Vermehrungsflächen nur leicht zurückgegangen

Saatgutlager

Auf 12.840 Hektar wächst in Nordrhein-Westfalen in diesem Jahr Saatgut der verschiedensten Kulturen. Während die Flächen im vergangenen Jahr mit 11 % sehr deutlich reduziert wurden, sind sie in diesem Jahr mit einem Minus von 2,9 % nur leicht zurückgegangen. Dies ist vor allem auf die z.T. deutlichen Einbrüche bei den Raps- und Grassamenvermehrungen und die spürbare Ausdehnung der Flächen beim Winterweizen zurückzuführen. Ein kleines Plus ist auch beim Roggen festzustellen. Holger Dietzsch von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen beschreibt, wie sich die Flächen im Einzelnen entwickelt haben und welche Sorten diesmal in der Vermehrung stehen.

Der Schwerpunkt der Saatgutvermehrung liegt in Nordrhein-Westfalen ganz eindeutig beim Wintergetreide. Immerhin entfallen in diesem Jahr 9.825 ha oder 77 % der Gesamtvermehrungsfläche auf die Wintergetreidearten (Übersicht 1). Gegenüber dem Vorjahr wurden die Wintergetreidevermehrungsflächen insgesamt um 3,4 % ausgedehnt. Mit 5.835 bzw. einem Anteil von 45 % an der gesamten Vermehrungsfläche steht der Winterweizen weit vorn in der Gunst der Vermehrer und behauptet auch in 2011 seine dominierende Stellung. Im Vergleich zu 2010 wurde die Weizenfläche diesmal um 7,5 % ausgedehnt und hat damit wieder in etwa die Größenordnung wie in 2006 erreicht. Betrachtet man die Entwicklung der Weizenfläche in den Landesteilen, so ist festzustellen, dass die Zuwächse in Westfalen Lippe mit 12 % deutlicher ausgefallen sind als im Rheinland (+ 3,1 %). Wintergerste ist die zweitstärkste Fruchtart und wird auf 2.515 Hektar vermehrt. Im Vergleich zum vergangenen Jahr bedeutet dies ein Minus von fast 5 %. Im Rheinland hat sich die Wintergerstenfläche gegenüber dem Vorjahr kaum verändert, in Westfalen ging sie dagegen um 7 % zurück. Triticale steht auf insgesamt auf 1.168 Hektar. Die Fläche hat sich im Vergleich zum Vorjahr nur unwesentlich verändert, wobei der Flächenausdehnung im Rheinland eine Reduzierung in Westfalen-Lippe gegenübersteht. Die Roggenfläche fällt mit 256 ha deutlich größer aus als im vergangenen Jahr. Winterhafer ist nach wie vor eine Besonderheit im Rheinland, die Vermehrung erfolgt auf kleinerer Fläche von insgesamt 38 ha.

Die seit mehreren Jahren andauernde Einschränkung der Vermehrungsflächen von Sommergetreide spiegelt die abnehmende Bedeutung im Anbau wider. Nach schon deutlichen Rückgängen in den Vorjahren wurde die Fläche in 2011 abermals um 17 % zurückgenommen. Die Vermehrungsflächen von Sommerweizen wurden landesweit eingeschränkt. Die Haferflächen haben sich in Westfalen-Lippe gegenüber 2010 kaum verändert, während sie im Rheinland um mehr als die Hälfte zurückgegangen sind. Bei Sommergerste steht im Rheinland ein Minus von 25 % zu Buche, in Westfalen-Lippe dagegen eine Zunahme um 40 %.

Die Vermehrungsflächen von Öl und Faserpflanzen, d.h. hauptsächlich von Winterraps, sind im Vergleich zum Vorjahr erneut um 15 % zurückgegangen. Im Rheinland ist ein Rückgang von 17,5 % und in Westfalen-Lippe von 5,5 % zu verzeichnen. Die Anpassung der Flächen ist im Wesentlichen auf die Versorgungssituation der Saatgutunternehmen (teilweise wird Rapssaatgut für die nächste Saison überlagert) und die hohen Vermehrungsraten von Raps zurückzuführen. Bei der Entwicklung der Grassamenvermehrungen setzt sich der Trend der letzten Jahre auch in 2011fort mit einem abermals sehr deutlichen Einbruch und einem Minus von 27,4% im Vergleich zum Vorjahr. Besonders bei der dominierenden Art Welsches Weidelgras gab es einen Rückgang um fast 300 ha. Diese Entwicklung ist eine Folge der Überlagermengen und der Preisentwicklung beim Getreide. Mittlerweile ist der Gräsermarkt aber durch knappe Verfügbarkeit und wieder gestiegene Preise gekennzeichnet. Die Einschränkung der Leguminosenvermehrung ist eine Folge der relativ geringen Bedeutung von Leguminosen im praktischen Anbau. Mit nur 69 ha Vermehrungsfläche spielt die Erzeugung von Pflanzkartoffeln in Nordrhein-Westfalen nur eine untergeordnete Rolle.

Anzahl der Vermehrer sinkt

Die Anzahl der Vermehrer hat insgesamt auch in 2011 weiter abgenommen. In 2010 erzeugten in NRW noch 632 Betriebe Saat- und Pflanzgut, in diesem Jahr sind es noch 594 Vermehrer (Übersicht 2). Während im Rheinland im Vergleich zum Vorjahr 46 Vermehrer ausgeschieden sind, hat sich die Zahl der Saatgutvermehrer in Westfalen-Lippe um 8 Betriebe erhöht. Die Struktur in der Saatgutvermehrung hat sich zwar in den vergangenen Jahren verbessert, gegenüber 2010 hat sich die durchschnittliche Vermehrungsfläche je Betrieb allerdings nur geringfügig erhöht. Im Mittel beträgt die durchschnittliche Vermehrungsfläche pro Betrieb im Rheinland jetzt 26,2 ha und in Westfalen-Lippe 18,9 ha Saatgut. 1997 lag die durchschnittliche Fläche je Vermehrer im Rheinland bei 14,7 ha und in Westfalen-Lippe bei 15,2 ha.

Winnetou weiterhin größte Weizensorte

Nach wie vor breit gefächert ist das Sortenspektrum bei Winterweizen. So werden in 2011 landesweit 83 Weizensorten bzw. noch nicht zugelassene Stämme vermehrt. Diese Vielfalt ist hauptsächlich in der Struktur der hiesigen Saatgutwirtschaft begründet. In Übersicht 3 sind die Weizensorten namentlich aufgeführt, die auf mehr als 100 ha vermehrt werden. In NRW sind Winnetou, JB Asano, Julius, Hermann, Inspiration und Premio die sechs größten Sorten. An siebter Position steht Tabasco gefolgt von Smaragd. Dahinter folgen Tobak, Primus, Orcas, Manager, Lear und Matrix. Zusammen nehmen diese 14 Sorten rund 69 % der Vermehrungsflächen bei Weizen ein. Betrachtet man die Sortenverteilung in beiden Landesteilen, so ergibt sich ein unterschiedliches Bild. Im Rheinland setzt sich das Weizensortiment aus 46 Sorten (im Vorjahr 55) zusammen. Die größten Sorten sind hier mit Abstand Premio und Hermann. Dahinter folgen dann JB Asano, Primus, Inspiration, Tabasco, Manager, Smaragd, Sophytra und Winnetou. Diese 10 Sorten nehmen zusammen 58% der Weizenvermehrungsfläche ein. Als regionale Besonderheit der klimatischen und betrieblichen Verhältnisse im Rheinland sind die Vermehrungen der frühreifen, z.T. begrannten Weizensorten anzusehen. In Westfalen-Lippe werden diesmal 58 Weizensorten vermehrt (im Vorjahr 52). Die 11 größten Sorten nehmen hier gut 71% der Weizenvermehrungsfläche ein. Die größten Sorten sind Winnetou, Julius und JB Asano, gefolgt von Tobak, Inspiration, Smaragd, Tabasco und Mariboss.

Der Anteil der B-Weizen an der Weizenvermehrung hat von 52 % im Vorjahr auf 43 % in 2011 zugenommen. Damit dominieren die B-Sorten zwar weiterhin das Vermehrungsgeschehen bei Winterweizen, der Abstand zu den mit einem Anteil von gut 34 % dahinter folgenden C-Sorten ist aber nicht mehr so ausgeprägt wie im Vorjahr. A-Sorten werden auf knapp 16 % der Weizenfläche vermehrt. Im Vergleich zu den beiden vergangenen Jahren entspricht dies einer leichten Zunahme. E-Weizen werden wieder auf 1,7 % der Weizenfläche vermehrt. Gruppiert man die Weizensorten nach der Anfälligkeit für Ährenfusarium, so ergibt sich das folgende Bild. Auf 82 % der Weizenvermehrungsflächen in NRW stehen in diesem Jahr Sorten mit einer mindestens durchschnittlichen Resistenz gegen den Befall mit Ährenfusarium (Übersicht 5). Im Jahr zuvor lag dieser Anteil bei fast 90 %. Dabei ist der Anteil von Sorten mit einer geringen Anfälligkeit mit 9,0 % nochmals niedriger als in 2010. Gegenüber den letzten zwei Jahren ist der Anteil von Sorten mit einer höheren Anfälligkeit wieder deutlich angestiegen. Dieser Anteil liegt jetzt wieder bei fast 18 %.

