Landessortenversuche mittelspäte Maissorten / Biogasmais 2008
Mais nimmt als Energielieferant in der Biogasproduktion eine absolute Spitzenstellung ein. Um die Transportkosten gering zu halten wird Silomais nach Möglichkeit arrondiert um die Anlagen angebaut. Foto: Norbert Erhardt.
Höhere Erträge mit mittelspäten Maissorten?
Mittelspäte Maissorten haben in Nordrhein-Westfalen bislang eine untergeordnete Anbaubedeutung. Norbert Erhardt berichtet über die Landessortenversuche mit diesen spätreifen Sorten und gibt Empfehlungen zur Sortenwahl im Energiemaisanbau.
Mittelspäte Silomaissorten (S 260 bis S 280) werden in Nordrhein-Westfalen in erster Linie für die Erzeugung höchster Trockenmasseerträge im Energiemaisanbau in günstigen Lagen angebaut. Seit 2005 führt die Landwirtschaftskammer an 3 Standorten in NRW auch Landessortenversuche mit mittelspäten Silomaissorten durch.
Diese Versuche können zwar gemeinsam mit den frühen und mittelfrühen Sorten angelegt werden – die Ernte erfolgt allerdings 8 bis 10 Tage später, so dass der logistische Aufwand erheblich zunimmt, wenn die Versuchsstandorte für die gesonderte Sortimentsbeerntung mit der Erntetechnik ein zweites mal angefahren werden müssen.
Entsprechend der Anbaubedeutung umfasst das mittelspäte Sortiment für Nordwestdeutschland aktuell nur 15 Sorten. Um die Ergebnisse dieser Versuchsserie mit den wesentlich bedeutenderen mittelfrühen Sorten vergleichen zu können, steht zusätzlich auch die mittelfrühe Sorte Agro Max, S 240 als Vergleichssorte im Sortiment. Parallel dazu wird die Sorte PR39F58 (S 260) zusammen mit den mittelfrühen Sorten geprüft. Diese Doppelprüfung an einigen Standorten bringt auch Erkenntnisse darüber, welchen Einfluss der Erntetermin auf die Ertrags- und Qualitätsparameter dieser Sorten haben kann. Um die Aussagen zu den mittelspäten Sorten auf eine solide Datenbasis stellen zu können, werden wie in den Vorjahren auch die Ergebnisse von drei Landesortenversuchsstandorten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen in der Serienauswertung berücksichtigt. Näheres zu den Standortdaten kann der Übersicht 3 entnommen werden.
Bringen mittelspäte Sorten mehr?
Grundsätzlich ist es für den Maisanbauer interessant, ob mit mittelspäten Sorten (S 260 bis S 280) höhere Erträge als mit mittelfrühen Sorten (S 230 bis S 250) erzielt werden können. Der Vergleich der Einzelstandorte in Übersicht 3 lässt für 2008 zwar geringfügige Ertragsvorteile für die Trockenmasse- und mit weiteren Abstrichen auch für die Energie- und Stärkeerträge der späteren Sorten erkennen. Bei der Betrachtung der Versuchsergebnisse der mittelfrühen Sorten ist aber zu bedenken, dass in diesem Sortiment auch qualitäts- und weniger ertragsbetonte Sorten geprüft werden, die das Ertragsniveau im Sortimentsmittel nach unten ziehen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die mittelspäten Sorten Ende September noch 8 Tage länger im Feld standen und diese Zeit für die Stärkeproduktion nutzen konnten. So waren auch bei der Vergleichssorte Agro Max noch Ertrags- und Qualitätszuwächse zu verzeichnen, obwohl diese Sorte mit zum Teil deutlich mehr als 40 % Gesamt-Trockenmasse an einigen Standorten die optimale Silierreife schon weit überschritten hatte.
In der Übersicht 1 sind die Trockenmasseerträge der Sorten in den Landessortenversuchen, gestaffelt nach den unterschiedlichen Reifezahlen abgebildet. Dargestellt ist jeweils das relativierte Ertragsmittel aller geprüften Sorten an den Versuchsstandorten in NRW mit allen 3 Silomaissortimenten. Entsprechend der zunehmenden Reifezahl, ist mit den späteren Sorten auch ein von links nach rechts zunehmend höheres Abreiferisiko auf der X-Achse dargestellt. Im Mittel aller geprüften Sorten zeigt die Trendlinie ein mit der Reifezahl ansteigendes Ertragspotenzial der Sorten, was aber maßgeblich durch die niedrigeren Erträge der frühen Qualitätssorten im Bereich bis S 220 beeinflusst wird. Die absolut höchsten Trockenmasseerträge werden im zweijährigen Mittel mit der mittelfrühen Sorte Torres (S 250) und, allerdings erst nach einjähriger Prüfung mit den Sorten Marcelinio, Sebastiano und der mittelspäten Sorte Aabsolut erzielt. Auch nach mehrjähriger Prüfung ist zumindest für die spätesten Sorten im Reifebereich S 280 kein Ertragsvorteil gegenüber den ertragsstarken mittelfrühen Sorten zu erkennen, der das deutlich größere Abreiferisiko rechtfertigen würde.
Futterqualität berücksichtigen
Wie der Tabelle in Übersicht 2 zu entnehmen ist, fallen entsprechend der Reifezahl die Sorten Franki, Seiddi, AgroGas und Atletico durch niedrigste T-Gehalte zum Zeitpunkt der Versuchsbeerntung auf. Im Standort- und Sortenmittel wurden diese Sorten 2008 mit einem um 6 bis 7 Prozentpunkte niedrigeren Gesamt-T-Gehalt geerntet als er bei der Vergleichssorte Agro Max ermittelt werden konnte. Unter durchschnittlichen Abreifebedingungen in der zweiten Septemberhälfte entspricht dies einer Ernteverzögerung von mindestens 14 Tagen. Daraus ist aber auch abzuleiten, dass diese spätreifen Sorten in ungünstigen Jahren oder auf ungünstigen Standorten überhaupt nicht die Silierreife erreichen. Gleichzeitig werden mit diesen Sorten auch unterdurchschnittliche Energiedichten realisiert, was auf die noch nicht ganz abgeschlossene Stärkeeinlagerung aber auch auf Verdünnungseffekte in Folge des tendenziell größeren Massenwuchses zurückzuführen ist.
Bei den Sorten Atletico und Agro Gas war in 2008 an zwei nordrhein-westfälischen Standort auch der Verlust von bis zu 5 % der Kolben festzustellen, was sich zwangsläufig in Qualitäts- und Ertragsabstrichen bemerkbar machen muss. Die Ursachen dieses sortenspezifischen Kolbenabwurfes bei der Ernte konnten nicht eindeutig geklärt werden. Aus der Praxis wird dazu auch berichtet, dass neben der Sorte auch erhebliche Unterschiede zwischen einzelnen Schlägen unabhängig von der Abreife und der Erntetechnik zu beobachten waren.
Unter Praxisbedingungen dürften die Verluste wesentlich geringer ausgefallen sein, da der Pflanzeneinzug beim Häckseln nicht durch die Trennungen zwischen den Versuchsparzellen unterbrochen wird. Die geringfügigen Verluste bei der Silomaisernte schlagen dann weniger zu Buche als die Schäden in der Folgefrucht, wenn Wildschweine die untergepflügten Kolben wieder ausgraben.
Beste Futterqualitäten, die an das diesjährig hohe Niveau der mittelfrühen Sorten heranreichen, konnten im mittelspäten Sortiment 2008 die Sorten PR39F58, ES Paroli und Cristiano realisieren. Insbesondere PR39F58 fiel diesbezüglich 2006 schon sehr positiv auf, woraus aber zu schließen ist, dass die Sorte in warmen Jahren und von günstigen Abreifebedingungen im Herbst zusätzlich profitiert. Hinsichtlich der Trockenmasse- und Energieerträge schneiden die Sorten im mittelspäten Sortiment insgesamt auffallend gleichmäßig ab. Die höchsten Stärkeerträge werden in dieser Versuchsserie nach dem guten Abschneiden in 2008 im dreijährigen Mittel mit der Vergleichssorte Agro Max, gefolgt von ES Paroli und Kabanas erzielt. Aufgrund der deutlich niedrigeren Stärkegehalte fallen die Sorten Atletico und Agro Gas auch durch die geringsten Stärkeerträge auf.
Trockenmasseertrag bestimmt den Gasertrag
Nach wie vor sind keine konkreten Zusammenhänge zwischen den qualitativen Eigenschaften einer Maissorte und einer möglichen sortenspezifischen Gasausbeute bekannt. Als ausschlaggebende Größe für den Gasertrag je ha wird deshalb nach wie vor der Trockenmasseertrag herangezogen. Um eine ordnungsgemäße Silierung zu ermöglichen und den Austritt von Sickerwasser zu unterbinden, sind aber auch in der Energiemaisproduktion T-Gehalte im Häckselgut von mindestens 30 bis 32 % anzustreben. Damit die Maispflanze die Vegetationszeit optimal nutzen kann, sollten diese T-Gehalte mit noch weitgehend grünen Pflanzen erzielt werden. Das bringt gleichzeitig den Vorteil mit sich, dass die Lignifizierung noch nicht weiter fortgeschritten ist, was den Zelluloseabbau begünstigen dürfte. Des Weiteren erweisen sich diese „stay-green-Sorten“ immer ernteelastischer als viele Sorten, die im Blattapparat vor der physiologischen Körnerreife absterben.
Da die grünen Pflanzenteile unter normalen Witterungsbedingen maximale T-Gehalte von 20 bis 22 % aufweisen, können die geforderten Gesamt-T-Gehalte von mindestens 30 % in der Silage nur über höhere Kolben- bzw. Kornanteile realisiert werden. Die Maissilage zur Biogasnutzung unterscheidet sich daher auch im Energiegehalt und in der Stärkekonzentration kaum von Silagen wie sie in der Rindviehfütterung zum Einsatz kommen. Im praktischen Betrieb der Biogasanlagen ist dies auch daran zu erkennen, dass niedrige Energie- und Stärkekonzentrationen in der Silage durch die Zugabe von CCM oder Getreide ausgeglichen werden bzw. bei qualitativ schlechteren Silagen mehr Silagetrockensubstanz „gefüttert“ werden muss, um gleiche Gaserträge erzielen zu können.
Sortenempfehlung Energiemais
Für den Energiemaisanbau in NRW empfiehlt die Landwirtschaftskammer die Sorten, die in den Landessortenversuchen Silomais überdurchschnittliche Trockenmasseerträge erzielen konnten. Da die Energie- und Stärkekonzentration dabei unberücksichtigt bleiben, bieten sich für die Produktion hoher Trockenmasserträge viele Sorten an. Andere speziell qualitätsbetonte Sorten können in der Sortenempfehlung für den Energiemaisanbau hingegen nicht berücksichtigt werden. Die farbliche Hinterlegung des Sortennamens in der Sortenempfehlung charakterisiert das Abreifeverhalten der Sorten. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass diesbezüglich auch Umweltfaktoren wie Wasser- und Nährstoffversorgung und insbesondere der Erntezeitpunkt erhebliche Einflüsse haben.
Bei der Sortenwahl sollte immer das mit der Reifezahl zunehmende Abreiferisiko Berücksichtigung finden. Das geringfügig höhere Trockenmasseertragspotenzial einzelner mittelspäter Sorten kann nur dort genutzt werden, wo diesen Sorten auch in kühlen Jahren ausreichend Zeit für die Ertragsbildung zur Verfügung steht. Frühreife Sorten bringen hingegen ein deutlich höheres Maß an Anbausicherheit mit sich. Sowohl bei der Aussaat wie auch bei der Ernte kann damit flexibler auf die unterschiedlichen Witterungsbedingungen reagiert werden, was auch Sicherheit für die Folgefruchtbestellung mit sich bringt. Die Sortenwahl für einzelne Biogasanlagen sollte anhand der Sortenleistung bzw. der Sortenempfehlung konkret vor dem Hintergrund der Reifezahlen geplant werden. Voraussehbare Saatzeitunterschiede zum Beispiel durch Zwischenfruchtanbau können dabei ebenso gut über die sortenspezifische Abreife kompensiert werden, wie die Notwendigkeit früher Erntetermine auf erfahrungsgemäß im Herbst schwer befahrbaren Flächen.
Autor: Norbert Erhardt