Landessortenversuche Sommerbraugerste 2024

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Sommerbraugerste im Bestand

Die geschätzte Anbaufläche von Braugerste in der Voreifel hat sich in der Saison 2024 gegenüber dem Vorjahr auf etwa 2.600 ha erhöht. Allerdings wurde aufgrund der negativen Erfahrungen der Vorjahre sowie der schwierigen Aussaatbedingungen erneut etwas weniger Sommerbraugerste angebaut. Die reduzierten Anbauflächen wurden durch eine geschätzte Verdopplung beim Anbau von Winterbraugerste etwas mehr als kompensiert. Die meisten Landwirte erzielten gute Erträge und Qualitäten.

Wie die Umwelt, so die Ernte…

Der klassische Anbau von Sommerbraugerste war in den vergangenen Jahren oft nicht erfolgreich. Abgesehen von ungünstigen rechtlichen Bedingungen war es oft auch die Witterung, die sich negativ auf den Ertrag und/oder die Qualität der Ernte auswirkte. Besonders die immer häufigere Kombination aus nassem Winter und trockenem Frühling und Sommer führt dazu, dass sich die Vegetationszeit für Sommerbraugerste immer weiter verkürzt und das Risiko für eine schlechte Kornausbildung zunimmt. Andererseits können sich anhaltende Niederschläge zur Ernte negativ auf die Qualität auswirken. Die alternative Herbstaussaat verringert zwar das Risiko für Trockenstress, funktioniert aber nur, wenn die Aussaatbedingungen im Spätherbst passen und keine zu großen Auswinterungsschäden auftreten.

Die Aussaat von Sommerbraugerste im Frühling war in der vergangenen Saison geprägt von relativ späten Aussaatterminen, die vor allem aus den hohen Winterniederschlägen und den daher oft stark vernässten Böden resultierten. Grundsätzlich galt, dass leichte Böden aufgrund der besseren Drainage meist noch eine relativ zeitige Aussaat erlaubten während auf schwereren Böden nur selten optimale Saattermine realisiert werden konnten. Der anfängliche Vorteil der leichten Standorte blieb trotz deren geringerer Feldkapazität bestehen, da anhaltende Niederschläge zu einer kontinuierlich ausreichenden Wasserversorgung der Bestände beitrugen. Der witterungsbedingt etwas höhere Pflanzenschutzbedarf wurde von den meisten Betrieben gut umgesetzt. Die vorhandenen Erntefenster wurden optimal genutzt und führten dazu, dass in der Saison 2024 im Vergleich zum Vorjahr nicht nur mindestens 20% höhere Erträge, sondern vor allem deutlich bessere Qualitäten erzielt wurden. Dies bestätigt auch der Handel, der für die Ernte 2024 von durchschnittlich 55 dt/ha und Vollgerstenanteilen von über 90% ausgeht.

Der Anbau von Sommerbraugerste in Herbstaussaat war trotz der zum Zeitpunkt der Aussaat noch sehr guten Marktbedingungen insgesamt weniger erfolgreich, da aufgrund der ab der zweiten Oktoberhälfte intensiven Niederschläge viele Aussaaten erst gar nicht durchgeführt werden konnten. Bei den gesäten Beständen führte die Kaltphase im Januar teils zu deutlichen Schäden, die vereinzelt eine Neusaat im Frühling erforderten. Der durch die warm-feuchte Witterung erhöhte Krankheitsdruck begünstigte den Befall mit Rhynchosoporium und erforderte einen angepassten Pflanzenschutzeinsatz.

Der starke Anstieg des Anbaus von Winterbraugerste lässt sich vor allem auf die positiven Erfahrungen der letzten Jahre und die zum Zeitpunkt der Aussaat sehr guten Preisaussichten begründen. Aufgrund des im Vergleich zur Sommerbraugerste in Herbstaussaat früheren Aussaattermins traten Probleme in der Kulturführung höchstens durch die witterungsbedingt fehlenden Möglichkeiten zur Durchführung von Pflanzenschutz- und Düngemaßnahmen auf. Insgesamt war die Bestandesentwicklung auf leichten Böden meist besser als auf Standorten mit ausgeprägter Staunässe. Der durchschnittliche Ertrag wurde vom Handel auf etwa 65 dt/ha geschätzt. Die erreichten Qualitäten waren gut bis sehr gut.

