Landessortenversuche Sommerweizen 2006

SommerweizenBild vergrößern

Sommerweizenanbau – ungerechtfertigte Geringschätzung

Nach den Ergebnissen der besonderen Ernteermittlung des Landesamtes für Datenverarbeitung und Statistik wurden in Nordrhein-Westfalen im Erntejahr 2006 mit 62,0 dt je ha rund 6,8 % niedrigere Sommerweizenerträge gegenüber dem schon unbefriedigenden Vorjahr erzielt – das ist im Vergleich der letzten sieben Erntejahre das niedrigste Ertragsergebnis. Über die Ergebnisse des Sommerweizenanbaues 2006 in NRW berichten Dr. Joachim Holz und Heinz Koch, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen.

Mit jetzt 2 974 ha Anbaufläche im Erntejahr 2006 ist die Sommerweizenanbaufläche gegenüber dem Vorjahr in NRW nochmals um rund 400 ha reduziert worden. Wie bei den anderen Sommergetreidearten auch, hängt die Aussaatfläche stark von den Herbstbestellbedingungen oder den Auswinterungsgegebenheiten beim Wintergetreide ab. Im Vergleich zu den anderen Sommergetreidearten Sommergerste und Sommerhafer werden beim Sommerweizenanbau - mit deutlichem Abstand (+ 10 bis 15 dt je ha) - immer noch die höchsten Erträge erzielt. Dieses zeigen die BEE-Ergebnisse des statistischen Landesamtes in Düsseldorf sehr deutlich. Zusätzliche Argumente für einen Sommerweizenanbau können sein:

Späte Zuckerrübenernte unter ungünstigen Witterungs- und Bodenbedingungen kann zu unerwünschter, bodenstrukturbeeinträchtigender oder -schädigender Saatbettbereitung und Einschmieren des Winterweizens im Spätherbst führen, mit entsprechenden ungünstigen Folgewirkungen.

Bei der Erzeugung sicherer, hochqualitativer Weizenpartien, wenn entsprechende Vermarktungsmöglichkeiten zu sehr guten Erzeugerpreisen bestehen, ist die geringere Ertragspotenz des Sommerweizens gegenüber dem Winterweizen noch wirtschaftlich vernünftig zu kompensieren, was letztlich zur Verbesserung der Rentabilität im Sommerweizenanbau beiträgt.

Sommerweizensorten mit einer ausreichenden Winterhärte, wie Thasos oder Granny, werden auch als Wechselweizen bezeichnet. Sie können bereits im späteren Herbst ausgesät werden. Ihr Vorteil liegt in einer flexibleren Saatzeitspanne von November bis in das Frühjahr hinein. Sie sind in der Entwicklung etwas zügiger und reifen etwas eher ab als spät gesäter Winterweizen. Bei qualitativ hochwertigen Sorten liegen ihre Erträge unter diesen Bedingungen etwa auf dem Niveau von normalen E- Winterweizensorten. Der Anbau von Wechselweizen kommt daher am ehesten für die Produktion von Qualitätsweizen in Frage, wenn entsprechende Preisaufschläge erzielt werden können.

Die Landessortenversuche

In Nordrhein-Westfalen wurden im Jahr 2006 an zwei Standorten Landessortenversuche mit insgesamt 13 Sommerweizensorten durchgeführt, die ausschließlich nur aus dem höher qualitativen A- und E- Bereich stammen, siehe Tabelle 4. Zur sicheren Leistungsbeurteilung der Sorten wurden aus dem benachbarten Kammerland Niedersachsen noch zwei weitere Landessortenversuche für die Ackerbauregion der Niederungslagen Lehm herangezogen. Wie sich der Ertragsaufbau in diesem Erntejahr im Vergleich zu den vorigen Landessorten-Prüfjahren gestaltete, ist der Tabelle 2 zu entnehmen. Gegenüber dem Vorjahr waren witterungsbedingt auf den Niederungslagen-Lehm- sowie den Übergangslagenstandorten die Bestandesdichten und vor allem die Tausendkornmassen deutlich niedriger, woraus sich die enttäuschenden Erträge erklären lassen. Auf dem Löß-Versuchsstandort konnten die höheren Bestandesdichten sowie die leicht höheren Kornzahlen je Ähre die niedrigeren Tausendkornmassen gegenüber dem Vorjahr noch sehr gut in einem höheren Durchschnittsertrag kompensieren.

Im Vergleich zum vergangenen Ertragsjahr, in dem die Ertragsleistungen der Sorten eine deutliche Abstufung zwischen den Qualitätssortenstufen E und A zeigten (Tabelle 3), konnten im abgelaufenen Anbaujahr vereinzelt auch viele E-Weizensorten mit hohen Erträgen überzeugen, allerdings über die Versuchsstandorte hinweg betrachtet mit nicht einheitlichen Tendenzen. Offensichtlich spielten hier die einzelstandörtlich bedingten großen Witterungsunterschiede die entscheidende Rolle. Lediglich bei den neueren zweijährig geprüften A-Sommerweizensorten Granny und Tybalt ist eine einheitliche überdurchschnittliche Ertragsleistung über alle Versuchsstandorte vorhanden. Bezüglich der Eiweißleistung zeigt sich auch in diesem Jahr das gewohnte Bild. Unabhängig von dem über die Jahre deutlich höheren Eiweißleistungsniveau der Sommerweizensorten gegenüber den Winterweizensorten differenziert sich das Sortenspektrum mehrjährig sehr eindeutig nach E- und A- Qualität, siehe Tabelle 4. Wie schon beim Ertrag, so ist bei diesem Qualitätsmerkmal auch in diesem Jahr die Tendenz über die Versuchsstandorte nicht einheitlich. Die negative Korrelation zwischen Ertrag und Qualität zeigt sich deutlich. Unter weiterer Berücksichtigung der mehrjährigen Ertragsleistungen an den einzelnen Standortgruppen (Tabelle 5) sind in der Tabelle 6 die entsprechenden Sortenempfehlungen für die verschiedenen Ackerbauregionen in NRW aufgeführt.

Wirtschaftlichkeit der Behandlungsstufen

Die Prüfung der Sommerweizensorten erfolgte in den Landessortenversuchen unter den Bedingungen zweier Intensitätsstufen, wie in Tabelle 7 aufgeführt. Bei kostenmäßiger Bewertung des höheren Aufwandes in der B2 Variante mussten mindestens 3,4 dt je ha Mehrertrag gegenüber der B1-Variante erzielt werden. Wie aus der Tabelle 3 zu ersehen, wurden diese notwendigen Mindestmehrerträge in der behandelten Variante auf allen Versuchsstandorten sicher erzielt (Vergleich Erträge B1 und B2 im Mittel der Sorten). Auch bei sortenspezifischer Betrachtung zeigt sich, dass in der mehrjährigen Tendenz alle Sommerweizensorten überwiegend in der höheren Intensitätsstufe die höchsten bereinigten Marktleistungen erbrachten, siehe die Abbildung. Lediglich bei den Sorten Tybalt und Taifun lohnt sich ein intensiverer Blick in die Bestände und eine etwas größere Vorsicht beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Dieses Ergebnis korrespondiert recht gut mit den überwiegend niedrigen Einstufungen bezüglich ihrer Anfälligkeit gegenüber Krankheiten, siehe Tabelle 5.

Beschreibung der empfohlenen Sorten

Granny: A- Weizen; Ertrag: Im Anbaujahr 2005 und 2006 sehr hohe Ertragsleistung in allen Anbauregionen. Qualität: Sorte mit durchschnittlichen Fallzahlergebnissen und unterdurchschnittlichen Rohproteingehalten. Ertragsbildung: durchschnittliche Bestandesdichten, leicht überdurchschnittliche Kornzahlen je Ähren sowie etwas höhere Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Mittellange Sorte mit erhöhter Lagerneigung, daher für Standorte mit hohem organischem Düngereinsatz und entsprechend schwer kalkulierbarer Stickstofffreisetzung nicht geeignet. Die Pflanzenschutzintensität ist auf die erhöhte Lagerneigung und die Anfälligkeit gegenüber Blattseptoria auszurichten.

Marktleistung: Im zweijährigen Mittel die höchste bereinigte Marktleistung, die fast immer in der höchsten Intensitätsstufe erreicht wurde. Empfehlung: für alle Standorte zum Ausprobieren sehr gut geeignet.

Tybalt: A-Weizen; Ertrag: Im Anbaujahr 2006 bis auf Lehm-Übergangslagen überdurchschnittlich hohe Ertragsleistungen wie auch schon im Anbaujahr 2005 auf allen Standorten. Qualität: Sorte mit durchschnittlichen Fallzahlergebnissen und leicht unterdurchschnittlichen Rohproteingehalten. Ertragsbildung: über leicht unterdurchschnittliche Bestandesdichten, etwas höhere Kornzahlen je Ähren sowie überdurchschnittlich hohe Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Kurze Sorte mit geringer Lagerneigung, daher für Standorte mit hohem organischem Düngereinsatz und entsprechend schwer kalkulierbarer Stickstofffreisetzung geeignet. Die Pflanzenschutzintensität ist auf die erhöhte   Anfälligkeit gegenüber Blattseptoria, Ährenfusarium und DTR auszurichten. Marktleistung: Im zweijährigen Mittel, Sorte mit der zweit höchsten bereinigte Marktleistung, die sehr häufig in der höchsten Intensitätsstufe erreicht wurde. Empfehlung: für Löß und Lehm-Niederungslagen zum Ausprobieren gut geeignet.

Taifun: E- Weizen; Ertrag: Im Mittel der Prüfjahre und Standorte durchschnittliche Ertragsleistungen. Auf Löß und Lehm-Übergangslagen zwischen den Jahren stark differenzierende Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit überdurchschnittlichen Fallzahlleistungen und Rohproteingehalten. Ertragsbildung: durchschnittliche Bestandesdichten, geringe Kornzahlen je Ähren sowie sehr hohe Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Kurze Sorte mit mittlerer Lagerneigung. Marktleistung: Im Mittel der letzten beiden Anbaujahre überdurchschnittliche bereinigte Marktleistungen, die häufiger in der höheren Intensitätsstufe erreicht wurden. Empfehlung: Für alle Standorte bei eigenen noch guten Anbauerfahrungen geeignet.

Passat: A-Weizen; Ertrag: Im Mittel der Prüfjahre und Standorte durchschnittliche Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit durchschnittlichen Fallzahlleistungen und Rohproteingehalten. Ertragsbildung: geringere Bestandesdichten, leicht überdurchschnittliche Kornzahlen je Ähren sowie Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: Kurze Sorte mit hoher Lagerneigung. Die Pflanzenschutzintensität ist auf die erhöhte Lagerneigung sowie die erhöhte Anfälligkeit gegenüber Mehltau auszurichten. Vorsicht auf Standorten mit erhöhter N-Nachlieferung (Güllestandorte). Marktleistung: Im Mittel der letzten beiden Anbaujahre überdurchschnittliche bereinigte Marktleistungen, die ausschließlich in der höheren Intensitätsstufe erreicht wurden. Empfehlung: für alle Standorte gut geeignet.

Picolo: A-Weizen; Ertrag: Im Mittel der Prüfjahre und Standorte durchschnittliche Ertragsleistungen. Auf Lößstandorten zwischen den Jahren stark differenzierende Ertragsleistungen. Qualität: Sorte mit leicht überdurchschnittlichen Fallzahlleistungen und durchschnittlichen Rohproteingehalten. Ertragsbildung: über hohe Bestandesdichten, durchschnittliche Kornzahlen je Ähren sowie Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: kurze Sorte mit hoher Lagerneigung.   Vorsicht auf Standorten mit erhöhter N-Nachlieferung(Güllestandorte). Die Pflanzenschutzintensität ist auf die erhöhte Lagerneigung sowie erhöhte Anfälligkeit gegenüber Blattseptoria auszurichten. Marktleistung: Im Mittel der letzten beiden Anbaujahre überdurchschnittliche bereinigte Marktleistungen, die fast immer in der höheren Intensitätsstufe erreicht wurde. Empfehlung: Für Lehm-Niederungslagen und Lehm-Übergangslagen gut geeignet.

Eminent: E-Weizen; Ertrag: auf Lößstandorten sehr gute Ertragsleistungen, auf den übrigen nur durchschnittlich. Qualität: Sorte mit durchschnittlichen Fallzahlen und guten Rohproteingehalten. Ertragsbildung: hohe Bestandesdichten, durchschnittliche Kornzahlen je Ähren sowie niedrigere Tausendkornmassen. Agronomische Merkmale: relativ lange Sorte mit sehr hoher Lagerneigung. Vorsicht auf Standorten mit erhöhter N-Nachlieferung (Güllestandorte). Die Pflanzenschutzintensität ist auf die stark erhöhte Lagerneigung auszurichten. Marktleistung: Im Mittel der letzten beiden Anbaujahre überdurchschnittliche bereinigte Marktleistungen, die fast immer in der höheren Intensitätsstufe erreicht wurden. Empfehlung: für Lößstandorte gut geeignet, auf Übergangslagenstandorten bei eigenen noch guten Anbauerfahrungen.

Hinweise zur Aussaat

Der Sommerweizen stellt höhere Ansprüche an den Boden. Eine ausreichende Wasserversorgung auch im Sommer sollte möglichst gegeben sein. Frühjahrstrockene, leichtere Standorte sind weniger gut geeignet für einen wirtschaftlich befriedigenden Sommerweizenanbau. Unsichere Erträge sind die Folge. Wasserführende, schwerere Standorte garantieren ein sicheres, höheres und ausgeglicheneres Ertrags- und Qualitätsniveau. Der Sommerweizen ist so früh wie möglich zu säen. Grundsätzlich gilt für alle Sommerungen: Spätere Saat wird nicht durch Reifeverzögerung, sondern durch „Lebensverkürzung“ ausgeglichen.

In der Reihenfolge der verschiedenen Sommergetreidearten sollte er vor dem Sommerhafer zur Aussaat gelangen, da er als wasseranspruchsvollste Art bei geringer Wurzelleistung noch am ehesten die Winterfeuchtigkeit ausnutzen kann und am ehesten vor der trockneren Jahreszeit die Bestände geschlossen hat. Die Nutzung einer langen Wachstumszeit unter Kurztagsbedingungen fördert die Bestockung und (Seitentrieb-) Bewurzelung. Bei noch sehr kaltem Boden muss möglichst flach gesät werden. Bei der Wahl der Saatzeit sollte die Durchschnittstemperatur allerdings den Gefrierpunkt überschritten haben. Eine Keimung ist bei 0 bis 1 °C bereits möglich. In der Tabelle 8 sind die standortspezifischen Aussaatmengen- und Saatstärkenempfehlungen für NRW aufgeführt. Ein dem Krankheitsauftreten und der jeweiligen Sortenanfälligkeit (Tabelle 5) angepasster Pflanzenschutz zeigte sich mehrjährig bislang wirtschaftlich lohnend. Gleichermaßen gilt dieses für den Einsatz von Wachstumsregulatoren zur Standfestigkeitssicherung.

Autor: Dr. Joachim Holz, Heinz Koch