Souleyka ist bei Wintergerste vorne

Bei Wintergerste dominiert der Anteil der mehrzeiligen Sorten an der Vermehrungsfläche mit 91%. Seit etlichen Jahren liegt dieser Anteil immer über 90%. Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Anteil der Sorten mit einer Resistenz gegenüber Gelbmosaikvirus. Hier liegt der Anteil der resistenten Sorten diesmal bei 93% der Gerstenvermehrungsfläche. Insgesamt werden in NRW 44 Wintergerstensorten vermehrt (im Rheinland 25 und in Westfalen-Lippe 33 Sorten). Souleyka hat Fridericus von Platz 1 verdrängt und nimmt mit einem Anteil von 19 % an der Gerstenfläche erstmals in NRW die Spitzenposition ein. Dahinter folgen Fridericus und Lomerit. Mit etwas Abstand kommen dann Pelican und Leibniz, gefolgt von KWS Meridian, Highlight, Kathleen und Ketos. Wie sich die Sortenverteilung bei Gerste in Westfalen-Lippe und im Rheinland darstellt, zeigt Übersicht 6. In Westfalen-Lippe ist Souleyka mit Abstand die größte Sorte. Dahinter stehen Fridericus und Lomerit. Diese drei Sorten nehmen zusammen 47 % der Wintergerstenvermehrungsfläche ein. Danach folgen dann noch Leibniz, Pelican, Highlight, Kathleen und Naomie. Im Rheinland nehmen die sechs größten Sorten 65 % der Fläche ein. Dies sind Pelican, Lomerit, Fridericus, Ketos, Souleyka und KWS Meridian. Dahinter kommt dann noch Leibniz mit einem Anteil von 6,7 %.

Grenado behauptet Spitzenposition bei Triticale

Grenado ist in NRW mit 479 ha Vermehrungsfläche auch in 2011die bedeutendste Triticalesorte. Es folgen dann auf Platz zwei Dinaro und mit Abstand dahinter SW Talentro. Das gesamte Sortenspektrum umfasst bei Triticale 15 Sorten. Die regionalen Unterschiede im Sortenranking sind auch bei Triticale sehr ausgeprägt. Im Rheinland steht SW Talentro mit einem Anteil von 43 % mit sehr großem Abstand an erster Stelle in der Vermehrung (Übersicht 7). Dahinter folgt zunächst Grenado und dann kommen noch Cosinus, Tarzan und mit deutlichem Abstand Agostino. In Westfalen-Lippe bestimmen Grenado mit 46% und Dinaro mit 32% sehr deutlich das Vermehrungsgeschehen bei Triticale. Dahinter reihen sich SW Talentro, Cosinus, Tarzan und Cando ein.

Der Schwerpunkt der Winterroggenvermehrung liegt nach wie vor eindeutig im Rheinland. Insgesamt werden 13 Sorten vermehrt. Die Anteile von Hybridroggen- und Populationssorten halten sich diesmal die Waage. An der Spitze liegen Guttino (H) und Matador (P), dann folgen KWS Magnifico (H), Vitallo (P), Conduct (P) und Visello (H).

Fazit für die Praxis

  • Die Vermehrungsflächen haben sich nach den deutlichen Rückgängen im Vorjahr wieder etwas stabilisiert. Die Saatguterzeugung hat in Nordrhein-Westfalen mit einer Gesamtfläche von fast 12.840 Hektar nach wie vor eine wichtige Bedeutung.
  • Die Anzahl der Vermehrungsbetriebe nimmt weiterhin ab, wenngleich diesmal unterschiedliche Entwicklungen in den beiden Landesteilen festzustellen sind.
  • Bei Weizen überwiegen die B- und C-Sorten in der Vermehrung. Der Anteil der A-Sorten ist wieder etwas angestiegen.
  • Bei Wintergerste dominieren nach wie vor die mehrzeiligen Sorten.
  • Der Schwerpunkt der Triticalevermehrung liegt in Westfalen-Lippe, der Schwerpunkt der Roggenvermehrung dagegen im Rheinland. Bei Roggen halten sich Populations- und Hybridsorten in etwa die Waage.

Autor: Holger Dietzsch