Landessortenversuche Sommerweizen 2024

SommerweizenBild vergrößern
Sommerweizen im Sortenversuch

Die Anbaufläche von Sommerweizen in Nordrhein-Westfalen hat sich zur Ernte 2024 von zuletzt unter 2.500 ha auf fast 10.000 ha erhöht. Ursache dafür war vor allem der sehr niederschlagsreiche Herbst und die daraus resultierend schlechten Aussaatbedingungen für spätes Wintergetreide. Obwohl in die Statistik per Definition auch erst ab Neujahr gesäter Winterweizen eingeht, bestätigt die vergangene Saison, dass Sommer- oder Wechselweizen in bestimmten Situationen nach wie vor Bedeutung haben.

Sommerweizen ist Notweizen

Der Anbau von Sommerweizen ist in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich zurückgegangen und lag in Nordrhein-Westfalen zuletzt nur noch bei durchschnittlich etwa 3.000 ha. Ursachen dafür sind vor allem das deutlich höhere Ertragspotential des Wintergetreides sowie die relativ geringe Ertragsstabilität der Sommerform. Darüber hinaus trägt die hohe Saatzeitflexibilität der meisten Winterweizensorten dazu bei, dass teils bis in den Januar hinein bevorzugt Winter- statt Sommerweizen angebaut wird.

Die Anbaufläche von Sommerweizen steigt daher nur und immer dann signifikant an, wenn die Aussaat des Winterweizens nicht möglich ist oder nachfolgende Umweltereignisse (Kahlfrost, Starkregen) den Feldaufgang oder die Bestandesentwicklung so stark beeinträchtigen, dass ein Umbruch erforderlich wird. Dies war in stärkerem Maße zuletzt 2012 und in geringerer Ausprägung 2018 zutreffend. In der Saison 2023/2024 waren es vor allem die anhaltenden Niederschläge, die eine zeitgerechte Aussaat des Winterweizens sowie von -triticale und -roggen verhinderten. Regional wurden zwar nach Zuckerrüben noch einige Bestände erst im Januar gesät, viele Betriebe entschieden sich aber spätestens dann auf die Sommerform zu wechseln. Da allerdings neben Nordrhein-Westfalen auch Niedersachsen und Schleswig-Holstein deutlich weniger Winterweizen gesät hatten als geplant, war Saatgut für Sommerweizen oft schwer erhältlich und oft mussten Kompromisse bei der Sortenwahl eingegangen werden.

Erst schlecht, dann doch noch gut

Die wassergesättigten Böden und über den Winter weiter anhaltende Niederschläge erschwerten allerdings auch für den Sommerweizen die zeitgerechte Aussaat im Frühling. Aufgrund der Befürchtung von weiteren Ertragsverlusten durch einen späteren Aussaattermin, geringe Bestockung und nachfolgende Hitze- oder Trockenphasen (wie zuletzt 2023) musste oft ein Kompromiss zwischen dem für ein gutes Saatbett erwünschten abgetrockneten Bodenzustand und dem für eine optimale Bestandesentwicklung erforderlichen frühen Saattermin eingegangen werden. Auch die bei einer späten Aussaat empfohlene Anpassung der Saatdichte war nur in dem Maße möglich, wie es die Saatgutverfügbarkeit zuließ.

Das zu diesem Zeitpunkt nicht vorherzusehende „englische Wetter“ mit ausreichenden Niederschlägen und ohne ausgeprägte Hitzephasen führte letztlich dazu, dass sich die meisten Bestände trotz der oft schwierigen Ausgangsbedingungen positiv entwickelten und häufig gute bis sehr gute Erträge erzielten, die in der Praxis fast 10% über dem 5-jährigen Mittel lagen. Die anhaltend feucht-warmen Bedingungen erhöhten zwar den Krankheits- und Lagerdruck, dem ließ sich aber mit einem angepassten Pflanzenschutzeinsatz erfolgreich begegnen. Der spätsommerliche Witterungsverlauf erlaubte ausreichende Erntefenster und damit waren auch die erreichten Qualitäten meist zufriedenstellend. Manch ein guter Sommerweizen erzielte damit in der vergangenen Saison ein besseres Ergebnis als der ein oder andere zu spät oder unter schlechten Bedingungen in den Boden gebrachter Winterweizenbestand.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2024

Aufgrund der geringen Anbaubedeutung finden die nordrhein-westfälischen Landessortenversuche mit Sommerweizen nur noch an zwei Standorten statt. Die Aussaat der rheinländischen Versuche auf Gut Ving (Nörvenich) erfolgte am 11. März und im ostwestfälischen Lemgo-Lieme am 14. März. Aufgrund der trotz der späten Aussaat schwierigen Standortbedingungen entwickelten sich beide Bestände allerdings nur mäßig. Daraus resultierten relativ geringe Erträge von durchschnittlich 47,8 dt/ha auf Gut Ving und 48,4 dt/ha in Lemgo-Lieme. Der Verzicht auf fungizide Pflanzenschutzmaßnahmen führte zu durchschnittlichen Ertragsverlusten von etwa 38% beziehungsweise 15%. Die zunächst sehr hohen Grenzdifferenzen konnten durch die statistische Auswertung unter Berücksichtigung von Bodenunterschieden teils deutlich reduziert werden. Die länderübergreifende Verrechnung wird durch zwei weitere Versuche aus Niedersachsen und einen Versuch aus Hessen ergänzt, in denen deutlich höhere durchschnittliche Erträge von 54,6 dt/ha bis 75,0 dt/ha erzielt wurden. Geprüft wurden insgesamt 8 Sommerweizensorten.

Sortenempfehlungen

Obwohl der meiste Sommerweizen traditionell eher qualitätsbetont angebaut wird umfasst das aktuell geprüfte Sortiment neben E- und A- auch mehrere B-Sorten. Alle empfohlenen Sorten werden vom Züchter als auch für die späte Herbstaussaat geeignet (Wechselweizen) beschrieben.

Licamero (A) erzielt nach langjähriger Prüfung inzwischen nur noch unterdurchschnittliche Erträge und ist darüber hinaus nur durchschnittlich standfest sowie relativ anfällig gegenüber den meisten relevanten Blattkrankheiten. Die Fallzahl und Fallzahlstabilität sind unterdurchschnittlich. Insgesamt wird die Sorte daher für die klassische Aussaat im Frühling nur noch eingeschränkt empfohlen. Als Wechselweizen für die Aussaat ab spätem Herbst hingegen erhält Licamero nach wie vor eine generelle Empfehlung.

KWS Carusum (E) ist der Sommerweizen für alle Betriebe, die auch bei hoher Ertragsprognose oder reduzierter Düngung zuverlässig gute Qualitäten vermarkten möchten. Die Sorte erzielt durchschnittlich etwa 5% geringere Kornerträge als KWS Jordum, Patricia oder Winx, überzeugt aber mit einer guten Blatt- und Ährengesundheit sowie sehr hohen Proteingehalten und Fallzahlen.

KWS Jordum (B) bestätigt auch im dritten Prüfjahr die bereits zur Aussaat im Frühling 2024 erteilte Hauptempfehlung als ertragsreicher und -stabiler Sommerweizen unter fast allen Bedingungen, Die Sorte ist überdurchschnittlich standfest, sehr blattgesund und fusariumresistent. Proteingehalte und Fallzahlen liegen auf einem vermarktungssicheren Niveau. Darüber hinaus erzielte KWS Jordum in den diesjährigen Spätsaatversuchen mit Winterweizen durchschnittliche Erträge als Wechselweizen.

Patricia (B) zeigt nach 3-jähriger Prüfung ein ähnliches Ertragspotential wie KWS Jordum und konnte zur Ernte 2024 in den nordrhein-westfälischen Versuchen sehr überzeugen. Die Sorte ist begrannt, relativ langstrohig und trotzdem überdurchschnittlich standfest. Patricia ist ausreichend blattgesund, im direkten Vergleich zu KWS Jordum allerdings etwas anfälliger gegenüber Gelbrost und Blattseptoria. Die Fallzahl ist durchschnittlich, war in der nassen Ernte 2023 aber deutlich reduziert.

Winx (A) erreicht ertraglich zwar das Niveau der beiden vorgenannten Sorten, ist im direkten Vergleich aber deutlich weniger standest sowie weniger blatt- und ährengesund und wird daher bevorzugt für Betriebe empfohlen, die bereit sind einen etwas intensiveren Pflanzenschutzeinsatz einzuplanen.

Mohican (A) überzeugt bereits im ersten Prüfjahr mit guten bis sehr guten Ertragsleistungen vor allem in den nordrhein-westfälischen und hessischen Landessortenversuchen. Die Sorte wird als einzige der aktuell zugelassenen Sommerweizen in der Beschreibenden Sortenliste 2024 mit einem Ertrag von 8/8 angegeben. Mohican ist überdurchschnittlich standfest und blattgesund und erreicht sichere Fallzahlen.

Darüber hinaus wurde nur in der Herbstaussaat die Sorte Broca (A) geprüft. Die relativ späte, standfeste und blattgesunde Sorte wird nach wie vor als Wechselweizen empfohlen. Alternative Sorten für die Herbst- und Winteraussaat sind unter anderem der oben beschriebene Licamero und KWS Jordum.

Winterweizen im Frühling säen?

Deutlich häufiger als üblich wurden die Landwirtschaftskammer NRW Berater zu Beginn der letzten Saison mit der Frage konfrontiert, bis wann sich im Januar, Februar oder sogar März auch noch ein Winterweizen säen lässt. Hintergrund war oft die Befürchtung, dass der gesäte Bestand keinen ausreichenden Vernalisationsreiz mehr erhält und daher statt zu Schossen und Ähren zu bilden in der vegetativen Phase verbleibt.

Auch wenn eine pauschale Antwort auf diese Frage schwierig ist, lässt sich insgesamt festhalten, dass der Vernalisationsbedarf der meisten aktuellen Sorten ausreichend gering ist, dass eine Aussaat bis Mitte Januar nur unter extrem ungünstigen Bedingungen zu Problemen führen kann. Allerdings steigt vor allem in den wärmeren Anbaugebieten mit zunehmend späterer Aussaat das Risiko, dass Sorten mit einem höheren Vernalisationsanspruch sich nicht mehr so entwickeln wie geplant. Da der Bedarf an dieser Information in normalen Jahren nur gering ist und spätestens ab Januar bevorzugt ein Wechselweizen angebaut werden sollte finden sich zum Vernalisationsbedarf nur selten offizielle Angaben. Dann hilft entweder eine direkte Anfrage beim Züchter/Vertreiber einer Sorte oder gegebenenfalls ein Blick in die französische Sortenbeschreibung. Dort wird auch für einige in Deutschland angebaute Sorten (z.B. Campesino (3), Chevignon (3), Celebrity (5), Complice (3), Mortimer (2), Obiwan (7), Pondor (3)) der Vernalisationsbedarf („Alternativité“, höhere Note = geringerer Vernalisationsbedarf) angegeben. Der Unterschied zwischen einer Sorte mit mittlerem Vernalisationsanspruch (Complice) und einer Sorte mit geringem Vernalisationsbedarf (Obiwan) zeigte sich beispielhaft auch in den Sommerweizenversuchen auf Gut Ving, in denen ein entsprechender Anhang erfolgte. Bei der extrem späten Aussaat im April bildete die erstgenannte Sorte selbst im August noch keine Ähren, sondern verblieb in der vegetativen Phase. Die zweite Sorte mit deutlich geringerem Vernalisationsbedarf hingegen hatte zumindest einige Ähren gebildet, blieb in der Entwicklung aber mehrere Wochen hinter den Sommerweizen zurück.

Perspektiven für Sommerweizen

Sofern keine stärkeren Auswinterungsereignisse bevorstehen wird der Anbau von Sommerweizen zur Ernte 2025 wahrscheinlich wieder auf das übliche Niveau von etwa 3.000 ha zurückgehen. Besonders nach sehr späträumenden Kulturen wie Körnermais oder Zuckerrüben behält er vor allem als Wechselweizen aber nach wie vor eine entsprechende Bedeutung. Zwar hat sich in der vergangenen Saison gezeigt, dass die meisten Winterweizensorten bei einem normalen Witterungsverlauf auch noch für eine Aussaat im Januar geeignet sind, dennoch bleibt vor allem bei kontinentaleren Sorten und sehr später Aussaat stets ein Risiko bestehen, dass die zur Ertragsbildung erforderliche Vernalisation ausbleibt.

Autor: Johannes Roeb, Heinz Koch