Wintertriticale und Winterroggen: Ergebnisse der Landessortenversuche 2024

Erntereife TriticaleBild vergrößern
Erntereife Triticale

Die nordrhein-westfälischen Anbauflächen für Wintertriticale und -roggen haben sich zur Ernte 2024 jeweils um etwa 30% auf 35.000 ha und 31.000 ha reduziert. Ursache für diesen starken Rückgang sind vor allem die regional sehr schwierigen Aussaatbedingungen, die vor allem eine Aussaat zu späteren Terminen weitestgehend verhinderten. Da beide Getreidearten und vor allem Roggen im Vergleich zum Weizen als weniger spätsaatverträglich gelten blieben extreme Spätsaaten häufig aus.

Zu nass für viel Ertrag

Wintertriticale und Winterroggen werden abhängig von den bodenklimatischen Bedingungen meist ab Ende September bis Mitte Oktober gesät. Auch aufgrund des fortschreitenden Klimawandels hat sich der optimale Aussaattermin in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend nach hinten verschoben. Wer allerdings im vergangenen Herbst zu lange gewartet hatte, fand spätestens ab Mitte Oktober kaum noch eine Möglichkeit die Aussaat unter trockenen Bedingungen durchzuführen. Da Wintertriticale und vor allem Winterroggen als nur eingeschränkt spätsaatverträglich gelten, erfolgten vor allem auf leichteren Böden noch einige „Kompromisssaaten“ sobald der Bodenzustand als ausreichend bewertet wurde. Aussaaten bis in den Dezember hinein blieben hingegen selten, da die meisten Betriebe spätestens zu diesem Zeitpunkt entschieden hatten, stattdessen bevorzugt Mais oder Sommergerste anzubauen.

Auch die frühzeitig etablierten Bestände litten nachfolgend unter der nassen Witterung. Besonders auf mittleren bis schwereren Böden führte anhaltende Staunässe zu einem schlechten Feldaufgang und durch Sauerstoffmangel bedingten Pflanzenverlusten. Die geschwächten Bestände reagierten darüber hinaus besonders empfindlich auf Herbizidmaßnahmen sowie die kurze Frostphase im Januar in den Mittel- und Höhenlagen. Zwar beschleunigten die überwiegend sehr warmen Temperaturen die weitere Entwicklung, spätestens im Frühling litten viele Bestände aber zusätzlich unter Nährstoffmangel. Dieser resultierte zum einen aus dem meist schwach entwickelten Wurzelsystem und den in tiefere Bodenschichten verlagerten Nährstoffen, zum anderen aber auch aus der witterungsbedingt oft erst späten organischen Düngung vor allem in den viehintensiven Regionen.

Rhynchosporium und Braunrost und in Triticale zusätzlich Mehltau und Blattseptoria traten bereits früh in den Beständen auf und erforderten je nach Sorte einen gezielten Pflanzenschutzeinsatz, um vor allem in geschwächten Beständen zusätzliche Ertragsverluste zu vermeiden. Gelbrost trat nur selten auf, während vor allem in den wärmeren Niederungslagen der Braunrost in einem bisher selten erfahrenen Maß auch den sonst als relativ gesund beschriebenen Roggen befiel. Der Lagerdruck war, trotz der guten Wasserversorgung insgesamt geringer als erwartet. Besonders in gestressten oder geschädigten Beständen kam es aufgrund der langen Blüte unter überwiegend feuchten Bedingungen regional zu einem im Vergleich zu den Vorjahren deutlich höheren und teils problematischen Mutterkornbefall.

Die Ernte erfolgte, trotz einiger niederschlagsbedingter Unterbrechungen, überwiegend ohne Probleme. Allerdings lagen die erreichten Hektarerträge durchschnittlich mindestens 5-10% unter denen des Vorjahres und dem langjährigen Mittel. Die deutlich geringere Gesamternte lässt sich vor allem auf die deutlich reduzierte Anbaufläche zurückführen. Die technischen Qualitäten waren meist ausreichend. Die strengeren Grenzwerte für Mutterkorn in Brotroggen wurden auf die Ernte 2025 verschoben.

Ergebnisse der Landessortenversuche 2024

Die nordrhein-westfälischen Landessortenversuche mit Wintertriticale und Winterroggen wurden fast alle im Zeitraum vom 05. bis 17.10.2023 gesät. Allein am Standort Greven verzögerte sich die Aussaat aufgrund anhaltender Niederschläge bis zum 03.12.2023. Die Saatdichte wurde entsprechend angepasst. Besonders die normalen Aussaaten entwickelten sich unter staunassen Bedingungen nur mäßig und erreichten oft nicht die angestrebten Bestandesdichten. Beim Winterroggen waren bereits in der Herbst- und Jugendentwicklung deutliche Sortenunterschiede zu erkennen. Die Wintertriticale LSV in Möhnesee-Berlingsen und Blomberg-Holstenhöfen sowie der Auswinterungs- und Boniturversuch in Marsberg-Meerhof zeigten darüber hinaus nach der Frostphase im Januar deutliche Kälteschäden, die wahrscheinlich durch Herbizidstress noch verstärkt wurden. Aufgrund des extrem hohen Braunrostdrucks im Winterroggen LSV auf Haus Düsse (Ostinghausen) wurde an diesem Standort eine vierte Fungizidmaßnahme in der hohen Pflanzenschutzintensität durchgeführt. Die Ernte erfolgte meist ohne Probleme, obwohl im Winterroggen LSV in Blomberg-Holstenhöfen deutliches Lager bonitiert wurde.

Die durchschnittlichen Erträge in den Wintertriticale LSV 2024 reichten von 78,9 dt/ha auf Haus Düsse bis 87,9 dt/ha auf Haus Riswick und lagen damit etwa 20% unter den Erträgen in 2023 und deutlich unter dem langjährigen Mittel. Der hohe Krankheitsdruck mit Mehltau, Blattseptoria, Rhynchosporium und Braunrost führte vor allem in den Niederungslagen zu deutlichen Mindererträgen bei reduziertem Pflanzenschutzeinsatz. Besonders anfälligere Sorten reagierten empfindlich. Die Ergebnisse werden um 6 weitere Versuche aus Niedersachsen ergänzt. Geprüft wurden insgesamt 10 Wintertriticalesorten, darunter 4 Neuzulassungen aus der Wertprüfung oder den EU-Sortenversuchen.

Bei den Winterroggen LSV 2024 lagen die durchschnittlichen Erträge zwischen 79,8 dt/ha in Greven und 94,3 dt/ha auf Haus Düsse und damit auf allen Standorten unter dem langjährigen Mittel. Der hohe Braunrostdruck auf Haus Düsse führte zu einem Minderertrag von 40% in der reduzierten Pflanzenschutzintensität ohne Fungizide. Die Ergebnisse aus Nordrhein-Westfalen werden durch 5 Versuche in Niedersachsen ergänzt. Die länderübergreifend beobachteten Unterschiede in der Bestandesentwicklung wirkten sich auch auf die Ertragsleistung der insgesamt 8 geprüften Sorten aus.

Sortenempfehlungen für Wintertriticale

Bei den aktuell geprüften Wintertriticalesorten fällt auf, dass diese sich in der Bestandesentwicklung, der Winterhärte und Standfestigkeit sowie in der Anfälligkeit gegenüber bestimmten Krankheiten und damit auch in ihrer potentiellen Ertragsleistung in den verschiedenen Anbaugebieten teils sehr deutlich unterscheiden. Bei der Sortenwahl sollten daher neben der landesweiten Sortenbeschreibung stets auch die eigenen oder regionale Anbauerfahrungen in die Überlegungen eingebunden werden.

Lombardo erzielt mehrjährig und über alle Anbaugebiete zwar nur durchschnittliche, dafür aber sehr stabile Erträge. Die relativ kurzstrohige Sorte mit durchschnittlicher Abreife wird darüber hinaus auch aufgrund ihrer sehr hohen Winterhärte und überdurchschnittlichen Standfestigkeit empfohlen. Aufgrund der insgesamt unterdurchschnittlichen Blattgesundheit und der hohen Anfälligkeit gegenüber Braunrost ist in der Kulturführung ein erhöhter Pflanzenschutzaufwand einzuplanen.

Ramdam erzielt nur noch durchschnittliche Erträge und hat sich in den Versuchen als auch in der Praxis als nicht besonders ertragsstabil herausgestellt. Ursachen dafür sind unter anderem die etwas geringere Winterhärte und die hohe Anfälligkeit gegenüber Mehltau. Die Sorte ist frohwüchsig, wirkt aufgrund der starken Triebreduktion aber oft etwas unruhig im Bestand. Ramdam ist mittel bis früh in der Abreife.

Rivolt erzielte zur diesjährigen Ernte und mehrjährig vor allem auf mittleren bis guten Böden sowie in den Mittel- und Höhenlagen überdurchschnittliche Erträge. Die Sorte ist in den Wuchseigenschaften etwa zwischen Lombardo und Ramdam einzuordnen und in der Abreife etwas früher als Lombardo. Die Winterhärte und Standfestigkeit sind ausreichend. Zu beachten ist vor allem die sehr hohe Anfälligkeit gegenüber Gelbrost, die in Befallsjahren einen gezielten Pflanzenschutzeinsatz erfordert. Die geringe Anfälligkeit gegenüber Braunrost und Ährenfusarium sind hingegen positiv zu bewerten.

Lumaco konnte zur diesjährigen Ernte nicht immer überzeugen, zählt mehrjährig aber nach wie vor zu den ertragsstärksten Sorten. Positiv zu bewerten ist besonders die sehr hohe Blattgesundheit der Sorte, obwohl vor allem gegenüber Rhynchosporium eine erhöhte Anfälligkeit besteht. Kritisch hingegen ist die geringe Winterhärte, die auch dazu beigetragen hat, dass die Erträge in den Mittel- und Höhenlagen zur Ernte 2024 geringer ausfielen als in den Vorjahren. Bei der Kulturführung ist darüber hinaus die hohe Lagerneigung der frohwüchsigen und langstrohigen Sorte zu beachten. Die Ertragsbildung basiert hauptsächlich auf einer hohen Kornzahl/Ähre. Der Proteingehalt ist überdurchschnittlich. Lumaco ist im Vergleich zu einigen anderen Wintertriticalesorten relativ auswuchsfest.

Tributo wird ausschließlich für die Mittel- und Höhenlagen und erzielt auf diesen Standorten regelmäßig überdurchschnittliche Erträge. Die Sorte ist breitwüchsig, winterhart und extrem spät in der Entwicklung und Abreife. Aufgrund der sehr hohen Blattgesundheit liegen die durchschnittlichen Mindererträge auch bei vollständigem Verzicht auf Fungizide bei unter 5%. Tributo entwickelt nur geringe Bestandesdichten und den Ertrag fast ausschließlich über eine hohe Kornzahl/Ähre und Tausendkornmasse.

Fantastico wurde zur Ernte 2024 erstmals in den Landessortenversuchen geprüft und überzeugt sofort mit deutlich überdurchschnittlichen Erträgen in allen Anbaugebieten. Die Sorte ist winterhart, standfest und bildet als Bestandesdichtetyp einen sehr gleichmäßigen Bestand. Fantastico ist etwas anfälliger gegenüber Mehltau, dafür aber robust gegenüber Gelb- und Braunrost, Rhynchosporium und Ährenfusarium. Da die Sorte bereits in den Wertprüfungen gute und stabile Erträge erzielte wird Fantastico bereits zur Aussaat 2024 für alle Anbaugebiete empfohlen. Die Saatgutverfügbarkeit ist begrenzt.

Die darüber hinaus geprüften Sorten Trias, Stelvio, SU Hubertus und Bicross konnten in den bisherigen Versuchen zumindest nicht in allen Anbaugebieten überzeugen und werden zunächst weiter geprüft.

Sortenempfehlungen für Winterroggen

Auch wenn in den diesjährigen Versuchen die KWS-Genetik nur leicht unterdurchschnittliche Erträge erzielen konnten, sind für eine zuverlässige Sortenempfehlung vor allem die mehrjährigen Ergebnisse zu beachten. Darüber hinaus rücken neben der Ertragsleistung und der Standfestigkeit zunehmend eine geringe Anfälligkeit gegenüber Braunrost und Mutterkorn in den Vordergrund der Sortenentscheidung.

KWS Serafino ist früh relativ blattgesund und erzielt nach wie vor durchschnittliche Erträge, wird aufgrund der geringen Standfestigkeit und Strohstabilität sowie der höheren Anfälligkeit gegenüber Braunrost allerdings nur noch eingeschränkt empfohlen. Positiv zu bewerten ist, vor allem bei einer geplanten Vermarktung für die Lebensmittelverarbeitung, die geringe Anfälligkeit gegenüber Mutterkorn.

KWS Tayo hat sich auch aufgrund der insgesamt durchschnittlichen bis guten Anbaueigenschaften als Standardsorte am Markt etabliert und bleibt trotz der etwas geringeren Ertragsleistungen zur Ernte 2024 eine der Hauptempfehlungen bei Winterroggen. Die Sorte ist ähnlich KWS Serafino etwas später in der Entwicklung und Abreife, dafür aber etwas kürzer und deutlich standfester und strohstabiler.

SU Perspectiv erzielt sehr konstant leicht überdurchschnittliche Erträge in allen Anbaugebieten und ist im direkten Vergleich zu KWS Tayo etwas frohwüchsiger, weniger strohstabil und dafür weniger anfällig gegenüber Mehltau. Die etwas höhere Anfälligkeit gegenüber Mutterkorn wird im Praxissaatgut durch die Beimischung von 10% Populationsroggen reduziert. Der Proteingehalt ist überdurchschnittlich.

SU Karlsson kann im zweiten Prüfjahr an die guten Ergebnisse der Ernte 2023 anschließen und wird daher ebenfalls für alle Anbaugebiete empfohlen. Die Sorte ist im direkten Vergleich zu SU Persoectiv etwas langstrohiger und später reif sowie weniger anfällig gegenüber Braunrost und Mutterkorn.

Die bereits mehrjährig geprüfte Sorte KWS Tutor kann aufgrund der deutlich geringeren Ertragsleistung nicht überzeugen und ist daher nur als Spezialsorte gegen Mutterkorn interessant. Die zur Ernte 2024 erstmals geprüften Sorten KWS Baridor und KWS Emphor sind beide relativ gesund, erzielten in der hohen Pflanzenschutzintensität aber nur unterdurchschnittliche Erträge und werden daher zunächst ein weiteres Jahr geprüft. Darüber hinaus könnte zukünftig auch die Sorte SU Erling interessant werden.

Autor: Johannes Roeb und Heinz Koch