Landessortenversuche Sommerhafer 2024

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Hafer gilt in Getreidefruchtfolgen als Gesundungsfrucht

Aufgrund der schwierigen Aussaatbedingungen für Wintergetreide erhöhte sich zwar die Anbaufläche für Sommerweizen und -gerste, der Anbau von Sommerhafer aber stagnierte mit etwa 6.400 ha auf dem mehrjährigen Niveau. Die Ernte fiel aufgrund der milden Temperaturen und guten Wasserversorgung überdurchschnittlich gut aus und reichte aus um den begrenzten Futterhafermarkt zu bedienen.

Mai kühl und nass…

…füllt Scheune und Fass. Diese alte Bauernregel gilt für kaum eine Kultur so sehr wie für den Hafer. Zwar war der Mai 2024 mit durchschnittlich 15,2 °C eigentlich viel zu warm, kurzfristige Hitzephasen blieben aber aus und vor allem die hohe Wasserversorgung begünstigte eine gleichmäßige Bestandesentwicklung. Voraussetzung dafür war eine zeit- und bodengerechte Aussaat. Da Sommerhafer überwiegend auf leichteren Standorten angebaut wird ließ sich diese meist besser realisieren als bei den anderen Sommergetreiden. Mehltau und gelegentlich auch Haferkronenrost ließen sich zwar in einigen Beständen beobachten, führten aber nur selten zu relevanten Ertragsverlusten und auch der Befall mit Getreidehähnchen blieb meist unter dem Bekämpfungsrichtwert. Lager trat vor allem in spät beernteten Beständen oder nach Starkniederschlägen auf. Der Ertrag wurde bei schwankenden Bestandesdichten maßgeblich durch die Kornzahl/Rispe beeinflusst und lag mit durchschnittlich 55,0 dt/ha mehr als 40% über dem Ertrag des Vorjahres und fast 15% über dem langjährigen Mittel. Die guten Erträge gingen mit durchschnittlichen Qualitäten einher, die nicht immer für eine abschlagsfreie Vermarktung genügten.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2024

Die nordrhein-westfälischen Versuche mit Sommerhafer wurden wie üblich an drei Standorten angelegt: Auf Gut Ving (Nörvenich) im Rheinland, in Südwestfalen auf Haus Düsse (Ostinghausen) und in Ostwestfalen in Lemgo-Lieme. Die Aussaat erfolgte am 9. April, 20. März und 17. April mit 300 keimfähigen Körnern/m² auf Gut Ving und Haus Düsse und 370 keimfähigen Körnern/m² in Lemgo-Lieme. Der späte Aussaattermin in Lemgo-Lieme resultierte hauptsächlich aus den schwierigen Aussaatbedingungen auf der stark durchnässten Versuchsfläche. Der Feldaufgang war überwiegend zufriedenstellend und die weitere Bestandesentwicklung erfolgte, begünstigt durch die gleichmäßigen Temperaturen und gute Wasserversorgung, weitestgehend normal. Bei dem Versuch auf Gut Ving zeigte sich allerdings ein Einfluss von Bodenschadverdichtungen, die in Kombination mit Wachstumsreglerstress letztlich dazu führten, dass der am 16. August beerntete Versuch nicht ausgewertet werden konnte. Der Versuch auf Haus Düsse wurden bereits am 29. Juli beerntet. Durch eine sehr hohe Kornzahl/Ripse wurde ein durchschnittliches Ertragsniveau von 82,6 dt/ha erreicht. Auffällig war der relativ hohe Mehrertrag durch Fungizide und Wachstumsregler von durchschnittlich 18% bei nur geringem Krankheitsbefall. Dieser ließ sich wahrscheinlich auch auf einen „greening“-Effekt in der behandelten Stufe zurückführen. Lager trat in diesem Versuch nicht auf. Bei dem Versuch in Lemgo-Lieme lagen die durchschnittlichen Erträge mit 52,6 dt/ha bei intensivem und 47,2 dt/ha bei reduziertem Pflanzenschutz insgesamt deutlich geringer. Dies ließ sich überwiegend durch die schwierige und späte Aussaat sowie das frühe Auftreten von Lager in Kombination mit einer relativ späten Ernte erst am 22. August erklären. Die Ergebnisse der nordrhein-westfälischen Sortenversuche mit Sommerhafer werden für die mehrjährige und länderübergreifende Auswertung durch insgesamt 6 weitere Versuche auf mittleren bis schweren Böden und 4 Versuche auf leichten Böden aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hessen ergänzt.

Sortenempfehlungen

Bei der Sortenwahl in Sommerhafer, geht es vor allem darum, einen Kompromiss zu finden: Frühe Sorten reduzieren zwar potentiell den negativen Einfluss von Trocken- und/oder Hitzephasen, sind aber oft weniger standfest. Späte Sorten hingegen können durch die Reifeverzögerung des Strohs ebenfalls Probleme bei der Ernte bereiten. Darüber hinaus ist für die Sortenwahl entscheidend, ob die Ernte inner- oder zwischenbetrieblich genutzt werden kann oder als Futter- oder Schälhafer vermarktet werden soll.  

