Landessortenversuche Sommerfuttergerste 2024


Mit über 16.000 ha erreichte die Anbaufläche für Sommergerste in Nordrhein-Westfalen zur Ernte 2024 das höchste Niveau seit mehr als 10 Jahren. Der überwiegende Anteil davon wurde als Futtergerste angebaut und diente vor allem dazu, die witterungsbedingt reduzierte Aussaat von Futtergetreide im Herbst zu kompensieren. Die Erträge fielen dank der gemäßigten Witterung meist zufriedenstellend aus.
Sommergerste geht (fast) immer!
Sommergerste ist die Getreideart mit der höchsten Saatzeitflexibilität. Abhängig von den Standort- und Witterungsbedingungen ist eine Aussaat ab Anfang März bis mindestens Ende April und theoretisch auch darüber hinaus möglich. Da Sommergerste allerdings nur ein schwaches Wurzelsystem entwickelt und daher sehr empfindlich auf schlechte Aussaatbedingungen reagiert, hat es sich in der Saison 2024 empfohlen, die Aussaat besser noch einige Tage zu verschieben als diese zu nass durchzuführen. Gut etablierte Bestände konnten nachfolgend von der ausreichenden Wasserversorgung und den gemäßigt-warmen Temperaturen profitieren. Der witterungsbedingt hohe Krankheitsdruck erforderte allerdings einen angepassten Pflanzenschutzeinsatz vor allem gegen Netzflecken und Zwergrost. Die Ernte erfolgte oft spät, aber unter meist guten Bedingungen. Die durchschnittlichen Erträge lagen fast 50% über denen des Vorjahres und deutlich über dem langjährigen Mittel. Auch die Hektolitergewichte waren meist ausreichend. Die Streuung zwischen teils sehr guten und eher schlechten Beständen war allerdings groß.
Ergebnisse der Landessortenversuche 2024
Die nordrhein-westfälischen Landessortenversuche mit Sommerfuttergerste zur Ernte 2024 erfolgten an den Standorten Haus Düsse (Ostinghausen) und Lemgo-Lieme. Die Aussaat erfolgte sobald es der Bodenzustand zuließ am 20. März und am 17. April, jeweils mit 320 keimfähigen Körnern/m². Aufgrund der besseren Aussaat- und Standortbedingungen entwickelte sich auf Haus Düsse ein ausreichend dichter Bestand, der zur Ernte am 23. Juli durchschnittlich 63,3 dt/ha erzielte. Die Ertragsleistung in der reduzierten Pflanzenschutzintensität ohne Fungizide und mit geringem Wachstumsreglereinsatz war an diesem Standort um fast 40% reduziert. Beim zweiten Versuch in Blomberg führten die spätere Aussaat und schwierigeren Umweltbedingungen zu einer deutlich späteren Ernte am 22. August mit einer durchschnittlichen Ertragsleistung von nur 40,1 dt/ha bei intensivem und 34,5 dt/ha bei reduziertem Pflanzenschutz. Die durchschnittlichen Hektolitergewichte lagen bei 63,4 kg beziehungsweise 57,0 kg an den beiden Standorten. Obwohl sich beide Versuche gut auswerten ließen zeigten einige Sorten deutliche Unterschiede in der relativen Ertragsleistung. Dies gilt teils auch für die insgesamt 5 weiteren Versuche aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein, die in die mehrjährige Auswertung mit einbezogen wurden.
Sortenempfehlungen
Beim der Sortenwahl für Sommergerste zur Futternutzung sind vor allem ein hohes Ertragspotential und eine gute Ertragsstabilität unter verschiedenen Umweltbedingungen entscheidend. Dies beinhaltet auch eine hohe Standfestigkeit und Strohstabilität sowie eine möglichst geringe Anfälligkeit gegenüber den wichtigsten Blattkrankheiten. Bei einer geplanten Vermarktung der Ernte ist darüber hinaus ein hohes Hektolitergewicht vorteilhaft zu bewerten. Abgesehen von den „echten“ Sommerfuttergersten werden in den Landessortenversuchen auch mehrere Sorten geprüft, die sich bei ausreichender Qualität theoretisch auch als Braugerste und damit zu deutlich höheren Preisen vermarkten lassen.
RGT Planet bleibt nach wie vor die wichtigste Sommerfuttergerste am Markt, wird aufgrund der abnehmenden relativen Ertragsleistung und der insgesamt leicht unterdurchschnittlichen Anbaueigenschaften (Standfestigkeit, Strohstabilität, Blattgesundheit) allerdings nur noch eingeschränkt empfohlen. Positiv zu bewerten sind, abhängig von der Anbau- und Vermarktungssituation, die etwas frühere Reife und das leicht überdurchschnittliche Hektolitergewicht. Saatgut ist in ausreichender Menge vorhanden.
Kimberly erzielt durchschnittlich ähnliche Ertragsleistungen wie RGT Planet, ist im direkten Vergleich aber standfester, strohstabiler und weniger anfällig gegenüber Netzflecken und Zwergrost. Die Sorte ist nur als Futtergerste zu vermarkten und die Saatgutverfügbarkeit begrenzt.
Lexy wird als Sommerfuttergerste nur eingeschränkt empfohlen und ist vor allem für Betriebe interessant, die über eine alternative Vermarktung als Braugerste nachdenken. Die Sorte erzielt mehrjährig ähnliche Erträge wie RGT Planet und ist relativ standfest, aber nur durchschnittlich strohstabil und blattgesund. Das Hektolitergewicht ist im direkten Vergleich zu den anderen Sortenempfehlungen etwas geringer. Die hohen Saatgutvermehrungsflächen dienen bevorzugt dem Braugerstenanbau.
LG Rumba erzielt auch im dritten Prüfjahr überdurchschnittliche und vor allem in Nordrhein-Westfalen sehr hohe Kornerträge. Die Sorte ist relativ standfest sowie weniger anfällig gegenüber Zwergrost und erreicht daher auch bei reduziertem Pflanzenschutzeinsatz ein ausreichendes Ertragsniveau. Darüber hinaus erzielt LG Rumba zuverlässig ein etwas höheres Hektolitergewicht als die meisten aktuellen Sorten. Die aufgrund der überzeugenden Sortenleistung erteilte Hauptempfehlung wird durch die relativ geringe Saatgutverfügbarkeit und gegebenenfalls die etwas spätere Reife etwas eingetrübt.
LG Caruso ist wie Lexy eigentlich eine Sommerbraugerste, wurde aufgrund der guten Gesamtleistung aber zusätzlich in die Sortenprüfung für Sommerfuttergerste aufgenommen. Die Sorten überzeugt im ersten Prüfjahr mit guten Erträgen, einer hohen Standfestigkeit und Strohstabilität sowie einer geringen Anfälligkeit gegenüber Zwergrost. Die Sorte ist ähnlich wie LG Rumba etwas später in der Abreife und wird in der Beschreibenden Sortenliste mit einem nur durchschnittlichen Hektolitergewicht angegeben, Der hohe Vollgersteanteil hingegen erleichtert die Vermarktung als Braugerste.
Sommergerste bereits im Herbst säen?
Die Zunahme von herbizidresistenten Ackerfuchsschanzpopulationen und der zu erwartende Wegfall des Wirkstoffs Flufenacet können die Ungrasbekämpfung in Wintergerste deutlich erschweren. Der ein oder andere Landwirt mit Problemflächen wird daher mit dem Gedanken spielen, statt die Aussaat der Wintergerste weiter nach hinten zu verschieben alternativ eine späte Herbstaussaat von Sommergerste anzustreben. Dieser Ansatz wird regional bereits für Sommerbraugerste angewandt und Sorten wie RGT Planet, Lexy und LG Caruso werden als mögliche „Wechselgersten“ beworben. Die bisherigen Versuche und Erfahrungen aus der Praxis zeigen allerdings, dass die Aussaat von Sommergerste im Herbst unter nordrhein-westfälischen Anbaubedingungen und vor allem in den Mittel- und Höhenlagen mit einem erhöhten Aussaat-, Auswinterungs- und Befallsrisiko mit Rhynchosporium verbunden ist. Die Erträge sind durchschnittlich nicht besser zu bewerten als eine verspätete Aussaat von Wintergerste und bei der Nutzung als Futtergerste sind selten höhere Marktpreise zu erwarten.
- Tabellen: Landessortenversuche Sommerfuttergerste 2024
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- Druckversion: Sommerfuttergerste - Ergebnisse der Landessortenversuche 2024
75 KByte
- www.sortenberatung.de
Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch