Landessortenversuche Winterweizen 2018

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Winterweizen

Winterweizen – so früh wie nie

Mit rund 260 000 ha Anbaufläche ist Winterweizen die mit Abstand anbaustärkste Getreideart in NRW. Das Fazit der Ernte 2018 fällt sehr unterschiedlich aus. Als gutes Jahr wird 2018 nicht in Erinnerung bleiben. Heinrich Brockerhoff und Heinz Koch, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, stellen die Ergebnisse der Landessortenversuche vor und geben Tipps für die nächste Aussaat.

Im Westen von NRW gab es auf den guten Böden deutlich weniger Stress und Probleme als im Norden und im Osten des Landes. Trockenheit und extreme Hitze waren das beherrschende Thema. Winterweizen als anspruchsvollste und spätreifeste Wintergetreideart litt darunter mehr als Wintergerste, Wintertriticale oder Winterroggen. Die Ernte begann so früh wie nie zuvor und konnte ohne Unterbrechung sehr schnell und früh abgeschlossen werden. Welche Auswirkungen haben extreme Witterungsphasen und die Diskussion um Anpassungsstrategien auf die anstehende Sortenwahl?

Nasser Herbst und sehr trockener Frühsommer

Der Start ins Anbaujahr verlief in NRW unterschiedlich. Im Osten war es zu Beginn der normalen Aussaatperiode sehr nass. Dauerregen behinderte hier die zeitgerechte Aussaat. Viele Weizenflächen mussten später als gewohnt und unter suboptimalen Bodenbedingungen gesät werden. Keine guten Voraussetzungen für gute Erträge. Im Westen herrschten nahezu normale Bedingungen bei der Aussaat, die ab Mitte Oktober begann. Hier lief zunächst alles nach Plan. Der Winter meldete sich in NRW bis Anfang Februar nicht. Am Ende der Sperrfrist gab es bei leichtem Frost gute Bedingungen für die Ausbringung organischer Dünger. Unmittelbar danach kam ein Wintereinbruch mit deutlichen Minusgraden, scharfem Ostwind und ohne schützende Schneeauflage, den die Bestände ohne Auswinterungsschäden überstanden.

Die Vegetation begann erst Anfang April mit einem explosionsartigen Wachstum und zunächst ohne größeren Krankheitsdruck mit Mehltau und Gelbrost. Ende April zeigte sich in krankheitsanfälligen Sorten erster Gelbrost. Dann wurde es zunehmend warm und trocken. Blattseptoria spielte bei dieser Witterung keine Rolle. Zur bestimmenden Krankheit entwickelte sich der Braunrost, der besonders in anfälligen Sorten auftrat und gezielte Behandlungen mit langer Dauerwirkung erforderte. Abgesehen von regionalen Starkniederschlägen blieb es auch in der Blüte trocken. Sichtbarer Fusariumbefall war sehr selten. Die durchgängige Trockenheit und Hitze von April bis zur Ernte führten zu einer extrem frühen und erwartungsgemäß unterdurchschnittlichen Ernte. Enttäuschend vor allem auf sehr leichten und flachgründigen Böden, aber auch im trockenen Osten von NRW, wo das Anbaujahr schon mit widrigen Aussaatbedingungen gestartet war. Auf den guten Böden im Westen NRWs kann man nicht von einer Missernte sprechen. Hier war die Ernte 2017 schlechter als die aktuelle. Qualitätsprobleme in Punkto Fallzahl, hl-Gewicht und Protein gab es bei der frühen und trockenen Ernte nur selten und bei wenigen Sorten. Auffällig und jahrestypisch war in einigen kleinen Regionen ein ungewöhnlich hoher Befall mit Mutterkorn.

Sortenentscheidung gründlich überdenken

Die letzten Anbaujahre waren schwierig und brachten unterschiedliche Witterungsextreme. Schon fast vergessen ist das Auswinterungsjahr 2012. Winterhärte war hier vor allem in Westfalen das entscheidende Sortenkriterium. Die letzten Winter waren dagegen eher wieder mild. Ausgeprägte Trockenphasen im Frühjahr haben spürbar zugenommen und treten gefühlt in jedem Jahr auf. Der eigentliche Sommer 2016 und 2017 fand in der Zeitspanne von Mai bis Juni statt. Dafür war die Erntephase in diesen Jahren extrem nass und forderte von Sorten Standfestigkeit und Fallzahlstabilität. Nach dem extrem trockenen Frühjahr und Frühsommer 2018 wird viel über den höheren Stellenwert frühreifer Sorten diskutiert. Ob Frühreife aber tatsächlich grundsätzliche Vorteile bringt, muss kritisch hinterfragt werden. Diese Frage darf nicht aus dem Bauch heraus beantwortet werden. 

Zusätzliche Anforderungen gibt es auch unter anderen Aspekten. In Veredelungsregionen müssen organische Dünger noch effizienter eingesetzt werden. Mehr Stickstoff über Organik heißt potenziell eine höhere Lagergefahr. Standfestigkeit ist hier ein entscheidendes Sortenkriterium. Bei schwindender Anzahl wirksamer Fungizide und zunehmenden Resistenzen bei vielen Krankheiten ist Sortengesundheit heute wichtiger denn je. 

Wichtige Kriterien definieren

Bei größeren Anbauflächen sollte nicht alles auf eine Karte gesetzt werden. Man kann gewinnen, man kann aber auch extrem verlieren. Gezielte Sortenwahl ist in Zeiten zunehmender Wetterkapriolen praktizierte Risikominderung und Erlössicherung. Bei der Sortenwahl für die kommende Aussaat muss jeder Landwirt zunächst die für ihn wichtigen Sortenkriterien definieren. Wichtigste Kriterien bleiben weiterhin Ertragshöhe und -sicherheit. Daneben spielen Qualität, Früh- oder Spätsaateignung, Stoppelweizeneignung, Früh- oder Spätreife, Winterhärte, Blattgesundheit, Fusariumanfälligkeit und Fallzahlstabilität eine für jeden Betrieb unterschiedliche Rolle. 

Hat die neue DüV die Sortenwahl beeinflusst?

Die Anbauanteile von Futterweizen haben zur Herbstaussaat 2017 deutlich abgenommen. Hintergrund sind die um 20 kg/ha N höheren Bedarfswerte bei der N-Bedarfsermittlung im Frühjahr. Viele Landwirte erhoffen sich hierdurch mehr Spielraum bei der Düngung. Ein Vorteil, den man relativieren muss. Wer als Landwirt die Grenzen der N-Bedarfsermittlung voll ausnutzt, produziert zwangsläufig Nährstoffüberhänge in Nährstoffvergleich. Der Vorteil der höheren Bedarfswerte ist daher in den allermeisten Fällen nicht nutzbar. Endscheidend für einen ausgeglichenen Nährstoffvergleich sind hohe Entzüge bei angepasster Düngung. Es gilt daher, ertragsstarke Sorten mit hoher Ertragssicherheit und guten agronomischen Eigenschaften auszuwählen. Grundsätzlich C-Sorten auszuschließen, ist daher aus Sicht der Anbauberatung nicht richtig. Man muss aber festhalten, dass das Sortiment an Spitzensorten im Bereich Futterweizen abnimmt und moderne A- oder B-Weizen oftmals das bessere Gesamtpaket bieten. 

Veränderungen bei den Versuchen

Erstmals wurden zur Aussaat 2017 früh-, mittel- und spätreife Weizensorten in einem Prüfsortiment getestet. Hierdurch ist die Ertragsleistung der verschiedenen Reifegruppen direkt vergleichbar. Für die mit Abstand bedeutendste Getreideart gibt es in NRW neun Landessortenversuche. Zwei auf Löß in der Köln-Aachener Bucht, drei auf Lehm, einer auf Sand und drei in Höhen- oder Übergangslagen. Die Prüfung erfolgt in drei Intensitätsstufen. Stufe 1 mit normaler N-Düngung, geringem Einsatz an Wachstumsreglern und ohne Fungizide. Dabei wird die Gesundheit und die Standfestigkeit der Sorten überprüft. Stufe 3 wird praxisüblich mit normaler N-Düngung und hoher Intensität bei Pflanzenschutz und Wachstumsreglern gefahren. Hier sollen die Sorten zeigen, was sie beim Ertrag können. In Stufe 2 wird bewusst auf die Fusariumspritzung in die Ähre verzichtet. In dieser Stufe kann in kritischen Jahren die Anfälligkeit der Sorten getestet werden. Aufgrund der überwiegend trockenen Witterung in der Blüte gibt es hier keine neuen Erkenntnisse. 

Die Versuchsergebnisse für 2018 sind in Tabelle 1 dargestellt. Die Ertragsleistung an den Standorten in NRW ist überraschend gut und übertrifft mehr oder weniger deutlich die Praxiserträge. Keine Spitzenernte, aber auch keine katastrophale Missernte. Die Mehrerträge zwischen behandelt und unbehandelt schwanken. Besonders hohe Mehrerträge gab es an den Standorten mit massivem Braunrostdruck, in Kerpen-Buir, Haus Düsse und in Steinheim. Niedrige Mehrerträge gab es auf Sand in Merfeld, wo die Abreife relativ gesund und trockenheitsbedingt schnell ablief sowie am Standort in Auf der Haar in Altenmellrich.  

„Ein Jahr ist kein Jahr“ und „Gute Sorten überzeugen an vielen Orten“, so lauten wichtige Grundsätze bei der Beurteilung von Versuchsergebnissen. Durch die gemeinsame Planung und Auswertung der Versuche mit der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und die mehrjährige Darstellung der Ergebnisse, siehe Tabelle 2, steigt die Aussagekraft. Mit zwei Löß-, sechs Lehm-, drei Sand- und fünf Höhenstandorten im Versuchsjahr 2018 bieten die Landessortenversuche eine sehr sichere Basis für die Sortenbeurteilung. Im aktuellen Prüfsortiment standen zehn A-, 17 B- und vier C-Weizensorten. Auf den Lößstandorten wurde zusätzlich der A-Weizen Chevignon als Anhang geprüft.

Keine Vorteile durch Frühreife

Bei Ertragswetten vor der Ernte hätten viele ihren Einsatz wahrscheinlich eher auf frühreife Sorten gesetzt. Man hätte erwartet, dass die schnelle Abreife frühreife Sorten bevorteilen und spätreifere Sorten benachteiligen würde. Das Gegenteil trat ein. Rumor, Faustus, Porthus, RGT Sacramento, Nemo oder Rubisko waren 2018 durchgängig schwächer als mittel- und sogar spätreife Sorten. Grundsätzlich steigt die Vorzüglichkeit von früheren Sorten auf leichten und trockenen Standorten. Im Mittel der Versuche war der Ertragsunterschied auch 2018 auf den Sandstandorten geringer als auf Löß, Lehm und in den Höhenlagen.

In den Vorjahren gab es Jahre mit Ertragsvorteilen für Frühreife. Sie kann Vorteile bringen, muss es aber nicht in jedem Jahr. Nur auf Frühreife zu setzen, wäre falsch. Es kommt also auch hier auf den richtigen Mix an. Vorteile besitzen diese Sorten als Vorfrucht vor Winterraps. In großen Ackerbaubetrieben mit knapper Mähdruschkapazität bringen begrenzte Anbauanteile mehr Mähdruschtage und damit mehr Erntesicherheit.

 Wer die Vorteile schildert, der darf die Nachteile nicht vergessen. Viele frühreife Sorten verfügen über eine eingeschränkte Winterhärte. Im Rheinland in Normaljahren kein allzu großes Problem, auf Höhenstandorten aber in keinem Fall akzeptabel. Über eine überdurchschnittliche Winterhärte in diesem Segment verfügt nur Rumor. Sorten, wie Faustus oder Rubisko, sind aber in keinem Fall weniger winterhart als Benchmark oder Johnny. 

Sorten für die nächste Aussaat

Ertrag ist nicht alles. Zusätzlich spielen besonders beim Winterweizen agronomische Eigenschaften, siehe Tabelle 3, eine wichtige und entscheidende Rolle. Beispiele gibt es genügend. Intensive organische Düngung und schlechte Standfestigkeit passen nicht zusammen. Wer frühe Fungizideinsätze sparen will, der braucht gute Resistenzen, vor allem bei Mehltau, Gelbrost und Blattseptoria. Sorten mit Fusariumnote drei oder vier nach Mais sind unkritischer als Sorten mit Note fünf oder sechs. Gesunde Sorte sparen Fungizidkosten und haben bei etwas schwächerem Ertrag die gleiche Wirtschaftlichkeit wie ertragreichere, aber krankere Sorten. Fallzahlstabilität ist für Brotweizen in kritischen Erntejahren wichtiger als der letzte Doppelzentner vom Hektar. Die Beispiele ließen sich fortsetzen und verdeutlichen die Notwendigkeit einer gezielten und individuellen Sortenwahl.   

Mindestens zweijährig geprüfte Sorten

A-Weizen: Unter den A-Weizen-Sorten ist RGT Reform trotz der schwächeren Ertragsergebnisse 2018 immer noch klar gesetzt. Die Sorte hat ein sehr rundes Profil mit vielen Vorzügen. Apostel ist eine Alternative, wenn Winterhärte, frühe Blattgesundheit, Fusariumtoleranz und Fallzahlstabilität gefragt sind. Wer Frühreife sucht, kann den begrannten Rubisko mit bei guter Standfestigkeit und Fusariumtoleranz wählen. Einschränkungen gibt es in der Winterfestigkeit. Zweijährig geprüft ist Kashmir, bei dem auf die Schwäche in der Standfestigkeit besonders geachtet werden muss.  

B-Weizen: Bei den B-Weizen ist Benchmark beim Ertrag vorne. Das hl-Gewicht ist hier eher schwächer. Auf Braun- und zunehmend auch Gelbrost muss geachtet werden. Die höhere Auswinterungsneigung schränkt die Empfehlung für Höhenlagen ein. Tobak ist der Ertragsgarant, bei dem Fusarium und Braunrost stark zu beachten sind. Bergamo ist aufgrund der schlechten Fallzahlstabilität eigentlich eher ein C-Weizen. Bosporus hat viele gute agronomische Eigenschaften und verdient eigentlich mehr Beachtung. Gustav kann eine Alternative sein, wenn Winterhärte, Standfestigkeit und Fusariumtoleranz gefragt sind. Johnny hat eine gute Ertragsleistung, ist mittlerweile aber die anfälligste Sorte bei Gelbrost. 

Wer eine frühreife Alternative sucht, der kommt in Höhenlagen aufgrund der besten Winterhärte immer noch nicht an Rumor vorbei. Die Sorte ist kleinkörnig. Faustus ist beim Ertrag etwas besser einzuordnen, zeigte 2018 aber stärkeren Braunrostbefall. Porthus ist in der Winterhärte die schwächere dieser drei Sorten. 

Bei den zweijährig geprüften Sorten ist KWS Talent sehr ertragsstark und gleichzeitig winterhärter und blattgesünder als Benchmark. Kamerad ist als kurze, standfeste, blattgesunde und fusariumtolerante Sorte interessant bei vielen agronomischen Eigenschaften. Beim Ertrag fehlen zu Benchmark oder KWS Talent ein paar Prozent. Im frühreifen Bereich sind bei RGT Sacramento größere Einschränkungen in der Winterhärte zu machen. Die Sorte sollte nicht in Höhenlagen angebaut werden. 

C-Weizen: Anapolis und Elixer sind altbekannte Sorten mit zunehmenden Krankheitsproblemen im Blattbereich. Sheriff überzeugt im Ertrag, hat eine langsame Jugendentwicklung und eine zunehmende Anfälligkeit bei Gelbrost. 

Was zeigten die Neuen?

Bei den neuen Sorten sind nach einem Prüfjahr Asory (A), LG Initial (A), Argument (B) und Informer (B) hervorzuheben. Diese Sorten können für den Probeanbau empfohlen werden. Alle sind früh blattgesund. LG Initial und Informer sind zudem sehr standfest. Hier müssen besonders bei Argument Abstriche gemacht werden. Die frühreife und begrannte Sorte Nemo (B) zeigt sich mit höherer Mehltau- und Gelbrostanfälligkeit sowie Schwächen in der Fallzahl. Chiron (A) zeigte bis auf Sand unterdurchschnittliche Erträge. Safari (C) ist eine sehr gesunde und fusariumtolerante Sorte mit Schwächen in der Auswinterung. 

Die Empfehlung für die kommende Aussaat ist in Tabelle 4 aufgeführt.

 

Knapp versorgter Saatgutmarkt

Aufgrund der Saatgutknappheit sollte sich jeder Anbauer umgehend mit der Sortenwahl beschäftigen. Auch bei früher Bestellung werden Wunschsorten wahrscheinlich nicht immer verfügbar sein. Dann gilt es eine gute Alternative zu finden. Daher sind in der Tabelle neben den Hauptempfehlungen weitere Alternativen aufgeführt und bewertet. Im Internet bietet die Landwirtschaftskammer unter www.sortenberatung.de eine sehr gute Hilfestellung. Hier kann jeder Landwirt einfach, gezielt und schnell bewährte und neue Sorten nach dem eigenen Anforderungsprofil filtern und bewerten.