Max bleibt trotz zunehmender Konkurrenz die wichtigste Sorte am Markt, kann aber ertraglich nur noch eingeschränkt überzeugen. Dass die Sorte trotz der geringen Standfestigkeit und Strohstabilität und der erhöhten Mehltauanfälligkeit nach wie vor zu den Hauptempfehlungen zählt wird liegt zum einen an der frühen Reife, die in vielen Anbausituationen positiv zu bewerten ist, und zum anderen an dem hohen Hektolitergewicht, das häufiger als bei anderen Sorten eine abschlagsfreie Vermarktung ermöglicht. Max wird sowohl als Futter- als auch als Schälhafer nachgefragt.

Lion ist aufgrund der nur leicht unterdurchschnittlichen Ertragsleistung aber sehr hohen Schäleignung vor allem für Betriebe interessant, die eine Vermarktung für die Nahrungsmittelverarbeitung anstreben. Die Sorte ist deutlich später reif als Max, dafür aber überdurchschnittlich standfest und strohstabil. Bei der Kulturführung ist die relativ hohe Mehltauanfälligkeit zu beachten. Das Hektolitergewicht ist hoch.

Magellan ist die Hauptempfehlung für Betriebe, die gezielt Futterhafer anbauen möchten und diesen entweder selbst nutzen oder direkt vermarkten. Die etwas spätere Sorte erzielt hohe und stabile Erträge sowohl auf mittleren als auch auf leichten Böden. Die Standfestigkeit ist durchschnittlich. Magellan ist etwas anfälliger für Mehltau und erreicht nur ein leicht unterdurchschnittliches Hektolitergewicht.

Scotty (W) ist der einzige aktuell geprüfte Weißhafer. Die spätere Sorte kann ertraglich überzeugen und ist darüber hinaus standfest und strohstabil sowie resistent gegenüber Mehltau. Bei einer geplanten Vermarktung ist das geringe Hektolitergewicht negativ zu bewerten. Saatgut ist nur begrenzt erhältlich.

Platin erzielt im dritten Prüfjahr erneut nur leicht unterdurchschnittliche Erträge und wird daher trotz der mittleren bis guten Anbau- und Qualitätseigenschaften nur eingeschränkt und bevorzugt für den Anbau auf leichten Standorten empfohlen. Die Sorte ist relativ früh, ausreichend standfest und blattgesund.

Asterion erzielt als relativ späte Sorte auf besseren Standorten durchschnittliche Erträge und wird auf diesen eingeschränkt für den Anbau empfohlen. Auf leichteren Standorten hingegen konnte die Sorte vor allem zur Ernte 2023 nicht überzeugen. Positiv zu bewerten sind die relativ gute Schäleignung und hohe Mehltauresistenz. Das Hektolitergewicht ist durchschnittlich. Saatgut ist ausreichend vorhanden.

Karl kann zur Ernte 2024 nicht ganz an die sehr guten Ergebnisse des Vorjahres anschließen, überzeugt aber nach wie vor mit leicht überdurchschnittlichen Erträgen, einer starken Mehltauresistenz und einem hohen Hektolitergewicht. Die sehr gute Schäleignung wirkt sich positiv auf die Vermarktbarkeit in die Nahrungsmittelverarbeitung aus. Die Saatgutverfügbarkeit ist hoch und bei guten Ergebnissen im dritten Prüfjahr ist es möglich, dass die Sorte zu einer Hauptempfehlung aufsteigen wird.

Caledon erzielt im ersten Prüfjahr leicht überdurchschnittliche Erträge bei insgesamt durchschnittlichen Anbau- und Qualitätseigenschaften. Die mittelreife Sorte bietet sich trotz der ebenfalls guten Ergebnisse in den Vorprüfungen zunächst nur für den kleinflächigen Anbau zur Probe an.

Sommerhafer in der Krise?

Der Nahrungsverbrauch an Hafer hat sich in den vergangenen 10-12 Jahren annähernd verdoppelt und lag zuletzt bei jährlich etwa 5-6 kg/Person. Gleichzeitig ist der Verbrauch an Futterhafer von mehr als 500.000 t auf unter 400.000 t zurückgegangen. Der durchschnittliche Selbstversorgungsgrad bei Hafer liegt rechnerisch bei 70-80%. Allerdings haben sich durch den veränderten Nutzungsbedarf die Ein- und Ausfuhren deutlich erhöht. Ursache dafür ist vor allem, dass sich die Anbaubedingungen für Sommerhafer in Deutschland zunehmend verschlechtern und dass die Qualitätsanforderungen der Schälmühlen einen erheblichen Anteil der inländischen Produktion von der Nahrungsmittelverarbeitung ausschließen. Daraus resultiert, dass von der gestiegenen Nachfrage nach Schälhafer bevorzugt einige Gunstlagen an den Küsten, in den Mittelgebirgen und dem Alpenvorland profitieren, in denen relativ zuverlässig ausreichende Qualitäten erreicht werden. Der in vielen Anbauregionen erzeugte Futterhafer hingegen wird zunehmend „am Markt vorbei“ produziert und lässt sich oft nur zu geringeren Preisen vermarkten.