Ergebnisse des Landessortenversuchs 2024

Der Landessortenversuch für Sommerbraugerste zur Ernte 2024 erfolgte wie in den Vorjahren am Standort Heimbach-Hergarten gemeinsam mit der Wertprüfung im Auftrag des Bundessortenamtes. Wie bereits im Vorjahr wurden die regional wichtigsten Sorten dabei zusätzlich an die Wertprüfung angehangen um ein möglichst stabiles Ergebnis zu erzielen. Der Standort war ein deutlich sandiger Lehm mit einer Bodenwertzahl von 45-49. Die Aussaat erfolgte, auch aufgrund vorheriger Niederschläge, erst am 10. April mit 330 keimfähigen Körnern/m². Der Feldaufgang war im Landessortenversuch zufriedenstellend. Allerdings führten Wassererosion und darauf folgende Bodenverschlämmung in einem Bereich der Wertprüfung zu einer reduzierten Pflanzendichte und -entwicklung. Die in den Versuchen erreichten Bestandesdichten lagen bei durchschnittlich 720 Ähren/m² in dem Landessortenversuch und durchschnittlich  660 Ähren/m² in der Wertprüfung. Bei einem ermittelten Nmin-Gehalt von etwa 50 kg/ha N wurden zusätzlich 80 kg/ha N zur Aussaat und 20 kg/ha N zum Schossbeginn gedüngt. Als Fungizide wurden 0,6 l/ha Input Classic in EC 31-32 und 1,0 l/ha Revytrex + 0,4 l/ha Comet in EC 39-49 eingesetzt, um in der intensiv behandelten Stufe das Ertragspotential eines gesunden Bestandes zu bewerten. Besonders in der unbehandelten Stufe waren Netzflecken die dominierende Krankheit. Ramularia trat erst später, dann aber sehr stark auf. Die Ernte erfolgte am 13. August unter guten Bedingungen in einem stehenden Bestand. Aufgrund des starken Befalls mit den vorgenannten Krankheiten ließ sich eine Ertragsdifferenz zwischen der behandelten und der unbehandelten Stufe von 24-29% feststellen. Der durchschnittliche Vollgerstenertrag der Sorten bei intensivem Pflanzenschutz lag in dem Landessortenversuch bei 63,6 dt/ha und in der Wertprüfung bei 56,9 dt/ha. Das geringere Ertragsniveau und die höhere Grenzdifferenz in der Wertprüfung ließen sich vorwiegend durch heterogene Bodenbedingungen und die daraus resultierenden Unterschiede in der Bestandesentwicklung begründen. Das Hektolitergewicht lag mit durchschnittlich 68,5 kg und der Vollgerstenanteil mit durchschnittlich 98% auf einem sehr hohen Niveau. Der durchschnittliche Proteingehalt lag im Landessortenversuch bei 11,4% und in der Wertprüfung bei 10,7% und damit jeweils im optimalen Bereich.

Sortenwahl nach markttechnischen und pflanzenbaulichen Aspekten

Landwirte die gezielt Braugerste anbauen und vermarkten möchten oder auch nur auf die höhere Braugerstenprämie spekulieren sollten sich vor der Sortenwahl zunächst informieren, welche Sorten vom regionalen Handel als Braugerste angenommen werden. Die Anbauempfehlung des Berliner Programms ist zwar ein guter Hinweis auf die Verarbeitbarkeit, da Braugerste aber grundsätzlich sortenrein erfasst wird konzentrieren sich die meisten Abnehmer auf maximal 2-3 Sorten.

Betreffend die Voreifel werden aktuell die Sommerbraugersten Leandra und Lexy sowie die Winterbraugerste KWS Donau von mehreren regionalen Händlern angenommen. Die Sorte RGT Planet zählt international zwar zu den bekanntesten Braugersten, wird in Deutschland aufgrund der fehlenden Anbauempfehlung des Berliner Programms aber vorwiegend als Futtergerste angebaut. Prospect verliert zunehmend an Anbaubedeutung und damit auch an Vermarktungsoptionen. Amidala wird als bundesweit wichtigste Sommerbraugerste in den meisten traditionellen Anbaugebieten als Braugerste angenommen, konnte sich in der Voreifel aber nicht gegen Leandra und Lexy durchsetzen. Sting hat sich vor allem auf dem französischen Markt etabliert. LG Caruso wird aufgrund der guten Anbau- und Verarbeitungseigenschaften bundesweit empfohlen, wenn der regionale Handel die Sorte akzeptiert.

RGT Planet wird nach wie vor erfolgreich als Futtergerste angebaut, aufgrund der fehlenden Anbauempfehlung des Berliner Programms aber nur selten als Braugerste vermarktet. Besonders in guten Braugerstenjahren ist die Nachfrage gering und der Export ins Ausland oft schwierig. RGT Planet überzeugt langjährig mit hohen und stabilen Erträgen, zufriedenstellenden äußeren Qualitäten und einem sehr geringen Proteingehalt. Die Standfestigkeit und Strohstabilität hingegen sind nur durchschnittlich zu bewerten und die leicht erhöhte Anfälligkeit für Netzflecken und Zwergrost ist zu beachten.

Leandra erzielt in der klassischen Frühlingsaussaat durchschnittlich geringere Erträge als die meisten anderen Braugerstensorten, zählt aufgrund der sicheren Vermarktung aber nach wie vor zu den beiden wichtigsten Sorten für die Voreifel. Positiv zu bewerten sind die gute Standfestigkeit und die geringe Anfälligkeit gegenüber Rhynchosporium, Netzflecken und Zwergrost. Die insgesamt gute Blattgesundheit begünstigt den Anbau in Herbstaussaat, bei dem die Sorte mit relativ guten Erträgen überzeugen kann. Leandra erzielt bei geringeren Kornerträgen durchschnittlich etwas höhere Proteingehalte. Das durchschnittliche Hektolitergewicht und der Vollgerstenanteil liegen auf dem Niveau der anderen Sorten.

Lexy hat sich bundesweit als neue Standardsorte für die Aussaat von Sommerbraugerste im Frühling etabliert. Dafür sprechen vor allem die guten und stabilen Erträge sowohl in den regionalen Versuchen als auch in der Praxis und in anderen Anbaugebieten. Lexy ist überdurchschnittlich standfest und strohstabil allerdings etwas anfälliger für Zwergrost. Auch wenn die Sorte inzwischen für die Herbstaussaat empfohlen wird, erzielt sie als „Wechselgerste“ durchschnittlich etwas geringere Erträge als Leandra oder Prospect. Das Hektolitergewicht und der Vollgerstenanteil erreichen zwar nicht ganz das Niveau von Sorten wie Avalon oder Amidala, in normalen Jahren entsprechen die Qualitätsmerkmale aber fast immer den Anforderungen des Handels. Der durchschnittliche Proteingehalt ist, begünstigt durch die höheren Kornerträge, relativ gering. Lexy wird aufgrund der sehr hohen Anbaubedeutung und guten Verarbeitungseignung von den meisten Braugerstenaufkäufern gerne angenommen.

Sting wird vor allem aufgrund der mehrjährig sehr guten Ertragsleistungen eingeschränkt für den Anbau empfohlen, wenn der mögliche Absatz zuvor geklärt wurde. Die Vermarktung ist aktuell nur in größeren Mengen und vor allem zum Export nach Frankreich realistisch. Der hohe Kornertrag geht einher mit guten äußeren und inneren Qualitäten. Aufgrund der unterdurchschnittlichen Strohstabilität und relativ geringen Blattgesundheit ist bei der Kulturführung ein erhöhter Pflanzenschutzbedarf einzuplanen.

LG Caruso hat ebenso wie Sting die Anbauempfehlung des Berliner Programms erhalten und beginnt damit sich für den bundesweiten Anbau zu etablieren. Die relativ späte Sorte erzielte in den bisherigen Prüfjahren teils deutlich überdurchschnittliche Erträge und überzeugt im Vergleich zu Lexy mit einer ebenfalls guten Standfestigkeit sowie einer besseren Strohstabilität und Blattgesundheit. Ob sich die spätere Abreife in einer von Frühlings- und/oder Sommertrockenheit geprägten Saison negativ auf die Sortenleistung auswirken kann, bleibt abzuwarten. Ausgehend von den ersten Ergebnissen aus Niedersachsen scheint LG Caruso grundsätzlich auch für die Herbstaussaat geeignet. Der Vollgerstenanteil ist hoch und die sonstigen Qualitätseigenschaften durchschnittlich. Aufgrund der in Nordrhein-Westfalen bisher nicht etablierten Absatzstrukturen wird LG Caruso trotzdem vorerst nur eingeschränkt empfohlen.

Die darüber hinaus geprüften Sorten Prospect und Amidala werden für den Anbau in der Voreifel nicht mehr empfohlen. Prospect erzielt im Vergleich zu Leandra durchschnittlich ähnliche Erträge und nur etwas geringere Qualitäten. Die Sorte konnte mehrjährig vor allem in der Herbstaussaat überzeugen hat in den letzten Jahren aber sehr deutlich an Anbaubedeutung verloren. Amidala besitzt zwar ein durchschnittliches Ertragspotential, kann dieses im Anbaugebiet Voreifel aber nicht immer realisieren. Die Sorte hat sich daher trotz der sehr guten Kornausbildung in Nordrhein-Westfalen nie etabliert und wird insgesamt nur noch für Betriebe empfohlen, die gute Anbauerfahrungen gemacht haben und eine entsprechende Vermarktung realisieren können.

Die neue Sorte Ostara erzielte in den bisherigen Versuchen nur relativ geringe Kornerträge und durchschnittliche Qualitäten. Bei erfolgreicher Bewertung durch das Berliner Programm wird die Sorte in den Landessortenversuchen zur Ernte 2025 weiter geprüft.

Sortenempfehlungen für die Herbstaussaat

Bei einer geplanten Aussaat von Braugerste im Herbst besteht grundsätzlich die Auswahl zwischen einer echten Winterbraugerste und einer Sommerbraugerste mit Herbstsaateignung.

Die Aussaat von Winterbraugerste erfolgt in etwa zur gleichen Zeit wie bei einer Winterfuttergerste. Die wichtigsten Sorten werden daher gemeinsam mit den Landessortenversuchen in der Köln-Aachener Bucht geprüft. Aus den Ergebnissen leitet sich als erste Wahl die zweizeilige Sorte KWS Donau ab, die in den bisherigen Prüfjahren annähernd das Ertragsniveau der mehrzeiligen Konkurrenz erreicht und darüber hinaus vom regionalen Handel in der Voreifel angenommen wird. Die Sorte ist relativ standfest, strohstabil und ausgenommen einer etwas höheren Anfälligkeit für Mehltau durchschnittlich blattgesund. Der Anbau einer Winterbraugerste bietet gegenüber der Aussaat von Sommerbraugerste im Frühling den Vorteil einer früheren Entwicklung und damit einer höheren Toleranz gegenüber Frühlings- oder Vorsommertrockenheit und -hitze. Anders als bei der Aussaat von Sommergerste im Herbst besteht nur selten das Risiko einer Aussaat unter schwierigen Bedingungen. Winterbraugerste reagiert darüber hinaus deutlich weniger empfindlich auf niedrige Temperaturen. Nachteilig zu bewerten sind die deutlich erschwerte Bekämpfung von (resistentem) Ackerfuchsschwanz und die geringere Braugerstenprämie.

Da die Aussaat von Sommerbraugerste im Herbst deutlich später erfolgt als bei Wintergerste, werden dabei nur relativ wenige Ackerfuchsschwanzsamen zur Keimung angeregt. Andererseits besitzen die meist schwach entwickelten Bestände ein geringes Unterdrückungsvermögen gegenüber Unkraut und Ungras und reagieren auf mechanische Bekämpfungsmaßnahmen empfindlich. Als zusätzliche Risiken gegenüber einer echten Winterbraugerste kommen bei der Sommerbraugerste in Herbstaussaat die oft schlechteren Aussaatbedingungen und die deutlich geringere Winterhärte hinzu. Vorteil gegenüber dem Anbau von Winterbraugerste ist vor allem die aktuell höhere sortenspezifische Braugerstenprämie. Als für die Herbstaussaat besonders geeignet hat sich mehrjährig die Sorte Leandra erwiesen. Die Sorte Prospect erzielte zwar ähnlich gute Erträge, lässt sich vor allem in Nordrhein-Westfalen nur noch sehr schwierig vermarkten. Lexy wird vom Züchter zwar ebenfalls für die Herbstaussaat empfohlen, erzielte in den bisherigen Versuchen allerdings fast immer etwas geringere Ertragsleistungen. Die neue Sorte LG Caruso wird in Nordrhein-Westfalen erst ab der Ernte 2025 geprüft, erzielte in Niedersachsen aber bereits gute Ergebnisse. Abgesehen von einer möglichst hohen Winterhärte ist eine geringe Anfälligkeit gegenüber Rhynchosporium eine wichtige Sorteneigenschaft für den Anbau in Herbstaussaat.

Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch