Sommerhafer: Ergebnisse der Landessortenversuche 2018

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Sommerhafer – alte Kultur mit neuen Perspektiven?

Sommerhafer wird aktuell in NRW überwiegend zu Futterzwecken für die Pferdehaltung oder zur Aufbesserung des Kraftfutters für den eigenen Betrieb angebaut. Ein seit Jahren stagnierender oder sogar leicht rückläufiger Markt. Die jährliche Anbaufläche ist daher auf niedrigem Niveau mit 7.000 Hektar sehr konstant. Hafer steht hier oft oder überwiegend in eher extensivem Anbau auf ertragsschwächeren Standorten als abtragende Frucht und kann so das eigentliche Ertragspotential der Kultur nicht realisieren.

Unter den Getreidearten nimmt Sommerhafer allerdings eine Sonderrolle ein, die zukünftig wieder für mehr Interesse an der Kultur sorgen wird. In der Fruchtfolge wirkt er wie eine Blattfrucht. Als Gesundungsfrucht kann er enge Getreide- und Rapsfruchtfolgen auflockern. Ein altbekannter, aber zwischenzeitlich fast vergessener ackerbaulicher Vorteil. Neben den ackerbaulichen Vorteilen bietet Hafer auf guten Standorten auch Marktchancen. Der Bedarf an Qualitätshafer für die Schälindustrie ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Der Bedarf der Industrie kann durch deutsche Ware schon lange nicht mehr abgedeckt werden. Ein Teil der Ware könnte marktnah in NRW produziert werden. Für NRW ergäben sich dann zwei Anbausegmente. Das bisher vorherrschende mit eher extensivem Anbau auf schwächeren Standorten und parallel dazu auf guten Standorten mit besserer Fruchtfolgestellung und optimaler Produktionstechnik der gezielte Anbau von Schälhafer.

Grundsätze beim Haferanbau

Eine frühe Saat ist die Grundvoraussetzung für hohe Erträge und gute Qualitäten. Der Spruch „Maihafer ist Spreuhafer“ beschreibt diese Zusammenhänge sehr treffend. Die frühe Saat verspricht eine bessere Bestockung, eine längere Vegetation und die bessere Ausnutzung der Winterfeuchtigkeit. Hafer darf aber in keinem Falle in den Boden hereingeschmiert werden. Bei frühen Saatterminen Anfang März werden 260 bis 300, bei normalen Saatterminen im März 300 bis 330 und bei späten Saatterminen 330 bis 360 keimfähige Körner/m2 empfohlen. Ziel ist ein Bestand mit 400 bis 500 Rispen pro Quadratmeter. Die Saattiefe sollte aufgrund des durch die Spelze höheren Keimwasserbedarfs bei 3 bis 4 cm liegen.

Hafer ist bezüglich der Nährstoffansprüche relativ anspruchslos und besitzt ein gutes Wurzelwerk. Niedrigere pH-Werte oder eine schlechtere Versorgung mit Grundnährstoffen werden eher als bei Sommerweizen toleriert. Belohnt wird Nährstoffmangel aber auch bei Hafer nicht. Auf schlechter versorgten Böden muss bei Hafer als abtragender Frucht zumindest eine Teilmenge des Kalientzuges von etwa 100 kg/ha K2O frisch ergänzt werden. Vor allem auf Böden mit zu hohen pH-Werten muss auf eine ausreichende Manganversorgung geachtet werden. /p>

Die Stickstoffdüngung sollte eine zügige Jugendentwicklung ermöglichen. Daher muss Hafer früh und ausreichend mit Stickstoff versorgt werden, ohne durch zu hohe Gaben die Lagergefahr zu sehr zu fördern. Späte N-Gaben bergen die Gefahr von Lager und Zwiewuchs. Eine Startgabe von 60 N zur Saat, gefolgt von einer zweiten Gabe in der Mitte der Schoßphase mit 30 bis 40 N kann für Normaljahre als grobe Orientierung gelten. Besonders bei der zweiten Gabe muss die N-Nachlieferung des Bodens berücksichtigt werden.  

Wichtigste Blattkrankheit beim Hafer ist der Mehltau, bei dem es in der Anfälligkeit deutliche Sortenunterschiede gibt. Auch Haferkronenrost kann in Einzeljahren Ertrag und Qualität kosten. Bei Befall mit virusbeladenen Blattläusen drohen Verzwergungskrankheit und Haferröte und als Folge Ertrags- und Qualitätseinbußen. Die intensive Kontrolle und der gezielte Einsatz von Insektiziden ist beim Anbau Pflicht.

Wachstumsregler wirken auf beim Hafer nur ertragssichernd und nie ertragssteigend. Bei Trockenstress oder zu hohen Aufwandmengen sind Schäden und Mindererträge möglich. Der Einsatz der zugelassenen Mittel muss daher mit Bedacht in Phasen mit guter Wasserversorgung und wüchsiger Witterung erfolgen. In sehr standfesten Sorten kann bei angepasster Bestandesdichte und N-Düngung auf Wachstumsregler verzichtet werden. Die einmalige Einkürzung reicht bei geringer Lagergefährdung normalerweise aus. Nur bei hoher Lagergefahr sind Doppelbehandlungen erforderlich.

Die aktuellen Versuchsergebnisse

Die Sortenprüfung von Sommerhafer erfolgt auf den Standortgruppen Lehm- und Sandböden im Verbund der Landwirtschaftskammern NRW, Niedersachen, Schleswig-Holstein und Hessen. Die Versuche in NRW standen auf den guten Ackerbaustandorten Kerpen-Buir, Lage-Heiden und Altenmellrich. Der Versuch in Kerpen-Buir konnte aufgrund zu hoher Ertragsschwankungen zwischen den Wiederholungen nicht mit in die Auswertung übernommen werden. In der Summe stehen für die Sortenbeurteilung für die Standortgruppe Lehm acht und für Sand vier Standorte zur Verfügung. Eine sichere Basis für eine gute Empfehlung.

Die Versuche werden in zwei Intensitätsstufen angelegt. In der extensiven Behandlungsstufe erfolgt ein reduzierter Wachstumsreglereinsatz in EC 31/32. Auf Fungizide wird hier verzichtet. In der intensiveren Behandlungsstufe erfolgt eine Wachstumsreglergabe in EC31/32. In EC 39/49 erfolgte dann bei Bedarf eine zweite Gabe eines Wachstumsreglers in Kombination mit einem Fungizid. Beide Behandlungsstufen werden praxisüblich in zwei Teilgaben mit Stickstoff gedüngt und bei Bedarf mit Insektiziden behandelt. Die zusammengefassten, mehrjährigen Versuchsergebnisse der praxisüblichen Variante für die Ertragsleistung ist Tabelle 1 zu entnehmen. Das Anbaujahr 2018 war mit extremen Trockenheit und Hitze kein Jahr für Sommerhafer. Auf den Sandstandorten wurden in Mittel der vier Versuche sehr enttäuschende 46 dt/ha geerntet. Gegenüber dem Mittel der Vorjahre ein Minderertrag von fast vierzig Prozent. Auf den Lehmstandorten lag der Durchschnittsertrag mit 71 dt/ha nur um 15 bis 20 Prozent unter dem mehrjährigen Versuchsmittel. Negative Auswirkungen hatte die extreme Witterung auch auf die Hektolitergewichte, die in Tabelle 2 dargestellt sind. Im Mittel der zwölf Standorte mit 48,4 hl-Gewicht ein sehr enttäuschendes Ergebnis. Die agronomischen Eigenschaften der geprüften Sorten finden sich in Tabelle 3.

Empfehlungen für Futterhafer

Unabhängig von der Verwertungsrichtung sollte bei der Sortenwahl Wert auf einen hohen, stabilen Ertrag, ein gutes hl-Gewicht, eine geringe Lagerneigung und eine gute Strohstabilität gelegt werden. Bei der Vermarktung von Futterhafer wird ein hl-Gewicht von mindestens 50 kg gefordert. Im Mittel aller Standorte konnte dieses Niveau 2018 mit 48,4 kg hl-Gewicht nicht erreicht werden. Der Mittelwert der Sorten an den Versuchsstandorten schwankt zwischen 43,3 und 53,6 kg. Für Höhenlagen ist neben guter Halmstabilität eine frühe und gleichmäßige Abreife von Stroh und Korn im Hinblick auf die sichere Beerntung wichtig. Schwächen in diesem Bereich zeigen Apollon, Delfin, Poseidon und Yukon. Die Spelzenfarbe ist entgegen der oft gehörten Meinung nicht mit wertbestimmenden Eigenschaften verknüpft. Es spielt also keine Rolle, ob es sich um einen Weiß- oder Gelbhafer handelt.

Die bekannteste, älteste und bundesweit immer noch deutlich vermehrungsstärkste Sorte im Prüfsortiment ist Max. Bei der Ertragsleistung müssen mittlerweile vor allem auf den Sandstandorten deutliche Abstriche gemacht werden. Positiv punkten kann Max mit hohen hl-Gewichten und der zügigen Strohabreife. Bekannte Abstriche müssen bei Lageranfälligkeit, Halmknicken und Mehltau gemacht werden.  

Mindestens dreijährig geprüft und ebenfalls sehr sicher zu beurteilen sind Apollon, Harmony, Poseidon, Symphony und auf Sand auch Yukon. Die genannten Sorten sind Max insbesondere auf leichteren Standorten beim Ertrag deutlich überlegen. Apollon und Symphony liegen beim hl-Gewicht knapp vor Harmony, Yukon und Poseidon. Bei Apollon, Poseidon und Symphony muss auf Mehltau geachtet werden. Eine etwas verzögerte Strohabreife haben Apollon, Poseidon und Yukon.

Zweijährig geprüft zeigt Delfin sehr gute Ertragsleistungen und bestätigt damit die sehr guten Wertprüfungsergebnisse. Weiterhin positiv ist die geringe Mehltauanfälligkeit der Sorte. Beachtet werden muss die etwas verzögerte Strohabreife. Armani konnte im ersten Prüfjahr die sehr gute Ertragseinstufung des Bundessortenamtes nicht bestätigen. Hier sollten vor einer Empfehlung weitere Prüfjahre abgewartet werden. Bestätigt hat sich bei Armani die schwächere Einstufung beim hl-Gewicht. Die zusammengefasste Sortenempfehlung ist in Tabelle 4 enthalten. Unter www.sortenberatung.de sind ab jetzt auch Versuchsergebnisse, Empfehlungen und Sortenbeschreibungen für Sommerhafer eingestellt.

Schälhafer – ein wachsender Markt

Schälmühlen suchen für das wachsende Marktsegment große, einheitliche, sortenreine und qualitativ hochwertige Partien. Sorteneigenschaften, die sich hier nicht nur auf das Hektolitergewicht reduzieren lassen. Wichtige Qualitätsanforderungen neben dem guten hl-Gewicht von mindestens 53 kg sind geringe Spelzanteile (< 26 Prozent), leicht lösbare Spelzen, hohe Tausendkorngewichte sowie eine gute Sortierung (mehr als 90 Prozent größer 2 mm). Ein wichtiges Qualitätsmerkmal der Schälmühlen ist mittlerweile die Schälrate, die angibt wie leicht sich die Spelze vom Korn trennen lässt. Dieses Merkmal wird in der Beschreibenden Sortenliste als „Anteil nicht entspelzter Körner“ beschrieben. Die geforderten Qualitäten können vor allem beim hl-Gewicht in der Praxis nur auf guten oder sehr guten Standorten bei gesicherter Wasserversorgung, nicht zu hohen Niederschlägen sowie kühleren Temperaturen während der Kornfüllungsphase und der Abreife erreicht werden. Schwächere Standorte, auf denen momentan der größte Flächenanteil des Haferanbaues in NRW stattfindet, kommen für den Anbau von Schälhafer nicht in Frage. Wenig oder besser kein Lager, eine geringe mikrobielle Belastung und eine helle Kornfarbe sind weitere Grundvoraussetzungen für die Produktion von Qualitätshafer. Dazu gehören ein optimaler Bodenzustand bei der Saat, eine an Standort, Saatzeit und Sorte angepasste Aussaatstärke, die an Standort und Nachlieferung angepasste N-Düngung und ein gezielter Pflanzenschutz.

Wer sich für den Anbau von Schälhafer interessiert, sollte im Vorfeld mit Landhandel und Genossenschaften oder direkt mit Schälmühlen Sortenabsprachen treffen. Für diese Vermarktungsrichtung kommen vorrangig Qualitätssorten wie Ivory, Scorpion, Bison aber auch Apollon in Frage. In den Sortenversuchen wird aktuell hiervon nur die ertragsstarke Sorte Apollon geprüft. Scorpion ist in der Ertragsleistung wie Max einzustufen, während Bison und Ivory etwas schwächer zu bewerten sind.

Autor: Heinrich Brockerhoff