Dieses Problem wird besonders in Nordrhein-Westfalen deutlich: Obwohl hier und in den angrenzenden Bundesländern mehrere Schälmühlen ansässig sind, beziehen diese den überwiegenden Anteil ihrer Rohware entweder aus anderen Regionen in Deutschland oder, weit häufiger, aus Skandinavien oder Kanada. Die nordrhein-westfälischen Landwirte hingegen produzieren vorwiegend Futterhafer, der dann fast ausschließlich in der Tierhaltung genutzt wird und zu einem geringeren Anteil auch exportiert wird.

Dass die Betriebe nicht einfach auf die Produktion von Schälhafer umstellen hat mehrere Ursachen:

Erstens sind die Qualitätsanforderungen der meisten Schälmühlen an die Rohware extrem hoch und oft erreicht daher nur ein geringer Anteil des in Nordrhein-Westfalen produzierten Hafers das geforderte Hektolitergewicht von mindestens 52 kg. Da eine Unterschreitung der Mindestanforderungen mit hohen Abschlägen einhergeht und der Anbau von Schälhafer oft über Verträge erfolgt, besteht für die Landwirte daher ein hohes Risiko diese nicht erfüllen zu können. Darüber hinaus bestehen historisch bedingt regional oft nur begrenzte Absatzmöglichkeiten für Schälhafer und die Konkurrenz zur ausländischen Ware ist vor allem bei den direkt an den großen Binnenhäfen gelegenen Mühlen sehr groß.

Zweitens haben sich die Umweltbedingungen für den Anbau von Sommerhafer in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend negativ entwickelt: Eine zu späte Aussaat aufgrund von nassen Wintern oder Hitze- und/oder Trockenphasen im späten Frühling und Sommer können sich vor allem beim Hafer sehr negativ auf Ertrag und Qualität auswirken. Besonders die guten Niederungsstandorte sind betroffen.

Drittens haben sich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen in einer Art und Weise verändert, die den Anbau von Sommerhafer immer weniger attraktiv macht: Dazu zählen zum einen die Regelungen zur Mindestbodenbedeckung und zum Zwischenfruchtanbau in nitratbelasteten Gebieten und zum anderen die fehlende Zulassung von gegen Ackerfuchsschwanz wirksamen Herbiziden.

Bei allen möglichen Problemen bietet der Anbau von Hafer aber auch einige Vorteile: Die geringen Boden- und Nährstoffansprüche ermöglichen die ackerbauliche Nutzung von Grenzstandorten und die relativ geringe Anfälligkeit gegenüber Blattkrankheiten reduziert den Pflanzenschutzbedarf. Innerhalb der Fruchtfolge trägt der Anbau von Sommerhafer zu einer Reduzierung des Befalls mit Wurzel- und Halmbasiskrankheiten im Wintergetreide bei. Auf geeigneten Standorten kann Hafer als Sommerung zum überjährigen Management von bestimmten Unkräutern und Ungräsern beitragen.

Winterhafer nur regional von Bedeutung

Winterhafer wird in Nordrhein-Westfalen durchschnittlich auf etwa 1.000-1.300 ha angebaut. Aufgrund des relativ hohen Auswinterungsrisikos konzentriert sich der Anbau auf das südliche Rheinland. Dort bietet die Aussaat im Herbst und die daraus resultierend frühere Bestandesentwicklung den Vorteil einer besseren Ausnutzung der Winterfeuchte und einer höheren Ertrags- und Qualitätssicherheit bei früh auftretenden Hitzephasen. Die Sortenwahl ist deutlich eingeschränkt: Fleuron und Eagle sind relativ frohwüchsig, langstrohig und erzielten in bundesweiten Versuchen überdurchschnittliche Erträge und zufriedenstellende Qualitäten. KWS Snowbird ist etwas langsamer in der Jugendentwicklung, anfälliger für Mehltau und erzielt meist etwas geringere Erträge. Rhapsody ist relativ kurzstrohig, reift später ab, und erreicht durchschnittlich nicht das Ertrags- und Qualitätsniveau der vorgenannten Sorten.

Hafer hat es schwer…

Der Anbau und die Vermarktung von Hafer sind in den vergangenen Jahren nicht einfacher geworden. Auf geeigneten Standorten lassen sich mit angepasster Sortenwahl und Kulturführung aber nach wie vor gute Erträge und ausreichende Qualitäten erzeugen. Der pflanzenbauliche Mehrwert von Sommerhafer als „Gesundungsfrucht“ kann sich darüber hinaus positiv auf die Fruchtfolge auswirken.

Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch