstriche gemacht werden. Positiv punkten kann Max mit hohen hl-Gewichten und der zügigen Strohabreife. Bekannte Abstriche gibt es bei Lageranfälligkeit, Halmknicken und Mehltau.  

Mindestens dreijährig geprüft und ebenfalls sehr sicher zu beurteilen sind die Weißhafer Symphony und Harmony und die Gelbhafer Apollon und Delfin. Die genannten Sorten sind mit Ausnahme von Harmony beim Ertrag 2 bis 3 Prozent besser als Max zu beurteilen. Bei Apollon und Symphony muss auf Mehltau geachtet werden. Delfin und Harmony zeigen sich hier sehr gesund. Eine verzögerte Strohabreife haben Apollon und Delfin. Armani zeigt nach zwei Prüfjahren eine gute Ertragsleistung, hat aber Schwächen beim hl-Gewicht. Neu im Prüfsortiment ist mit Lion ein interessanter Qualitätshafer, der bei sehr guter Qualität in der Ertragsleistung dem bisherigen Standard Max überlegen ist. Auch in den agronomischen Eigenschaften ist Lion mit Ausnahme Mehltau besser als Max eingestuft. 

Für Höhenlagen ist neben guter Halmstabilität eine frühe und gleichmäßige Abreife von Stroh und Korn im Hinblick auf die sichere Beerntung wichtig. Kleinere Schwächen in diesem Bereich zeigen Apollon und Delfin.

Besonderheiten Schälhafer

Wer sich für den Anbau von Schälhafer interessiert, sollte im Vorfeld mit Landhandel und Genossenschaften oder direkt mit Schälmühlen Sortenabsprachen treffen. Die verarbeitende Industrie sucht größere einheitlich Partien. Bedeutendste Schälhafersorte in Deutschland ist zurzeit Max. Auch ältere Qualitätssorten wie Ivory, Bison oder Scorpion haben hier Anbaubedeutung. Diese Sorten werden nicht mehr in den Landessortenversuchen geprüft. Ertragsfortschritt in diesem Segment mit hoher Qualität bei allen wichtigen Qualitätskriterien verspricht die Neuzulassung Lion.       

Grundsätzliche Anbauhinweise

  • Hafer reagiert sehr empfindlich auf Hitze und Trockenheit. Er bevorzugt feucht-kühle Lagen mit ausreichender Wasserversorgung.
  • Zum Schutz vor bodenbürtigen Nematoden müssen Anbaupausen von vier Jahren eingehalten werden.
  • „Maihafer ist Spreuhafer“. Eine frühe Saat ist die Grundvoraussetzung für hohe Erträge und gute Qualitäten. Die frühe Saat verspricht eine bessere Bestockung, eine längere Vegetation und die bessere Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit. Hafer darf aber in keinem Falle in den Boden hereingeschmiert werden.
  • Bei frühen Saatterminen Anfang März werden 260-300, bei normalen Saatterminen im März 300-330 und bei späten Saatterminen 330-360 keimfähige Körner/m2 empfohlen. Ziel ist ein Bestand mit 400-500 Rispen pro Quadratmeter.
  • Die Saattiefe sollte aufgrund des durch die Spelze höheren Keimwasserbedarfs bei 3 bis 4 cm liegen.
  • Hafer ist bei Nährstoffen relativ anspruchslos und besitzt ein gutes Wurzelwerk. Niedrigere pH-Werte oder eine schlechtere Versorgung mit Grundnährstoffen werden toleriert, aber nicht belohnt. Auf schlechter versorgten Böden muss bei Hafer als abtragender Frucht zumindest eine Teilmenge des Kalientzuges von etwa 100 kg/ha K2O frisch ergänzt werden. Auf eine ausreichende Versorgung mit Mangan, Kupfer und Bor muss geachtet werden.
  • Die Stickstoffdüngung soll eine zügige Jugendentwicklung ermöglichen. Daher muss Hafer früh und ausreichend mit Stickstoff versorgt werden, ohne durch zu hohe Gaben die Lagergefahr zu sehr zu fördern. Späte N-Gaben bergen die Gefahr von Lager und Zwiewuchs. Eine Startgabe von 60 N zur Saat, gefolgt von einer zweiten Gabe in der Mitte der Schoßphase mit 30 bis 40 N kann als grobe Orientierung gelten. Besonders bei der zweiten Gabe muss die N-Nachlieferung des Bodens berücksichtigt werden.
  • Die chemischen Möglichkeiten zur direkten Bekämpfung von Ackerfuchsschwanz in Hafer sind sehr begrenzt. Daher kein Anbau auf Problemstandorten.
  • Wichtigste Blattkrankheiten ist der Mehltau. Hier gibt es deutliche Sortenunterschiede. Auch Haferkronenrost kann in Einzeljahren Ertrag und Qualität kosten.
  • Bei Befall mit virusbeladenen Blattläusen drohen Verzwergungskrankheit und Haferröte und als Folge Ertrags- und Qualitätseinbußen. Die intensive Kontrolle und der gezielte Einsatz von Insektiziden ist beim Anbau Pflicht. Auch auf Getreidhähnchen muss geachtet werden.
  • Wachstumsregler wirken ertragssichernd und nie ertragssteigend. Der Einsatz muss mit Bedacht in Phasen mit guter Wasserversorgung und wüchsiger Witterung erfolgen. In sehr standfesten Sorten kann bei angepasster Bestandesdichte und N-Düngung auf Wachstumsregler verzichtet werden. Die einmalige Einkürzung reicht bei geringer Lagergefährdung normalerweise aus. Nur bei hoher Lagergefahr sind Doppelbehandlungen erforderlich.

Autor: Heinrich Brockerhoff